Anthropologische Studien zu Sex und Beziehungen

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nicole6
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Anthropologische Studien zu Sex und Beziehungen

Beitrag von nicole6 »

[U]Anthropologische Studien zu Sex und Beziehungen[/U]

Ich stolpere ab und zu über Berichte, in denen über Sex und Beziehungen
in fremden Kulturen berichtet wird. Ich denke, dass dies auch einige Forumsbesucher
interessieren könnte. Hier werde ich also, falls es sich ergibt,
kurze Zusammenfassungen präsentieren. Die erste ist über die
Kaulong, ein Volk auf New Britain (ehemals Neupommern) im
Bismarck-Archipel von Papua-Neuguinea.
Der zweite Teil ist über die Laymi in den Hochanden von Bolivien.
Ich schrieb darüber schon im Italien-Thema, setze ihn aber zur Vollständigkeit ein,
da er so gut als krasser Kontrast zu den Gepflogenheiten der
Kaulong taugt, obwohl beides patriarchale Völker sind!


KAULONG KULTUR, NEW BRITAIN, (von Jane Goodale)

Das Volk der Kaulong lebt in den Urwäldern von New Britain. Ihre Hauptwohnstätten
sind Lichtungen, in denen sie Wohn- und Arbeitshütten konstruierten.
Diese Siedlung wird „Bi“ genannt.
Ab dem Alter von zehn Jahren tragen sie Schürzen, mit denen ihre Genitalien bedeckt sind.
Bei Männern sind sie aus Baumwolle, bei Frauen aus Pflanzenfasern.
Mädchen wie Jungs werden zur Aggressivität erzogen. Schon wenn sie gerade laufen
lernen, werden die Jungs dazu ermuntert mit Stöcken auf andere Jungs einzuschlagen,
und sich auch gegen diese Schläge zu wehren. Auch Mädchen sollen Jungs mit
Stöcken schlagen, aber die Jungs dürfen sich nicht dagegen wehren, sondern müssen weglaufen.
Die Männer erfanden einen Mythos der besagt, dass im Moment, wenn Mädchen mit der
Menstruation beginnen, sie die Umwelt verschmutzen und Krankheiten verbreiten,
welche zum Tod der Männer, aber nicht der Frauen führt. Deswegen müssen sich
Frauen während der Menstruation aus dem Bi entfernen und im Urwald alleine leben.

Die Frauen sollen auch alles unter ihnen vergiften, über dass sie gegangen sind.
Deswegen vermeiden Männer auf ihren Trips durch den Urwald unter gefallenen Bäumen
durch zu gehen: es könnte ja sein, dass eine menstruierende Frau darüber ging,
und dann müssten sie sterben! Männer würden auch nie etwas von einer Kochstelle
essen, die in einer Hütte liegt, in der einmal eine Frau gelebt hat, erkönnte sich
ja vergiften!

Wenn eine Frau schwanger wird, dann verbreitet die Frau,
dem Mythos nach, ihr Gift horizontal. Sex ist NUR in der Ehe
erlaubt, und dauert bis zum Tod!
Und das ist wörtlich zu nehmen. Wenn der Mann stirbt, dann ermordet ein männlicher
Verwandter des Mannes die Frau durch erdrosseln. Erst durch die Besetzung der
Engländer wurde dem Brauch ein Ende gesetzt. Wenn einer verheirateten Frau
heute der Mann stirbt, dann darf sie nicht mehr heiraten.
Sex innerhalb einer Familie wurde mit dem Tode bestraft. Die Todesstrafe bestand
auch für Sex zwischen Unverheirateten, bis die Engländer das abschafften.
Heute geschieht es nun häufiger, dass zwischen unverheirateten Paaren Sex stattfindet.

Es gilt als obszön, Interesse am Sex zu zeigen.
Jung verheirateten Paaren wurde für Wochen verboten nach der Heirat zu arbeiten.
Man nahm an, dass sie Sex hatten, so waren sie „unrein“, und die Frau könnte dann
den Bi vergiften. Wenn eine Frau wieder schwanger wurde bevor ihr voriges Kind
laufen konnte, wurde das neugeborene Kind ermordet.
Wenn eine Frau einen Mann haben wollte, dann musste sie ihn mit einem Messer
angreifen, und er musste fliehen, da er sich ja gegen Frauen nicht wehren durfte.
Falls ein Mann sich um eine Frau bemühte, wurde das als Vergewaltigung angesehen,
und auf die stand die Todesstrafe. Männer haben dort allgemein Angst vor der heirat.
Obwohl auf Sex außerhalb der Ehe die Todesstrafe stand, war der Grad an Eifersucht sehr hoch.
(Info: Jane C. Goodale: Gender, sexuality and marriage:
a Kaulong model of nature and culture; ; in: Nature, culture and gender,
Cambridhe University Press, USA, 1992,)



LAYMI-KULTUR, ANDEN, BOLIVIEN

Bei den Laymi gibt es nie elterliche Gewalt gegen Kinder,
in keiner Form, auch nicht abgemildert. Wenn Kinder etwas
tun was sie nicht sollten, dann wird es so angesehen, dass sie
es im Unwissen taten, und somit besser belehrt werden müssen.

