Von "unzüchtigen Weibspersonen" und "verhurten Sauzimmern"
06.09.2012 | 18:29 | (Die Presse)
Ende des 14. Jahrhunderts gab es nachweislich die ersten Bordelle in Wien. Tiefer Graben und Spittelberg waren Zentren des "ältesten Gewerbes der Welt" - auch Kaiser Josef II. soll dort gewesen sein. Seit 1873 müssen sich Prostituierte vom Amtsarzt untersuchen lassen.
Wien/Stög. Die Geschichte der Prostitution in Wien lässt sich bis zum Ende des 14. Jahrhunderts zurückverfolgen. Zu dieser Zeit gab es in Wien nachweislich die ersten Bordelle. Um 1395 sind drei Freudenhäuser – zwei außerhalb der Stadtmauern, eines in der Nähe des Tiefen Grabens – belegt. Später machten dann vor allem entlang der Stadtmauer zahlreiche Spelunken und Badehäuser auf, in denen Frauen ihre Dienste anboten.
„Die schlecht bezahlte Stadtguardia, die damaligen Sicherheitsorgane Wiens, kassierte bei den Bordellen mit“, schreibt Polizeihistoriker Werner Sabitzer in einer Abhandlung über die Geschichte der Prostitution in Wien. Bei „besseren Herren“ besonders bekannt war im Spätmittelalter das Frauenhaus beim Tiefen Graben. Es unterstand dem Hofmarschall und war eine äußerst lukrative Erwerbsquelle. Bis zu Kaiser Ferdinand I. (1503–1564): Er untersagte das Treiben der „unzüchtigen Weibspersonen“ und richtete eine „geheime Keuschheitskommission“ ein. Bordelle wurden geschlossen, die Prostitution war forthin geächtet, es drohten strenge Strafen, bis hin zur Todesstrafe. Ertappte Frauen mussten damit rechnen, öffentlich (vor einer Kirche) ausgepeitscht zu werden. In manchen Fällen schnitt man ihnen ein Ohr ab.
Anstieg der Syphilisfälle
In der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts wetterte in Wien dann der katholische Prediger Abraham a Santa Clara gegen die „verhurten Sauzimmer“. Seine deftigen Worte missfielen allerdings sogar Kaiser Leopold I., der vom Prediger eine Entschuldigung forderte. Kaiserin Maria Theresia stockte die Keuschheitskommission auf, ihre Spitzel waren auch in höheren Gesellschaftskreisen unterwegs.
In den Spelunken außerhalb der Stadtmauer ging es hingegen weiter sündhaft zu. Viele dieser Lokale wurden von der Stadtguardia betrieben. Berüchtigt waren die Wirtshäuser auf dem Spittelberg. 1778 soll aus einem dortigen Bordell Kaiser Josef II. unsanft hinausbefördert worden sein. Der Wirt hatte den kaiserlichen Besucher, der im Lokal verständlicherweise inkognito unterwegs war, nicht erkannt.
Im frühen 19.Jahrhundert, zur Zeit des Wiener Kongresses, breitete sich die Prostitution in Wien sprunghaft aus. Zu dieser Zeit gab es bereits Zuhälter, die Polizei bezeichnete sie als „Straßenkupller“. Als Strafe wurden sie dem Militär zugeführt und meist in galizische Regimenter gesteckt. Daneben gab es immer mehr Syphilisfälle. Ab 1873 mussten sich die Prostituierten daher einer behördlichen Gesundheitskontrolle beim Polizeiarzt unterziehen.
1852 machte sich eine Prostituierte strafbar, wenn sie „auf schamlose Weise aus dem Fenster oder vor dem Hausthore Freier anlockt“ oder auf einem „zur Anwerbung von Männern unternommenen Gange betreten wird“. Zu dieser Zeit soll auch Wiens bekannteste Prostituierte, Josefine Mutzenbacher, ihren Tätigkeiten nachgegangen sein. Die „Geschichte einer wienerischen Dirne“, herausgegeben 1906, sorgte für gehöriges Aufsehen. Der bis heute nicht belegte Autor könnte der Schriftsteller Felix Salten gewesen sein.
