Prostitution: Je geregelter desto besser?

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fraences
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Prostitution: Je geregelter desto besser?

Beitrag von fraences »

Prostitution: Je geregelter desto besser?

Akzeptiert man die Prostitution oder möchte man sie am liebsten aus der Gesellschaft verbannen? Egal: Das "Älteste Gewerbe der Welt" sei eine Tatsache, der man sich stellen müsse, meint der Christlichdemokrat Pius Segmüller –Verbesserungen seien nötig.

Für ihre Studie "Gewalt im Sexgewerbe" hat Eva Büschi von der Fachhochschule Nordwestschweiz Geschäftsführende von Sexdienstleistungsbetrieben befragt. Ergebnis: Wird Sexarbeit als Erwerbsarbeit anerkannt und das Gewerbe professionalisiert, kann Gewalt reduziert und die Stigmatisierung dieses umstrittenen Berufsstandes gemindert werden.

swissinfo.ch erörterte das Thema mit Nationalrat Pius Segmüller von der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), der vor zehn Jahren noch als Kommandant der Päpstlichen Garde in Rom waltete.

swissinfo.ch: Was ist Ihre persönliche Meinung zum Thema Prostitution?

Pius Segmüller: Es ist das älteste Gewerbe der Welt. Wir müssen dieses Gewerbe früher oder später korrekt anerkennen, damit es nicht in die Kriminalität abdriftet.

swissinfo.ch: Entspricht Ihre Ansicht der Linie Ihrer Partei, der CVP? Von ihr erwartet man doch eher eine päpstliche Position, also eine totale Ablehnung der Prostitution.

P. S.: Viele Leute haben zu diesem Gewerbe keinen positiven Zugang und betrachten es aus moralischer Sicht als verwerflich. Grundsätzlich ist das bei mir ähnlich. Aber man darf nicht blauäugig sein.

swissinfo.ch: Was würden Sie tun, um die gegenwärtige Situation zu verbessern?

P. S.: Die Prostitution gewinnt an Zuverlässigkeit und an Sicherheit, wenn sie sich nicht auf der Strasse abwickelt, sondern in Studios oder Bordellen.

swissinfo.ch: Sie waren mal Polizeikommandant der Stadt Luzern. Dort wurden Sie auch mit dem Thema Prostitution konfrontiert. Was für Erinnerungen bringen Sie mit?

P. S.: In Luzern gibt es einen offenen Strassenstrich. Wir haben auch Lokale, wo man sich treffen kann und Salons, wo die Prostitution betrieben wird. Nicht vergessen habe ich die im Quartier herumfahrenden Freier auf der Suche nach Prostituierten. Andere haben einfach Voyeurismus betrieben.

Ein Störfaktor war auch der Lärm vor den Salons, wenn die Prostituierten mit den Freiern feilschten – das bis weit in den Morgen hinein. Ein weiterer war der hinterlassene Abfall der anfiel, nachdem der Geschlechtsverkehr in einem verborgenen Winkel praktiziert wurde.

Weiter sind auch Gewalttaten im Umfeld der Prostitution haften geblieben.

swissinfo.ch: Die Gewalt ist im illegalen Bereich oder auf dem Strassenstrich also grösser?

P. S.: Je legaler etwas ist, desto mehr Kontrollmöglichkeiten gibt es. Die Geschäftsführenden solcher Salons sollten einen Verband gründen. Sie sollten sich Normen geben und zusammenarbeiten. Nur so kann man die Gewalt und andere Probleme besser in den Griff bekommen.

swissinfo.ch: Laut der Studie von Eva Büschi sehen die Salonbetreiber nicht nur Gewalt als Problem. Sie fühlen sich in ihrer Position stigmatisiert. Können Sie das nachvollziehen?

P. S.: Ja. Aber an ihrer Stigmatisierung sind diese Leute auch teilweise selber schuld. Gerade die Geschäftsführenden von Salons können viel Geld verdienen. Dies gelingt ihnen teilweise, indem sie die Prostituierten schlecht behandeln - sei das mit der Auszahlung oder der angebotenen Infrastruktur. Vielfach verwechselt man die Geschäftsführenden auch mit Zuhältern.

swissinfo.ch: Stigmatisiert werden aber auch die Prostituierten selbst…

P. S.: Das hat natürlich auch mit Religion zu tun. Die Prostitution wird ja nicht nur in den christlichen Religionen als verwerflich betrachtet.

