Aufregung um Prostituierten-Liste
Innenministerium lässt in Wien Asylwerberinnen überprüfen - NGOs protestieren
Wien - Eine Liste mit Namen von über hundert angeblichen Prostituierten sorgt derzeit für Aufregung unter Asylwerberinnen und ihren Betreuern in Wien. Das Papier stammt aus dem Innenministerium und wurde vor rund einem Monat dem Fonds Soziales Wien (FSW) übermittelt, der in der Bundeshauptstadt die Asylwerberversorgung über hat - mit dem Auftrag festzustellen, ob die aufgelisteten Frauen tatsächlich der bezahlten Sexarbeit nachgehen.
Ist dies der Fall, so ist laut ministeriellem Begleitschreiben der Anspruch auf Grundversorgung streng zu überprüfen. Die Grundversorgung besteht aus Sozialversicherung und maximal 290 Euro pro Monat, jedes Einkommen, das 100 Euro monatlich übersteigt, wird davon abgezogen.
Befragungen
"Wir sollen die Frauen, wenn sie bei unserer Servicestelle vorsprechen, befragen, ob sie die Prostitution gewerbsmäßig ausüben und wie viel Einkommen sie daraus beziehen", schildert FSW-Sprecher Florian Winkler im Standard-Gespräch. Auch bei der von der Caritas betriebenen Servicestelle wird der Erhalt der Liste bestätigt. Schon 2004 sei ein solches Schreiben gekommen, zum Teil stünden jetzt dieselben Namen auf der Liste wie damals.
"Woher kommen die Namen auf der Liste?", fragt indes Renate Blum vom Wiener Verein Lefö, der unter anderem Sexarbeiterinnen berät. Die Daten der Frauen - übrigens zum Großteil Afrikanerinnen - könnten eigentlich nur von dorther stammen, wo sich Prostituierte registrieren lassen, wo sie ihren "Deckel" bekommen: von der Polizei. Im Innenministerium weiß man von Namenslisten nichts, bundesweit sei derzeit eine Grundversorgungsüberprüfung im Gang.
Stigmatisierend
"Eine solche Liste stigmatisiert die Frauen zutiefst", sagt Blum. Die Bemühungen von Lefö, Frauen aus der illegalen in die legale Prostitution zu holen, würden auf diese Art "zunichte gemacht". Im Jahr 2003 hatten Lefö-Mitarbeiterinnen mehrere Asylwerberinnen beim "Deckel" holen begleitet. Angesichts der Existenz von Listen würden diese und andere Frauen vielfach wieder die Illegalität vorziehen - "und wenn sie dann bei einer Razzia geschnappt werden, ist ihr Asylverfahren in Gefahr".
Die Lage der betroffenen Frauen - die unter Asylwerberinnen nur eine kleine Minderheit darstellen - sei alles andere als rosig, bestätigt Eva van Rahden vom Prostituiertenberatungsprojekt Sophie. Zur Sexarbeit kämen sie, weil sie wie alle Asylwerber keine Chance auf Jobs hätten. Der Gang in die Prostitution, die sie als "neue Selbstständige" ausüben, werde ihnen hingegen nicht verwehrt: "Wenn es sich herumspricht, dass die Frauen von der Liste Probleme bekommen, wird es mehr illegale Prostituierte geben", meint auch van Rahden. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 18.4.2007)
http://derstandard.at/?url=/?id=2846645
Aufregung um Prostituierten-Liste
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Aufregung um Prostituierten-Liste
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Die Indiskretionen mit Prostituierten-Listen scheinen wenn nicht System zu haben, aber häufiger vorzukommen.
Steuerlisten in Köln
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Prostituierten-Liste verletzt Datenschutz
Prostituierten-Liste verletzt Datenschutz
Experte Zeger empfiehlt: Fonds Soziales Wien soll "die Liste einfach wegwerfen"
Wien - Die über hundert Frauennamen umfassende so genannte Prostituierten-Liste aus dem Innenministerium, anhand derer - wie bereits berichtet - das Land Wien überprüfen soll, ob die angeführten Asylwerberinnen weiter Anspruch auf Grundversorgung haben, ruft Datenschützer Hans Zeger auf den Plan. Die Empfangsbehörde, der Fonds Soziales Wien, solle "die Liste einfach wegwerfen" empfiehlt er dringend.
Andernfalls würde sich der Fonds und somit das Land Wien einer "eklatanten Datenschutzverletzung schuldig machen". Fänden aufgrund der Auflistung wirklich Überprüfungen statt - noch dazu mit negativen Folgen für die Frauen -, "dann wäre das, als würden etwa bei der Strafhöhenbemessung von Schnellfahrern Steuerbescheide herangezogen, die den Verwaltungsbehörden von den Finanzämtern pauschal zur Verfügung gestellt wurden".
