ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Marc of Frankfurt
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Re: Sibylle Berg

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Autorin Sibylle Berg: "Wie soll ein Mann unterscheiden können, welche Frau er kaufen kann und welche nicht?" Meist steht doch Bordell drüber *LOL* Meine Antwort: er muß halt lernen zu fragen und über Sex und seine Wünsche und was es ihm Wert ist in noch vielfältiger Weise reden zu könnnen und sie muß halt lernen bereit zu sein mit ihm offen über das Tabuthema Käuflichkeit oder Seitensprung oder Promiskuität oder Polyamorie zu sprechen.





So eine sensible kultivierte Frau, aber die einfache Logik zwischen uns Sexworkern und unseren Kunden ist ihr damit evt. versperrt. Ob sie deshalb revoltiert, indem sie den ganzen Sex-Markt und damit gleich die gesamte sexuelle Konkurrenz loswerden will?

Es wäre gut wenn es möglichst viele Blogs mit Gegendarstellung von unssereins gäbe...
vgl. SEO und Google Bombe





Strukturelle Sicherheit für Sexworker die outdoor arbeiten oder Drogengebraucher sind
Safer-Sex drive-in Love Boxen:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1008

Das Schwedische "Modell" der Prostitutionsreglementierung sehen wir als gescheitert an:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=912




Bild
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Sammeltread unserer Protestschreiben an Frau Sibylle Berg wg. Verwechselung:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=125394#125394





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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 21.10.2012, 15:41, insgesamt 2-mal geändert.

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Beitrag von ehemaliger_User »

Nur zur Erinnerung:

- Ca. 6.000 SDL gabs 1999 in ganz Schweden (laut Polizeistatistik). Heute sind es ca. 3.000.

- Dank guter sozialer Absicherung waren bis 1989 fast ausschliesslich selbstbestimmte SexdienstleistrInnen aus Schweden tätig, Durch die Grenzöffnung kamen arme Frauen aus dem Osten auch nach Schweden in die Sexarbeit.

- Massive Zunahme von Sextourismus z.B. nach Tallin

Hier noch ein Beitrag der katholischen Hassprediger:
http://www.kreuz.net/article.14870.html
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

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Marc of Frankfurt
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Anhörung der Grünen im BT

Beitrag von Marc of Frankfurt »

10 Jahre ProstG

Anhörung im Bundestag - Fraktion Bündnis90/Grüne



Tagungsprogramm:
www.gruene-bundestag.de/news/termin_ID_ ... esetz.html




Veranstaltungs-Bericht der TAZ vom 21.10.2012
von Heide Oestreich

10 Jahre Prostitutionsgesetz
Legalisiert, aber nicht reguliert


Seit zehn Jahren ist Prostitution legal. Doch genutzt hat das den Huren wenig. Die Grünen luden Betroffene zum Gespräch, wie es besser laufen kann.


BERLIN taz | Es war ein Meilenstein, aber niemand ist zufrieden: Das Prostitutionsgesetz, mit dem Rot-Grün ab 2002 die Prostitution legalisierte, hat nicht bewirkt, was man sich erhoffte. So viel war klar auf dem Fachgespräch der Grünen im Bundestag am Freitagabend.

Eingeladen waren Prostituierte, Bordellbetreiber, Beraterinnen und Forscherinnen. Fast alle zeigten sich enttäuscht. Zwar ist Prostitution nicht mehr „sittenwidrig“, doch die Arbeitsbedingungen der Sexarbeiterinnen haben sich nur wenig verbessert. Immerhin können sie sich nun legal krankenversichern. Und etliche von ihnen, bei denen der Job nicht zum Leben reicht, beantragen aufstockendes Hartz IV.

Die Vorstellung, sie würden nun in Scharen in die Sozialversicherungen strömen, erwies sich aber als lebensfremd: Huren sehen sich als Selbstständige, auch wenn sie im Bordell arbeiten. Es geht ihnen dabei wie vielen anderen Geringverdienern: Geld für die Altersvorsorge ist knapp.

