ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

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Marc of Frankfurt
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Sexworker scheinselbständig?

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Urteil Landgericht Augsburg 2009:

Betreiber_in/Vermieter_in als Arbeitgeber_in definiert und somit wirtschaftlich runiniert



Das Urteil zeigt die Diskrepanz zwischen progressivem Prostitutionsgesetz ProstG von 2002 und der in Bayern verweigerten Umsetzung dieses Gesetzes
(so wie sich Bayern 2001 schon gegen das neue liberale IfSG mit der "Kondomzwangprostitutionsverordnung" gewehrt hat):

Die konstruierte steurerrechtliche und strafrechtliche Zwickmühle für Bordellbetriebe, die sich um faire und legale Arbeitsplätze bemühen, wird erklärt an Hand von systematisch gegen Betreiber_innen geführte Prozesse.

Folge ist die gewünschte Prostitutionseindämmung oder aber die Übernahme des Milieus von teilweise illegalen Gruppierungen oder eine Zunahme von Korruption Milieu-Polizei...

http://infokrieginfo.blogspot.com/2011/ ... eiber.html und

www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/B ... 05891.html

...

www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=108234#108234a
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 23.12.2011, 12:14, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von ehemaliger_User »

2006 hat die 8. Kammer des Landgericht Augsburg die Eröffnung eines Verfahrens wegen Steuerhinterziehung gegen die Betreiber des FKK-Clubs "Colosseum" abgelehnt: Die Frauen seien sehr wohl selbstständig, auch wenn es Kleidervorschriften (nackt), Anwesenheitspflichten, Verhaltensvorschriften und Kameraüberwachung gibt.

Die Staatsanwaltschaft hat damals auf Beschwerde verzichtet.

Ist das Rechtssicherheit?
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Ariane
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LEGALISIERUNG WAR EIN FEHLER * BILD dir eine Meinung

Beitrag von Ariane »

Dies ist die Begleitmusik zur anstehenden Gesetzesnovellierung und mehr davon wird nach meiner Einschätzuhg in den kommenden Wochen folgen.





***

"RECHTSEXPERTE STEPHAN MAYER (CSU):

LEGALISIERUNG WAR EIN FEHLER +++ POLIZEI: ZAHL DER ZUHÄLTER STEIGT

Ruf nach Verbot der Prostitution

Von Franz Solms-Laubach
Seit zehn Jahren gibt es in Deutschland das Prostitutionsgesetz. Seitdem gilt das Sex-Gewerbe nicht mehr als „sittenwidrig“, Prostituierte können sich anmelden und kranken-, renten- und arbeitslosenversichern.
Doch seit der Legalisierung ist laut einer neuen Studie der EU-Kommission mit Vergleichsdaten aus 150 Ländern der Menschenhandel im Zusammenhang mit Zwangsprostitution stark angestiegen.
Rechtsexperte Stephan Mayer (CSU) sagte dazu BILD: „Es war ein Fehler, die Prostitution zu legalisieren!“
Das habe nur zu einer „Verbrechenszunahme im Rotlichtmilieu geführt“. Mayer fordert daher eine strengere Regulierung der Prostitution.
Auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, hält das Prostitutionsgesetz in Deutschland für gescheitert.
Witthaut sagte BILD.de: „Das Gesetz muss auf den Prüfstand. Es gibt heute nicht weniger Zuhälter als früher sondern mehr. Und die sonnen sich jetzt auch noch im Lichte der Legalität.“
Dem Problem des Menschenhandels und der Organisierten Kriminalität sei mit dem Prostitutionsgesetz überhaupt nicht beizukommen, so Witthaut weiter.
Vor allem in Grenzregionen komme es immer zu Fällen brutaler Zwangsprostitution, die eher durch Zufall aufgedeckt würden.

Abbildung: Eine Prostituierte liegt auf einem Bett: Problem mit Menschenhandel"

Quelle: Bild-Zeitung
www.bild.de/politik/inland/prostitution ... .bild.html

***





Die Journalistin vom WDR sprach mich im Rahmen meines TV-Beitrags auch auf das sog. "Vermehrungsgesetz" an; den Ausdruck hatte ich bis dato nicht gehört. Gemeint ist der behauptete Zusammenhang Legalisierung/ProstG und exponentieller Anstieg von Sexworkerinnen. Hab ihr das globalisierungsbedingt erklärt bzw. durch Verbote und Kriminalisierungspolitiken in den Nachbarstaaten, dass viele zu uns kommen. Und aus den falschen Statistiken (Junk Science) und den richtigen BKA-Zahlen zitiert, die die EWL Lobby fabuliert, und den sagenhaften Zahlen von sog. Menschenhandelsopfern/Zwangsprostituierten.

Wurde nicht im TV-Beitrag gesendet, leider. Die aktuelle Taktik und konservative Vorstoss in der Prohibitionsdiskussion auf europäischer Ebene, und innerdeutsch von der evangelikalen Ministerin Schröder getragen, die mit ihren Kombattandinnen über die Gesetzesnovellierung sinniert, ist von der Fantasie getragen, dass jede dritte deutsche und jede zweite süd-osteuropäische Frau in Deutschland auf den Strich gehen. Etwas überzogen von mir formuliert.
Die sind wirklich davon überzeugt und erhobene Zahlen bei Polizeikontrollen in Wohnungen, Bordellen, ein Blick in diverse Werbe-Foren genügt ihnen, um entsprechende Zahlen hochzurechnen.

Was meint ihr dazu? Haben sich die Stricherinnen, Escorts, Wohnungsdamen in den letzten Jahren extrem vermehrt, und falls ja warum? Wie ist eure Einschätzung?

Tja, was soll man dazu sagen?! Ist das alles Armuts- und H4-Prostitution oder was? Und wenn ja, warum ist das schlimm? Wenn man als Akademikerin, Ingenieurin oder Lehrerin aus Russland, Ungarn oder Deutschland kein ausreichendes Geld zum Lebensunterhalt verdient, was ist daran so schlecht, sich in der bezahlten Erotik zu üben und die Kinder zu ernähren, alternativ, auf Privatschulen zu schicken?:016

Ich glaub, die ProstGegnerinnen wollen uns alle zu Nagelmodelliererinnen, Altenpflegerinnen und Ehefrauen umschulen.
love people, use things - not the other way round

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Marc of Frankfurt
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Re: LEGALISIERUNG EIN FEHLER? * BILD dir eine Meinung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Das scheint ein reiner Propaganda-Gefälligkeits-Artikel von der BILD-Zeitung und ihrem Redakteur Franz Solms-Laubach für die politische Partei der CSU und ihren Rechtsexperten Stephan Mayer zu sein !!!