Dass Finanzämter solche Informationen gebündelt weitergeben könnten, sei "unserem Rechtsverständnis zufolge absurd", meint Zeger - auch wenn sich die Verwaltungsbehörden damit "viel Arbeit und Geld ersparen könnten". Ebenso fragwürdig - "und darüber hinaus an den Pranger stellend" - sei eine Auflistung mutmaßlicher Prostituierter durch das Innenministerium. Mit einem solchen Vorgehen verstoße auch das Ministerium gegen den Datenschutz.
Im Ministerium vermeint man, wie berichtet, nichts über die Asylwerber-Prostituiertenliste zu wissen, die dem Fonds dessen Angaben zufolge vor vier Wochen zugestellt worden ist. Um die Sachlage aufzuklären, kündigte die Wiener Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun am Mittwoch eine Anfrage an die zuständige Stadträtin Sonja Wehsely (SP) an.
Laut Korun besteht der "Verdacht, dass das Ministerium mit Druckausübung Geld zu sparen versucht". Immerhin gingen die Grundversorgungskosten für Asylwerber nach einem Jahr Bezug vom Land auf den Bund über. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe 19.04.2007)
http://diestandard.at/?url=/?id=2847945
Experte Zeger empfiehlt: Fonds Soziales Wien soll "die Liste einfach wegwerfen"
Wien - Die über hundert Frauennamen umfassende so genannte Prostituierten-Liste aus dem Innenministerium, anhand derer - wie bereits berichtet - das Land Wien überprüfen soll, ob die angeführten Asylwerberinnen weiter Anspruch auf Grundversorgung haben, ruft Datenschützer Hans Zeger auf den Plan. Die Empfangsbehörde, der Fonds Soziales Wien, solle "die Liste einfach wegwerfen" empfiehlt er dringend.
Andernfalls würde sich der Fonds und somit das Land Wien einer "eklatanten Datenschutzverletzung schuldig machen". Fänden aufgrund der Auflistung wirklich Überprüfungen statt - noch dazu mit negativen Folgen für die Frauen -, "dann wäre das, als würden etwa bei der Strafhöhenbemessung von Schnellfahrern Steuerbescheide herangezogen, die den Verwaltungsbehörden von den Finanzämtern pauschal zur Verfügung gestellt wurden".
Dass Finanzämter solche Informationen gebündelt weitergeben könnten, sei "unserem Rechtsverständnis zufolge absurd", meint Zeger - auch wenn sich die Verwaltungsbehörden damit "viel Arbeit und Geld ersparen könnten". Ebenso fragwürdig - "und darüber hinaus an den Pranger stellend" - sei eine Auflistung mutmaßlicher Prostituierter durch das Innenministerium. Mit einem solchen Vorgehen verstoße auch das Ministerium gegen den Datenschutz.
Im Ministerium vermeint man, wie berichtet, nichts über die Asylwerber-Prostituiertenliste zu wissen, die dem Fonds dessen Angaben zufolge vor vier Wochen zugestellt worden ist. Um die Sachlage aufzuklären, kündigte die Wiener Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun am Mittwoch eine Anfrage an die zuständige Stadträtin Sonja Wehsely (SP) an.
Laut Korun besteht der "Verdacht, dass das Ministerium mit Druckausübung Geld zu sparen versucht". Immerhin gingen die Grundversorgungskosten für Asylwerber nach einem Jahr Bezug vom Land auf den Bund über. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe 19.04.2007)
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Prostituierten-Liste: ÖVP für Vana "heuchlerisch"
Prostituierten-Liste: ÖVP für Vana "heuchlerisch"
Wiener Grüne Frauensprecherin fordert, dass legale Sexarbeit nicht zum Entzug der Grundversorgung für Asylwerberinnen führen darf
Die aktuelle Diskussion über den Entzug der Grundversorgung von AsylwerberInnen, die legal Sexarbeit ausüben, zeigt für Monika Vana wie viel Wert die ÖVP-Forderung nach Legalisierung der Sexarbeit ist, nämlich "nichts": "Die ÖVP ist hochgradig heuchlerisch. Man kann nicht gleichzeitig von der Legalisierung der Sexarbeit reden und im gleichen Atemzug Asylwerberinnen, die sich legal als Sexarbeiterin registrieren lassen, mit dem Entzug der Grundversorgung drohen", so die Grüne Wiener Stadträtin und Frauensprecherin in einer Aussendung.