Zufrieden sind allein die Bordellbetreiber: „Der Straftatbestand ’Förderung der Prostitution‘ ist weg und das ist ein Vorteil“, so Holger Rettig vom Unternehmerverband Erotik Gewerbe www.uegd.de . Seitdem stehen BordellbetreiberInnen nicht mehr mit einem Bein im Gefängnis, wenn sie gute Arbeitsbedingungen schaffen – im Gegenteil, sie werben jetzt Frauen und Kunden damit.

Black Box für den Staat

Doch Bordelle sind immer noch eine Black Box für den Staat. Er hat nämlich die Prostitution legalisiert – aber nicht reguliert.
- Wie kann man die Arbeitsbedingungen kontrollieren?
- Wie Ausbeutung, unzumutbare Weisungen oder Abzocke der Frauen verhindern?
- Wie eventuelle Opfer von Menschenhandel finden?

Die Polizei darf, erläutert Grünen-Rechtsexperte Volker Beck, nur bei einem konkreten Verdacht ins Bordell.
Das Gewerbeamt hingegen könne unangemeldet prüfen.

Irgendwie soll die Prostitution im Gewerberecht reguliert werden. Wie, ist aber noch nicht klar. Stattdessen schicke der Staat das Finanzamt, klagt Escortdame und Hurenaktivistin Stephanie Klee aus Berlin.

So nehmen einige Städte nun von Sexarbeiterinnen eine Pauschalsteuer. In Bordellen sammelt sie der Zuhälter ein. Ein, wie Claudia Fischer-Czech von der Hurenberatung Hydra www.hydra-berlin.de - www.bufas.net sagt, im Steuerwesen einmaliger Vorgang, der zeige, dass Huren unter Pauschalverdacht stünden, sie seien nicht steuerehrlich.

Grünen-Stadträtin Sybill Klotz aus dem Berliner Bezirk Schöneberg berichtete, wie man versuche, die angespannte Lage auf dem Strich in der dortigen Kurfürstenstraße zu entspannen. Dort sorgten nach der Osterweiterung neu zugewanderte Osteuropäerinnen für mehr Lärm, aggressivere Anmache und Dreck. Doch ihre Arbeit sei nicht illegal. „Da kann man nichts verbieten. Das ist die Globalisierung, die bei uns ankommt“, so Klotz.

Jahrzehntealte Mythen

Sozialwissenschaftlerin Christiane Howe von der TU Berlin hat Umfragen und Interviews im Viertel gemacht (Link zur Studie). Ergebnis: Es werden Mythen über schreckliche Erlebnisse tradiert, die eventuell schon Jahrzehnte alt sind. Auch die Medien reproduzierten sie gern. „Sie treffen auf eine Vermischung von Geschichten mit Angstlust und Ekellust“, sagte Howe. Frage man aber nach realen Wünschen, kämen ganz realistische Vorschläge.

Der Strich gehört zur Kurfürstenstraße, das stellte kaum jemand infrage. Aber es bräuchte mehr Mülleimer. Und die Huren sollten nicht vor der Kita stehen oder mit ihren Freiern in die Nähe des Spielplatzes ziehen. Sie bräuchten andere Flächen für die „Verrichtung“.

Warum die Grünen jetzt aktiv werden? Weil es auch in der Regierungskoalition rumort. Und der Lieblingsidee der Union, die Bestrafung von Freiern, wollen die Grünen etwas weniger Repressives entgegen setzen.

www.taz.de/Zehn-Jahre-Prostitutionsgesetz/%21103981/
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 21.10.2012, 18:11, insgesamt 2-mal geändert.

alana
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Beitrag von alana »

Ja toll, jetzt sind wir wieder nur Mittel zum Zweck. Ob uns das wirklich hilft? Das Interesse wird schnell schwinden sobald sie wieder an der Macht sind.

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Beitrag von Aoife »

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alana hat geschrieben:Ja toll, jetzt sind wir wieder nur Mittel zum Zweck. Ob uns das wirklich hilft?
Nein - und das soll es auch nicht.

Eine wunderbare Bühne für sich öffentlich profilieren wollende Politiker ist das, so bemüht Lösungen für ein Problem zu suchen bei dem man ganz einfach die Ursache beseitigen könnte,

Wir brauchen kein verbessertes ProstG, wir brauchen, dass auch unsere Menschenrechte respektiert werden.