Bei jungen Mädchen besteht keinerlei Wertzuordnung zur Jungfräulichkeit.
Die Mädchen können mit jedem Jungen, oder auch Mädchen, Sex praktizieren.

Wenn ein Mädchen mit einem Jungen Sex haben will,
dann gibt sie ihm mit Blicken zu verstehen was sie will.
Danach geht sie mit ihrer Herde auf die Auen, und der Junge
gibt an, dass er das mit seiner herde auch tut, selbst wenn er
kein einziges Tier hat!

Der Akt der "Verführung" ist eine Art "Verfolgung". Das Mädchen rennt weg,
und der Junge ihr hinterher. Wenn das Mädchen nicht weg rennt,
dann ist das ein Zeichen, dass sie sich nicht mehr für den Typen interessiert.

Bei der "Verlobung" gibt es keinen Austausch von Geschenken.
Stattdessen stiehlt eine Person der anderen ein Kleidungsstück,
und trägt es danach öffentlich.

Danach leben sie drei Jahre lang zusammen. Die Heirat erfolgt
im dritten Jahr, und die Ehe ist dann öffentlich.
Wenn sie sich vorher trennen, dann ist das auch ok, dann sollte
es eben nicht sein, und jede Person sucht sich einen neuen Partner.

Frauen gebären immer im Haus ihrer Mutter.

Wenn das Mädchen nach drei Jahren in die Heirat einwilligt,
dann ändert sich ihr Leben drastisch. Sie begibt sich dann
in totale Abhängigkeit des Ehemannes. Sie ist dann nur noch
seine Haushälterin ohne Bezahlung, und muss tun und lassen
wie es ihr Herr befiehlt. Sie darf z.B. nachts nicht mehr
alleine aus dem Haus gehen. Die Männer, welche dieses
Vorschrift für die Frauen erfunden haben, begründen es damit,
dass Nachts böse Geister herumschwirren, und ihre Ehefrau
schwängern wollen. Wenn sie dann ein Kind gebärt,
das aus dem Sexualakt der Frau mit dem Dämon resultierte,
dann besteht das Kind nur aus der linken Leibeshälfte, und hat Hundefüße.
Aus gleichem Grund sollen verheiratete Frauen nie allein schlafen.

Mit dieser Begründung schließen Männer ihre Frauen aus den
Machtpositionen aus, weil oft Nachrichten auch in der Nacht
überbracht werden müssen, und Frauen dabei gefährdet seien.

Wenn die jungverheiratete Frau einen Bruder hat, dann muss
er "den Diebstahl" des Gegenstandes "Schwester" rächen,
indem er bei der Hochzeit den Bräutigam attackiert.
Wenn der Bräutigam dabei verletzt wird, dann muss der Bruder
nachträglich Schadensersatz zahlen.

Man sieht also, auf einer Meta-Ebene ähneln sich die Strukturen
und die Legitimationsversuche der Männer in Bezug auf ihre
Erfindungen von Mythen und Gesetzen, mit denen sie ihren
Machtwahn verschleiern wollen.
Anstatt ihre Erfindungen als ihre Kreation auszugeben, wird der
Inhalt nach außen projiziert, um von den Schöpfern dieser
Geschichten abzulenken.

Mädchen (und Jungs) in jeder Gesellschaft werden durch die primäre
Sozialisation geprägt, und müssen dann später, sofern sie
Zugang zu Bildungseinrichtungem haben, die Inhalte dieser
Prägung hinterfragen, und zuweilen mit neuem Inhalt ersetzen.
Wenn dieser Zugang aber fehlt, und es keinen Zugang zu
alternativen Welterklärungen gibt, oder dieser Zugang aktiv
blockiert wird, dann bestehen dieses Systeme des Unhails weiter.

(Info : Barris, Olivia; the power of signs: gender, culture
and the wild in the Bolivian Andes; in: Nature, culture and gender,
Cambridhe University Press, USA, 1992,)

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Beitrag von nicole6 »

DIE GIMI-KULTUR, NEU GUINEA. Gilliison, Gilian.