Bild
RA und Prostitutionsgegner Stephan Mayer, mdB, CSU
Nutzt er die Presse als Maulhure?
www.mayerStephan.de Wahlkreis Altötting-Mühldorf-Mühldorf am Inn
http://de.wikipedia.org/wiki/Stephan_Mayer


Da aus dem Artikel kein spezieller Anlaß erkennbar ist außer dem 10jährigen Bestehen legaler Sexarbeit und ProstG, bleibt zu vermuten, dass der Artikel die Folge einer Presseaussendung oder eines kurzen Telefonates des Parteipolitikers ist (nicht zuletzt seit Wulff's BILDzeitungs-Telefonaten auf dem Anrufbeantworter wissen wir ja wie sowas läuft:). Da im Artikel veraltete Forderungen aufgewärmt und verbreitet werden, was längst im zuständigen Bundesfamilien-Ministerium stattgefunden hat (Evaluierung) und weiterhin stattfindet (Gesetzesnovelle und -verschärfung), läßt den Artikel von Franz Solms-Laubach insgesamt scheinheilig erscheinen. Werden hier etwa die "unabhängigen Medien" mißbraucht die Öffentlichkeit auf eine Gesetzesverschärfung vorzubereiten? Der Artikel ist zudem möglicherweise als Gegenwehr zu verstehen gegen die in CSU-Augen zu positiv geratene FrauTV-Sendung vom 26.01.2012, wo Ariane erfolgreich eine Position freigewählter und selbstbestimmter Sexarbeit plazieren konnte.





> BILD: "laut einer neuen Studie der EU-Kommission mit Vergleichsdaten aus 150 Ländern [zu] Menschenhandel im Zusammenhang mit Zwangsprostitution"

Damit scheint übrigens dieselbe bereits umfangreich kritisierte Medien-Falsch-Darstellung und Studie mit veralteten Schätz-Zahlen aus der NDR-Panoramasendung vom 29.09.2011 gemeint zu sein:

Bild

Does Legalization of Prostitution Increase Human Trafficking?
Seo-Young Cho, Axel Dreher, Eric Neumayer
Discussion Papers No. 96
September 2011, Uni Göttingen, Department of Economics
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=8562&start=5





Fermer macht sich der Bayerische Ordnungspolitiker mit dem Interessenvertreter der Polizeigewerkschaft GdP gemein. Eigentlich sollte der Polizeifunktionär das Gesamtlagebild kennen, welches keine bedrohlich angewachsene Kriminalität aufzeigt (s.o.). Aber sein Verein scheint von den geplanten Gesetzesverschärfungen und erweiterten Polizeiaufgaben direkt zu profitieren.
GdP-Chef:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Witthaut





Um der Kriminalität und Ausbeutung im Sexgewerbe Herr zu werden, bedarf es einer Marktsättigung mit legaler, selbstbestimmt ausführbarer, geschützter Sexarbeit (Marktgleichgewicht in einer sozialen Marktwirtschaft).

Dann hätten Menschenhandel und verbotene Zuhälterei schlicht keinen Markt mehr. Aber die systematische Prostitutionseindämmung und damit einhergehende gesellschaftliche Benachteiligung von (jungen) Sexarbeiter_innen schafft ständig wirtschaftliche Anreize für Verbrechen gegen Sexworker, die schon ordnungsrechtlich zu den Ausgebeuteten gehören [Verbot der Arbeitsteiligkeit, Abtretungsverbot, Werbeverbot, Niederlassungsverbote, Prostitutionsverbot, erhöhte Schutzaltersgrenze, aufgezwungenes Sondersteuererhebungsverfahren über ausbeuterische Vermieter oder Vorkasse per Steuerautomat, zwangsgynokologische Geschlechtsuntersuchung ist wieder geplant, Zwangskondomanwendung und polizeiliche Kontrolle mit getarnten Beamten, traumatisierende aber ineffiziente Razzien...].
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 27.09.2012, 20:38, insgesamt 3-mal geändert.

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Re: LEGALISIERUNG WAR EIN FEHLER * BILD dir eine Meinung

Beitrag von friederike »

          Bild
Ariane hat geschrieben: Tja, was soll man dazu sagen?! Ist das alles Armuts- und H4-Prostitution oder was? Und wenn ja, warum ist das schlimm? Wenn man als Akademikerin, Ingenieurin oder Lehrerin aus Russland, Ungarn oder Deutschland kein ausreichendes Geld zum Lebensunterhalt verdient, was ist daran so schlecht, sich in der bezahlten Erotik zu üben und die Kinder zu ernähren, alternativ, auf Privatschulen zu schicken?:016
Das ist genau der Punkt. Das Wohlstandsgefälle ist das Problem! Für die osteuropäischen Frauen ist der Weg in unsere FKK-Clubs objektiv eine rationale Entscheidung, die ihnen eine bessere Lebensperspektive bringt als sie ihre Heimat bieten kann. Sie haben oft die beste Ausbildung genossen, die ihnen dort offenstand, aber kommen damit nicht über ein Minieinkommen hinaus.

Was soll daran moralisch sein, diesen tüchtigen Frauen auch noch diesen Weg zu verbauen?

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fraences
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Pressemitteilung 01.02.2012

BILD floppt mit Kampagne gegen das Prostitutionsgesetz:



CSU-Rechtsexperte fällt auf Pfusch-Studie rein


CSU-MdB Stephan Mayer hat in der BILD-Zeitung vom 31.01.2012 die 2002 erfolgte Legalisierung von Prostitution als einen „Fehler“ bezeichnet. Er verwies dabei auf eine „neue Studie der EU-Kommission“, die einen Anstieg von Menschenhandel und Zwangsprostitution im Zuge von Prostitutions-Legalisierung bewiesen haben soll. Wie so oft, wenn CSU-Politiker sich mit Wissenschaft schmücken, ist auch in diesem Fall Vorsicht angebracht.

Besagte EU-Studie - ein lediglich 33-seitiges „Diskussionspapier“ - hat sich nämlich längst als pseudowissenschaftliche Pfuschstudie erwiesen, die
(1) nachweislich mit veralteten und völlig unbrauchbaren Datensätzen arbeitet,

(2) Messungen zu Menschenhandel ohne Bezug auf wirkliche Fallzahlen vornimmt,

(3) zur Herkunft von Daten bezüglich Schweden und Deutschland falsche Angaben macht,

(4) durch Fälschung früherer Studien Spuren verwischt und

(5) einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Prostitutions-Legalisierung und Menschenhandel definitiv nicht geliefert hat – wie die Verfasser/innen Dr. Seo-Young Cho (Universität Göttingen), Prof. Axel Dreher (Universität Heidelberg) und Prof. Eric Neumayer (London School of Economics) selbst einräumen


(vgl. www.donaCarmen.de/?p=229 ).

Für diese pseudowissenschaftliche Hochstapelei sind EU-Gelder im sechsstelligen Bereich in den Sand gesetzt worden. Wenn CSU-MdB Stephan Mayer glaubt, ausgerechnet darauf seine Kritik an der Legalisierung von Prostitution gründen zu müssen, zeugt das von erheblicher Ahnungslosigkeit, nicht aber von Expertenschaft. Als hätte BILD das geahnt, bemüht die Zeitung als weiteren „Experten“ den GdP-Vorsitzenden Polizeimeister Bernhard Witthaut, der mit einer völlig aus der Luft gegriffenen Behauptung aufwartet: es gäbe heute nicht weniger, sondern mehr Zuhälter. Belege für eine derartige Aussage hat er nicht. Die gibt es nämlich auch nicht, wie jede wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik bezeugt. Wer wie Witthaut erklärt, Zuhälter würden sich infolge des ProstG „jetzt auch noch im Lichte der Legalität sonnen“, betreibt Stimmungsmache und betätigt sich als politischer Brandstifter auf Kosten der in der Prostitution tätigen Frauen.

