Stellenangebot von Madonna e.V.

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Aoife
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Stellenangebot von Madonna e.V.

Beitrag von Aoife »

Hallo ihr Lieben,
ich habe folgende email bekommen, und nach Rückfrage auch die Erlaubnis sie hier einzustellen:

Liebe Frauen,

zum 01. September suchen wir eine neue Mitarbeiterin für die Gesundheitsberatung bei Madonna e.V. Die Stellenausschreibung findet ihr im Anhang.



Mit besten Grüßen

Dorothee Schmidt
Dateianhänge
Stellenausschreibung.pdf
(90.84 KiB) 542-mal heruntergeladen
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Marc of Frankfurt
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Verbesserungsbedürftige Stellenanzeige/-konzeptionierung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

[Nachgetragen und Korrigiert 30.6.: Diese Stellenanzeige ist gar nicht so unglücklich wie zuerst gepostet, das korrigiere ich, aber verbesserungsbedürftig und -fähig sind Stellenanzeigen und insbesondere die Konzeptionierung von SW-Stellen in den Sexworker-Anlaufstellen weiterhin.]

Interessant und auffällig ist die Unterscheidung und Spaltung zwischen Sexarbeiterinnen und Migrantinnen die hier sprachlich getroffen wird anklingt. Dabei gehören doch beide Personengruppen zur Zielgruppe, denen Beratungsstellen und Hilfsvereine wie Madonna e.V. direkt und indirekt helfen will und soll.
  • "Erfahrungen in Sexarbeit und/oder Migrationshintergrund sind sehr willkommen."
Nur Migrationskenntnisse scheinen demnach nicht auszureichen, um für die Stelle qualifiziert gefördert werden zu können.

Andersherum scheint Sexarbeitshintergund nicht sonderlich erwünscht und betont zu werden wollen und erstrecht ist Sexwork-Praxiserfahrung keine Einstellungsvoraussetzung [aufgrund gesetzlicher Vorgaben im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes und dem dahinter stehenden Tabu "Förderung von Prostitution" i.V.m. fehlenden Qualifizierungsmöglichkeiten im Berufsfeld Sexwork.]. Sexworkexpertise würden sich jedoch viele Sexworker so dringend als Klienten ("Kunden") von Sexworker-Hilfseinrichtungen wünschen: "von Sexworkern für Sexworker".

Wer als Sexworker will sich von einer Krankenschwester, Sozialfallmanagerin oder Pädagogin -mit immer auch amtlich erhobenem Zeigefinger- über Safer Sex und Gesundheit aufklären lassen, wenn das auch eine Sexworker-Kollegin und Ex-Sexarbeiterin leisten könnte? (Siehe auch die Themen Zwangsuntersuchung und Sexworker Academy.)


Hier folgt daher der obligatorische Link (PDF) wie es die Australier besser machen. Sie haben ihre wie in Deutschland von den Betroffenen selbst gegründete Beratungsinfrastruktur und Dachverbände fest in den eingen Händen der Sexworker und Ex-Sexworker behalten und sich nicht von den geldgebenden Ämtern und von Akademikern aus den Fachbereichen Sozialarbeit und -pädagogik wegnehmen lassen.

Sexwork-Experience ist essentielle Einstellungsvoraussetzung. Kenntnisse in Sozialarbeit und Gesundheitsprävention werden bei Bedarf zusätzlich durch interne berufsbegleitende Schulungen vermittelt. Also geradewegs umgekehrt wie es Madonna e.V. und alle anderen Sozialberatungsstellen hier in Deutschland machen:
Stellenangebote bei Jobs in Einrichtungen für Sexworker sollten vordringlich als Ausstiegschancen und Zukunftsperspektiven für Sexworker genutzt werden. Hier weitere gute und schlechte Beispiele (Hydra Berlin, Roxanne Koblenz):
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=50125#50125


Dieses Konzept heißt Affirmative Action Policy oder Sexworker-Selbstermächtigungs-Strategie (S³):
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=61768#61768


Auch dieses Stellenanzeige von Madonna e.V. war bereits zu kritisieren:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=94973#94973