Wir können das älteste Gewerbe nicht stilllegen, indem wir es in die Illegalität treiben. So würde es einfach stärker kriminalisiert. In den arabischen Staaten ist die Prostitution ja total verboten - aber gerade dort ist sie als Gewerbe am aktivsten.

swissinfo.ch: Im Umgang mit Prostitution gilt die Schweiz als relativ liberal. Sehen Sie noch ein Verbesserungspotenzial?

P. S.: Unsere liberale Gesellschaft akzeptiert dieses Gewerbe. In Nidau bei Biel etwa hat der Regierungsstatthalter klare Auflagen zum Betrieb von Kontaktbars gemacht [siehe Kasten rechts]. Klare Auflagen wirken sich positiv aus, damit lassen sich Verbesserungen erzielen.

Weiter sollte man Gesundheitskontrollen einführen. Gesundheitsprobleme betreffen sowohl Prostituierte wie Freier. Beide können Geschlechtskrankheiten weitergeben.

swissinfo.ch: Finden Sie es in Ordnung, dass in der Schweiz die Zuhälterei im Prinzip nicht mehr geahndet wird?

P. S.: Wenn Zuhälter dazu da sind, Prostituierte unter Druck setzen, dann ist das von mir aus gesehen unanständig und illegal. Das sollte geahndet werden.

Geben Zuhälter aber den Prostituierten Schutz und werden von ihnen dafür entlöhnt, kann ich nichts dagegen haben. So arbeiten in gewissen Salons Bodygards, die schon beim Eingang bestimmen, wer rein darf oder draussen bleiben muss. Es wäre auch sinnvoll, wenn ein paar Prostituierte gemeinsam jemanden anstellen würden, der für ihren Schutz sorgt.

swissinfo.ch: Trotzdem, Sie sind gegen die Prostitution. Wie würden Sie Einsteigerinnen davon abhalten, in diesem Gewerbe tätig zu werden?

P. S.: Wenn sich jemand zur Prostitution entscheidet, geschieht das meistens wegen irgendwelcher Mängel: Geld, der Wunsch nach einem gewissen Prestige. Vor allem aber reizt das

Modell Nidau

In Nidau bei Biel, im Kanton Bern, schlossen die Behörden 2007 eine Kontaktbar, nachdem bekannt geworden war, dass dort illegal in die Schweiz eingeschleuste Frauen zur Sexarbeit gezwungen wurden.

Der Regierungsstatthalter machte eine neue Gastgewerbebewilligung von bestimmten Bedingungen abhängig. Unter anderen waren das:

a) Transparenz. Zugehörigkeit zum Sexgewerbe wird offen gelegt, Sexarbeiterinnen werden nicht mehr wie früher als "Touristinnen" bezeichnet.
b) Es dürfen nur Sexarbeitende mit einer Aufenthaltsbewilligung angestellt werden.
c) Die Beratungsstelle XENIA (Beratung für Frauen im Sexgewerbe, aufsuchende Sozialarbeit) erhält jederzeit uneingeschränkten Zugang zum Betrieb.
d) Die Betreiber geben allen Sexarbeitenden ein Merkblatt in ihrer Landessprache, das sie über deren Rechte und Pflichten als selbständige Sexarbeitende aufklärt.
e) Den Prostituierten dürfen höchstens marktübliche Preise für Zimmer, Nebenkosten, Speisen verrechnet werden.

Die Erfahrungen aus dem Nidauer Modell sollen nun in ein neues Gesetz einfliessen. Damit sollen kantonal einheitliche arbeitsrechtliche Vorschriften im Sexgewerbe etabliert werden.


http://www.swissinfo.ch/ger/gesellschaf ... d=31044284
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Sonne
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Beitrag von Sonne »

Ich finde Herrn Pius Segmüller einfach zum schmunzeln.

Er wollte halt auch mal was zum großen, schmutzigen, verwerflichen,für Ihn eindeutig nicht verständlichen Thema Prostitution sagen.

Aber er meint es wahrscheinlich sogar gut :)))

Liebe Grüße Anita
Nur durch die Hoffnung bleibt alles bereit, immer wieder neu zu beginnen.

