
"ehemaliger User" hat geschrieben:Na ja, Du hast mal, glaube ich, auf Brehon Laws verwiesen als Muster funktionierender Gesellschaftssysteme.
Ja stimmt, allerdings habe ich auch (allerdings möglicherweise nicht hier im Forum, bin ja auch ansonsten noch aktiv) darauf hingewiesen, dass Brehon Laws eine IMHO schlechte Formulierung darstellt. Denn es geht ja nicht um die konkret damals angewandten "Gesetze".
Die gab es damals ja garnicht, die sogenannten "Laws" beschreiben nur aus der Sicht eines (möchischen?) Berichterstatters, was die Menschen damals als "gerecht" emfanden.
Somit würde ich den Begriff "Brehon System" bei weitem vorziehen, denn ich bin überzeugt, dass wir heutzutage geringfügig andere Entscheidungen als "gerecht" empfinden würden als die Menschen damals. Das grundlegende ist dass kein hypothetischer "Staat", vertreten durch wen auch immer, irgendein Recht hat Land und Leute als sein Eigentum anzusehen.
Und so könnten wir auch hier:
"ehemaliger User" hat geschrieben:Selbst für Mord gäbs für mich "nur" eine fine (Strafzahlung), zu zahlen an die Zuhältersippe.
selbstverständlich auch andere Lösungen finden - oder auch nicht.
Dass die derzeitige Praxis Mord unter staatliche Strafandrohung zu stellen keineswegs unserer Sicherheit dient zeigt sich ja schon darin, dass Morde im Staatsinteresse nicht verfolgt werden. Von der Sache her geht es doch ausschließlich darum dass der Staat postuliert dass die Menschen IHM gehören, und er somit ein Recht hätte denjenigen zu strafen, der ihm einen Soldaten/eine Arbeitsbiene wegnimmt.
Der grundlegende Unterschied in den Überzeugungen beruht IMHO darauf, ob man auf den staatlichen "Treppenwitz" ein Staat sei notwendig um für Gerechtigkeit zu sorgen, um wenn dann Ungerechtigkeit angeprangert wird zu kontern niemand dürfe glauben dass es darum überhaupt ginge, die staatlichen Gerichte seien schließlich nicht für Gerechtigkeit, sondern nur für Urteile nach Gesetzeslage zuständig, hereinfällt, oder eben nicht.
Lassen wir uns also einfach einmal nicht verwirren durch diese widersinnige Argumentation, sondern frage ein jeder sich selbst, ob ER denn morden würde, wenn es keine staatlichen Sanktionen gäbe?
Und das in einer gerechten Gesellschaft - ich verstehe dich ja bestens, dass du einen Zwang anwendenden Zuhälter ermorden könntest, aber das Problem würde sich dann ja garnicht in dieser Form stellen.
Kann sein dass ich mich täusche - aber ich bin (zugegebenermaßen subjektiv) überzeugt, dass keiner hier ernsthaft einen Mord in Betracht ziehen würde. Und das habe ich definitv hier im Forum auch schon so geschrieben, dass jeder selbst sich einmal überlegen sollte, ob er sich denn für so böse hält, dass er staatlich kontrolliert werden muss um mit seinen Mitmenschen zurecht zu kommen. Keiner hat da positiv geantwortet.
Ich weiß nicht in wie weit du auch die psychologischen threads hier mitliest, "ehemaliger User", also hier einfach nochmals als Hinweis: Meine Überzeugung pro herrscherloses System stammt keineswegs nur aus der Geschichtskenntnis, sondern ist völlig unabhängig davon auch durch die menschliche Psychostruktur, die sich grundlegend von der staatenbildender Insekten unterscheidet, begründet.
Einwände wie "dann würde wohl jeder anfangen zu morden" sind aus meiner Sicht somit ideologische Konstruktionen, die mit der menschlichen Realität nichts zu tun haben. Ich lehne bigotte Revolutionäre genauso ab wie du, "ehemaliger User", "Ideologie" kommt von "Idee", und solche Menschen sind bereit ihre realen Mitmenschen für eine Idee zu opfern. Der eigentliche Unterschied zwischen unseren Meinungen ist wohl, dass ich auch den von dir einigermaßen akzeptierten Rechtsstaat für eine solche tödliche Ideologie halte - dass er es geschafft hat in der Mehrzahl der Köpfe derzeit als geringstes der möglichen Übel hingenommen zu werden ändert nichts daran, ist IMHO nur ein Zeichen dafür, dass die Vorstellung davon was überhaupt möglich ist stark eingeschränkt ist.
Liebe Grüße, Aoife
Edit PS.: Mir fällt gerade auf, dass meine Betonung der Gerechtigkeits-"Idee" durchaus auch als ein solcher Idealismus/Ideologie missverstanden werden könnte. Deshalb hier noch die Feststellung: Ich setze mich nicht für Gerechtigkeit als Idee ein, sondern das Streben nach Gerechtigkeit ist eine der stärksten dem Menschen als soziales Wesen angeborenen psychischen Eigenschaften. Gerechtigkeit als "Idee" ist mir somit völlig egal, ich fordere sie weil ich eine dem realen Menschen wie er nun einmal ist entsprechende Gesellschaft möchte.
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
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