Ex-Prostituierte hinterzieht 44.000 Euro Steuern

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translena
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Ex-Prostituierte hinterzieht 44.000 Euro Steuern

Beitrag von translena »

12.12.14
Prozess der Woche
Ex-Prostituierte hinterzieht 44.000 Euro Steuern

Sie begann ein neues Leben, macht eine Lehre zur Friseurin: Doch nun holt die 24-Jährige ihr altes Leben als Prostituierte ein, sie hat nun mit einer saftigen Geldstrafe zu kämpfen.


Vorbei die Zeit ihrer Profession, die ihr zwar bessere Einkünfte beschert hatte, die aber auch mit viel Ärger belastet war. Mehrfach musste sich die junge Frau in der Zeit, in der sie der Prostitution nachging, vor Gericht verantworten, meist wegen Betrugs. Und nun das: Jetzt haben die Steuerbehörden gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft die Hamburgerin im Visier

Verschüchtert wirkt Annika B., wie sie da nun im Prozess vor dem Amtsgericht sitzt. Die Stimme kaum mehr als ein Flüstern, nennt sie ihre Personalien, am nervösen Spiel ihrer Hände lässt sich ihre Anspannung ablesen. Immerhin um rund 44.000 Euro geht es, die die 24-Jährige aus ihren Einkünften aus einem Begleitservice sowie aus ihrem Job als Prostituierte nicht ordnungsgemäß angegeben und somit um diesen Betrag die Einkommens- und Umsatzsteuer verkürzt haben soll. Seine Mandantin räume die Anklage ein, erklärt ihr Verteidiger. Es habe leider keine korrekten Steuererklärungen gegeben. "Es lag nicht in den Händen der Angeklagten, sie hatte das an jemanden abgegeben. Es wurde ihr berichtet, dass es gemacht werde, und sie hat das geglaubt."

Auch wenn ein Steuerberater die Erklärung mache, sei man in der Pflicht

Doch der Staatsanwalt redet der Angeklagten ins Gewissen: "Eins muss klar sein: Auch wenn Sie das in fremde Hände geben, müssen Sie sich darum kümmern!" Wenn etwa der Steuerberater nicht in angemessener Zeit eine Steuererklärung zur Unterschrift vorlege, "müssen Sie nachhaken" beziehungsweise die Erklärung auf ihre Richtigkeit überprüfen. Der Bereich der Steuerpflicht von Damen, die etwa der Prostitution nachgehen, sei eine Zeit lang "nur am Rande" verfolgt worden. "Aber die Zeit, in der man mit Samthandschuhen angefasst wurde, ist vorbei!"

Jetzt gibt es eine neue Initiative, mit der dieses Gewerbe verschärft in den Fokus der Steuerfahndung und der Staatsanwaltschaft genommen wurde und im Rahmen derer man Steuerdelikte "systematisch verfolgt", betont der Vertreter der Anklage. Die Finanzbehörde werde auch "energisch" versuchen, an Geld zu kommen, und dafür neue Wege beschreiten. Die Kontrolldichte werde zunehmen.

6300 Euro Geldstrafe lautet das Urteil gegen die angehende Friseurin

Annika B. ist die erste Dame, die im Rahmen dieser neuen Initiative in Hamburg vor Gericht steht. Bislang hatten sich die Bemühungen in dem Bereich im Wesentlichen darauf beschränkt, dass Einzelfälle verfolgt wurden. Nun also das große Ganze. Er werde auch darauf hinwirken, erklärt der Verteidiger, dass bei seiner Mandantin in Zukunft alles korrekt erledigt werde.

Denn zurzeit arbeite sie trotz ihrer Ausbildung zur Friseurin, die Annika B. in etwa zwei Jahren abschließen wird, "noch gelegentlich in ihrer früheren Tätigkeit", schränkt der Anwalt ein. Sie habe "eine Vorstellung davon", versichert die Amtsrichterin, was Friseure in der Ausbildung verdienen und "dass man davon wenig bis gar nicht leben kann".

