Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Hier können SexarbeitInnen ihren Arbeitsplatz bzw. ihre Arbeitsbedingungen beschreiben. Was erlebt Ihr alles in Eurem Beruf?
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Marc of Frankfurt
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Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Geschickt unternehmerisch eingefädeltes Gonzo Marketing.


Nachtrag: Dieses Posting knüpft an die Eröffnungs-Ankündigung Flatrate-Club-Wien-Meidling an
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=133157#133157

Erstmal die kostenlose Presse einfach laufen lassen und in abgesicherter Position schaun können wie die Behörden auf den Versuchtsballon reagieren. (Ein vergleichbares und letztlich gelungenes Lehrstück war in Deutschland die hier im Forum dokumentierte Eröffnung vom Bordell und FKK-Club 'das 5. Element' irgendwo auf dem Lande im Herzen von Deutschland...)

Der starke Presserummel i.V.m. der Tatsache, dass sofort die Polizeiführung Prostitution aufmaschiert ist zeigt, dass das Projekt Flatrate Österreich gescheitert ist/scheitern wird. Aber die Immobilie lässt sich ja auch anders bewirtschaften (Zimmervermietung).





Dennoch wird die Flatrate-Debatte medial weiterhin benutzt, um gegen Prostitution Stimmung zu machen. Das sollten wir uns nicht länger bieten lassen und zu verhindern versuchen, z.B. indem wir "neutral", also nicht betreiberspezifisch, "pro Flatrate" Stellung beziehen, weil wir "pro Sexwork-Vielfalt" und "pro Wahlfreiheit für Sexworker" und Sexworkarbeitsstätten sind (Arbeitsplätze schaffen).

Wir sollten dabei die Kern-Tabus der Prostitution ansprechen und dekonstruieren und nicht etwa steuerliche Details eines Betreibermodells diskutieren...





Mögliche Leitsätze Pro Sexwork Wahlfreiheit könnten sein:
  • Ob eine Arbeitsform in der Sexarbeit ausbeuterisch ist, kann im aufgeklärten Rechtsstaat nicht vom äußeren ersten Anschein aus Medienberichten und auch nicht vom moralischen Urteil einzelner Teilgruppen abhängig gemacht werden.
  • Ob eine Arbeitsform in der Sexarbeit ausbeuterisch ist, hängt zentral von der Würdigung der dort arbeitenden Sexworker ab. Ihre Arbeitsentscheidung und zugrundeliegende Kosten-Nutzen-Kalkulation muß anerkannt werden. Pendelnde Sexwork-Migranten sind Wanderarbeiter die vom Arbitrage-Gewinn profitieren. Sexworker brauchen nicht vor sich selbst geschützt oder gerettet zu werden. Es darf nicht eine Werbeaussage mißbraucht werden (auch wenn sie im Bereich des Sexbiz verständlicherweise sexualisiert ist) als Grundlage für ein Urteil gegen eine Arbeitsform. "Dirty talk is NOT dirty".
  • Finanzieller Bedarf bzw. der Arbeitswille von Arbeitern, darf nicht zu ihrer rechtlichen oder öffentlichen Entmündigung mißbraucht werden.
    Die rechtlich prekäre Lage von Migranten und Sexworkern muß in den Blick genommen werden, statt nach weiteren Verboten zu rufen.
    Gebt uns Sexworkern Rechte gegen Unrecht!
  • Sexworker müssen in den Status versetzt werden, von der Polizei Hilfe erhalten zu können, wie alle Menschen und Arbeiter auch. Es kann nicht sein, dass Sexworker die Polizei vielfach ausschließlich als strafenden Gegner erfahren müssen.
  • Damit eine Arbeitsform in der Sexarbeit nicht ausbeuterisch entartet, brauchen Sexworker Rechte und institutionellen Schutz sich selbst schützen zu können. Das ist z.B. in einem Bordell-Betrieb eine geregelte Sexarbeiter-Mitbestimmung und in einem Rotlichtviertel oder Stadtbezirk ein Sexworker-Büro, was die Kommune einzurichten hat.
  • Holzschnittartige Vereinfachungen über Prostitution und als öffentliche Anklage helfen nicht weiter, wenn man nicht bereit ist die tatsächliche Mikrokommunikation und Realitäten in der Sexarbeit mit Sexarbeiter_innen und ihren Vertreter_innen selbst zu diskutieren.
  • Nur weil wir Sex vermarkten, sind wir keine Opfer. Wir sind alt genug um zu entscheiden, wie und wann wir uns wie würdevoll verhalten. Wer öffentlich behauptet uns würde im Flatratebordell oder Straßenstrich ... die Würde genommen, der ist es in Wahrheit der uns die Würde raubt.
  • Prostitution ist die ritualisiert auf Augenhöhe verabredete Trennung von Sexualität und Liebe.
    Die Dienstleistungskunst der Sexarbeit ist eine uralte Kulturleistung.
    Jede Kultur braucht Kultivierung. Nur dann kann sie ihr humanes Potential entfalten.
  • Um die strukturelle Übermacht des sexsuchenden Mannes oder des renditesuchenden Finanzkapitals auf ein gleichberechtigtes Niveau mit (migrantischen) Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern zu bringen, braucht es intelligente Lösungen struktureller Prävention und offentlicher Sicherheiten (z.B. faire Bordellbetriebe, sichere Strichplätze wie die bekannten Safer-Sex drive-in Liebes-Lauben, Beratungs-Infrastruktur, Outplacement-Optionen, berufsbegleitende Erwachsenenfortbildung, rechtliche Entkriminalisierung, Abbau von Stigmatisierungen...). Die regulierenden Rahmenbedingungen sind gemeinsam mit den Betroffenen, den Sexworkern und ihren Angehörigen transparent fortzuentwickeln (Deliberation statt nur Governance).
  • Wir brauchen eine auf wissenschaftlich überprüfbaren Erkenntnissen beruhende Entscheidungen und keine moralisch geprägten Vorverurteilungen aus dem Bauch heraus.
  • Sexworker leisten einen wertvollen Beitrag für eine aufgeklärte und befriedigte Gesellschaft.
    Sexworker sind nicht das Problem. Wir sind bereits Teil der Lösung.
  • ...