Die Zahl der Geheimprostituierten stieg stetig an – vor allem in den Jahren rund um den Ersten Weltkrieg. Durch die Armut in den Jahren danach sahen sich auch immer mehr Frauen aus dem Mittelstand gezwungen, der Prostitution nachzugehen. Laut Polizeistatistik waren 1920 unter den 3272 bekannten Prostituierten 377 Beamtinnen, acht Frauen von Offizieren sowie minderjährige Töchter von Ärzten und Stadträten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2012)
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Von "unzüchtigen Weibspersonen" und "verhurte
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Von "unzüchtigen Weibspersonen" und "verhurte
> ich lernte Frauen zu lieben und zu hassen, aber nie sie zu verstehen <
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Re: Von "unzüchtigen Weibspersonen" und "verh

Zur Geschichte hab ich auch ein paar Sachen gefunden:Jason hat geschrieben:Von "unzüchtigen Weibspersonen" und "verhurten Sauzimmern"
Die Hurerei aus Sicht der alten Kirchenväter:
"Unterdrückt die öffentlichen Dirnen, und die Gewalt der Leidenschaften
wird alles über den Haufen werfen."
Der heilige Augustin
"Die Prostitution in den Städten gleicht der Kloake im Palast; schafft die
Kloake ab, und der Palast wird ein unreiner und stinkender Ort werden."
Thomas Aquin
Huren sind nützlich, weil sie schützen die anderen Damen
Der Leipziger Polizeiarzt Dr. J. Kühn vertritt die Auffassung: "Die
Prostitution ist nicht bloß ein zu duldendes, sondern ein notwendiges
Übel, denn sie schützt die Weiber vor Untreue und die Tugend vor
Angriffen und somit vor dem Falle."
J. Kühn, Die Prostitution im neunzehnten Jahrhundert vom
sanitätspolizeilichen Standpunkt. Leipzig 1892
und sie verhindern das Heranwachsen von Staatsfeinden,
denn die Prostitution verhütet, dass "unter dem Zwange des
Naturgesetzes Ehen geschlossen werden, die zu einer Vermehrung
des Volkes um Elemente führen, deren aus Not unterbliebene Erziehung
und aus einer freudlosen Jugend entspringende staatsfeindliche
Gesinnung sie zu Gegnern der Gesellschaft macht".
B. Severus, Prostitution und Staatsgewalt. Dresden 1899
Verursacht ist die Prostitution im Wesentlichen durch einen
Webfehler bei den Frauenzimmern - was denn sonst:
"Die Prostitution beim Weibe hat zu allen Zeiten und bei allen
Völkern der Erde bestanden, sie ist etwas Unzerstörbares, weil sie dem
Geschlechtsverkehr dient, aus der Natur des Menschen sich ableitet und
weil der Trieb zur Prostitution in vielen Fällen sozusagen auf
angeborene Fehler mancher Frauen zurückzuführen ist. Gerade wie in
einer Bevölkerung das Genie und der Blödsinn, das Riesen- und
Zwergwachstum und andere Abweichungen von dem allgemeinen Mittel,
dem gewöhnlichen, vertreten zu sein pflegen, ebenso treten durch das
Spiel der Geburt auch jene Abnormitäten zutage, welche zur Prostitution
führen müssen."
Max Rubner, Lehrbuch der Hygiene. 8. Auflage, S. 654. Leipzig 1907
(Rubner war Professor an der Berliner Universität und Direktor des
Hygienischen Instituts)
Die Prostitution wird es noch sehr lange geben:
"Die fortschreitende Zivilisation wird die Prostitution allmählich in
gefälligere Formen hüllen, aber nur mit dem Untergang der Welt wird
sie vom Erdball vertilgt werden können."