Fallstricke für Asylwerberinnen
Die dubiosen Namenslisten des ÖVP-geführten Innenministeriums zeugen für Vana von einer menschenverachtenden Vorgangsweise. "Frauen, die mit einer ohnehin sehr schwierigen Lebenssituation konfrontiert sind, werden stigmatisiert und womöglich auch noch bestraft, weil sie den legalen Weg für Sexarbeit bestritten haben. Zudem wird SchwarzunternehmerInnentum indirekt gefördert, weil es AsylwerberInnen trotz jahrelanger Verfahren nicht erlaubt ist, legal zu arbeiten. "Das ist das völlig falsche Signal", kritisiert Vana weiter. "Bekanntlich ist Sexarbeit die einzige legale Möglichkeit neben der kontingentierten und zeitlich befristeten Arbeit als Taglöhnerin oder als Saisonarbeiterin in der Landwirtschaft oder im Tourismus. Statt den Arbeitsmarkt auch für Asylwerberinnen zu öffnen, werden sogar noch Fallstricke aus den wenig legalen Erwerbsmöglichkeiten gedreht", so Vana. Die Grüne schließt sich den Befürchtungen der Beratungseinrichtungen an, dass die Exekution dieser Grundversorgungsprüfung Frauen in illegale Arbeit und gefährliche Abhängigkeiten abgedrängt.
Verbesserungen im Fremdenrecht
Vana forderte daher von der zuständigen Stadträtin Wehsely, diese Grundsicherungsprüfaktion auf keinen Fall vollziehen zu lassen und den Generalverdacht von Asylwerberinnen zu nehmen, der Prostitution nachzugehen. Sie bekräftigte die Grüne Forderung nach einer sofortigen Entkriminalisierung von Sexarbeit und der gesetzlichen Anerkennung von Sexarbeit als Arbeit und forderte eine automatische Arbeitsbewilligung für alle rechtmäßig in Österreich lebenden Personen und Verbesserungen im Fremdenrecht. (red)
http://diestandard.at/?url=/?id=2853644
Wiener Grüne Frauensprecherin fordert, dass legale Sexarbeit nicht zum Entzug der Grundversorgung für Asylwerberinnen führen darf
Die aktuelle Diskussion über den Entzug der Grundversorgung von AsylwerberInnen, die legal Sexarbeit ausüben, zeigt für Monika Vana wie viel Wert die ÖVP-Forderung nach Legalisierung der Sexarbeit ist, nämlich "nichts": "Die ÖVP ist hochgradig heuchlerisch. Man kann nicht gleichzeitig von der Legalisierung der Sexarbeit reden und im gleichen Atemzug Asylwerberinnen, die sich legal als Sexarbeiterin registrieren lassen, mit dem Entzug der Grundversorgung drohen", so die Grüne Wiener Stadträtin und Frauensprecherin in einer Aussendung.
Fallstricke für Asylwerberinnen
Die dubiosen Namenslisten des ÖVP-geführten Innenministeriums zeugen für Vana von einer menschenverachtenden Vorgangsweise. "Frauen, die mit einer ohnehin sehr schwierigen Lebenssituation konfrontiert sind, werden stigmatisiert und womöglich auch noch bestraft, weil sie den legalen Weg für Sexarbeit bestritten haben. Zudem wird SchwarzunternehmerInnentum indirekt gefördert, weil es AsylwerberInnen trotz jahrelanger Verfahren nicht erlaubt ist, legal zu arbeiten. "Das ist das völlig falsche Signal", kritisiert Vana weiter. "Bekanntlich ist Sexarbeit die einzige legale Möglichkeit neben der kontingentierten und zeitlich befristeten Arbeit als Taglöhnerin oder als Saisonarbeiterin in der Landwirtschaft oder im Tourismus. Statt den Arbeitsmarkt auch für Asylwerberinnen zu öffnen, werden sogar noch Fallstricke aus den wenig legalen Erwerbsmöglichkeiten gedreht", so Vana. Die Grüne schließt sich den Befürchtungen der Beratungseinrichtungen an, dass die Exekution dieser Grundversorgungsprüfung Frauen in illegale Arbeit und gefährliche Abhängigkeiten abgedrängt.
Verbesserungen im Fremdenrecht
Vana forderte daher von der zuständigen Stadträtin Wehsely, diese Grundsicherungsprüfaktion auf keinen Fall vollziehen zu lassen und den Generalverdacht von Asylwerberinnen zu nehmen, der Prostitution nachzugehen. Sie bekräftigte die Grüne Forderung nach einer sofortigen Entkriminalisierung von Sexarbeit und der gesetzlichen Anerkennung von Sexarbeit als Arbeit und forderte eine automatische Arbeitsbewilligung für alle rechtmäßig in Österreich lebenden Personen und Verbesserungen im Fremdenrecht. (red)
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