Historischer Brief an die Kanzlerin
und Linkübersicht Thema Flatrate
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=61383#61383
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 13.07.2013, 13:04, insgesamt 1-mal geändert.

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Svea
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Beitrag von Svea »

Also was ich nicht im EF erwähnt habe, bei einem Tagesdienst von 300, o Ton für 8h Arbeit und einer h Pause (9h Tag (pausen werden auch im normalen Job nicht bezahlt) komme ich auf einen h Lohn von 37,5 BruttoLohn, davon darf ich aber Steuern Versicherung etc bezahlen.

Wäre ich Vorsteuerabzugsberechtigt, was ich leider in dem Gewerbe nicht bin, kann jeder sich ausrechnen, was mir am Ende übrig bleibt, bei 50% Abzug bei 40h Woche etwa 3000 im Monat bei 160h, wenn ich Glück habe...
Die Ausgaben, die sonst noch dazu kommen, nicht eingerechnet.

(Steuerberater, Untersuchungen, Outfits, etc..)

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malin
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Beitrag von malin »

danke svea, für die ruhige klarstellung!

ich muss zugeben, es ärgert mich zunehmend dass bei den brutto einnahmen selbständiger sw immer von "verdienst" gesprochen wird.
liebe grüsse malin

eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)

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La Marfa
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RE: LokalNachrichten: WIEN

Beitrag von La Marfa »

Das ist Neid ggü jeder selbständig tätigen Person ungeachtet der Branche -> es wird -manchmal aus Dummheit, manchmal aus Neid, manchmal aus Bosheit - nicht unterschieden zwischen Stundenlohn (Stundenlöhner, Angestellter, festes Einkommen, Arbeitgeberanteile) und Stundensatz (nur je gebuchter Stunde, selbständig, unsicheres Einkommen, alle Abgaben sind allein zu bestreiten in voller (doppelter) Höhe).

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Marc of Frankfurt
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20 EUR je Flatrateclub-Arbeitsstunde?

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Die fehlende Unterscheidung von Umsatz (Einnahmen) und Unternehmergewinn (Verdienst) hat mich auch schon immer geärgert. Es führt auch zu einer Entmachtung der Sexworker-Aktivisten in unseren eigenen Netzwerken (Fachtagungen).

Es ist ein Grund warum Sozialarbeit bei Sexworkern nicht funktioniert. Sozialarbeiter bekommen als abhängig Beschäftigte ein fixes Nettogehalt, während Sexworker alleinselbständige Unternehmer sind (und täglich kobern und das vielfach in einer rechtlichen Grauzone). Dazwischen liegen Welten. Deswegen können selbst studierte Sozialarbeiter auch keine Sexworker unternehmerisch beraten was Business-Planung, wirtschaftliche Überlebensstrategien und clevere Zukunftsvorsorge für Kauffrauen betrifft. Sie haben den falschen Blick, die falsche Qualifikation, das falsche Sein und Bewusstsein. Deswegen versagt die Hilfe so oft bzw. so grundsätzlich. Sexworker müssen erst scheitern und Opfer werden, dann kann Sozialhilfe ansetzen. Prävention und Empowerment ist zum Scheitern verurteilt oder eben nur sehr sehr beschränkt möglich.

Deswegen braucht es Hilfsvereine, die von Sexworkern und Ex-Sexworkern selbst geleitet werden (Affirmative Action. Das wurde erfolgreich umgesetzt bei www.scarletAlliance.org.au ). Oder auf dem Weg dahin entsprechende Quotenregelungen beim Stellenplan der bestehenden NGOs und öffentlich bezahlten Hilfsvereine...


Das mit Neid und Dummheit... finde ich richtig. Es liegt aber auch an der komplexen Materie, man kann es nur schwer umrechnen, wenn man nicht zu sehr vereinfachen will (Doppelte Höhe). Dasselbe Unvergleichbarkeits-Problem der Kosten-Kalkulaton tritt auch auf bei Tagungs-Teilnahme und unseren Vernetzungs-Treffen...

Hier gibt es offene Tabellenkalkulation für gemeinsame Modell-Rechnungen (Steuer, EÜR etc.):
www.bit.ly/sexworkerccc - sexworker collaborate cloud computing
Evt. haben wir ja irgendwann einmal auch eine Sammlung von modellhaften Sexworker Business Plänen beisammen www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=132781#132781 , dann kann z.B. klar erkennbar werden für welche Sexworker sich welche Arbeitsmodelle lohnen. Dann kann man viel sachlicher auch über Flatrate Clubs in Politik und Öffentlichkeit reden...


Die Rechnung von Svea zeigt jedenfalls gut, warum sich viele Dienstleistungsarbeiten heute nicht mehr rechnen für Einheimische und warum es gerade aus diesem Grund auch in der Sexarbeit so viele Migranten gibt... oder wir unsere Senioren ins Heim ins Niedriglohn-Ausland umziehen lassen müssen... Den Link z.B. EF wo parallel dieselbe Debatte läuft können wir den nicht hier auch noch posten (Vernetzung)?