(Vorbemerkung: im folgenden Text über die Gimi-Kultur gibt es zahlreiche eklatante
Widersprüche. Diese stammen nicht davon, dass ich den englischen Text nicht
verstanden habe, sondern ist die typische Struktur patriarchaler Mythen)

Die Gimi leben auf einem Hochplateau in Papua-Neuguinea. Die Kultur ist patrilinear
und patrilokal. Männer haben eine panische Angst vor Menstrualblut, Nach der Heirat
leben die Ehefrauen bei der Schwiegermute, Kindern, unverheirateten Frauen und
Schweinen. Männer vermeiden Speisen, welche für „weiblich“ gehalten werden.
darunter ist z.B. eine Pilzart, die wie eine Vagina , oder wilder Zucker, der nach
schwangeren Frauen riechen soll.

Männer glauben, dass sie die Natur und den Wohnungsbereich total beherrschen müssen.
Der Sex mit Frauen soll Ordnung ins Chaos der Welt bringen, aber Sex soll gleichzeitig die
Männer „vergiften“. Sie glauben, dass der Fötus alleine durch des Sperma erzeugt wird.
Die Frau sei nur wie die Erde, in die der Samen gesteckt wird.

Die Vagina der Frau wird von Männern gefürchtet, weil sie Blut ablässt. Dazu gehört
alles, was eine menstruierende Frau berührt. Während der Initiation von Jungs,
und zusätzlich öfters am Tag, betonen Männer wie gefährlich Menstrualblut sei.
Beim Menstruieren sollen die Frauen das Leben töten, was die Männer beim Sex
durch ihr Sperma in der Vagina „deponiert“ haben.
Frauen benutzen in dieser Zeit einen schwammartigen Pilz, den sie wie ein Tampon
benutzen. Männer kontrollieren oft die Fingernägel von Frauen, ob sie beim
Wechsel des Schwammes kein Blut darunter haben.
Bei der Initiation werd den Jungs zum Erbrechen gebracht, damit sie die Muttermilch
herauskotzen, um „Mann“ zu werden. Fortwährend lernen die
Jungs wie gefährlich Frauen sind, und wenn die Männer dann
abends ums Feuer sitzen, dann prahlen sie mit ihren Sexabenteuern.

Bevor christliche Missionare es verboten, hatten die Gimi extra Hütten für Sex.
In diesen Hütten mussten sich menstruieren Frauen aufhalten. Dort wurden sie
dann viel von den Männern besucht, um Sex zu haben, in einer Periode,
in der die Männer eigentlich Frauen vermeiden sollen, weil sie dann den Mann
mit dem Menstrualblut „vergiften“ würden.

Männer dachten sich dazu folgenden Mythos aus: früher gab es die „Wilde Frau“.
Sie war androgyn, sie hatte Penis und Vagina. Ihr Penis war wie eine Flöte.
Manchmal, wenn sie aus ihrer Hütte ging, legte sie die Flöte unter dem
Kopfkissen ihres Bettes ab. Ihr Bruder hat ihr eines Tages die Flöte gestohlen.
Er wollte die Flöte dann ausprobieren, bemerkte aber nicht, dass die
Schwester das Flötenende mit ihren Schamhaaren verstopft hat. Als er
dann zu blasen begann, wuchs ihm um den Mund ein Bart. Seither haben
alle Männer einen Bart.

Durch diesen Diebstahl hatte die Wilde Frau nur noch eine Vagina, und die
Männer hatten nun einen Penis. Aber die Wilde Frau blutet nun an der Stelle,
an der die Flöte vorher war.

Bei den Gimi gab es früher Kannibalismus. Wenn Frauen Männer aufgegessen
haben, dann sollen sie sich wieder „ihre „Flöte“ einverleibt haben. Einerseits
behaupten die Männer, dass Frauen sterile Behälter sind, in der ihr Sperma wie
ein Samen im Blumentopf wächst.
Andererseits sagen sie auch, dass die „Wilde Frau“ alles was zur Fortpflanzung
nötig ist, in sich hat, und der heutigen Frau nur die „Flöte“ fehlt, welche die
Männer gestohlen haben.

Wenn Männer mit Frauen Sex haben, dann geben sie ihr wieder ihre Flöte
zurück, was notwendig sei, damit neues Leben entsteht.
Diese Wissen, meinen die Männer, muss von Frauen geheim gehalten werden.
Sie sagen aber nicht, warum den Frauen geheim gehalten werden muss,
dass Männer früher einmal ihren Penis gestohlen haben!

(Gilliison, Gilian: Images of nature in Gimi thought.
in: Nature, culture and gender, Cambridhe University Press, USA, 1992,)

Nicole