Beispielsweise der Generalverdacht auf Steuerunehrlichkeit:
Natürlich kann man auf der politischen Bühne der Bevölkerung vorspielen dass sie eine Wahlmöglichkeit hätte indem verschiedene Parteien mit unterschiedlichen Lösungsvorschlägen aufwarten. Und damit vertuschen dass es bezüglich der Verletzung unserer Intimspäre einen parteiübergreifenden Konsens gibt unser Recht zu mißachten und totzuschweigen. Unsere Intimsphäre geht den Staat nun einmal garnichts an und Geldflüsse begründen da keine Ausnahme (Art. 8 und 14 der EMRK) - der Streit ob diese Rechtsverletzung jetzt besser von Polizei, Gewerbeamt oder Finanzamt begangen werden soll ist ein billiges good cop bad cop Spiel.

Problemursache beseitigen statt Scheinlösungen zu diskutieren hieße im Fall der Steuerehrlichkeit einfach Einkünfte aus eigener Prostitution für steuerfrei zu erklären, wie beispielsweise Polen das ja auch tut ... ein souveräner Staat kann das, und wenn er es wie Deutschland nicht tut, dann nur weil er es trotz der damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen nicht will. Alle Begründungen dass diese Menschenrechtsverletzungen im Interesse der Steuerehrlichkeit unumgänglich seien sind also unwahr. Unser Recht auf Unverletzbarkeit der Intimsphäre ist ein Menschenrecht und somit weit höher anzusiedeln als der staatliche Geldbedarf.

Liebe Grüße, Aoife
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Jupiter
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Jupiter »

Ich finde es sehr erfreulich, dass Abgeordnete sich mit SW'innen und entsprechend Involvierten zusammensetzen und die Probleme erörtert werden.
Nur so kann m.E. verhindert werden, dass die Bundesratsvorlage irgendwie in einen Gesetzestext einfließt.

Hier geäußerte Fundamentalkritik am politischen System, welche dann noch in der Forderung nach einem Einkommenssteuerprivileg gipfelt, ist m. E. nach ein kontraproduktiver Weg. Da werden Erinnerungen an meine ASTA / Studentenzeit wach, in der uns diese Systemdiskussionen immer sehr viel Zeit gekostet haben und zu nichts geführt hat.
Solche Statements werden weder von Abgeordneten und Entscheidungsträger noch von Journalisten gelesen, geschweige nach zur Kenntnis genommen.

Die Hardliner beherrschen z. Zt. das Meinungsbild (gebt mal "Novellierung ProstG" in eine Suchmaschine ein). Es ist ja auch nicht verwunderlich, wenn der Öffentlichkeit ständig die Auswirkungen des Straßenstrichs vor Augen geführt werden. Welche Maßnahmen die in Augen der Öffentlichkeit negativen Auswirkungen eingrenzen lassen, ist nur regional zu regeln. Es muss verhindert werden, dass deswegen der gesamte Bereich pauschal verurteilt wird (Prostitution verbieten, Genehmigungsverfahren).

Im Augenblick treten Einzelkämpferinnen in Erscheinung, welche dies zu verhindern suchen. Dies sollte gewürdigt werden und nicht pauschal als nicht zielführend abgetan werden.

Gruß Jupiter
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von annainga »

das ist eine sehr gut formulierte gegenposition von @Jupiter,
ich meine es genauso.

ich finde es unfair generell allen politikern, die sich mit sexarbeit und politischer einordnung auseinandersetzen, vorzuwerfen es wäre berechnung, profilierung, mit absicht provozierte verschlechterung usw.

auch das mit der steuerfreiheit ist schwierig zu argumentieren.
sexarbeit ist überwiegend eine tätigkeit mit der absicht, geld zu verdienen. einkommens-/gewerbesteuerpflichtig zu sein, empfinde ich als gerecht. (die sondersteuern nicht)

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Beitrag von Zwerg »

Ich habe volles Verständnis, dass man, wenn man lange genug gegen Mauern rennt, dem System gegenüber misstrauisch wird. Ich habe es selbst oft genug erlebt, dass "man, von Seiten der Behörden, nicht will" - dass Willkür und Unehrlichkeit öfter vorhanden ist, wie ein offener Austausch.