Mitch
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Beitrag von Mitch »

Legalisierung der Prostitution ist das Kernthema für alle politisch aktiven SexarbeiterInnen.
Bis vor kurzem hielt ich die Vorstellung Sexarbeit in der Gesellschaft wie jeden anderen Job zu behandeln, nicht nur aus Prinzip sondern auch aus Gründen der Arbeitssicherheit, für wünschenswert.
Heute hege ich zweifel daran. In meinem Kopf zieht unvermeidbar eine Karikatur auf, in der ein blutrünstiger Tiger seine Krallen in das Fleisch einer flüchtenden Antilope senkt.
Wenn der Staat agiert, dann hat es doch meist finanzielle und weniger humanistische Gründe und trägt eben solche Prägung.
Automaten aufstellen, Städtebedingte Steuermodelle, etc. - das sind die staatlichen Vorstöße zur Legalisierung der Prostitution. Dem entgegen werden Modelle, die tatsächlich zur Verbesserung der Arbeitsumstände beitragen, im Fluss der allgemeinen Stimmung, Zwecks Populismus und Wiederwahl umgestoßen.
Zur tatsächlichen Legalisierung der Sexarbeit sind umfassende gesetzliche Neuregelungen notwendig, die für den Bereich nie existiert haben, die von unvoreingenommenen Experten entwickelt und integren Politikern getragen werden müssten.
Da diese mysteriösen Spezies eher im Bereich der Mythen und Legenden zu finden sind, wäre eine umfassende gesellschaftliche Akzeptanz vonnöten.
Wie aber Herr P.S. (tolle Initialen - er hat immer das letzte Wort) soeben unterstrichen hat, sult diese sich lieber in im Mist ihrer Gewohnheit - und sei es um den Preis zuzugeben, von der eigenen Religion keinen Schimmer zu haben. Feindbilder sind gerade brüchigen Gesellschaften lieb und teuer.
Ob PS nun aufgrund von Dummheit oder einem frommen Wunsch argumentiert (Arbeit ist grundsätzlich ein Phänomen das aus Geldmangel geboren wird - diese Analyse zeigt ein rudimentäres Gesellschaftsvertändnis, nicht aber Einblicke in die Lebenswirklichkeit der SexarbeiterInnen):
Er verschätzt die Komplexität des Themas aufs gröbste. Will er beispielsweise Zuhälter durch Bodyguards ersetzen, sollte er sich dabei vor Auge führen, dass alleine die Berufsbezeichnung die Realität nicht verändert - wohl aber enorme bürokratische Hürden schafft (Fachkundenachweis, Konzession, Gewerkschaft, Kapitalrücklage, Betriebshaftpflicht) die es jenen, die man mal als "Gute Zuhälter" bezeichnete verunmöglichen ein Schutzgewerbe auszuüben und den Bereich in die Hände weniger monopolartiger Unternehmen drückt.
Wäre die Sexarbeit mit einem Schlag so transparent, dass die Steuer wirklich nachvollziehen könnte was vor sich geht, wären zunächst einmal alle Fahrer und jene die den SexarbeiterInnen tatsächlich Schutz bieten arbeitslos. Ob es Verbesserungen in den Lebensumständen der SexarbeiterInnen gibt, wenn Konzerne fortan übernehmen was man früher selbst organisiert hat, wage ich sehr zu bezweifeln. Ich kenne keinen Großkonzern, keine Bank, so legal sie auch seien, die moralischer handeln als ein Zuhälter.
Pervers scheint im Zusammenhang der Besteuerbarkeit der Wunsch nach Transparenz. Ob man nationalistisch genug gesinnt ist, nur einheimischen SexarbeiterInnen das arbeiten zu erlauben, muss jeder für sich entscheiden. Die Fälle der echten Zwangsprostitution sind die Ausnahme und nehmen die lokale Polizei in die Pflicht, der jetzt schon jedes Mittel zur Verfügung steht soetwas zu erkennen und zu verhindern. Allein am Willen sich an das Millieu zu wagen, fehlt es zu jeder Zeit.
Machen wir uns nichts vor: Sexarbeit ist neben all ihren anderen Erscheinungsformen auch ein wirtschaftlicher Rettungsanker, für jene die sonst keine Chance haben. Jene Form von Transparenz und Legalität, die sich möglicherweise langsam (nach wie vor nicht unwesentlich getrieben von der staatlichen Steuer Lobby) etabliert, würde diesen Menschen den Boden unter den Füßen wegreißen oder sie viel tiefer in die Kriminalität drängen. Zerschlagen wäre die wahrlich merkwürdige Solidarität unter SexarbeiterInnen, voller wär das Staatssäckerl - doch dass dies im Sinne und zum Vorteil der Beschäftigten geschieht, kann ich mir nicht vorstellen. Hierzu ist wohl auch der unbedingte Glaube daran notwendig, dass mit Staat und Gesetz immer und zu jeder Zeit alles besser ist.
Versteht mich nicht falsch - Legalisierugn und Transparenz: Ja, bitte ! Aber es kommt auf das "wie" an - drum sollten wir in der Wahl unserer Verbündeten vorsichtig sein und nicht nach jedem Strohalm greifen, der uns angeboten wird.