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La Marfa
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Re: Debattenbeitrag

Beitrag von La Marfa »

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Marc of Frankfurt hat geschrieben: Dennoch wird die Flatrate-Debatte medial weiterhin benutzt, um gegen Prostitution Stimmung zu machen. Das sollten wir uns nicht länger bieten lassen und zu verhindern versuchen, z.B. indem wir "neutral", also nicht betreiberspezifisch, "pro Flatrate" Stellung beziehen, weil wir "pro Sexwork-Vielfalt" und "pro Wahlfreiheit für Sexworker" und Sexworkarbeitsstätten sind (Arbeitsplätze schaffen).
Und wie passt das nun dazu, dass du Sveas Rechenmodell folgst?

Sich dafür dafür stark zu machen, dass Kolleginnen für 37,50 € brutto je Stunde Flatrate für den Betreiber abarbeiten sollen?

La Marfa

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Beitrag von ehemaliger_User »

In Stuttgart heisst das Argument der Prostitutionsgegner_innen "Ausbeutung durch Zimmervermieter_innen und Bordellbetreiber_innen" wegen Tagesmieten von 100 -200 EUR incl. Vergnügungssteuer und Steuer.

Mit dem selben Argument könnte man auch Terminwohnungen verbieten, deren Betreiber_innen 50 % der Einnahmen kassieren.

Ich folge Marcs Argumentation "pro Wahlfreiheit/Vielfalt". Das hat prinzipiell nichts mit dem zu erzielenden Umsatz zu tun.
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

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Marc of Frankfurt
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Das Recht auf ein NEIN gilt auch für JA

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Das sagt doch die Zahl selbst:
37,50 € brutto je Stunde im Flatrateclub in 8 Stunden Schicht

Es ist m.E. wahrscheinlich in der heutigen Arbeitswelt, dass es Menschen gibt, für die das ein akzeptabler Lohn ist, falls sie denn auch die Arbeitsbedingungen im dem konkreten Club persönlich akzeptabel finden... und das können sie nur selbst entscheiden, z.B. wenn sie die Situation nach ein paar Tagen Arbeit genau kennengelernt haben... (wie viele Kunden sind wirklich da an welchen Tagen, was für Kundengruppen sind das, wie ist das Team, die Atmosphäre, wie kann ich meine Sexarbeit kontrollieren und abgrenzen, auf wieviele Gäste komme ich pro Tag... versteuere ich in Wien oder in meiner Heimat oder gar nicht... siehe Tanjas Bericht aus dem Flatrate Pussy Club bei Stuttgart 2009 www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=4900 ) und wenn sie nicht einverstanden sind, dann gehen sie halt und fahren zum nächsten Club, Terminwohnung, Stadt... wir oder die Prostitutionsorganisation oder -Kontrolleure müssen nur dafür sorgen, dass Sexworker diese ihre Entscheidungsfreiheit nicht verlieren.

Ich sage ja nicht "arbeiten sollen". Sondern "arbeiten können sollen", d.h. die Wahl sollen Sexworker haben bzw. sie darf uns nicht pauschal beschnitten werden (vgl. Straßenstrich- oder 100% Prostitutionsverbot durch Sperrgebietsverordnungen). Andernfalls begeben wir uns in gefährlich Nähe zu denen die Prostitution gleich ganz verbieten wollen, weil das ja alles ach so schlimm oder riskant ist und eh nur von durch Not Gezwungenen gemacht wird.

Die Existenz von Lohn-Extremen müssen wir einfach anerkennen, weil die Globalisierung heute bei uns vor der Haustüre angekommen ist. Letztentlich werden die Unterschiede verursacht durch das bekannte Wohlstandsgefälle zwischen Staaten, Bevölkerungsgruppen, Schichten oder individuellen Lebensverhältnissen/-schicksalen (Roma aus Stolipinovo in Dortmund)... Während extreme Niveauunterschiede früher evt. mehr zwischen den Regionen abgegrenzt waren und bei uns besser sozial abgefedert waren, sind sie heute durch Billigwaren-Handel, Arbeiter-Mobilität und neo-liberal abgebaute Sozialgesetze mitten unter uns. Jetzt auch noch Freiheitsrechte weiter abzubauen wäre der falsche Weg.

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La Marfa
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RE: LokalNachrichten: WIEN

Beitrag von La Marfa »

Dann rechnen und denken wir das doch durch:
Der Flatrate(-ich-hab-schließlich-bezahlt-nun-will-ich-auch)-Freier bezahlt dem Betreiber knapp 100 Euro.

Rechtlich hat er mit Betreiber einen Vertrag geschlossen, den dieser persönlich gar nicht einhalten kann und will, von dem der Freier die Erfüllung des Dienstes auch gar nicht persönlich erhalten will, auf die Erfüllung einer höchstpersönlichen Dienstleistung durch eine Person, mit der er den Vertrag nicht geschlossen hat über eine Leistungshöhe, die weder mit seinem Vertragspartner noch sogar mit allen Damen zuvor geklärt wurde. Was also, wenn nun die "Dame seiner Wahl" ihn ablehnt? Oder ihm die Dame egal ist, aber keine der anwesenden sich ihm zutun möchte?

Rechnerisch will einerseits der Betreiber an 99 Euro je Freier daran was verdienen, nach Abzug der Verbrauchskosten und Abnutzung und sonstiger Kosten.
Andererseits hat der Freier ja Flatrate bezahlt und will nun zu seinem Recht und keinesfalls zu kurz kommen. Selbst wenn der Freier nur eine Stunde im Bordell verweilt und nur 2 mal irgendwas Körperliches will, so bekommt er also von der Dame für 37,50 brutto je Stunde 2 mal Dienste.

