Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Du willst aus dem Sexbusiness aussteigen und einen "bürgerlichen" Job annehmen - oder noch besser: dich gemeinsam mit anderen Aussteigern selbstständig machen? Möglicherweise wirst du hier entdeckt...
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floggy
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Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von floggy »

@annainga: mache ich doch gerne - auch wenn's eine Gratwanderung werden könnte. Ich bin der größte Angsthase den ich kenne. Ich kenne halt keinen größeren, weil man nicht ins Innere eines Menschen schauen kann. Und da spielt sich so viel ab. So unendlich viel. Und die Männer, die Sex gegen Geld in Anspruch nehmen, meine eigene Erfahrung mit mir selbst, machen sich keine Gedanken darüber. Erst wenn man anfängt, die Seiten zu wechseln, erkennt man, was es heißt, sich ins Abseits der Gesellschaft zu stellen, ein Lebenlang gegen deren verinnerlichte Vorurteile anzukämpfen, das auszuhalten und mit sich selbst auszudiskutieren was man landläufig Ambivalenz nennt. Und dann kommt ein Mann, und will einem mit seinem Kopfgequassel die Welt erklären. Da muß man schon sehr weit drüber stehen, dass es einen nicht stört. Mich stört auch die Art, wie Männer Sex machen. Es ist unglaublich lehrreich und heilsam, Sex mit Männern zu machen. Da verliert alles seinen Sinn, und wenn alles sinnlos geworden ist, fängt man an, nach dem Sinn zu suchen. Sex ohne Sinnlichkeit ist sinnlos. Ich danke Dir für Dein Interesse. Jetzt habe ich aber genug geschrieben.
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annainga
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Wenn ich dich richtig verstanden habe, findest du es falsch, dass sich die Männer-Kunden keine Gedanken über die Anbieter*innen machen. Mag sein, keine Ahnung, mir hat das nie viel ausgemacht, im Gegenteil, mich hats eher genervt, wenn Kunden mehr über die Hintergründe wissen wollten, vor allem, was in mir vorgeht, weil ich darüber mit einem Kunden eh nicht gesprochen hätte. Da waren mir die lieber, die einfach genießen wollten ohne zu hinterfragen. Für mich sind solche Kunden einfacher gewesen. Ich habe dieses Gefühl sehr gemocht, es hinzubekommen, dass die Kunden meine Dienstleistung gut fanden, dass ich sie zufriedenstellen konnte und dann auch noch gut bezahlten. Und dass es mir gut geht und ich nichts mache, was mir schadet, das habe ich versucht mit meiner Kundenwahl hinzubekommen. Was natürlich einige Male nicht gelungen ist, allein schon, weil ich ein kleiner Kapitalist bin und sehr umsatzorientiert war.

Was mich hauptsächlich an Sexarbeit gestört hat, war tatsächlich das, was du geschrieben hast - das im Abseits-Stehen. Es ist nie eine Selbstverständlichkeit über Sexarbeit zu sprechen wie über "normale" Arbeit. Wenn man einen tollen Tag hatte, super Kunden, finanziellen Erfolg, war das sehr schwer, das mit jemanden zu teilen. Weder Partner, noch Kinder, Freunde oder Bekannte können sich da mit freuen ..... es haftet dem immer etwas "Merkwürdiges" an. Es gab immer nur so 2 oder 3 Kolleginnen, mit denen ich über sowas reden konnte. Immerhin. Ich hatte eine Kollegin, die war sehr extravagant, ab und zu sind wir zusammen in die Sauna und die hat kein Blatt vorm Mund genommen und mir von ihrem Arbeitstag erzählt. Fand ich toll :-)

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floggy
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Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von floggy »