Laut polizeilicher Kriminalstatistik ist Fakt:
- Mutmaßliche Opfer des Delikts „Ausbeutung von Prostituierten“ (§ 180a StGB)
sind von 1.915 im Jahr 2000 auf 56 (!) im Jahr 2010 gesunken.
- Die Zahl der mutmaßlichen Opfer von „Zuhälterei“ (§181a StGB)
sind von 1.304 (2000) auf nunmehr 314 (2010) gesunken.
- Die mutmaßlichen Opfer von „Menschenhandel“ (§ 232 StGB)
sind von 1.197 (2000) auf 761 (2010) gesunken.
- Die Zahl der gerichtlich erwiesen (nicht nur polizeilich vermuteten) Opfer von „Menschenhandel“
liegt stets bei lediglich rund 150 – 180 pro Jahr.
Das ist bezogen auf die hierzulande in der Prostitution tätigen Frauen eine Größenordnung im absoluten Promillebereich und rechtfertigt keine dramatisierenden Kampagnen zur Diskreditierung der Prostitutions-Legalisierung.

Nicht die Legalisierung der Prostitution war ein Fehler, sondern das Prostitutionsgesetz war zu halbherzig und inkonsequent, als dass es hätte erfolgreich sein können.

Doña Carmen e.V. fordert daher einen zweiten Anlauf zur konsequenten Legalisierung von Prostitution – ohne Stigmatisierung, Diskriminierung und Kriminalisierung! Wir brauchen keine striktere Reglementierung, keine Konzessionierung von Prostitutions-stätten. Wir fordern mehr Rechte für die Frauen, statt mehr Kontrollbefugnisse für Polizei und Behörden!

www.donaCarmen.de
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Jupiter
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Jupiter »

Diese unersägliche Falschmeldung wird leider jetzt überall, auch in der seriösen Presse, nachgeplappert.

Hier heute in der Badischen Zeitung:

http://www.badische-zeitung.de/meinung/ ... ickwinkels

Die Redakteurin macht die Stellung von DonaCarmen als unterschiedlichen "Blickwinkel" aus.

Verständnisfrage, da der Beitrag von Fraences als Pressenmitteilung gekennzeichnet ist. Ist dies so herausgegangen oder sollten wir ggf. noch per Leserbrief darauf hinweisen.


Gruß Jupiter

Nachtrag: Habs jetzt geschnallt, dass es sich um die Pressemitteilung von DonaCarmen handelt.
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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Beitrag von rainman »

Da hilft nur eines: Wer unter seinem Klarnamen auftreten kann, sollte einen Leserbrief schreiben und an die Presse geben. Ich mache das hier an meinem Wohnort: kurz, knapp, aber hoffentlich wirkungsvoll.

LG rainman

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Arum
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Arum »

          Bild
fraences hat geschrieben:
Laut polizeilicher Kriminalstatistik ist Fakt:
- Mutmaßliche Opfer des Delikts „Ausbeutung von Prostituierten“ (§ 180a StGB)
sind von 1.915 im Jahr 2000 auf 56 (!) im Jahr 2010 gesunken.
- Die Zahl der mutmaßlichen Opfer von „Zuhälterei“ (§181a StGB)
sind von 1.304 (2000) auf nunmehr 314 (2010) gesunken.
- Die mutmaßlichen Opfer von „Menschenhandel“ (§ 232 StGB)
sind von 1.197 (2000) auf 761 (2010) gesunken.
- Die Zahl der gerichtlich erwiesen (nicht nur polizeilich vermuteten) Opfer von „Menschenhandel“
liegt stets bei lediglich rund 150 – 180 pro Jahr.
Ist auch bekannt, in wie fern sich diese Zahlen überschneiden?
Sind ja einigermassen ineinandergreifende Kategorien.


Das ist bezogen auf die hierzulande in der Prostitution tätigen Frauen eine Größenordnung im absoluten Promillebereich und rechtfertigt keine dramatisierenden Kampagnen zur Diskreditierung der Prostitutions-Legalisierung.
An sich hast Du natürlich Recht.

Andererseits: in 2010 gab es in Deutschland 814 Mordopfer, bei einer Einwohnerzahl von 81,768 Millionen.

http://de.statista.com/statistik/daten/ ... seit-1987/

Das sind satte 0,0000099 %.

Da scheint mir der Prozentsatz der oben genannten Opferzahlen doch etwas höher zu liegen.
Und da bedenke man noch den ganzen Wirbel wegen der NSU-Mordserie. Da sagt keiner, "das sind ja nur 10 Opfer insgesamt, zu einem Prozentsatz von 0,00000012. Wozu die ganze Erregung?"

Heisst, wohlgemerkt, nicht, dass ich einverstanden wäre mit diesen "dramatisierenden Kampagnen zur Diskreditierung der Prostitutions-Legalisierung". Ich frag mich nur, ob der Prozentsatz einer Opferzahl als entscheidendes Argument herhalten kann.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Aoife
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Aoife »

          Bild
Arum hat geschrieben:Ich frag mich nur, ob der Prozentsatz einer Opferzahl als entscheidendes Argument herhalten kann.
Arum, absolut gesehen stimme ich hier völlig mit dir überein, beziehungsweise möchte ich sogar dahingehend noch weitergehen, dass ich mich festlege und sage: Nein, die Opferzahl kann nicht das ausschlaggebende Argument sein.

Allerdings geht es im hier diskutierten Zusammenmhang gar nicht um die Opferzahl, sondern um Moralvorstellungen. Und frei erfundenen Falschbehauptungen aus "moralischer" Motivation darf man IMHO nicht nur mit faktischen Zahlen entgegentreten, sondern man muß es sogar. Gerade weil jedes Opfer in unseren Augen eines zu viel ist können wir Falschbehauptungen, die in ihrer Konsequenz mehr Opfer schaffen um "moralisch anständig" dazustehen, nicht durch Schweigen zustimmen.

Jeder behördliche und politische Versuch Prostitution in eine willkürlich definierte rechtliche Grauzone oder auch nur in einen Verdachtsbereich abzudrängen vermindert die Chance dass wirklichen Opfern geholfen wird - weil mögliche Helfer durch die Stigmatisierung und die Furcht vor Leumundsschädigung abgeschreckt werden.

Somit finde ich relativ zu den gegebenen Rahmenbedingungen es absolut gerechtfertigt junk science als solche aufzudecken - in diesem Zusammenhang realistische Opferzahlen zu nennen ist keineswegs herzlose Zahlenspielerei, sondern im Gegenteil Teil der Hilfsstrategie.

Liebe Grüße, Aoife
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Beitrag von konkret »

Eben per Mail zugespielt bekommen - zur Reform des Prostitutionsgesetzes: https://www.dialog-ueber-deutschland.de ... dIdea=3042

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Jupiter »

@Konkret, wurde bereits von Ariane hier eingestellt: viewtopic.php?p=110648#110648

und die weiteren Kommentare.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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Marc of Frankfurt
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Käuflichkeit?

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Wie die Wirkung von Strafgesetzen von Juristen und Gesetzesmachern eingeschätzt wird:
"als pauschale Kriminalisierung einer ganze Gruppe"



Zum Thema Käuflichkeit von Personen
Hier: nicht Sexworker sondern Politiker


Warum der Abgeordnete eine Regelung über das Strafgesetzbuch ablehnt (Min 1:00):
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=kHt3AA2UFb4[/youtube]



Der Politiker und RA Dr. Wolfgang Götzer (MdB, CDU/CSU, Landshut) lehnt eine "Kriminalisierung über das Strafgesetz" für seinen Berufstand ab [Bundestags-Rede am Freitag 02.03.2012].