Gut, du wendest ein: Wenn es nun mal ihre Wahl ist. Ok, zähneknirschend muss man dem dann wohl folgen, dass eine Frau 2 mal in einer Stunde Körperdienste leistet für unter 20 Euro je Stunde nach Abzug der Abzüge und Kosten / Aufwände.

Aber wie soll das rechtlich gefasst werden. Und damit meine ich auch die unklare Lage, wer mit wem nun Verträge über wen oder was eingeht.
Aber vor allem muss man doch davon ausgehen, dass ein Geschäftsmann von Betreiber für jede 99 Euro Einnahmen maximal ein Mal 37,50 € an eine Ausführende weitergibt / weitergeben kann, wenn er nicht selber Pleite gehen will. Er muss also davon ausgehen, dass er es nur mit vernünftigen Freiern zu tun hat, die nach einer Stunde wieder gehen und neuen Freiern Pltz machen, die alle nur ein Mal je Stunde Körperlichkeiten von den Ausführenden verlangen, damit es finanziell für diese nicht allzu schäbig wird.

Ich bin sicher kein Pessimist oder Misanthrop, sondern sehe es als höchst realistisch an, wenn ich von der nahezu unendlichen Gier eines Flatrate-Verbrauchers ausgehe.

Kann man das wollen sollen?

La Marfa
Zuletzt geändert von La Marfa am 06.07.2013, 00:26, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von malin »

letztlich ist flatrate ab und an ja eine feine sache...für produkte, die in beliebig grosser anzahl nachproduziert werden können, um trotz niedriger preise für den kunden einen entsprechenden gewinn des anbieters zu ermöglichen - eine win/win situation sozusagen.

telefonflats z.b. sind dafür wunderbar geeignet: es wird mehr gequasselt, den kunden genauso wie den anbieter freuts, und alles ist fein.

eine höchstpersönlich erbrachte dienstleistung wie die sexarbeit ist für derlei sperenzchen aber wohl weniger geeignet.
liebe grüsse malin

eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)

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RE: LokalNachrichten: WIEN

Beitrag von Emma-Gutversteckt »

So etwas kann sich für den Betreiber nur dann lohnen, wenn eine riesige Anzahl Freier den Laden besucht. Das wiederum bedeutet für die Frauen, dass sie weit mehr als nur einmal pro Stunde eine Dienstleistung zu erbringen haben. Ich würde mal schätzen, dass drei bis vier "Dienstleistungen" pro Stunde wohl eher als realistisch zu betrachten sind. Und da die Frau keine 37,50 Euro pro Gast, sondern pro Stunde, bekommt, kann sich jeder ausrechnen, für welchen Preis sie am Ende tatsächlich arbeitet.

In der Regel wird das oftmals nämlich so gerechnet:
Der Gast zahlt 99 Euro Eintritt.
Davon gehen 49 Euro ans Haus und 50 Euro werden durch alle anwesenden Frauen geteilt. Dabei ist es egal, ob eine 20 mal "gearbeitet" hat und eine andere nur 12 mal. Jede bekommt das gleiche Geld.

Und jetzt kann sich jeder ausrechnen, wie verdammt viele Gäste nötig sind, damit jede Frau 300 Euro bekommen kann und wie oft sie dafür wohl "arbeiten" muss.

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Marc of Frankfurt
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Grundlagendiskussion Flatrate

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Flatrate kann nur funktionieren, wenn es die Gesamtkalkulation ermöglicht.

Die Gesamtkalkulation hängt von der tatsächlichen(!) Nachfrage und den tatsächlichen(!) Leistungskapazitäten ab.
Die kenne ich nicht und ihr und die Medien und Polizei auch nicht!


Bei einem Buffet, wo die Speisen auch von Arbeiterinnen mühsam gegen geringen (ausbeuterischen) Lohn zubereitet und aufgetischt werden, wissen wir dass es oft funktioniert. (Möglicherweise nur deshalb, weil es im Hintergrund und abgespalten die Ausbeutung in der 3.Welt (Regenwaldabholzung) und in unseren auf dem Land versteckten Fleischfabriken gibt.)
In der Internet-Kommunikation wissen wir auch dass es oft funktioniert. Und dennoch versucht die Deutsche Drosselkom derzeit die Netzneutralität auszuheblen. (Sie versucht Flatratekunden mit hohem Datenvolumen entweder in teurere Tarife zu locken oder eben deren Bandbreite zu verlangsamen, indem sie deren Datenpakete filtert und jeweils individuell anders behandelt! Deswegen nennen wir die Telekom jetzt Drosselkom;-) (Möglicherweise funktioniert preiswertes Telefon und Internet nur, weil wir das billige Erdöl des Planeten ausrauben.)

Wenn ein Buffet Flatrate anbietet und viele preiswerte Sättigungsbeilagen wie Kartoffeln angeboten werden und Kunden nur ca. X Kalorien pro Stunde aufnehmen können, dann wird man das Problem beobachten, dass sich alle bei Steaks und Austern anstellen...





Das ist das Problem was der Flatrate Sexclub wird lösen müssen.
Durch seine Hauspolitik, die gemeinsam im Unternehmen und Mitarbeiterinnen ausgearbeitet wird.


So eine Lösung kann kooperativ oder autoritär/ausbeuterisch erfolgen.