Im Abseits-Stehen muß nicht sein, das Leiden kann man sich ersparen, und, es ist gefährlich. Das hat, als der Menschenhandelsdiskurs in Deutschland für mich losging, ich hatte den ja um Jahrzehnte total verschlafen, auch ProstG 2001, den Staatsbürger in mir wachgerufen, und den Widerspruch, der sich aus meinen eigenen Erfahrungen als Lüstling in den 80er Jahren und dem, was Solwodi und Terres des Femmes mir weiß machen wollten, ergab. In meinem Beitrag vom 2018-12-10 21:19, habe ich mich betont von der politischen Seite gegeben, deshalb auch meine knappe Antwort, und nun wieder eine knappe Antwort: Nein, Männer-Kunden, wie Du, annainga, sie beschreibst, finde ich lächerlich, aber Männer-Kunden, die sich nicht Wegducken, und die die Interessen der Sex Workers' Rights Movement vertreten, finde ich super, wenn sie sich Gedanken machen. Ich räume ein, dass man Aussagen drehen und wenden kann, und ich bin ja auch ein gutes Beispiel dafür. Jetzt werde ich politisch und persönlich zugleich (mal versuchen). Mich hat gestört, als unser Kasharius die Begriffe Ausstieg und Berufswechsel zurechtrückte, und bin dabei selbst von der politisch korrekten Auffassung abgerückt, ja, in die persönliche subjektive Einsicht, dass einem der ganze Sex zum Hals raushängen kann, und auch über den Kopf wachsen kann, und dann entsteht zumindest bei mir der Reflex, nix wie weg, raus hier, an die frische Luft, Durchatmen, Rückzug, Alleinesein, am Besten für immer. Bis die Sonne wieder lacht, und einem nichts leichter fällt als wieder anzugreifen. Und da kann man nun wieder jede Aussage drehen und wenden, und alles ist richtig, und kann zugleich falsch sein. Wenn ich schreibe, dann verwende ich Ausstieg nicht. Wenn aber jemand anderes sich für dieses Wort entscheidet, lasse ich es stehen. Und ich weiß für mich, es gibt diese Frauen, die aus dem Sex Business aussteigen wollten, wie aus der Drogen- oder Alkoholsucht. Es gibt sie. Für sie ist Ausstieg noch das harmlosere Wort. Flucht würde sicherlich auch zutreffen. Aber wohin? Wie gesagt, das Leben läßt sich drehen und wenden, es ist für jeden was dabei.

Falls Du, annainga, einen Fürsprecher Deines gegenwärtigen Zwiespalts brauchst, darfst Du mich gerne in Anspruch nehmen. Da ich derartige Gespräche nie geführt habe, weil ich einfach kein Interesse daran hatte, macht es mich sicher, nichts gesagt zu haben, was Du glaubst, gehört zu haben. Sorry, ich weiß immer noch nicht wie ich es sagen soll - in was bin ich da nur hineingeraten? Wir hatten über Nebenjob und Hauptjob geredet. Das war Politisch gemeint. Nur so. Ich nehme das Hin und Her jetzt wirklich etwas (zu) tragisch, weil ich mich in meinem ganzen Sex Leben als Lüstling noch nie so mißverstanden gefühlt habe. Das muß an der Sch... Anonymität liegen. Ich stelle immer wieder fest, das Internet ist nichts für mich. Ich muß einen Menschen sehen, und spüren, und wahrnehmen können, und wahrscheinlich geht's dem Gegenüber mit mir genauso. Das fällt mir jetzt auch so nebenbei noch auf.

Hallo annaingo, hat mich gefreut mit Dir zu plaudern. Ich hoffe es geht Dir gut, und Du hast warme Füße.

Kann mir jemand sagen, wie ich mich nützlich machen kann? Vielleicht meine erste Frage in diesem Forum. Aber sie beschäftigt mich schon lange, seitdem es keine Flugblätter mehr zu verteilen gibt.
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annainga
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Für ein Gespräch ist das Forum natürlich nur bedingt geeignet und auch das mit dem Mißverstehen kann ich nachvollziehen, weil es sehr schnell passiert, dass man etwas hineinliest, was gar nicht da steht oder andersherum etwas schreibt, was man so nicht meint. Dennoch mag ich das Schreiben im Forum sehr - ich bemühe mich manchmal, konzentriert aufzuschreiben, was meiner Meinung nach wichtig sein könnte oder was mich beschäftigt und wo ich mir Unterstützung durch andere Meinungen von außen erhoffe.
Danke jedenfalls für deine Anregungen und Sichtweisen, ich freu mich auch, mit dir zu plaudern - du schreibst es in der Vergangenheit - wenn ich das richtig verstehe, möchtest du hier nicht "weiterplaudern", weil du es zu schwierig findest ... ?
Ich denke, es ist schon sehr nützlich, wenn wir Sexarbeiter*innen uns vernetzen, austauschen, treffen. Beim BesD zum Beispiel gibt es jede Menge ehrenamtliche Arbeit.