Für Sexarbeiter war und ist Regulierung d.h. Kriminalisierung per Strafgesetzbuch der Normalzustand (Eingeschränkte Niederlassungsfreiheit, Sperrgebiete, Verbot der Arbeitsteiligkeit, Zuhälterei, Verbot der Personalvermittlung, Menschenhandel, Sonder-Schutzaltersgrenze...).

Mit den Worten von RA Dr. Götzer gesprochen: "Sexwork steht in Gesamtheit unter Generalverdacht!"




___
Infos über das Entscheidungsverhalten der Politiker:
http://parlameter.zdf.de
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 27.09.2012, 20:40, insgesamt 2-mal geändert.

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Gutachten Menschenhandelbekämpfung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Expertenanhörung beim Bundesfamilienministerium zu Gesetzen der Prostitution gestern am 19. 3. 2012

Es geht um die Umsetzung von EU-Bestimmungen in deutsche Gesetze (Ratifizierungsverfahren).

Übereinkommen des Europarats vom 16. Mai 2005 zur Bekämpfung des Menschenhandels
http://conventions.coe.int/Treaty/GER/T ... ml/197.htm

Entwurf eines Gesetzes
zu dem Übereinkommen des Europarats vom 16. Mai 2005
zur Bekämpfung des Menschenhandels
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/073/1707316.pdf

Antrag
der Abgeordneten ... und der Fraktion der SPD
Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels korrekt ratifizieren – Deutsches Recht wirksam anpassen
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/081/1708156.pdf
- Opferschutz, Aufenthaltstitel ...
- "Einwilligung eines Opfers ist unerheblich" soll in §233 StGB nachgebessert werden.
- Expertengruppe für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) unterstützen ...
- Zeugnisverweigerungsrecht für Beratungsstellenmitarbeiter_innen





Dabei sind in der Diskussion:
- Neues Bordellgesetz d.h.
- Verschärfung des ProstG
- Freierbestrafung einführen
- Fehlende Freiberuflichkeit (hierrüber diskutiert keiner, aber wir fordern es;)
- Gütesiegel für Bordelle
- Arbeitserlaubnis EU-Bürgerinnen
- und vieles mehr
- ...

Das neue Bordellgesetz (Lizensierungsregeln etc.) verkauft die Bildzeitung unter dem Stichwort Gütesiegel für „faire“ Puffs.

Es geht aber vmtl. um die Anträge der Innenministerkonferenz d.h. um die Bundesratsvorlage zum ProstG:
Übersicht: www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=95473#95473

Das Ministerium erstellt eine Gesetzesvorlage, die dann im Bundestag beschlossen wird...





Die uns betreffende Frage vom Bundesfamilienministerium an die 7 Gutachter:
  • Frage 9.) Welche gesetzlichen Maßnahmen können im Rahmen des Ratifizierungsverfahrens dazu dienen, die Geschäftsmodelle der Täter im Bereich sexuelle Ausbeutung/Menschenhandel einzudämmen?
    Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang
    - Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung bei Tätern sowie die
    - Einführung der sogenannten Freierbestrafung und
    - Einführung einer Erlaubnispflicht für alle Formen von Prostitutionsstätten?



Angehört wurden bzw. ein Gutachten fürs Ministerium haben geschrieben:
  • 1.)
    Özlem Dünder-Özdogan
    Zentrale Koordinierungs- und Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel
    KOBRA Phoenix e.V.
    www.kobra-beratungsstelle.de
    Hannover
    Özlem Dünder-Özdogan hat geschrieben:-
    2.)
    Prof. Dr. Joachim Renzikowski
    Martin-Luther-Universtität
    http://renzikowski.jura.uni-halle.de
    Halle-Wittenberg
    Joachim Renzikowski hat geschrieben:1. Reglementierung der Prostitution

    Die Reglementierung der Prostitution ist überfällig. Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. 12. 2001 [45 BGBl. I S. 3983.] hat zwar die Diskriminierung von Prostituierten beseitigt, indem es die Ausübung der Prostitution vom Makel der Sittenwidrigkeit befreite und ihr einen zivilrechtlichen Rahmen eröffnete. Die erhoffte Verbesserung der sozialen Situation von Prostituierten ist jedoch ausgeblieben. Kritiker monieren, dass lediglich die Freiräume der Zuhälter erweitert und die polizeilichen Möglichkeiten zur Kontrolle des Milieus eingeschränkt worden seien, und fordern eine Rückkehr zum alten Rechtszustand.
    [46 Vgl. BR-Drucks. 140/05, S. 7 f.; BT-Drucks. 16/1343, S. 7 f.; Schmidbauer NJW 2005, S. 871 ff.]

    Auch der Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des ProstG vom Januar 2007 räumt ein, dass es die selbstgesteckten Ziele nur zu einem kleinen Teil erreicht habe und weiterer Handlungsbedarf bestehe.
    [47 BT-Drucks. 16/4146, S. 44; der vollständige Bericht findet sich auf www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikatio ... 93304.html .]

    Das Problem der unsäglichen Flatrate-Bordelle hat inzwischen weitgehend das Bewusstsein dafür geschärft, dass man den Ansatz, den das ProstG bietet, endlich nutzen muss: Die Eröffnung eines rechtlichen Rahmens für die Ausübung der Prostitution schafft erst die Möglichkeit für eine umfassende staatliche Reglementierung – wie bei anderen gefahrträchtigen Berufen auch. Aus dieser Einsicht heraus hat der Bundesrat am 11. 2. 2011 mit großer Mehrheit die Entschließung für eine stärkere Reglementierung des Betriebs von Prostitutionsstätten angenommen.
    [48 BR-Drucks. 314/10 (B).]

    Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, u.a. folgende gesetzliche Regelungen zu schaffen:
    - Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten, die mit nach Betriebsart differenzierte Befristungen und Auflagen verbunden ist und den Ordnungsbehörden Kontrollmöglichkeiten eröffnet
    - umfangreiche Meldepflichten für Betreiber von Prostitutionsstätten bezüglich der dort beschäftigten Personen sowie Beschäftigungs- und Mietverträge
    - Meldepflichten für selbständig tätige Prostituierte
    - Verbot von ungeschütztem Geschlechtsverkehr
    - begleitende Sanktionen (Geldbußen, Strafen) bis zum Verlust der Betriebserlaubnis
    Aus unerfindlichen Gründen ist diese Initiative bislang nicht in die Tat umgesetzt worden.

    Auch in der Literatur wird eine entsprechende Reglementierung schon seit längerem gefordert.
    [49 S. etwa Gurlitt GewArch 2008, S. 426 ff.; Mäurer ZRP 2010, S. 253 ff.; vgl. ferner von Galen, Rechtsfragen der Prostitution, 2004, Rn. 426 ff.]

    Es ist ohnehin wenig einsichtig, dass jeder Besitzer einer Imbissbude, jeder Schrotthändler strengeren Regeln unterworfen ist als der Betreiber eines Bordells. Die allseitigen Vorteile liegen auf der Hand.
    [50 Und werden auch durch entsprechende Erfahrungen aus den Niederlanden bestätigt, s. Daalder, Prostitution in the Netherlands since the lifting of the brothel ban, 2007, S. 83 ff.]