D.h. aus unserer Sexworker-Sicht werden idealerweise die Mitarbeiterinnen mit Chef/Chefin besprechen, dass sie im Durchschnitt und maximal nur soundsoviele Sexdienstleistungen geben werden und wie sie dass gemeinsam den Kunden klarmachen. Einrichtung von Sexworker-only Bereich etc. Checkliste Idealbordell www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=86868#86868

Rechtlich besteht nach wie vor das ungelöste(?) Problem, ob der Club wirklich den Anspruch auf theoretisch unendlich viele Sexdienstleistungen mit allen anwesenden Sexworkern verkauft hat (Sklavenmarkt), oder ob er tatsächlich und im Gegensatz zur übertreibenden Werbeaussage, nur das Anrecht zur Teilnahme auf eine Sexpartie verkaufen kann, wo jeder Mann darauf angewiesen bleibt einen Partner und Sexworker zu finden, der willig ist und ihn auch mag (Gesetzlich garantierte sexuelle Selbstbestimmung, die nicht auszuhebeln ist, auch wenn Freier/Betreiber/Medien das gerne anders interpretieren).

Siehe meine Detail-Ausführungen "zu 8. Kernproblem Flatrate = Kernproblem Prostitution"
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 157#133157

Möglicherweise wird man nicht Flatrate-Clubs verbieten können, wohl aber Flatrate-Club-Werbeaussagen *LOL*

Jetzt sind 2 Positionen möglich:
- Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht ist unveräußerlich. D.h. es kann auch nicht durch einen Club oder dessen Ablauforganisation untergehen. Man muß also dafür sorgen, dass Sexworker gute Arbeitsbedingungen durchsetzen können (Empowerment, Betriebsrat, Sexworker-Rechte, Migrant_innen-Rechte, Genehmigungs-Stelle des Gewerbeaufsichtsamts für Flatrate-Clubs prüft die Details und Umsetzung des Geschftsmodells...)
- Das sexuelle Selbstbestimmungsrecht ist ständig bedroht. D.h. man muß alles verbieten wo diese Bedrohung möglich ist: z.B. Flatrate, aber auch Prostitution insgesamt.
Die Unterscheidung zwischen den beiden Positionen ist nur eine Frage der graduellen Grenzziehung.





Die Erfahrungen von solchen Clubs sind ja bekanntlich oftmals, dass die Phantasie und Wünsche und Werbeaussagen das eine sind, aber die Realität und Potenz und Kondition und sich dann herausstellende tatsächliche Lust der Kunden eine ganz andere, so dass durchaus die Chance besteht, dass es eine im Sinne der Sexworker und Betreiber gelingende Gesamtkalkulation geben kann. (Selbst mit den blauen Pillen, die jetzt nach dem Auslaufen der Patente preiswerter werden, läßt sich die Lust der Männer mehr Zeit für mehr Sex zu verbringen nicht beliebig ausdehnen.)

Ich muß zugeben, das ist alles sehr wage und mit Anspruch auf allgemeingültigkeit formuliert, weil das Dilemma existiert dass es nur im konkreten Fall entschieden werden kann. Man kann es nur durch Tun herausfinden, indem man so einen Betrieb aufmacht und dort arbeitet (unternehmerisches Riskiko bleibt somit doch auf BEIDEN Seiten bei Betreiber und Arbeiter bestehen).
Und es hängt von den Details der Geschäftsmodells ab.
Und da können wir uns sicher sein:
- dass die Polizei das scharf überwachen wird.
- dass die Prostitutionsgegner jeden nachteiligen Aspekt als KO-Kriterium gewertet haben wollen.

==> Wir müssten eigentlich jetzt und hier fordern, dass es eine wissenschaftliche Begleitforschung und Evaluation des Sexarbeitsmodells Flatrateclub gibt.


Emma, ja, wann die Rechnung wirklich aufgeht ist die entscheidende Frage. Flatrate-Geschäftsmodell ist ein Gleichungssystem mit mehreren Unbekannten (Zahl von Kunden, Sexdienstleistungen, Sexworkern und Kosten für Betrieb, Eintritt, Stundenlohn). Ich glaube nicht, dass wir hier im Kopf entgültig abschätzen können wie das System aus mehreren Gleichungen und Ungleichungen sich bei allen Parameterkombinationen verhält. Da muss man wirklich erst mal nachrechnen d.h. modellieren, bevor man sich in der Argumentation pro/contra festlegt.
Z.B. hier www.bit.ly/sexworkerccc (sexworker collaborate cloud computing) oder wolframAlpha...



Diese Diskutiererei um die realexistierenden Marktschwierigkeiten bei der Arbeitsorganisation von Paysex zeigt doch, warum es weltweit nur eine einzige funktionierende...

...Sexworker-Kooperative gibt, die Lusty Ladies in San Francisco
Übersichtsposting Sexworker Kooperativen
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=65280#65280
Und die haben sehr lange dafür gekämpft,
und haben viel "Beziehungsarbeit" in die Entwicklung ihres Geschäftsmodells investiert.

Darin liegt die unternehmerische Herausforderung.
Und Sexworker, auch im Flatrate-Club sind Unternehmerinnen.

So wie die Prostitutionsgegner alle patriarchalen Ausbeutungsformen zwischen den Geschlechtern auf Prostitution projizieren, sollten wir aufpassen alle prostitutionsspezifischen Ausbeutungsformen auf Zuhälter/Menschenhandler oder jetzt Flatrate-Clubs zu projizieren.

Letztlich ist das nur die "Dritte Partei" neben Sexworkern und Kunden!

Rethinking Management in the Adult and Sex Industry - Beyond Pimps, Procures and Parasites: Mapping Third Parties in the Incall/Outcall Sex Industry, Uni Ottawa:
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 972#130972





(Uff, schade, dass selbst das Diskutieren mit den eigenen Leuten und Sexworkern so anstrengend sein kann.)

Bild

Öffentlich-kooperatives staatliches Ideal-Bordell

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Beitrag von Svea »

Eigentlich wollte ich hier keine Grundsatzdiskusion lostreten, ich bin halt Buchhalterin, und gerade wenn mir wer ein unbeschreiblich tolles Angebot macht, fange ich an mir das ganze durch zu rechnen.