Auch von ihrer Mutter wird die Angeklagte finanziell unterstützt. Das hilft Annika B., die nicht zuletzt auch noch an den Geldstrafen zu knapsen hat, die unter anderem wegen Betrugs gegen sie verhängt wurden, weil sie sich von Freiern unter einem Vorwand die EC-Karte aushändigen ließ und dann viel zu viel Geld von deren Girokonto abhob – ein Delikt, das in der Branche nicht so selten vorkommt.

Nun also soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft eine weitere Geldstrafe hinzukommen. 210 Tagessätze zu 30 Euro fordert der Ankläger, weil Annika B. ihre Einkommen und Umsätze aus ihrer Arbeit als Prostituierte zu niedrig oder sogar gar nicht angegeben hat. "Und Ihnen war klar, dass das strafbar ist", sagt der Staatsanwalt. Der Verteidiger argumentiert indes, dass die Steuererklärung "weit außerhalb des tatsächlichen Verantwortungsbereichs" seiner Mandantin gewesen sei, da sie es ja an einen vermeintlichen Fachmann abgegeben habe. "Sie ist lange Zeit davon ausgegangen, dass das seine Richtigkeit hat und sie sich keinen Kopf machen muss."

6300 Euro Geldstrafe, wie von der Anklagebehörde beantragt, lautet am Ende das Urteil der Amtsrichterin. Die Summe kann Annika B. in Raten abstottern.

Daran wird die angehende Friseurin eine ganze Weile zu zahlen haben – mal ganz davon abgesehen, was noch an Nachforderungen vom Finanzamt auf sie zukommt.

Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall
http://www.abendblatt.de/hamburg/articl ... euern.html

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Lycisca
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Beitrag von Lycisca »

Eigentlich ein Skandalurteil, denn nicht einmal Fahrlässigkeit kann der Sexarbeiterin vorgeworfen werden: Sie ist keine Steuerrechtsexpertin und hat mit der Beauftragung eines Steuerberaters, also eines Experten, alles unternommen, damit ihre Steuerpflicht erfüllt wird: Wieso sollte sie z.B. wissen, dass ihre Steuererklärung nochmals unterschrieben werden muss, obwohl sie wohl bereits eine Vollmacht an den Steuerberater ausgestellt hat?

translena
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Beitrag von translena »

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Lycisca hat geschrieben:Eigentlich ein Skandalurteil, denn nicht einmal Fahrlässigkeit kann der Sexarbeiterin vorgeworfen werden: Sie ist keine Steuerrechtsexpertin und hat mit der Beauftragung eines Steuerberaters, also eines Experten, alles unternommen, damit ihre Steuerpflicht erfüllt wird: Wieso sollte sie z.B. wissen, dass ihre Steuererklärung nochmals unterschrieben werden muss, obwohl sie wohl bereits eine Vollmacht an den Steuerberater ausgestellt hat?
Das Gericht hat in dem Urteil klargestellt das es nicht so wie du es darstellst ist.
Nach Ansicht des Gerichtes hat die Angeklagte sehr wohl fahrlässig gehandelt weil sie nicht nachgehakt hat ob der Beauftragte ihren Auftrag auch erfüllt.
Und in deutschland gilt der Grundsatz: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht , selbst wenn Sie nicht wusste das Sie die Erklärung unterschreiben musste schützt es sie nicht vor Bestrafung.
Viel brisanter finde ich diesen Teil des Artikels:

Der Bereich der Steuerpflicht von Damen, die etwa der Prostitution nachgehen, sei eine Zeit lang "nur am Rande" verfolgt worden. "Aber die Zeit, in der man mit Samthandschuhen angefasst wurde, ist vorbei!"