Jedoch bin ich auch überzeugt, dass es nur Sinn macht politisch aktiv zu sein, wenn man den Diskussionsfaden nicht darauf reduziert. Einzelne Missstände aufzuzeigen macht Sinn - jedoch muss man sie beim Namen nennen können.

Wir dürfen nicht vergessen, dass bei unseren Diskussionen im öffentlichen Bereich nicht nur "wissende SexarbeiterInnen" mitlesen - sondern auch ein Teil der Bevölkerung, welche unsere Argumentation teilweise nicht nachvollziehen kann. Gerade hier gilt es präzise und nachvollziehbare Beispiele zu nennen - und auch zu signalisieren, dass wir an Lösungen interessiert sind.

Liebe Grüße

christian
Zuletzt geändert von Zwerg am 22.10.2012, 11:39, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Aoife »

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Jupiter hat geschrieben:Ich finde es sehr erfreulich, dass Abgeordnete sich mit SW'innen und entsprechend Involvierten zusammensetzen und die Probleme erörtert werden.
Nur so kann m.E. verhindert werden, dass die Bundesratsvorlage irgendwie in einen Gesetzestext einfließt.
Wir haben die schriftliche Aussage der Bundesjustizministerin, dass eine Änderung des ProstG nicht einmal angedacht wird. Ca. 2 Jahre alt. Dies mag vielleicht erklären, warum die Hoffnung duch Kommunikation mit Abgeordneten etwas zu erreichen stark gesunken ist.
Jupiter hat geschrieben:Hier geäußerte Fundamentalkritik am politischen System, ...
Ein interessanter Gedanke:

Das Einfordern von Menschenrechten, zu deren Einhaltung sich Deutschland in internationalen Verträgen verpflichtet hat, stellt eine Fundamentalkritik am politischen System dar?

Heißt das nicht implizit, dass das politische System grundsätzlich nicht bereit ist seine eigenen Prinzipien zu achten? Gut, kann sein dass einige oder möglicherweise auch viele so empfinden - unsere Argumentation mit Menschenrechten hingegen zeugt vom Gegenteil, vom Versuch innerhalb der zumindest in seiner Selbstdarstellung vom System anerkannten Grenzen etwas zu bewirken.

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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Aoife »

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annainga hat geschrieben:auch das mit der steuerfreiheit ist schwierig zu argumentieren.
sexarbeit ist überwiegend eine tätigkeit mit der absicht, geld zu verdienen. einkommens-/gewerbesteuerpflichtig zu sein, empfinde ich als gerecht. (die sondersteuern nicht)
annainga - das sehe ich genauso.

Jedoch ist es das Gerechtigkeitsempfinden, das systemfremd ist - die geltenden Gestze sind zwar widersprüchlich, ergeben bei systemkonformer Wertung (Grundrechte vor staatlichem Geldbedarf) genau das Gegenteil ... und das kann durch neue die EMRK nicht umsetzende Gesetze auf nationaler Ebene nicht verändert, sondern nur verschleiert werden.

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von annainga »

auch die Menschenrechte sind menschengemacht und haben nicht für alle höchste Priorität.

Das Menschenrecht auf sexuelle Freiheit und damit das Recht auf Kein-einmischen-des-Staates sehe ich anders.

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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Aoife »

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annainga hat geschrieben:auch die Menschenrechte sind menschengemacht und haben nicht für alle höchste Priorität.

Das Menschenrecht auf sexuelle Freiheit und damit das Recht auf Kein-einmischen-des-Staates sehe ich anders.
Eine absolut zulässige Einstellung - nur jetzt wirklich systemfeindlich und deshalb in der politischen Diskussion innerhalb des Systems so nicht vertretbar.