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Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von floggy »

Hallo annainga, ist schon gut, mache Dir keinen Kopf. Habe gerade Beiträge von Dir von 2007 gelesen. Bist ja eine Schreibmaschine, und ein Wirbelwind. Werde Deine Sachen gerne lesen. Mir gefällt, wie Du schreibst. Und ich finde Dich auch sehr vernünftig, und geladen mit Energie. Bist damit auf jeden Fall eine Bereicherung für das Forum.
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Danke für deine nette Beurteilung. Wobei ich bei "Wirbelwind" lachen muss, denn ich bin eher bekannt für meine Ruhe. Es war während des Studiums oft Stoff für Diskussionen, weil ich bei Gruppenarbeiten relativ häufig sagte "in der Ruhe liegt die Kraft" (weiß gar nicht von wem das ist) und mich nicht hetzen lasse. Schnell kann ich gar nicht. Nur hartnäckig.
Zurück zum Thema: von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin.
Für mich ists immer noch sehr schwer, ich habe wohl einen für mich ungeeigneten Arbeitsplatz und stehe natürlich noch unter dem "Realitätsschock", auf den mich meine Hochschule vorbereitet hat. Ich habe es nicht ernst genug genommen und versuche damit klar zu kommen. In solchen Momenten muss ich aufpassen, dass ich meine berufliche Vergangenheit nicht romantisiere.

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von friederike »

Ich kann Dich total gut verstehen. Alle, die von der Hochschule kommen, sind begeistert von dem, was sie gelernt haben, und müssen sich dann auf eine ganz andere praktische Welt einstellen. Dort sind oft ganz andere Dinge gefragt, und auch das Vorgehen ist komplett anders. Man denkt, das ist doch alles nicht gründlich, unordentlich - bis man merkt, dass man sich auf pragmatisches und schnelles Vorgehen einstellen muss, ganz anders als in der wissenschaftlich geprägten Hochschule.

Zweifel, ob der Arbeitsplatz geeignet für einen ist und umgekehrt, sind auch normal, habe ich erfahren. Man darf keine übereilten Entscheidungen treffen!

Und dass das Umfeld, in dem man sich zuhause gefühlt hat, romantisch wird ... das kenne ich auch nur zu gut :002

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Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von floggy »

Wiedereintritt in die Welt des Eros dürfte auch schon daran scheitern, dass einem die Stammkunden abhanden gekommen sind. Und nur aufgrund pflegeleichter Stammkunden, die man ausgewählt und sich gezogen hat, war's möglich, wenn ich das so richtig wiedergebe.

Zum Thema Nebenjob habe ich heute in meiner Gehaltsabrechnung die Bitte der Personalabteilung vorgefunden, aufgrund systemtechnischer Umstellung (wahrscheinlich wurden bei der Migration die Daten verschustert) alle Nebenjobs nochmals zu melden. Hurra! § 280 Auskunfts- und Vorlagepflicht des Beschäftigten im SGB IV macht's möglich.

Allen ein Frohes Fest, und bitte nicht böse sein
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Danke @friederike, das ist schön zu lesen, dass auch andere es schwierig finden. Insgesamt haben viele Verständnis für meine Unzufriedenheit (an manchen Tagen wäre sogar Verzweiflung die passende Beschreibung). Auch voreilige Entscheidungen sind falsch, das sehe ich genauso, aber die Probezeit beende ich schon durch eine vorherige Kündigung, habs aber gut überlegt und mit den Vorgesetzen besprochen. Zur Zeit sieht es am Arbeitsmarkt für Sozialarbeiter*innen sehr gut aus und ich stelle mich gerade darauf ein, dass es 2 oder 3 Jahre dauern wird, bis ich etwas für mich Passendes gefunden habe und bis dahin probiere ich halt einige Arbeitsstellen durch. Zum Glück interessiere ich mich sehr schnell für verschiedenste Handlungsfelder, ich bin kaum festgelegt.

Und deine Bedenken @floggy bzw. deine Aussage ein Wiedereintritt würde Scheitern, sehe ich genau andersherum. Ich weiß, dass ich jederzeit diese Tätigkeit wieder aufnehmen kann und durch den Umzug zwar nur einige Stammkunden reaktivieren könnte, dafür aber den "Neuen-Bonus" in der neuen Region habe. Das ist bei weiblichen Sexarbeiterinnen womöglich etwas einfacher als bei männlichen. Zudem kann ich jetzt ja mit dem Ettikett "Akademikerin" angeben :005

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von friederike »

Das Etikett "Akademikerin" ist wirklich wertvoll ... :004

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Meinen ersten Job nach dem Studium habe ich gekündigt, habe wieder ca 20 Bewerbungen geschrieben, was sehr lange gedauert hat (obwohl ich aus der ersten Bewerbungsrunde schon eine gewisse Übung hatte). Daraus haben sich 4 Bewerbungsgespräche ergeben, 2 Jobangebote und eines davon beginne ich am 1. März. Ich bin gespannt, ob es diesmal anders wird, ob sich meine Erwartungen ein klein wenig mehr erfüllen.
Den ersten trotzigem Impuls "dann gehe ich eben wieder anschaffen" habe ich erfolgreich bekämpft ..... , den ersten Realitätsschock verarbeitet und bin hoffentlich ein klein wenig besser für die Schwierigkeiten des Berufes als Sozialarbeiterin gerüstet.