Klar möchte man an uns Damen - SW was verdienen, keine Frage, aber dann soll die gebotene Leistung auch stimmen, denn wir,- ich mache das auch deshalb, weil ich hier mein eigener Boss bin, und in so einem Flatrate Club bin ich es nicht, und wenn ich Pech habe, darf ich mich dann um das Geld auch noch streiten, weil der Chef meint, nö, hab kein Geld....

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RE: LokalNachrichten: WIEN

Beitrag von La Marfa »

Und ich finde es schade, dass logische Gedanken zu und Aufschlüsselungen rechtlicher und finanzieller Art als "(Uff, schade, dass selbst das Diskutieren mit den eigenen Leuten und Sexworkern so anstrengend sein kann.)" abgetan werden.

Alle Angehörigen der Betroffenengruppe, die hier mit gedacht haben, nämlich wir Frauen, sehen das Modell als sehr kritisch an.

Und es ist auch nicht angemessen, vernünftige Analysen oder Analyseansätze zu dem Thema auszuhebeln.

Wir haben Punkte dargestellt, die rein logisch nur mit "wird schon" beantwortet werden können: Wird schon gut gehen ...
... dass eine SW den Anspruch des Flatrate-Vertragspartner des Betreibers freiwillig einlösen möchte.
... dass jede SW gerne so oft mitmacht, wie der Flatrate-Vertragspartner des Betreibers will.
... das der Flatrate-Vertragspartner des Betreibers nicht häufiger als ein einziges Mal während seines Besuchs eine höchstpersönliche sexuelle Dienstleistung von einer SW verlangt.

Welcher Geschäftsmann betreibt und berechnet sein Geschäft aufgrund von "wird schon"?

Diese Sichtweisen auf Flatrate-Bordelle haben nicht womöglich ihre Grundlage in einem pessimistischen oder konservativen Denkmodell, sondern in der realistischen Betrachtung davon, wie Menschen funktionieren und dass es den idealistisch guten und vernünftigen sich bescheidenden Menschen nicht gibt, schon gar nicht als Freier und Kunde in unserer Branche.

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Re: RE: LokalNachrichten: WIEN

Beitrag von Zwerg »

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La Marfa hat geschrieben:Alle Angehörigen der Betroffenengruppe, die hier mit gedacht haben, nämlich wir Frauen, sehen das Modell als sehr kritisch an.
Das wir auf sexworker.at den Berufsstand SexarbeiterInnen mit großem I schreiben, soll unterstreichen, dass wir keinerlei geschlechtsspezifische Unterscheidungen machen! Auch wenn ich Marc`s Wortmeldung (es ist anstrengend....) ebenso unpassend finde, so ist es mit Sicherheit kein Argument, dass mit der Verwendung der Phrase "wir Frauen" Jemand genau diese (von uns absolut nicht gewollte!) Unterscheidung wieder einführt.

Marc ist aktiver Sexarbeiter - und somit ist seine Qualifikation, sich zum Thema Sexarbeit im Forum der SexarbeiterInnen zu äußern, auf alle Fälle gegeben!

Wir haben hier einen gemeinsamen Nenner - und dieser ist definitiv nicht geschlechtsbegrenzt! Menschenrechte.... uns hier durch derartige "Argumentationsschienen" aufsplitten zu lassen ist nicht (!) in unserem Sinne!

christian

Das Thema wurde geteilt, da diese Diskussion hier nicht mehr viel mit "Lokalnachrichten Wien" zu tun hat.

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Re: RE: LokalNachrichten: WIEN

Beitrag von La Marfa »

Zunächst mal:
Die Thementeilung finde ich gut, da ich Flatrate im Sexbiz als für sich und länderunabhängig diskussionswürdig und -bedürftig sehe.

          Bild
Zwerg hat geschrieben:          Bild
La Marfa hat geschrieben:Alle Angehörigen der Betroffenengruppe, die hier mit gedacht haben, nämlich wir Frauen, sehen das Modell als sehr kritisch an.
Das wir auf sexworker.at den Berufsstand SexarbeiterInnen mit großem I schreiben, soll unterstreichen, dass wir keinerlei geschlechtsspezifische Unterscheidungen machen! Auch wenn ich Marc`s Wortmeldung (es ist anstrengend....) ebenso unpassend finde, so ist es mit Sicherheit kein Argument, dass mit der Verwendung der Phrase "wir Frauen" Jemand genau diese (von uns absolut nicht gewollte!) Unterscheidung wieder einführt.
Du hast Recht, ich sehe, dass die Lebenswahrscheinlichkeit keine Flatrate-Situation für männliche SW möglich machen wird.
Und dieser Umstand, dass die Lebenswahrscheinlichkeit dafür spricht, dass niemals Flatrate real werden wird für einen männlichen SW, weder als möglicherweise guter Arbeitsplatz noch als wie ich vermute unzumutbare Arbeitszustände, hat mich zu diesem "wir Frauen" geführt. Denn ich finde es immer schwierig, wenn jemand, den es nicht persönlich als Lebensrealität treffen kann, pro etwas eintritt, was andere, die es als Lebensrealtität treffen könnte, als ungut ablehnen.

La Marfa

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Ich denke wir kommen an Grundsatzdebatten nicht vorbei. Sie stärkt uns bei der eigenen Positionsbestimmung. Evt. schaffen Diskussionen auch eine neue Debattenkultur, Zugehörigkeitsgefühl und breiteres Sexworker-Engagement...