Dr. F. S. Hügel, Zur Geschichte, Statistik und Regelung der Prostitution
in Wien, 1865
Und auch R. Schmölder meint, dass die Prostitution "nach menschlichem
Ermessen ein steter Begleiter der Menschheit bleiben wird".
R. Schmölder, Die Bestrafung und polizeiliche Behandlung der
gewerbsmäßigen Unzucht. Düsseldorf 1892
Gruß, Carloco
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RE: Von "unzüchtigen Weibspersonen" und "verh
Das sind wirklich spannende Beiträge aus der Geschichte der Prostituion der letzten Jahrhunderte.
Du liebe Zeit, sogar als genetische Abnormität wurde die Ausübung der Prostitution dargestellt! Wie Kleinwüchsigkeit und geistige Behinderung.
Und das von Professoren des Hygienischen Instituts.
Unvorstellbar!
Du liebe Zeit, sogar als genetische Abnormität wurde die Ausübung der Prostitution dargestellt! Wie Kleinwüchsigkeit und geistige Behinderung.
Und das von Professoren des Hygienischen Instituts.
Unvorstellbar!
Liebe Grüße, Femina
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Re: RE: Von "unzüchtigen Weibspersonen" und "

Ja das ist eine der Methoden, um gesellschaftlich unerwünschtes VerhaltenFemina hat geschrieben:Du liebe Zeit, sogar als genetische Abnormität wurde die Ausübung der Prostitution dargestellt!
auszugrenzen. Man denunzuiert es als Naturdefekt - am besten von
Professoren 'bewiesen' - und verschafft sich damit die Legitimation,
in aller Härte gegen die "unzüchtigen Weibspersonen" vorzugehen.
Hier noch zwei weitere Beispiele aus der Historie:
Die sogenannten guten alten Zeiten (um 1900)
Ein Berliner "Ball-Etablissement" versendet folgende Einladung an die
sogenannte "vornehme Männerwelt":
"Die unterzeichnete Jagdsaalverwaltung, deren Direktion Sie, hochgeehrter
Herr, als passionierter Jäger empfohlen worden, gibt sich die hohe Ehre,
Ew. Hochwohlgeboren auf ein neuerschlossenes, herrliches Jagdterrain
mit reichem, vorzüglichem Wildstand aufmerksam zu machen und zur ersten
Edelwildjagd am 26. August a.c. in den Jagdsälen höflichst einzuladen.
Ein besonderer Umstand läßt unser neues Forstrevier in hervorragender
Weise angenehm und bequem erscheinen: die Jagdgründe befinden sich
im Mittelpunkt der Residenz, das Wild ist keinerlei Schonung unterworfen."
Ein anderes Lokal bietet das "Aalgreifen" an:
"Der Inhaber eines dieser der Gelegenheitsmacherei dienenden Lokale in
der ... straße inBerlin gibt sogar ein eigenes illustriertes Blatt heraus, in dem
das Treiben der dortverkehrenden Gesellschaft geschildert wird. Das Lokal
verfügt über 400 Sitzplätze, in dem allabendlich ein elegantes Publikum, das
als Stammpublikum - wie es in dem Blatt heißt - der höchsten Geburts- und
Finanzaristokratie angehört, verkehrt.
Der Trubel und Jubel nehme geradezu beängstigende Dimensionen an, wenn,
wie fast täglich, zahlreiche Damen der Theaterwelt und bekannte Beautés der
Lebewelt anwesend sind und wenn die findige Direktion, um der Heiterkeit die
Krone aufzusetzen, in vorgerückter Morgenstunde ein Aalgreifen veranstaltet.
Rings um das Bassin herum kauern mit hochgeschürzten Kleidern die schönen
Besucherinnen der Bar und haschen nach dem Aal. Und so weiter. Die Polizei
kennt dieses Treiben genau, aber sie hütet sich, die vornehme Gesellschaft
in ihren Vergnügungen zu stören."
Quelle: August Bebel, Die Frau und der Sozialismus
Gruß, Carloco
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