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von hapebe »

Geatulation! Ich wünsche dir für März viel Erfolg und drücke dir die Daumen. :023
LG, Hans-Peter
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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von xtabay »

annainga hat geschrieben:
16.12.2018, 14:43

mich hats eher genervt, wenn Kunden mehr über die Hintergründe wissen wollten, vor allem, was in mir vorgeht, weil ich darüber mit einem Kunden eh nicht gesprochen hätte. Da waren mir die lieber, die einfach genießen wollten ohne zu hinterfragen. Für mich sind solche Kunden einfacher gewesen.
Sehe ich auch so.
Am nervigsten sind Kunden, die nicht einfach genießen wollen, sondern die darauf bestehen, die sie mich verwöhnen wollen ("Du sollst auch was davon haben") und unbedingt wollen, dass es für mich schön ist und das ich einen Orgasmus habe etc.
Ich will nicht so viel von mir Preisgeben und damit ich Sex richtig geil finde, brauche ich Vertrauen und Geborgenheit.

Ich hab den Eindruck, so ein Kunde drängt sich in eine Position, die ihm absolut nicht zusteht. Er ist nicht mein vertrauter Geliebter, dem ich meine intimsten Wünsche anvertraue und mein Herz öffne - er ist ein Kunde und er wird eine Stunde (bzw die vereinbarte und bezahlte Zeit) verwöhnt. Mehr nicht.

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von deernhh »

xtabay hat geschrieben:
12.01.2019, 16:37
Am nervigsten sind Kunden, die nicht einfach genießen wollen, sondern die darauf bestehen, die sie mich verwöhnen wollen ("Du sollst auch was davon haben") und unbedingt wollen, dass es für mich schön ist und das ich einen Orgasmus habe etc.
Ich will nicht so viel von mir Preisgeben und damit ich Sex richtig geil finde, brauche ich Vertrauen und Geborgenheit.

Ich hab den Eindruck, so ein Kunde drängt sich in eine Position, die ihm absolut nicht zusteht. Er ist nicht mein vertrauter Geliebter, dem ich meine intimsten Wünsche anvertraue und mein Herz öffne - er ist ein Kunde und er wird eine Stunde (bzw die vereinbarte und bezahlte Zeit) verwöhnt. Mehr nicht.
@Xtabay

Ist zwar Off-Topic bei diesem Thread hier, aber Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen und diese "Spezialkunden" sehr genau beschrieben.
Das erlebe auch ich immer wieder. Es ist anstrengend, diesen Kunden zu erklaeren, dass ER DERJENIGE ist, der verwoehnt werden moechte und nicht ich und dass ich bei wildfremden Herren ueberhaupt nie und nimmer "komme" (daher das staendige Schauspiel der Damen) und ich es auch nicht noetig habe, von denen extra an den Brustwarzen gezwirbelt oder am Kitzler extra geduebelt zu werden, und das jeden Tag. Und massiert werden will ich auch nicht. Und gefragt werden, was ich am liebsten sexuell mache, auch nicht (sage dann einfach, das,was in meinem Profil steht). Und gefragt werden, was meine sexuellen Tabus sind (sage dann einfach, das, was NICHT in meinem Profil steht).

Liebe Gruesse von deernhh

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von Kasharius »

@deernhh
@x-tabay

ich möchte Eure hier geschilderten Erfahrungen in keinster Weise der Lächerlichkeit preisgeben: Aber wenn Ihr wieder mal an so einen "mirbesorgten" Kunden geratet, stellt Euch vielleicht diese kleine Szene aus Orpheus in der Unterwelt von Jaques Offenbach vor; hier in einer alten DEFA-Filmversion. Vielleicht läßt ein dies dann so manches "Ist-es-für-Dich-auch-schön"-Geschafel erträglicher erscheinen...!?

Ich habe allerdings in meiner Zeit als Kunde auch versucht - durch Humor - für eine schöne Atmosphäre mitzusorgen!