Es kann gar nicht genug Buchhalter unter uns geben, weil diese Kompetenz viel zu selten bei Sexwork kultiviert oder öffentlich gezeigt oder in unsere Gemeinschaft eingebracht wird.

Dass sich das Flatrate Modell höchstwahrscheinlich für die meisten von uns hier nicht rechnet davon gehe ich auch aus. Aber das bedeutet doch nicht, dass es nicht genügend viele Sexworker, Wanderarbeiter und Mitbewerber gibt, die da Vorteile sehen und vermutlich auch realisieren können.

Ich sehe diese Clubs und die Migranten auch nicht als Konkurrenz. Mich bedrückt stärker, dass mit dem Thema Stimmung gegen Prostitution generell gemacht wird. Ich glaube dass wir die zugrundeliegenden vorschnellen Annahmen oder Verallgemeinerungen "dekonstruieren" können.

Die meisten Betreiber müssen an Sexworkern verdienen, richtig. Aber es gibt auch welche die das nicht voll ausreizen und einen Mittelweg gehen. Ich haben neulich sogar solche Geschäftszahlen gezeigt bekommen, wir haben diese diskutiert und wir dürfen das Zahlenwerk auch für unseren zukünftigen Sexwork-Business-Pläne-Vorlagen-Sammlung verwenden.

Aber Gewinnstreben ist ja keinesfall einseitig sondern auch so, dass wir Sexworker in den Betriebsstätten unseren Schnitt machen wollen. Unser gutes Recht. Und da gibt es auch Abzockerverhalten auf Seiten der Sexworker. Wie gehen Sexworker eigentlich mit Kollegen im Flatrate-Club um, die sich nur im SW only aufhalten? Generell gilt doch, dass wenn das Leistungspaket im Club nicht stimmig ist und sich das rumspricht, dann ist die Location ganz schnell abgeschrieben. Aber im Fall Flatrate ist eh die Polizei schneller. Möglicherweise diskutieren wir hier eh ohne reale Grundlage.

Wie das mit dem Streit mit dem Chef ums Geld gelöst werden soll ist mir auch noch nicht klar beim Wiener Club. Sollten nicht die Sexworker zuerst die Kunden abkassieren? Was steht dazu im EF?

Dass ich Eure Einwände nicht einfach mit einem ehrlich geschriebenen Satz an mein Selbst abtue, kann man glaube ich daran erkennen, dass ich mir viel Zeit und Mühe mache, diese Wiener Diskussion mitzumachen.

Dass ihr die Betroffenengruppe der Frauen seid ist ein cleveres nahezu unschlagbares feministisches Argument ;-) nach meiner Meinung ist in dieser Kontroverse aber viel entscheidender das Kriterium dass wir alleinselbständige hier in A - CH - D beheimatete Sexworker sind und sich daher auch die verständliche Gegnerschaft zum Flatrate-Modell mit Migrantinnen erklärt.

Auch gibt es bei den Freiern ganz tolle Typen und solche die wir deshalb mögen, weil sie pflegeleicht sind *LOL*. Welches Menschenbild wir von Freiern und Betreibern haben ist natürlich entscheidend bei unserem Urteil. Und da haben Escorts, Tantriker, Masseure, Bordellsexworker und Dominas vermutlich fundamental unterschiedliche Konzepte. Ob die Kunden im Flatratebordell eher dem Typ unsympatischer übergriffiger Dauerrammler oder dem Typ schüchtern-sympatischer ausländischer Student von Nebenan mit wenig Taschengeld entsprechen, das steht m.E. noch gar nicht fest.

Aber von solchen Details sollten wir das Urteil nicht abhängig machen. Wenn wir Einfluß auf Sexwork-Betriebsformen und ihre Fortentwicklung und die sie begleitende öffentlichen Diskussionen haben wollen, die am Markt offensichtlich sehr nachgefragt werden und bisher vielfach irgendwo in einer rechtlichen Grauzone organisiert sind (Party Club), dann sollten wir nicht zu schnell nach Verbot rufen, sondern zunächst nach Sexworker-Mitbestimmung über die Arbeitsabläufe und Geschäftsmodelle.

Das kann nur gelingen indem wir noch mehr Informationen sammeln. Und damit haben wir gerade erst angefangen.

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Zwerg
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Re: RE: LokalNachrichten: WIEN

Beitrag von Zwerg »

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La Marfa hat geschrieben:Denn ich finde es immer schwierig, wenn jemand, den es nicht persönlich als Lebensrealität treffen kann, pro etwas eintritt, was andere, die es als Lebensrealtität treffen könnte, als ungut ablehnen.
Genau dies wurde Gestern bei einem Treffen von SexarbeiterInnen hier in Wien vorgebracht, als wir über die Diskussionen hier im Forum gesprochen haben.... und zwar in Bezug auf die Teilnahme von deutschen SexarbeiterInnen bzw. BetreiberInnen, welche eine völlig andere Rechtsgrundlage gewohnt sind im Thread "Lokalnachrichten Wien"

Ich bin überzeugt, dass wir "bevor wir etwas generell bejahen, oder auch ablehnen" in erster Linie die Situation vor Ort und die Meinung der dort agierenden ProtagonistInnen abwarten müssen. Und dies ist hier im Forum nur begrenzt umsetzbar, da wir hier mehr "am Tisch" diskutieren....