Das System beruht nun einmal auf dem Einhalten von Vertragswerken und Deutschland hat der EMRK zugestimmt. Und dort ist nicht die Rede von "sexueller Freiheit", die man durchaus anders deuten könnte, sondern vom Schutz der Privatsphäre vor staatlicher Einmischung sowie dem Verbot diesen Schutz mit finanziellen oder anderen "Begründungen" auszuhebeln.

Ein davon abweichendes Gerechtigkeitsempfinden steht selbstverständlich jedem zu - ein politisches Argumentieren damit stellt jedoch das System als Ganzes in Frage.

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Jupiter »

Aoife, ich stelle die Menschenrechte nicht in Frage. Es geht um deine eingestreute Systemkritik.
Wir haben hier in Strasbourg den dafür zuständigen Europarat: http://www.coe.int/aboutcoe/index.asp?l ... sommesnous

Wenn ich mir aber die Länder, welche hier unterzeichnet haben, anschaue, dann sind bei einigen wohl wesentlich größere Verfehlungen da.
Trotzdem, wer bereitet also eine Klageschrift vor und ist bereit dies durchzuziehen?
Ist es da nicht besser, erstmal den Versuch zu unternehmen, Einfluss auf die nationale Gesetzgebung zu nehmen (Lobbyarbeit) ?

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von annainga »

"nur jetzt wirklich systemfeindlich" schreibst du mir zu @Aoife.

da irrst du dich. ich stelle lediglich fest, dass die Menschenrechte menschengemacht sind und nicht automatisch absolut richtig sind oder zu absolut richtigem führen.

sexarbeit fällt für mich nicht unter "schutz der privatsphäre".

*edit, hinzufügung:*

oder eventuell doch. schließlich bin ich entschieden gegen eine bewertung sexueller dienstleistungen in freierforen. das wäre ein widerspruch.

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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Aoife »

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Jupiter hat geschrieben:Ist es da nicht besser, erstmal den Versuch zu unternehmen, Einfluss auf die nationale Gesetzgebung zu nehmen (Lobbyarbeit) ?
Absolut - nur meine "eingestreute Systemkritik" ist in diesem Fall keine Kritik am System an sich, sondern daran, dass das System nicht so funktioniert, wie es es sich selbst auferlegt hat.

Bei mehreren hundert Bundestagsabgeordneten kann es doch nicht wirklich sein, dass kein Einziger bemerkt, dass die angedachten Gesetzesänderungen im Rahmen der international eingegangenen Verpflichtungen gar nicht rechtmäßig sind? Und dass das auch in vielen anderen Ländern nicht besser ist verschärft die Situation eher als dass es eine Entschuldigung darstellen könnte.

Die von dir aufgezeigte Notwendigkeit das auf dem individuellen Klageweg auszufechten zeigt doch gerade, dass das geltende System (so kritikwürdig es aus noch höherer Sicht auch sein mag) in dem von ihm selbst definierten Geltungsbereich gar nicht angewendet wird.

Grundsätzliche Systemkritik übe ich in anderem, sozialpsychiatrischem Zusammenhang - 40% der Menschen in Europa leiden an schweren psychischen Beeinträchtigungen, und ich bin überzeugt dass das nicht so sein muß. Hier käme das "Gerechtigkeitsempfinden" ins Spiel, das letztlich erfordert dass die Gesellschaft auf eine menschlich handhabbare Gruppengröße heruntergebrochen wird ... weder Berlin noch Brüssel können die Mehrheit der in ihrem Machtgebiet lebenden Menschen zufriedenstellen - vielleicht soweit, dass man bewußt glaubt auf "hohem Niveau zu klagen", aber nicht so dass wirkliches Wohlbefinden folgen würde.

In der politischen Diskussion hier kritisiere ich jedoch nicht das System, sondern seinen Unwillen sich an seine eigenen Vorgaben zu halten. Natürlich könnte man das auch als Dekonstruktion des Rechtfertigungsmythos verstehen - aber darum geht es mir hier nicht, das Einhalten der eingegangenen internationalen Verträge würde mir auf dieser bundespolitischen Ebene durchaus genügen.

