Prostituierte lösen sich nicht auf Polizeiantrag in Luft auf!
Dienstag diskutieren wir im Grün2 das neue Prostitutionsgesetz und insbesondere die Auswirkungen: 29. Mai, 19 Uhr, 1020 Wien, Novaragasse 7
Mit
Birgit Hebein, Gemeinderätin und Mitverhandlerin des Gesetzes
Tina Leisch, Bewohnerin den Stuwerviertels, Filmemacherin
Claudia Barbara Jarnig, Ex-Sexarbeiterin, Frau, Mutter, Mensch
Lefö, Streetwork im Stuwerviertel/Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen
Uschi Lichtenegger, Klubobfrau Grüne Leopoldstadt (Moderation)
Eine Auswirkung des Gesetzes ist, dass es ungenügend sichere Plätze für die Frauen gibt, die am Straßenstrich ihr Geld verdienen wollen/müssen. Dieser für die Frauen Kampf um den Platz nun paart sich mit einem existentiellen Kampf. Eine weitere Verschärfung für die Frauen tritt nun durch einen Polizeiantrag ein, dem die Bezirksvertretung mehrheitlich – ohne Grüne und der KPÖ – zustimmte.
Außerordentliche Bezirksvertretungssitzung am 22.5.2012
In einer außerordentlichen Bezirksvertretungssitzung am 22.5. wurde ein Antrag der Polizei zur Einschränkung der Anbahnungszeiten der Prostitutierten im Prater im erlaubten Gebiet behandelt. Das war der einzige Tagesordnungspunkt, es ging um eine Stellungnahme des Bezirks.
Nachstehender Text war Teil meiner Rede bei dieser ao Sitzung der Bezirksvertretung.
Prostituierte lösen sich nicht auf Polizeiantrag in Luft auf!
Wir sind heute hier, weil augenscheinlich die Politik versagt hat und die PlayerInnen – das Stadträtinnenbüro und die Bezirke sich mit der Polizei den Ball hin und her schieben.
Und die Frauen, die Prostituierten, um die es hier geht und die von der zeitlichen Beschränkung betroffen sind, sind die Verliererinnen.
Statt dem Gesetz aus dem Herbst 2011, Straßenprostitution raus aus dem Wohngebiet zu bringen, dafür genügend sichere Plätze außerhalb von Wohnvierteln für die Prostituierten zu schaffen zu folgen, wird die Situation für die Frauen noch verschärft.
In den erlaubten praktisch nur 2 Straßen in Wien im Prater dürfen die Frauen nur nächtens, im Sommer nur zwischen 22 und 6 Uhr stehen und anbahnen, was auch eine Verschlechterung gegenüber des früheren Gesetzes bedeutet.
Aber, laut dem neuen Prostitutionsgesetz, könnte auf Antrag der Polizei nach Anhörung des Bezirks nicht nur Beschränkungen, sondern auch neue Erlaubniszonen beschlossen werden. D.h. wo ist der Antrag der Polizeidirektion Wien, eine Erlaubniszone einzurichten? Der vorliegende Polizeiantrag ist reine Augenauswischerei, Frauen lösen sich nicht in Luft auf.
Das spüren vor allem die BewohnerInnen des Stuwerviertels. Ein gebürtiger Stuwerviertler rief mich an und sagte, so schlimm wie in den letzten Tagen und Wochen war es hier schon lange nicht, Frauen und Mädchen, die mir beim Einparken vors Auto springen und mich angreifen und mitschleppen wollen. Von den Freiern und Zuhältern, die nun wieder vermehrt herumlaufen ganz zu schweigen.
Zum Prinzip des Heiligen Florian passt gut die Scheinmoral…
Neben dem Florianiprinzip ist es die Scheinmoral, die hier zum Tragen kommt. Es geht um Anbahnungsplätze für ca. 150 bis 200 Frauen in ganz Wien. Die meisten Frauen mit dem „Deckel“ arbeiten in Lokalen oder im Escortservice. – Escortservice, dort sollen über 4.000 Frauen tätig sein. Zurück zur Situation im Prater, diese ist für die Praterbesucher und die Prostituierten gleichermaßen angespannt. – Das liegt aber vor allem daran, dass es nicht genügend sichere und sozial verträgliche Plätze für die Prostituierten gibt.