Auf dieser akademischen Fachtagung lief es umgekehrt. Die australischen Sexworker klären die medizinischen Fachleute auf, was im Sexbiz wirklich Sache ist beim Thema Prävention:

Bild
Querverweis
: Sexworker-Kompetenzen


Evt. sollten wir von der Veröffentlichung von Stellenanzeigen, die Sexworker per se als nicht ausreichend qualifiziert ansehen um für Sexworker zu arbeiten, in Zukunft Abstand nehmen? Manche Sexarbeiter_in könnte es als Beleidigung ansehen, ständig sehen zu müssen wie andere an ihr vorbei Karriere machen können, während für Sexworker ein paar Exit-Programme von der Politik beworben werden:
www.sexworker.at/exit
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 30.06.2011, 09:34, insgesamt 3-mal geändert.

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Aoife
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Re: Unglückliche Stellenanzeige

Beitrag von Aoife »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Interessant und auffällig ist die Unterscheidung und Spaltung zwischen Sexarbeiterinnen und Migrantinnen die hier sprachlich getroffen wird. Dabei gehören doch beide Personengruppen zur Zielgruppe, denen Beratungsstellen und Hilfsvereine wie Madonna e.V. direkt und indirekt helfen will und soll.
  • "Erfahrungen in Sexarbeit und/oder Migrationshintergund sind sehr willkommen."
Nur Migrationskenntnisse scheinen demnach nicht auszureichen, um für die Stelle qualifiziert gefördert werden zu können.
Was sollten Migrationskenntnisse auch hier speziell nützen, die hat doch jeder Sozialarbeiter im Laufe seines Studiums erworben.

Dass eigener Migrationshintergrund als Bevorzugungskriterium genannt wird finde ich sehr positiv.
Und auch "Erfahrung in Sexarbeit" wird als Bevorzugungskriterium genannt, wobei sowohl eines als auch beide Kriterien zusammen (und/oder) positiv gewertet werden (wieso leitest du daraus eine "Spaltung" ab?), wobei Sexarbeit sogar an erster Stelle genannt wird.

Insofern kann ich die Kritik:
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Andersherum scheint Sexarbeitshintergund nicht sonderlich erwünscht und betont zu werden wollen und erstrecht ist Sexwork-Praxiserfahrung keine Einstellungsvoraussetzung
nicht nachvollziehen.

Nein, zur Vorraussetzung wird Sexarbeitserfahrung nicht gemacht, aber immerhin zum positiven Kriterium bei ansonsten gleicher Qualifikation.

Und dass ein entsprechendes abgeschlossenes Studium Vorraussetzung ist mag man zwar bedauern, aber Deutschland ist nun einmal nicht Australien, und es wäre IMHO absolut zu viel vom Stellenanbieter verlangt, wenn wir fordern, dass er zunächst einmal die deutsche Scheinchenmentalität des Geldgebers beseitigt bevor er eine Stelle ausschreibt.

Liebe Grüße, Aoife
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fraences
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Beitrag von fraences »

Die ideale Situation, wäre eine 50% -50% Stellenbesetzung. Es gibt tiefenpsychologische und medizinische Anforderungen, die man ohne Fachwissen nicht leisten kann, bzw.sollte. Dann gibt es Erfahrungen, die man nicht durch einem Studium vermittelt bekommen kann. Ich denke , die Ergänzung ist, das was anstrebenswert sein sollte.

Liebe Grüsse, Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Beitrag von Aoife »

          Bild
fraences hat geschrieben:Ich denke , die Ergänzung ist, das was anstrebenswert sein sollte.
Unbedingt, das sehe ich ganz genauso!

Nur: Einen solchen Stellenplan zu finanzieren ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Wenn eine Organisation, die eine akademische Stelle finanziert bekommt, versucht genau diese Ergänzung zu erreichen, indem sie über den Hochschulabschluß hinaus noch Sexworkerfahrung und/oder Migrationshintergrund wünscht, finde ich die Kritik "unglückliche Stellenanzeige" eindeutig an den falschen Addressaten gerichtet ... zumindest in meinen Augen ist das noch die vernünftigst möglich formulierte Stellenanzeige vor dem Hintergrund einer unglücklichen Gesellschaftsstruktur.