Liebe Grüße

Michel

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Beitrag von Aoife »

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Mitch hat geschrieben:Legalisierung der Prostitution ist das Kernthema für alle politisch aktiven SexarbeiterInnen.
Für uns nicht, Michel - genau aus den von dir gegebenen Gründen.

Legalisierung stärkt nur den Zuhälter Staat, und der tut weniger für uns als ein klassischer Zuhälter.

Was wir hingegen anstreben ist Entkriminalisierung, Sexualität gehört zur Intimsphäre, und die staatliche Behauptung bei uns sei das aufgrund des Geldflusses nicht so und staatliche Einmischung sei daher erlaubt stellt eine massive Menschenrechtsverletzung dar.

Alles was ohne Geldfluß den Staat nichts angeht geht ihn auch mit Geldfluß (oder aufgrund sonstiger Vorwände) nichts an - Art.14 EMRK.

Liebe Grüße, Aoife
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Mitch
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Beitrag von Mitch »

Na mit Kernthema meinte ich jetzt nicht Zielsetzung ...
es ist halt so omnipresent.

Liebe Grüße

Michel

Sentenza
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Beitrag von Sentenza »

Vielleicht sollte man das klären, was man mit Legalisierung meint und was man mit Entkriminalisierung meint.

Wie ist in dem Zusammenhang Sittenwidrigkeit zu sehen? Wenn man fordert, dass der Prostitution die Sittenwidrigkeit abgesprochen wird, damit Entgelte einklagbar sind, dann läuft das doch darauf hinaus, dass der Staat über das Zivilrecht in Vereinbarungen eingreift, die man ansonsten gerne dem Bereich der privaten Lebensführung zurechnet, die den Staat nichts anzugehen habe.

Soll Entkriminalisierung (im Gegensatz zu Legalisierung) am Ende bedeuten, "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!"?

Wenn man mit Menschenrechten argumentiert, sollte man sich entscheiden: Man kann einen naturrechtlichen Menschenrechtsbegriff verwenden, wo man dann darüber streiten könnte, was von Natur aus ein Menschenrecht sei, oder man kann sich auf eine Menschenrechtskonvention berufen. Wenn man sich auf eine Konvention wie die EMRK beruft, kann man aber nicht nach eigenem Empfinden hineininterpretieren, was die Konvention angeblich aussagt. Insbesondere kann man aus der EMRK nicht Rechte ableiten, indem man einfach ausblendet, dass die meisten in der EMRK festgeschriebenen Rechte eingeschränkt werden können, soweit es notwendig und verhältnismäßig ist.
Ein Beispiel: Ein Häftling, der wegen eines Verbrechens eine Haftstrafe absitzen muss, kann diese Haft für Unrecht halten, weil Freiheit ein unveräußerliches Menschenrecht sei. Er kann sich dabei aber nicht auf die EMRK berufen, da die EMRK Haftstrafen wegen eines Verbrechens vom Recht auf Freiheit ausnimmt.
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Beitrag von Aoife »

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Sentenza hat geschrieben:Wenn man sich auf eine Konvention wie die EMRK beruft, kann man aber nicht nach eigenem Empfinden hineininterpretieren, was die Konvention angeblich aussagt. Insbesondere kann man aus der EMRK nicht Rechte ableiten, indem man einfach ausblendet, dass die meisten in der EMRK festgeschriebenen Rechte eingeschränkt werden können, soweit es notwendig und verhältnismäßig ist.
Wenn du unsere Schattenberichte an die UNO gelesen hast, dann weißt du auch, dass im aktuell diskutierten Zusammenhang die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte deine Auffassung nicht teilt.