Kasharius grüßt

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Achja, das Problem mit der Schauspielerei. Ich fand das auch einen der schwersten Punkte in der Sexarbeit. Wobei es da auch eine Parallele zur Sozialarbeit gibt. Ich war ja in einer 1 zu 1 Betreuung für eine Jugendliche, die wirklich krass anstrengend, agressiv, beleidigend war. Wenns auf den Feierabend zu ging, konnte ich meine Freude kaum verbergen. Schwierig, weil sie natürlich ihre Gründe hat so zu sein, auch lustig, freundlich und charmant ab und zu war und ich sie nicht verletzen wollte. Also habe ich immer versucht, meine Erleichterung zu verbergen. Schwierig, schwierig, aber ähnlich wie in der Sexarbeit finde ich.
@Kasharius, das Video habe ich mir jetzt zweimal angesehen, aber kapiere nicht, wie das weiterhelfen könnte. Erklär mal :-) bitte!

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von Ursa Minor »

Habe mir das Video jetzt auch angesehen. Es ist wohl der Schluss. "Mach das du wegkommst!" :003

Das habe ich seinerzeit mit der Ähnlichkeit zwischen SW und Sozialarbeit gemeint. Das psychologische Know-how unterscheidet sich nicht sehr. Braucht beides Empathie, gute Menschenkenntnisse und reichlich Nerven.
Dazu die Schauspielerei, weil man etwas geben muss/ soll, was einem nicht wirklich entspricht.

Viel Glück und Daumen drück für deinen weiteren Weg.

Grüsse
u.minor

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von Kasharius »

Na ja, ich versuch es mal: Jacques Offenbach http://www.operetten-lexikon.info/?menu=72&lang=1 der Komponist parodiert hier ja die klassisch-griechische Sagenwelt. Und in dieser Szene geht es ja um Schaumschlägerei: Hans Styks will Eurydike becircen, hat aber eigentlich nichts zu bieten (Ein armer Schatten kann nichts spenden, was ihm als Schatten übrig blieb...). Diese Form der Aufschneiderei, die mal Sympathisch, mal Unangenehm daherkommt, ist einem als SW und/oder Sozialarbeiterin (oder Anwalt...) vielleicht schon begegnet. Und dann geht einem vielleicht diese Arie durch den Kopf und zaubert einem ein Lächeln ins Gesicht. Das wäre meine Interpretation...

Kasharius grüßt

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von violet »

@annainga: Spät aber doch möchte auch ich dir alles Gute für deinen weiteren beruflichen Weg wünschen! Ich hab mir diesen Thread durchgelesen und finde es sehr hilfreich wenn man etwas über das danach erfährt.

Offtopic / BTW: Bei transsexuellen Hostessen wird von vielen Kunden erwartet, dass sie einen Orgasmus bekommen. Der Kunde kauft sich damit das Erlebnis dabei zu sein wenn die SW einen Höhepunkt bekommt und bezahlt auch dafür. Da hilft Schauspielerei herzlich wenig, weil der Kunde möchte 'the real Thing...'
~~~ Am Rande des Abgrunds ist die Aussicht sehr gut ~~~

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Re: Von der Sexarbeiterin zur Sozialarbeiterin

Beitrag von annainga »

Puh, das ist ja ziemlich anspruchsvoll. Gibts da gar keine Fake-Methode?

Und danke für dein Interesse. Ich habe mir vorgenommen, ab und zu zu schreiben, wie es mit dem Beruf als Sozialarbeiterin so klappt, nachdem ich fast 2 Jahrzehnte "Vollblut-Sexarbeiterin" war. Wobei ich dem Job immer sehr kritisch gegenüber stand und auch einige Male große Probleme hatte. Aber insgesamt stimmte das Verhältnis Dienstleistung / Geld / Belastung. Bei Sozialarbeit bin ich mir da nicht sicher.

Zumindest verstehe ich inzwischen sehr gut die oft gemachte Aussage von Kollegin Melanie, dass sie sich im Angestellten-Verhältnis viel mehr ausgebeutet fühlt als als Sexarbeiterin. Als Sexarbeiterin habe ich mich einige Male von mir selbst ausgebeutet gefühlt, selten von den Kunden und da konnte ich es besser abwehren als in der Sozialarbeit.

Die Ausbeutungs-Arbeitszeit-Modelle, die es in der Sozialarbeit gibt, kannte ich vorher nicht und bin darüber sehr wütend. Bin jetzt auch in der Sozialarbeiter-Gewerkschaft. Und so bin ich sehr gespannt, was auf mich ab 1. März wartet. Ich freue mich sehr über meine neue Stelle, habe ein gutes Gefühl und werde dann gerne hier berichten, vor allem über die Parallelen, die ich zwischen Sexarbeit und Sozialarbeit sehe.