Wenn in den Zeitungen zu lesen ist, dass Kondome und andere Hinterlassenschaften im Wurstelpratereingangsgebiet zu finden ist, dann liegt es auch hier daran, dass die Politik hier nicht ihren Aufgaben nachgekommen ist. Die Frauen in zwei Straßen zu drängen und für keine Infrastruktur zu sorgen, keine WCs, keine Mistkübel, drängt die Arbeit, die diese Frauen ausüben, in einen noch schmutzigeren Bereich. Wir haben diese Anträge nach Infrastruktur hier in diesem Raum schon gestellt, sie ruhen gut in irgendeiner Schublade. Auf Kosten der Frauen wird dann in den Zeitungen über sie hergezogen.
Es gibt hier auch keine Lokale oder Stundenhotels in der Nähe, so müssen die Frauen zu den Freiern in den Wagen steigen, um irgendwo hinzugelangen. Die Konzentration des Straßenstrichs im Prater steigert auch in auf einem andern Gebiet den Konkurrenzkampf zwischen den Sexarbeiterinnen: Die Frauen bieten Sexpraktiken an, die sie zuvor nicht gemacht hätten. Geschlechtsverkehr gibt es nun zu Dumpingpreisen.
Ausweichen in die Illegalität
Die Frauen dürfen jetzt tagsüber der Nachfrage nicht nachgehen, sie lösen sich aber nicht in Luft auf. Die Frauen weichen aus in die illegale Wohnungsprostitution, bahnen an in U-Bahn- und Straßenbahnstationen, bieten sich in Kinos an. Oder die Empfehlung an die Frauen von der Politik, sich in Laufhäusern zu verdingen. Das bedeutet in den meisten Fällen, sich vom Laufhausbetreiber abhängig zu machen, die Zimmer gibt es nur längerfristig anzumieten. Sie müssen 80 bis 150 Euro täglich für das Zimmer zahlen. Verdienen sie nicht genug, sind Schulden und Abhängigkeit vorprogrammiert.
Wir wissen, die prekäre Lage ist nicht allein die Folge des neuen Gesetzes: Die Tätigkeit verstößt gegen die guten Sitten, so können Sexarbeiterinnen nicht angestellt werden und Vertragsbrüche nicht einklagen. Trotzdem müssen sie Steuern abführen. Viele arbeiten deswegen bei Eskortagenturen als Geheimprostituierte. Diese rechtliche Situation und das Arbeiten in der Illegalität fördern genau jene Verhältnisse, die die Politik zu bekämpfen vorgibt.
Prostitutionsgesetz von Herbst 2011
Das Prostitutionsgesetz vom November 2011 hatte den engagierten Ansatz, AnrainerInnen zu entlasten und sichere Bereiche für die Prostituierten schaffen. Bei der Umsetzung zeigt sich, ein Gesetz kann nicht den notwendigen gesellschaftspolitischen Diskurs ersetzen, d.h. die Gespräche müssen hier intensiv mit allen PlayerInnen weitergeführt werden. Wir Grünen werden sich wie bisher darum bemühen, dass die Vereinbarung, AnrainerInnen durch das neue Gesetz zu entlasten und genügend sichere Bereiche für die Straßenprostitution zu schaffen, umgesetzt wird.
Aber, wie man sieht, sind bis zu dieser Problemlösung die Prostituierten Spielball zwischen der dem Stadträtinnenbüro, den Bezirken und der Polizei. Die Frauen werden in die Illegalität gedrängt. Illegale Frauen sind rechtlose Frauen. Und das wollen wir hier sicher nicht!
Internationaler Hurentag, 2. Juni
Zum Internationalen Hurentag gibt es die Diskussion zum Prostitutionsgesetz am 29.5.im Grün 2 und
am 2. Juni, 14 bis 17 Uhr, eine Veranstaltung von Lefö mit Unterstützung der Grünen Frauen am Praterstern, Ausgang Richtung Wurstelprater. Freecards und Videos werden von der Grünen Frauenorganisation für den Internationalen Hurentag vorbereitet.
http://gruene.blog2.at/2012/05/28/prost ... -luft-auf/
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Zum internationalen Hurentag - Wir, die VertreterInnen von sexworker.at sehen absolut keinen Grund zum Feiern... Wir können auch nicht wirklich gemeinsam mit einer der Regierungsparteien gegen ein Gesetz die Stimme erheben, welches von eben dieser Partei mitgetragen wird.
Deshalb werden wir dieses Jahr der Veranstaltung nur als BesucherInnen beiwohnen (um auch unseren Respekt vor LEFÖ bzw. der Arbeit der LEFÖ-Frauen zum Ausdruck zu bringen)
Christian