Hier in Wien ist das Modell "Flatrate" nicht vergleichbar mit der Situation in D. Wir haben hier bereits die in D drohende Konzessionierung von Prostitutionsstätten und damit verbunden PolitikerInnen, NGO`s, "ExpertInnen" und auch Behörden, welche ohne grundsätzlich Ahnung von der Materie zu haben, laufend "Änderungen" bzw. "Gesetzesauslegungen" umsetzen oder auch deren Umsetzung fordern. Die dadurch entstandene Problematik, dass es in Wien annähernd 3400 registrierte SexarbeiterInnen gibt - und nur 280 genehmigte Lokale, gilt es genauso bei einer Stellungnahme zu bedenken, wie etwa was eine Einschränkung der Vielfalt von Prostitutionsstätten mit sich bringen würde. Zur Zeit treten ranghohe Polizeibeamte vor die Medien und erklären, dass es überall Zuhälter geben würde - nur nicht in Laufhäusern..... (als Erklärung fügt man dann noch hinzu, dass sie ja dort nicht rein dürfen). Hier geht zur Zeit eine "Lenkung" der Behörde in Richtung bestimmter Geschäftsmodelle - wenn nicht sogar in Richtung bestimmter BetreiberInnen - über die Bühne, die wir nicht gut heißen können. Und wenn genau mit diesen Mechanismen Gesetze uminterpretiert werden, so kann dies nicht in unserem Sinne sein!

Wir kennen die Situation hier vor Ort am Besten - Wir kennen die BetreiberInnen - und wir kennen die zuständigen PolitikerInnen und haben auch Kontakte zu diversen Medien. Hier Zurufe zu erteilen, was wer wo wie und wann zu sehen hat ist äußerst problematisch. Nicht Alles was hier von unserer Seite gefordert wird, ist woanders wünschenswert und umgekehrt!

Gerade deshalb wäre es wünschenswert, wenn wir keine Pauschalverurteilung oder auch Bejubelung eines Systemes in den Raum stellen (hier liest Politik, Presse und Behörde mit!), wenn es nicht dem ausdrücklichen Willen der hier vor Ort tätigen SexarbeiterInnen entspricht!

Eine globale Diskussion "ich halte von xxxx das und das" ist natürlich jederzeit möglich und auch in höchstem Maße gewünscht. Nur sollten wir darauf achten - besonders wenn es irgendwo gerade "brennt" - das wir hier sehr umsichtig und ausschließlich unter Rücksichtnahme auf die vor Ort Betroffen agieren.

christian

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Beitrag von Tanja_Regensburg »

Ich bin pro Flatrate....

Ihr argumentiert hier teils von einer sehr privilegierten Position aus.

Viele Frauen, die nicht täglich arbeiten können, bzw nur bestimmte Schichten sind froh darüber, dass es diese Möglichkeit gibt.

Sie geht dorthin, hat keine Vorkosten ( man mus erst mal Geld haben, um eine Wohnungsmiete, Laufhausmiete, FKK- Clubeintritt, Studiomiete zu bezahlen.)

Sie muss nicht selbständig Kunden aquirieren...

Sie muss keine Werbung machen...

Sie muss keine Kondome, Toys, und (Puff-) Kleidung kaufen

Sie hat hohe Sozialkontrolle, da Flatrates meist spartanisch ausgestattet sind, und es statt Türen sehr oft nur Fadenvorhänge gibt.

Vor allem ist es für die Frauen sehr positiv, dass sie garantiert am Abend mit der mit dem Betreiber vereinbarten Summe nach hause gehen kann.

Ich wäre froh gewesen, wenn ich diese Möglichkeit zu Beginn meiner Tätigkeit gehabt hätte, in einem Flatrate zu arbeiten.

Nicht jede Kollegin ist glücklich damit selbst Kunden ansprehen zu müssen, sei es diekt in Laufhäusern, Clubs Bordellen usw oder Independent in Wohnungen, auf der Straße im Escort, oder als Terminfrauen sich zusätzlich noch Arbeitsplätze zu besorgen.

Ich finde es schade, dass die Vielfalt die sich in der Prostitution bietet eingeschränkt werden soll, denn nicht alle Kolleginnen möchte auf "meine Art" arbeiten.

Ein Stundenlohn von 37,50 brutto ist für viele akzeptabel, denn wenn sie anderweitig schwere körperliche Arbeit im Minijob leisten müssen, und das für 500€ im Monat,oder Putzjobs für 10€ die Stunde annehmen müssen um Geld zu verdienen, dann ist es schon eine Überlegung wert.

Mag ja sein, dass von euch niemand für dieses Geld arbeiten will, aber 100 bis 150€ täglich auf die Hand und freie Wahl der Arbeitstage ist für andere ok.

Wie wäre es mal über die eigenen Erfahrungen und Vorlieben hinaus zu denken, und anderen die Möglichkeit zu geben, dass sie selbst entscheiden, was für sie akzeptabel ist und was nicht.

Man sollte sich lieber darüber unterhalten, wie man die Arbeitsbedingungen so angenehm wie möglich gestalten kann,und Minimalstandarts zu erörtern, um allen gerecht zu werden ...

SexdienstleisterInnen, Betreibern und Kunden.

Außerdem wird nicht bei jedem Kontakt GV ausgeübt, oftmals gibts da auch nur Handjob oder Blowjob.

LG Tanja

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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Melanie_NRW »

Danke Tanja!

Sehe ich genauso. Auch wenn das Modell für mich selbst nichts ist, so kann ich mir gut vorstellen, das es für andere eine ideale Form darstellt. Und allein aus eigener Erfahrung heraus möchte ich nicht so anmaßend sein und über andere Arbeitsmodelle urteilen.

Mal so ganz naiv gesagt: ich stelle mir ein Flatratebordell ähnlich wie ein "Swingerclub" vor, mit der Option dort Geld zu verdienen. Wenn Frauen in einen Club gehen um mit X Männern Sex zu haben, warum sollten sie dann nicht auch dieser Form des Pay6 etwas gutes abgewinnen können?