    Ein verlässlicher Rahmen schafft Rechtssicherheit. Wenn er von staatlichen Behörden kontrolliert und durchgesetzt wird, entfällt für die Prostituierten die Notwendigkeit, sich ihre Beschützer in der Subkulturdes Milieus zu suchen. Durch vertrauensvolle Kooperation können „schwarze Schafe“ eher ermittelt und isoliert werden. Mittelfristig muss es nicht unbedingt das Image – und damit den Umsatz – eines Etablissements fördern, wenn ihm Verbindungen zum Menschenhandel nachgesagt werden und es infolgedessen häufigeren polizeilichen Kontrollen ausgesetzt ist, durch die die erhoffte seriöse und zahlungskräftige Kundschaft vergrault wird. Ein Rückgang der einschlägigen Deliktszahlen in der Polizeilichen Kriminalstatistik wäre kein Erfolgsnachweis, sondern im Gegenteil: Wenn die Anzeigebereitschaft aus dem Milieu heraus wächst, wird die Strafverfolgung von Menschenhandelsdelikten verbessert. Das wird übrigens auch auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden ähnlich gesehen.
    [51 Vgl. Herz/Minthe, Straftatbestand Menschenhandel. Verfahrenszahlen und Determinanten der Strafverfolgung, 2006, S. 231; Herz, Menschenhandel. Eine empirische Untersuchung zur Strafverfolgungspraxis, 2005, S. 252 f.]


    2. Gewinnabschöpfung

    Die Abschöpfung des Gewinns aus der Straftat Menschenhandel ist – theoretisch – eine besonders zweckmäßige und wichtige Sanktion, weil auf diese Weise den Ausbeutern genau das wieder abgenommen wird, worauf ihre Ausbeutung abgezielt hat: Geld.

    Bei allen Menschenhandelsdelikten sieht das geltende Recht die Möglichkeit einer Gewinnabschöpfung vor. Nach § 73 StGB soll dem Täter „das aus der rechtswidrigen Tat Erlangte“, abgenommen werden. Die früher als „Totengräber des Verfalls“ [52 BGHSt 45, S. 235 (249).] titulierte Einschränkung in § 73 Abs. 1 S. 2 StGB im Hinblick auf (potentielle) Schadensersatzansprüche der Opfer hat sich inzwischen insofern erledigt, als nach § 111 I StPO das Vermögen gleichwohl beschlagnahmt werden kann. In diesem Fall kann das Opfer innerhalb von drei Jahren (§ 111i Abs. 3 StPO)53 gegenüber dem Fiskus Schadensersatz geltend machen – sofern es nicht zuvor in sein Heimatland zurückgekehrt oder abgeschoben worden ist.
    [53 Das entspricht der regelmäßigen Verjährungszeit von 3 Jahren nach § 195 BGB. Bei Schadensersatzansprüchen
    wegen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit gilt nach § 199 Abs. 2 BGB jedoch
    eine 30 Verjährungsfrist. Diese Diskrepanz begünstigt allein die Staatskasse.]
    [54 Daher krit. zur praktischen Wirksamkeit Bohne/Boxleitner NStZ 2007, S. 552 ff.]

    Wenn der Täter oder ein Teilnehmer gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande gehandelt hat, die sich zur fortgesetzten Begehung verbunden hat, sieht § 233 b StGB den erweiterten Verfall nach § 73 d StGB vor, wenn Umstände die Annahme rechtfertigen, dass Vermögensbestandteile des Täters im Zusammenhang mit Menschenhandelsdelikten stehen. Auf diese Weise soll der organisierten Kriminalität die finanzielle Basis entzogen werden.
    [55 S. BT-Drucks. 12/989, S. 22 f.]

    Da in diesem Bereich häufig die Schwierigkeit besteht, dass die kriminelle Herkunft von Vermögenswerten, die bei Tatbeteiligten gefunden werden, nicht sicher nachgewiesen werden kann, ermöglicht § 73 d StGB eine Beweislastumkehr. Zwar hat das BVerfG die verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere im Hinblick auf die Unschuldsvermutung, nicht geteilt.
    [56 S. BVerfGE 110, S. 1 ff.]

    Gleichwohl besteht auch in der Rechtspraxis Einigkeit, dass die Vorschrift verfassungskonform restriktiv ausgelegt werden muss.
    [57 BGHSt 40, S. 371 ff.; BGH StV 2003, S. 160.]

    Wegen der Bedeutung der Eigentumsgarantie genügt daher nicht schon ein bloßer Verdacht. Vielmehr muss der Tatrichter nach erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung von der deliktischen Herkunft der betreffenden Gegenstände gewonnen haben, ohne dass diese selbst im Einzelnen festgestellt werden muss.
    [58 BGHSt 40, S. 371 (373).]

    Schließlich kannte das frühere Recht die Sanktion der Vermögensstrafe (§ 43 a StGB a.F.), die einen umfassenden Zugriff auf das gesamte Vermögen des Täters gestattete. Das Bundesverfassungsgericht hat § 43 a jedoch wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) für verfassungswidrig erklärt.
    [59 BVerfG NJW 2002, S. 1779.]

    Nach alldem ist aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Erweiterung des Zugriffs auf das Vermögen der Täter ausgeschlossen.

    In der Praxis besteht das Hauptproblem darin, dass es den Tätern gelingt, ihr Vermögen zu verschleiern oder ins Ausland zu schaffen. Die einzige Chance, in diesem Bereich etwas zu verbessern, dürfte darin bestehen, den Strafverfolgungsbehörden mehr personelle und sachliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen.


    3. Freierbestrafung

    Art. 19 der Europaratskonvention fordert die Unterzeichnerstaaten dazu auf, die Nachfrage nach Dienstleistungen von Menschenhandelsopfern zu bestrafen, wenn der Täter weiß, dass es sich um ein solches Opfer handelt. Diese Forderung wird von Art. 18 Abs. 4 der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. 4. 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer aufgegriffen.
    [60 ABl. L 101 v. 15. 4. 2011, S. 1 ff.; s. ferner Art. 3 der „Arbeitgebersanktionenrichtlinie“ (RL 2009/52/EG) vom 18. 6. 2009 (ABl. EG L 168/24 vom 30. 6. 2009), der die illegale Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern ohne Aufenthaltsrecht per se untersagt.]

    Ihr zufolge soll jeder Mitgliedstaat „die Einleitung von Maßnahmen [erwägen], mit denen die Inanspruchnahme von Diensten, die Gegenstand einer Ausbeutung im Sinne des Artikels 2 sind, in dem Wissen, dass die betreffende Person Opfer einer Straftat nach Artikel 2 ist, als strafbare Handlung eingestuft wird“.

    Der Gesetzgeber hat dieser Forderung durch das „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22. 11. 2011 zum Teil bereits Rechnung getragen. Einschlägig ist etwa § 10 a Schwarz-ArbG, der die Beschäftigung von Ausländern ohne Aufenthaltstitel, die Opfer von Menschenhandel sind, erfasst. Für Deutsche gibt es keinen vergleichbaren Schutz. Weiterhin ist § 182 Abs. 1 StGB zu nennen, der die Nachfrage nach minderjährigen Prostituierten als sexuellen Missbrauch Jugendlicher bestraft.