Liebe Grüße, Aoife
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Aoife »

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annainga hat geschrieben:ich stelle lediglich fest, dass die Menschenrechte menschengemacht sind und nicht automatisch absolut richtig sind oder zu absolut richtigem führen.
Ja natürlich - in anderem Zusammenhang sehe ich das doch genauso - und dass "systemfeindlich" aus meinem Mund kein Schimpfwort ist sollte ja jeder wissen ...

Aber in der politischen Diskussion hier sind wir nun einmal an die Vorgaben des Systems gebunden und da gehört die Wertigkeit der Menschenrechte dazu - das Gerechtigkeitsempfinden Einzelner über bindende Verträge zu stellen ist in gewisser Weise möglicherweise "richtig", aber nicht systemkonform.

Auf dem von dir angesprochenen absoluten level wären dann ja nicht nur Menschenrechte in Frage zu stellen, sondern ebenso Herrschaft, das Recht Gesetze zu machen, die Übertragbarkeit der Volkssouveränität auf ein Parlament usw.

Sicher alles interessante Fragen, aber das wäre der Punkt an dem wir uns auch aus meiner Sicht aus der realpolitischen Diskussion verabschieden würden ... ich möchte hier nicht all das in Frage stellen, sondern zum Nachdenken anregen wie wir das vorhandene System dazu bewegen können seine eigenen Ansprüche zu erfüllen.

Liebe Grüße, Aoife
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von annainga »

ja, @Aoife, da stimme ich dir zu.

es wäre an dieser stelle tatsächlich energieraubend, die einhaltung der menschenrechte anzuzweifeln.

das war falsch von mir ausgedrückt, richtig heißt es, ich zweifele an, dass die auslegung der menschenrechte zu einem stimmigen ergebnis führt.

ich habe allerdings nicht gesagt, dass du mich beschimpfst, sondern einfach nur festgestellt, dass du dich irrst, wenn du mich als "systemfeindlich" siehst.

lieben gruß, annainga

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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Aoife »

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annainga hat geschrieben:..., sondern einfach nur festgestellt, dass du dich irrst, wenn du mich als "systemfeindlich" siehst.
Nicht dich, nur das Infragestellen der Menschenrechte und ihrer Wertigkeit :002

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Steuerfreie Prostitution in Polen

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Kann es sein, dass die Polnische Regelung der Steuerbefreiung für Prostituierte nicht wegen der Sexworker-Menschenrechte und EMRK besteht, sondern wg. röm.-katholischen Bedenken, den Staat nicht als Zuhälter an einer mit der Glaubenslehre unvereinbaren Praxis zu beteiligen.



Prostitution is the only profession in Poland that is not taxed, but sex workers may be asked by authorities to prove that is what they do, since prostitution is not recognized as legitimate work, and therefore receive no social benefits.
[11, Poles claim 'prostitution'- for tax purposes. Warsaw Business Journal Feb 14 2011 www.wbj.pl/article-53241-poles-claim-pr ... poses.html via Wikipedia]

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Beitrag von Aoife »

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Marc of Frankfurt hat geschrieben:Kann es sein, dass die Polnische Regelung der Steuerbefreiung Prostituiton nicht wegen der Sexworker-Menschenrechte und EMRK besteht sondern wg. röm.-katholischen Bedenken den Staat nicht als Zuhälter einer mit der Glaubenslehre unvereinbaren Praxis zu beteiligen.
Absolut - mein Beispiel sollte auch nicht Polen als menschenrechtskonformer als Deutschland darstellen, sondern nur aufzeigen, dass der zur Verwirklichung der Entflechtung von Privatsphäre und Staat notwendige Schritt nicht unmöglich ist - aus welchen Gründen auch immer in Polen diese Entscheidung getroffen wurde.

Liebe Grüße, Aoife

EDIT: P.S. Darüber hinaus bitte ich den ursprünglichen Zusammenhang zu beachten - wenn wir es als gerecht empfinden Steuern zu zahlen können wir das ja durchaus ganz normal tun, es ging um den Generalverdacht auf Steuerunehrlichkeit, der ein Eindringen der Finanzämter in unsere Intimsphäre rechtfertigen soll ... und das ist nun einmal nach geltendem Recht keine legale Begründung, die EMRK lässt da keinen Deutungsspielraum.
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