Liebe Grüße, Aoife
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Beitrag von ehemaliger_User »

Sittenwidrigkeit ist ein Begriff aus dem Zivilrecht. Und dieses Zivilrecht gibt der Staat durch die Gesetzgebung vor - er greift damit nicht in den Bereich der privaten Lebensführung ein sondern stellt nur allgemeine Regeln für das Zusammenleben auf wenn keine individuellen Vereinbarungen getroffen wurden.

Ein sittenwidriges Geschäft ist von vorn herein unwirksam, hat also nicht stattgefunden und deshalb gibts keinerlei rechtlichen Schutz.

Entkriminalisierung der Sexarbeit bedeutet doch ganz einfach, dass es keine Strafgesetze mehr gibt, die Sexarbeiter zu Krininellen macht (z.B. § 184 e StGB in D: "Verbotene Prostitution". Oder in Österreich "Geheimprostitution".
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Sentenza
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Beitrag von Sentenza »

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ehemaliger_User hat geschrieben:Ein sittenwidriges Geschäft ist von vorn herein unwirksam, hat also nicht stattgefunden und deshalb gibts keinerlei rechtlichen Schutz.
Und keinerlei rechtlicher Schutz ist gut, oder? Das heißt doch, der Staat (die Justiz) mischt sich da nicht ein.

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ehemaliger_User hat geschrieben:Entkriminalisierung der Sexarbeit bedeutet doch ganz einfach, dass es keine Strafgesetze mehr gibt, die Sexarbeiter zu Krininellen macht (z.B. § 184 e StGB in D: "Verbotene Prostitution". Oder in Österreich "Geheimprostitution".
Aber "Geheimprostitution" gibt es doch im österreichischen Strafrecht gar nicht, oder? Das fällt doch ins Verwaltungsrecht, ist also schon entkriminalisiert.

Außerdem ist es ein Unterschied, ob Prostitution kriminalisiert ist oder ob eine gesetzwidrige Ausübung der Prostitution kriminalisiert ist. Das ist, wie wenn man behaupten würde, Arbeit sei kriminalisiert, weil Schwarzarbeit strafbar ist.

Ich bin auch nicht der Meinung, dass Entkriminalisierung oder Legalisierung der Prostitution bedeuten muss, dass Prostitution völlig unreglementiert immer und überall und in jeder Weise erlaubt sein muss. Das ist bei anderen legalen Tätigkeiten auch nicht der Fall.

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Lycisca
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Beitrag von Lycisca »

Sentenza hat geschrieben: Wie ist in dem Zusammenhang Sittenwidrigkeit zu sehen? Wenn man fordert, dass der Prostitution die Sittenwidrigkeit abgesprochen wird, damit Entgelte einklagbar sind, dann läuft das doch darauf hinaus, dass der Staat über das Zivilrecht in Vereinbarungen eingreift, die man ansonsten gerne dem Bereich der privaten Lebensführung zurechnet, die den Staat nichts anzugehen habe.
Die Sittenwidrigkeit als Folge der Achtung des Privatlebens darzustellen, erscheint mir eine rechtlich gewagte Konstruktion. Tatsächlich ist die Sittenwidrigkeit eine staatlich sanktionierte Missachtung der sexuellen Autonomie vor allem von Frauen (weil Sexarbeiterinnen meist Frauen sind): Wenn ein Mann mit einer Frau Sex hat, weil er ihr Bezahlung verspricht, und er dieses Versprechen nicht einhält, so ist dieses Verhalten im völkerrechtlichen Sinn (als Sex ohne echtes Einverständnis) eine Vergewaltigung der Frau - und die Achtung des Privatlebens und das Verbot der Folter erfordern es (um diese Vergewaltigungen zu verhindern), dass der Vergewaltiger zu bestrafen ist. Mit der Sittenwidrigkeit wird jedoch diese Vergewaltigung im Nachhinein noch gerechtfertigt.