    Die in Deutschland schon seit dem 37. Strafrechtsänderungsgesetz kontrovers diskutierte Strafbarkeit der Freier von Zwangsprostituierten hat der Gesetzgeber dagegen nicht geregelt. Eine derartige Strafvorschrift ist geboten, weil auch diejenigen unmittelbar selbst in die Rechte der Menschenhandelsopfer eingreifen, die zwar nicht in die für die Unterdrückung maßgeblichen Strukturen eingebunden sind, aber durch ihre Nachfrage die betreffenden Personen ausbeuten und so ebenfalls ihre Menschenwürde missachten. Die Vorstellung, durch eine Strafvorschrift den Bereich des Menschenhandels gewissermaßen „auszutrocknen“61, erscheint demgegenüber eher naiv, denn das Strafrecht dürfte hier wegen der Probleme, die subjektive Tatseite nachzuweisen, vor allem eine symbolische Wirkung haben.
    [61 In diese Richtung Explanatory Report (Fn. 1), § 230. Die Senkung der Nachfrage, mit der oft Notwendigkeit begründet wird, die Freier von Zwangsprostituierten zu bestrafen, vgl. BT-Drucks. 15/4048, S. 10; 15/4380, S. 4; 16/1343, S. 8; BR-Drucks. 140/05, S. 9 ist jedoch allenfalls ein erfreulicher Nebeneffekt.]
    3.)
    Naile Tanis
    KOK - Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V.
    www.kok-buero.de
    Berlin
    Naile Tanis hat geschrieben:Erlaubnispflicht:

    Eine Beurteilung über die Einführung einer Erlaubnispflicht für alle Formen von Prostitutionsstätten hängt in erster Linie davon ab, wie diese Erlaubnispflicht konkret ausgestaltet wird. Nach meiner Erfahrung ist es sinnvoll, einen Gesetzesentwurf abzuwarten, um konkret seine Effektivität zu beurteilen. Die Ausgestaltung einer Erlaubnispflicht für alle Formen von Prostitutionsstätten sollte aber allgemein primär die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Rechte von Prostituierten zum Ziel haben und nicht in erster Linie die Bekämpfung des Menschenhandels.


    Freierbestrafung:

    Ich gehe davon aus, dass sich die Frage zur Einführung einer sogenannten Freierbestrafung nicht auf die Freierbestrafung im Allgemeinen bezieht, da dies nicht mit dem geltenden Recht in Deutschland vereinbar ist, sondern auf eine Freierbestrafung im Bereich des Menschenhandels. Hierzu ist zu sagen, dass solch eine strafrechtliche Regelung keine ausreichende Maßnahme und befriedigende Lösung zur Stärkung der Opferrechte und des Opferschutzes darstellt und auch die praktische Umsetzung aus unserer Sicht schwierig ist. Statt der repressiven Verfolgung von Freiern sollten der Opferschutz und die Entwicklung eines Problembewusstseins der Gesellschaft hinsichtlich der Thematik Menschenhandel im Vordergrund stehen. Unabhängig hiervon ist der KOK der Auffassung, dass das Verhalten von TäterInnen, die wissentlich und willentlich, d.h. sehenden Auges die Zwangslage eines Betroffenen, die von Menschenhandel betroffen ist, zu ihrer eigenen (sexuellen) Befriedigung ausnutzen unter keinen Umständen (zu rechtfertigen oder) zu billigen ist.
    [23 Pressemitteilung des KOK zur Freierstrafbarkeit, 05.10.2006, abrufbar unter: http://www.kok-buero.de/special-pages/d ... rkeit.html ]
    4.)
    Dr. Lea Ackermann
    SOLWODI Deutschland e.V.
    www.solwodi.de
    Boppard am Rhein
    Lea Ackermann hat geschrieben:Zu 9.)
    - Beschlagnahmung aller Güter/Immobilien/Konten etc. der Verdächtigen,
    nach dem Vorbild von Baden-Württemberg mit Polizeikommissar Podolsky.
    - Konsequente Gewinnabschöpfung und Einzahlung in einen Opferfonds.
    Aus diesem Fonds können die betroffenen Frauen entschädigt, die Beratungsstellen finanziert und auch die Polizeistrukturen für die Bekämpfung des Menschenhandels ausgebaut werden. In Rheinland-Pfalz gilt zurzeit die umgekehrte Überlegung, Fachkommissariate zur Bekämpfung des Menschenhandels wieder zusammenzulegen mit den Kommissariaten für Verbrechenbekämpfung, wie es früher schon mal war.
    - Ein bedenkenswerter Vorschlag ist das „Augsburger Modell“ - von Polizei und NGO ausgearbeitet.
    - Freierbestrafung ist ganz sicher eine Hilfe der zum nachdenklich machen der Freier und zur Aufklärung des Verbrechens an Frauen und Kindern führt. Es kann eine wirksame Hilfe zur Einschränkung von Frauenhandel sein. Es wäre auch ein wirksames Zeichen, dass Frauenhandel kein Kavaliersdelikt ist.
    5.)
    Heike Rabe
    Deutsches Instituts für Menschenrechte
    www.institut-fuer-menschenrechte.de
    Berlin
    Heike Rabe hat geschrieben:Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung
    Die Möglichkeit der Gewinnabschöpfung wird als positiv sowohl im Zusammenhang mit der Stärkung der Opferrechte sowie mit der Bestrafung der TäterInnen bewertet. Die Betroffenen werden von der Vollstreckung ihrer Titel entlastet, wenn bereits im Rahmen der Ermittlungsverfahren vermögenssichernde Maßnahmen durchgeführt werden (siehe 8c).
    Freierbestrafung
    Die Freierbestrafung wird als Instrumentarium zur Bekämpfung des Menschenhandels als wenig wirksam eingeschätzt.
    Bei der Frage nach der Bewertung der Freierstrafbarkeit muss zum einen zwischen einer generellen Freierstrafbarkeit (wie z.B. in Schweden, Norwegen, Island) und der Strafbarkeit von Freiern differenziert werden, die wissentlich die Dienste von Frauen in Anspruch nehmen, die zur Prostitution gezwungen werden.
    Art. 19 der Europaratskonvention verpflichtet die Staaten nur zur Abwägung darüber, ob sie eine Strafbarkeit von Personen einführen wollen, die wissentlich die Dienste von Opfern von
    Menschenhandel in Anspruch nehmen, so dass sich die folgende Einschätzung auf diese Form der Freierstrafbarkeit bezieht.

    Bei einer konsequenten Anwendung des Strafrechts ist ein Teil des Verhaltens von Freiern bereits über die Tatbestände aus dem Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, wie z.B. § 176, 177 StGB, Nötigung und Körperverletzung gemäß § 240, 223 StGB oder zum Beispiel die unterlassende Hilfeleistung, § 323c StGB strafbar. Der Unrechtscharakter des Ausnutzens einer solchen Situation wird zwar nicht über alle Tatbestände erfasst und es wird durchaus auch einzelne Tathandlungen geben, die von den Normen nicht erfasst werden, das entscheidende Argument liegt aber in der Problematik der
    Nachweisbarkeit
    der Delikte im Umfeld des Menschenhandels. Der Nachweis der Kenntnis der Freier von der erzwungenen Prostitution durch die Strafverfolgungsbehörden wird noch schwerer fallen als der Nachweis des Menschenhandels selbst. Dies lässt sich auch nicht beheben durch die häufig geforderte Einführung der Erlaubnispflicht von Prostitutionsbetrieben. Die daraus resultierende Möglichkeit zur Unterscheidung zwischen
    gewerberechtlich erlaubten und nicht erlaubten Betrieben gibt primär Hinweise auf die Motivlage der BetreiberInnen. Sie kann aber keine Regelvermutung dahingehend begründen,
    dass in unerlaubten Betrieben mehr Opfer von Menschenhandel arbeiten
    und und erleichtert
    damit im Einzelfall den Strafverfolgungsbehörden nicht den Nachweise der subjektiven Tatbestandsseite.
    Selbstverständlich können der Einführung neuer Tatbestände nicht von vorne herein Nachweisprobleme entgegen gehalten werden, die sich regelmäßig im Bereich des Sexualstrafrechts, im Zusammenhang mit Verwandtschaftsverhältnissen oder im sozialen Nahbereich ergeben.
    Sie führen aber zu der eingangs formulierten Bewertung, dass eine Freierstrafbarkeit durchaus hohen symbolischen Wert haben kann, sie aber keine nennenswerten
    Auswirkungen auf die Bekämpfung des Menschenhandels haben wird.