Und wenn man um der fortschrittlichen Ideologie Genüge zu tun die Anforderung "Sexworkerfhrung und/oder Migrationshintergrund" nicht als Wunschqualifikation benennt, sondern gleichwertig mit dem Hochschulabschluß als verpflichtend fordert, so könnte es leicht sein, dass sich überhaupt kein geeigneter Bewerber für diese Stelle findet, was der geplanten gesundheitlichen Aufklärung auch nicht förderlich wäre.

Liebe Grüße, Aoife
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Marc of Frankfurt
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muß mich korrigieren

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Aoife hat geschrieben:zumindest in meinen Augen ist das noch die vernünftigst möglich formulierte Stellenanzeige vor dem Hintergrund einer unglücklichen Gesellschaftsstruktur.

Stimmt und ich muß meine übereilte falsche Kritik korrigieren. Weil die Verhältnisse für Sexworker-Jobs in unseren Beratungsstellen so mies und faktisch die SW-Quote bei Null ist und ich über die Jahre fast keine Veränderung und Verbesserungen feststellen konnte, habe ich den Text beim schnellen posten schlicht falsch aufgenommen und statt Erfahrungen nur "Kenntnisse" gelesen, was eindeutig zu wenig wäre.

Das war mein Rezeptionsfehler und tut mir leid.

Ich wünsche mir dass es gelingt in Zukunft bessere Wege zu finden mehr Sexworker und Ex-Sexworker auf geeigneten Stellen in den doch teilweise unabhängigen Hilfsvereinen mitarbeiten zu lassen und einzubinden (Inklusion statt Exklusion). Z.B. mit einer Quote mit "50% -50% Stellenbesetzung" wie @fraences fordert.

Evt. kann man den kritisierten Satz in Zukunft noch progressiver, emanzipatorischer und expliziter formulieren:
  • "Sexarbeitspraxisexpertise und/oder Migrationshintergund sind sehr willkommen."
Selbst wenn das die spaltenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie Akademikerzwang für öffentlich finanzierte Stellen auf der einen Seite und fehlende Sexarbeiterqualifizierungsmöglichkeiten für uns SExperten der Prostitutions-Praxis nicht sofort zu überwinden hilft.





Infoladen und Ausstiegsprojekt "Can Do Bar" vom Sexworker-Hilfsverein Empower in Chiang Mai, Thailand hat vorbildliche Anstellungs- und Arbeitskonditionen:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=94006#94006
www.empowerFoundation.org/barcando_en.html

Vorbildliche Sexworker-Inklusion auch bei den 15 Anlaufstellen vom ToP (Targeted Outreach Programme) in Myanmar, welche auch mit Hilfsgeldern aus Deutschland finanziert werden:
  • “I am now a health worker for my community and I can forget I am positive. I am so proud to work for the programs, I will work for them for my whole life,”
said the 33-year-old former sex worker. The project recruits former and current sex workers to help educate others about HIV, spreading the message from a position of trust within the community:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=99156#99156
  • "It’s time to fund sex worker NGOs"
by Elena Jeffreys, the President of Scarlet Alliance, Australian Sex Workers Association:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=95744#95744

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Aoife
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RE: Stellenangebot von Madonna e.V.

Beitrag von Aoife »

Die Stelle ist vergeben - obiges Angebot also nicht mehr gültig.

Trotzdem denke ich sollten wir diesen thread hier stehenlassen, da er neben der reinen Info über ein Stellenangebot auch interessante Diskussionsaspekte enthält.

Hier noch die email von Mechthild dazu an uns:

Hallo Ihr Lieben,

wir haben die Stelle besetzt. Bitte nehmt die Anzeige raus. Die Diskussion darum war ja anregend! Wir werden das Thema Sexarbeit-Expertise noch mal beim Ministerium ansprechen. Und „Expertise“ ist wirklich die bessere Wortwahl.

Grüße an Euch und auch an Marc

Mechthild Eickel

Liebe Grüße, Aoife
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