Jetzt gibt es eine neue Initiative, mit der dieses Gewerbe verschärft in den Fokus der Steuerfahndung und der Staatsanwaltschaft genommen wurde und im Rahmen derer man Steuerdelikte "systematisch verfolgt", betont der Vertreter der Anklage. Die Finanzbehörde werde auch "energisch" versuchen, an Geld zu kommen, und dafür neue Wege beschreiten. Die Kontrolldichte werde zunehmen.
Viele Sexworkerinnen haben bis jetzt den Bereich "Steuerpflicht" nicht so Ernst genommen.
Oftmals sind Sie der Meinung das mit Zahlung der Pauschale nach dem sogenanten Düsseldorfer Verfahren alles erledigt sei.Da sist aber nur eine pauschale Vorrauszahlung die sich leider viele Sexworkerinnen nicht einmal quitieren lassen.
Wenn das Finanzamt dann feststellt das es unbelegte Einnahmen gibt, z.b bei einer Razzia oder durch den Kauf eines Autos , einer Immobilie usw. verlangt es die Steuererklärung nach. Wenn dann keine Belege über Einnahmen und Ausgaben vorhanden sind, wird das Einkommen einfach geschätzt.Und diese Schätzungen des Finanzamtes übertreffen fast immer die realen Einnahmen bei weitem oft ist es ein Mehrfaches des tatsächlichen Umsatzes. .Und Einnahmen sind noch lange nicht Einkommen. Quittungen über bereits gezahlte Pauschalsteuern sind oft nicht vorhanden,teilweise weigern sich Clubs sogar die auszustellen. so das dann doppelt bezahlt wierden muss. Einerseits die bereits gezahlte Pauschalsteuer und andrerseits Umsatz und Einkommensteuer und eventuelle Gewerbesteuer auf ein viel zu hoch geschätztes Einkommen.
Dazu kommt dann noch ein Strafverfahren

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fraences
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RE: Ex-Prostituierte hinterzieht 44.000 Euro Steuern

Beitrag von fraences »

Seid 3 jahrzehnten rege ich mich über das Düsseldorfer Verfahren auf. Nicht nur die Unkenntnis das es nicht von eine ordentliche Steuererklärung befreit, sondern das auch Steuerfahnder und Finanzbeamten es den SW nahe legt sich daran zu beteiligen, bzw Betreiber dazu genötigt werden durch vermehrte KOntrollen /Razzien wenn sie sich nicht daran beteiligen.

In letzter Zeit haben wir immer mehr Fälle , wo SW gutgläubig und in Unkenntnis durch falsche Infos nachversteuert werden. Was häufig auch mit KOntopfändung einher geht.

Quittungen über die bezahlte Pauschalbetrag sind nicht vorhanden und schwer zu beschaffen. Buchhaltung ist nicht gemacht worden . Wechsel in verschiedenen Bundesländer (nur in 7 Bundesländer wird es gemacht)können die Zahlungen seitens des FAs nicht zugeordnet werden. Der absolute Chaos.
Es wird dann durch Schätzungen des FAs Doppelt besteuert.

Auch diverse Sozialarbeiterinnen von Fachberatungsstellen ud auch andere wird das DV empfohlen, was ich zulezt auf den Sexarbeiterkongress in Berlin erleben musste. was mir unverständlich ist!

Die leidtragenden sind die SexarbeiterInnen.

Das DV gehört abgeschafft!
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
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stuppi
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Beitrag von stuppi »

Soweit ich das gehört habe, ist das Düsseldorfer Verfahren aber keine Pflicht? Aber je nachdem, in welchem Etablissment man arbeitet, muss man wohl doch teilnehmen dann.
Viele Grüße stuppi

translena
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Beitrag von translena »

Nein das iist keine Pflicht, aber einige Finanzämter setzten die Clubs so unter Druck das die Ihre Mitarbeiterinnen anhalten dort mitzumachen.das geschieht in dem sonst verstärkte Kontrollen vor Ort angedroht werden. Und die Clubs lassen dann nur diejenigen dort arbeiten die sich am Verfahren beteiligen.

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Jupiter
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RE: Ex-Prostituierte hinterzieht 44.000 Euro Steuern

Beitrag von Jupiter »

Bekanntlich wird dies auch bei Escort-Agenturen gemacht, besonders in Zusammenhang mit einer Steuerprüfung bei der Agentur. Dann ist es ein kleiner Weg der Steuerprüfung zu einer Querprüfung bei den Damen, welche unter Vermittlungsvertrag stehen. Das weitere mit dem DV entspricht dann oft den von Fraences geschilderten Missstände und die jungen Damen haben doch meist noch nie etwas von "sonstige Einkünfte" gehört, welche angegeben werden müssen (auch wenn die Steuererklärung dann jemand anders im Auftrag erstellt).

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)