    Erlaubnispflicht für alle Formen von Prostitutionsstätten

    Die Einführung einer Erlaubnispflicht für alle Formen von Prostitutionsstätten ist unabhängig von ihrer Auswirkung auf den Menschenhandel unter bestimmten Voraussetzungen eine
    konsequente Fortsetzung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten von 2001 (BGBl. I S. 3983). Das Prostitutionsgesetz hat mit den Änderungen
    des Zivil- und Strafrechts den Raum eröffnet, die Prostitution in das Wirtschaftsleben zu überführen und das Angebot sexueller Dienstleistungen wie andere Wirtschaftsbranchen
    auch über das Gewerbe-, Steuer-, Zivil- und Arbeits- und Baurecht zu reglementieren. Ziel der Einführung des Prostitutionsgesetzes war auch die Verbesserung der sozialen
    Absicherung der Frauen sowie eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Eine aktuelle Untersuchung hat erneut gezeigt, dass diese Ziele auch 10 Jahre nach Inkrafttreten des
    Prostitutionsgesetzes nur bedingt erreicht worden sind.

    [18 Das Prostitutionsgesetz und seine Umsetzung - Was hindert unterstützende Netzwerke an konstruktiven Vorschlägen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und wieso dominieren Forderungen nach strafrechtlichem
    Opferschutz und Hilfe zum Ausstieg?, Dissertation Universität Kiel (2011), erschienen in: Criminologia, Interdisziplinäre
    Schriftenreihe zur Kriminologie, kritischen Kriminologie, Strafrecht, Rechtssoziologie, forensischen Psychatrie
    und Gewaltprävention, Hamburg (2011).]

    Wenn die Einführung einer Erlaubnispflicht nicht nur als Kontrollinstrument zur Aufdeckung von Straftaten im Umfeld der Prostitution konzipiert wird, sondern schwerpunktmäßig auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Prostituierten abzielt, kann das zur weiteren Zielerreichung
    beitragen.
    Davon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit sich die Reglementierung von Prostitutionsstätten positiv auf die Strafverfolgung im Bereich des Menschenhandels auswirkt. Hierzu liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Entscheidend für eine Umsetzung, die auch von allen beteiligten Akteuren getragen wird, dürften drei
    übergeordnete Aspekte sein.
    · Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Prostitution. Hierzu müssten passgenaue Konzepten für die verschiedenen Betriebsformen entwickelt werden, die unter anderem die Ausgestaltung von Arbeitsräumen und sanitären Anlagen regeln, Notruf und Sicherheitsvorkehrungen sowie den Gesundheitsschutz berücksichtigen.
    · Beteiligung der in der Prostitution tätigen Akteure an der Entwicklung der Konzepte.
    · Konsequente Anwendung einer Erlaubnispflicht auf alle Formen der Betriebsstätten, um die Entwicklung unterschiedlicher Standards zu vermeiden.
    6.)
    Jae-Soon Joo-Schauen
    Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung e. V.
    agisra e. V.
    www.agisra.de
    Köln
    Jae-Soon Joo-Schauen hat geschrieben:Freierbestrafung ist sehr schwer umsetzbar. Stattdessen sollen Freier sensibilisiert
    werden
    , dass sie Sexarbeiterinnen fair behandeln. Freiern muss vermittelt werden, dass sie klare Absprachen über Leistung und Gegenleistung treffen und den vereinbarten Lohn der Sexarbeiterin geben sollen, keiner anderen Person.

    Eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten kann kurzweilige eine effektive Kontrolle ermöglichen. Aber nur so lange, bis Menschenhändlerinnen Lücken finden, wie sie sie umgehen können. Positive Maßnahmen, wie zum Beispiel ein Qualitätssigel, das dem Kunden garantiert, dass an einem Ort keine Sexarbeiterinnen unter menschenhandelsähnlichen Bedingungen arbeiten, könnten helfen. Bei der Entwicklung eines Gütesiegels müssen Prostitutionsberatungsstellen und Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen Sexarbeiterinnen mitbeteiligt werden. Dieses Gütesigel müsste bundesweit bekannt werden so dass es alle fair arbeitenden Bordelle erhalten wollen.
    7.)
    Regina Kalthegener
    Rechtsanwältin (für Opfer von Menschenhandel)
    www.kanzlei-kalthegener.de
    Berlin
    Regina Kalthegener hat geschrieben:Freierbestrafung
    Die Frage der Bestrafung von Freiern von Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution wird seit Jahren kontrovers diskutiert und besitzt meines Erachtens
    eher symbolischen Charakter. Nach meinen bisherigen Erfahrungen als Opferanwältin halte ich eine entsprechende Regelung zudem kaum für durchführbar. Es wird meines
    Erachtens kaum zu beweisen sein, so dass kaum mit einer Verurteilung von Freiern zu rechnen ist. Ich teile insoweit die Einschätzung des Deutschen Juristinnenbundes.
    [36 djb Stellungnahme v. 25.01.2007 zum Gesetzesentwurf des Bundesrates „Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Menschenhandel – (BT-Drucks. 16/1343), S. 3 f.]

    Es besteht kein Zweifel daran, dass das Verhalten einer Person verwerflich und strafwürdig ist, die eine durch Menschenhandel geschaffene Lage einer anderen Person zu sexuellen Zwecken ausnutzt. Ein Missbrauchsvorsatz, der Kenntnis der nach § 232 StGB geschaffenen Lage des Opfers von Menschenhandel voraussetzt, dürfte jemals kaum
    nachzuweisen sein.

    [37 Nach dem damaligen Gesetzesentwurf (BT-Drs. 16/1343, S.8) wird die Freierbestrafung als Zeichen im Kampf gegen Menschenhandel bezeichnet, nach Einschätzung des djb (a.a.O.) eher als „symbolische Strafgesetzgebung“ gewertet.]

    Unabhängig davon verschließt eine Freierbestrafung letztendlich die Tür für Opfer von Menschenhandel, führt Prostitution wieder in eine Grauzone.
    [38 Die Auffassung teilt z.B. auch die Vorsitzende der Kommission Strafrecht des Deutschen Juristinnenbundes, Staatsanwältin Dagmar Freudenberg (Telefongespräch vom 15.3.2012).]

    Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es immer wieder vorkommt, dass ein Kunde von einer Betroffenen auf ihre
    Zwangslage aufmerksam gemacht wird und sich bereit erklärt, ihr zu helfen. So rief z.B. der Freier einer rumänischen Mandantin, die in einem ländlich gelegenen Bordell als
    Zwangsprostituierte eingesperrt war, die Polizei an. Die Frau konnte befreit werden. Die Tätergruppe wurde u.a. wegen Menschenhandel verurteilt. Ein anderer Kunde verhalf
    einer russischen Betroffenen von Menschenhandel aus einem Wohnungsbordell in einer Großstadt zur Flucht und stand im Strafprozess ebenfalls als Zeuge zur Verfügung.
    Dergleichen half ein Kunde einer brasilianischen Betroffenen von Menschenhandel.
Hier die Dokumente, die annainga gefunden hat: :006
www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse1 ... index.html





Dann haben wir noch vom Nov. 2011:
Stellungnahme von Dona Carmen e.V.
"15 Argumente gegen eine Konzessionierung von Prostitutionsstätten"

Frankfurt
www.donaCarmen.de/wp-content/uploads/20 ... rung-1.pdf
Zusammenfassung von fraences:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=111394#111394





Fachkonferenz der Prostitutionsgegner aus USA und Schweden hier bei uns
Anti-Trafficking conference coming to Germany, Madrid and NYC !!!
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1064&start=481
check the many speakers from the US and Schweden
be prepared - fight false rumors
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 16.04.2012, 14:06, insgesamt 15-mal geändert.

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Hier jetzt die genaue Darstellung des sog. "Augsburger Weg der Prostitutionskontrolle"

(gespeichert unter Lokalnachrichten Augsburg zum schnellen wiederfunden)

Ist vermutlich wie in München
und wird von Solwodi empfohlen.



1. Ausübung der Prostitution nur als selbständige Erwerbstätigkeit
(als Rechtsstatus und auch bei der tatsächlichen Ausgestaltung)

1.1 Das eingeschränkte Weisungsrecht der Betreiber müsse wieder abgeschafft werden.

2. Besonderes Mindestalter von 21 Jahren für Prostituierte

3. Verpflichtende regelmäßige Gesundheitsuntersuchung wiedereinführen

4. Verpflichtende Anmeldung beim Finanzamt als selbständige Erwerbstätige

5. Verpflichtende Anmeldung der Prostituierten bei der Polizei

6. Erlaubnispflicht für den Betrieb eines Bordells



Bild
Link






:009 Gegen neue Polizeigesetze Prostitution :009
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=8055





.

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Re: Interner Querverweis

Beitrag von Arum »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:
2. Besonderes Mindestalter von 21 Jahren für Prostituierte

Bei uns in den Niederlanden ist man im Moment auch dabei dies durchzusetzen. Unter der paternalistisch bevormundenden Begründung: unter 21 seien Frauen noch zu beeinflussbar um selber Entscheidungen zu treffen. Trotzdem hält man Frauen zwischen 18 und 21 für erwachsen genug um Stimmzettel abgeben zu können...
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Nun ist natürlich sich vom Freier auswählen zu lassen und zur Wahlurne zu gehen zweierlei.




@all


Da es nur eine Frage vom Bundesfamilienministerium gab direkt zum Thema Prostituiton, habe ich alle Antworten der 7 Experten zu dieser Frage Nr. 9 oben kurzerhand als Zitate in die Expertenliste hinein kopiert.

Schaut mal drüber, was ihr von den Expertenmeinungen halten und falls jemand in den Gutachten etwas wichtiges woander findet bitte mitteilen.





Der eigentliche geplante Gesetzesentwurf zur Neufassung des ProstG ist in dieser Anhörung jedenfalls noch nicht besprochen worden. Ist aber gerüchteweise auch in Arbeit und soll bis April/Mai soweit sein...

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Beitrag von fraences »

Habe noch nicht die Ruhe gehabt, alles genau durch zu lesen (hatte heute den ganzen Tag kein Internet (Netzausfall),
Aber der erste Eindruck beim flüchtigen lesen:

Wenn das alles so kommt, dann ist es viel schlimmer als ich erwarte habe.
Allein die Meldepflicht, was nichts anderes als Registrierung von Prostituierten bei der Polizei bedeutet. Ich dachte immer die Zeiten der "Hurenkartei bei der Sitte" wäre für alle Zeiten vorbei.

Ich kenne die Zeiten, wobei der Registrierung bei der Sitte, man Erkennungsdienstlich behandelt wurde. (ohne das eine Straftat vorlag).

Wenn das alles Gesetz wird, dann ist das so ein großer Rückschritt und wird viel Leid für Sexworker in die Zukunft bringen.

Es wird dann mehr "im Dunkeln" gearbeitet und das kann nicht mehr Rechte und bessere Arbeitsbedingungen für SW bedeuten.

Liebe Grüsse, Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Beitrag von Dawn »

Habe eben die Ausschnitte, die Marc zitiert hat durchgelesen. Problematisch finde ich, wenn der von den meisten als eher symbolisch benannte Nutzen der Freierbestrafung durch die Befürworter scheinbar höher gewichtet wird, als die realen praktischen Konsequenzen, die sich aus der Schaffung neuer Grauzonen (erklärt im Statement von Regina Kalthegener) ergeben.

Wichtig finde ich den Punkt im 3. Statement von Naile Tanis:
Die Ausgestaltung einer Erlaubnispflicht für alle Formen von Prostitutionsstätten sollte aber allgemein primär die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Rechte von Prostituierten zum Ziel haben und nicht in erster Linie die Bekämpfung des Menschenhandels.
Die gesetzlichen Grundlagen für einen ganzen Geschäftsbereich sollten sich nicht aus der Betrachtung eines Randbereiches begründen.

Aus dem Bauch heraus, ohne mich intensiv damit beschäftigt zu haben, finde ich eine mäßige Regulierung/Reglementierung durchaus sinnvoll, aber eben genau unter dieser Prämisse, und bitte an den Stellen, wo alle anderen Berufe/Gewerbe auch reglementiert werden - also ohne Registrierungen bei Polizei und ähnliche Sonderbehandlungen.

Das Thema Regulierung/Reglementierung finde ich ein wichtiges und spannendes, zu dem ich mir sowieso mal eine fundiertere Meinung bilden wollte. Deswegen werde ich mir am Wochenende auf meinen beiden langen Zugfahrten die zwei Gutachten, die sich in den kurzen zitierten Ausschnitten zu dem Thema äußern, mal intensiver vornehmen, d.h. das von Heike Rabe vom Deutschen Institut für Menschenrechte (#5) und das von Prof. Dr. Joachim Renzikowski von der Martin-Luther-Universtität (#2), um den Hintergrund der Positionen besser zu verstehen.

Ich habe leider nicht den ausufernden Background zu dem Thema, der es mir erlaubt, die Kommentare so einzuordnen, wie Marc das für "sein" Thema getan hat, aber ich kann sicher über das berichten, was mir auffällt.

Liebe Grüße,
Dawn

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Beitrag von ehemaliger_User »

@Arum Es geht noch weiter: 18jährige werden zu Soldaten ausgebildet und in den Krieg geschickt.

Schlimm finde ich, dass das Ministerium speziell bei der Bewertung rechtlicher Fragen offensichtlich die Hardliner gefragt wurden und nicht Juristen, die das ganze differenzierter Betrachten wie z.B. im Kriminalpolitischen Forum der Humboldt-Universität zu Berlin http://heinrich.rewi.hu-berlin.de/forum
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