Positionierung zur geplanten Regulierung der Prostitution
Position der Landesarbeitsgemeinschaft Demokratie, Innen- und Rechtspolitik der Partei DIE LINKE. NRW, beschlossen am 6.8.2015 in Düsseldorf
A. Reform des Prostitutionsrechts
Seit langem arbeitet die Bundesregierung an einem Gesetzentwurf zur Regulierung der Prostitution. Die Eckpunkte sind bereits im Frühjahr veröffentlicht worden. Sie lauten: Meldepflicht und Pflicht zur Gesundheitsberatung für Prostituierte, Kondompflicht, Erlaubnispflicht für Bordellbetreiber, Strafbarkeit der Nachfrage bei „Zwangsprostitution“. Ausgelöst wurde die Reformdiskussion u.a. durch den „Appell gegen Prostitution“ der „Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer[1] im Herbst 2013. Darin heißt es u.a.: „Das System Prostitution ist Ausbeutung und zugleich Fortschreibung der traditionell gewachsenen Ungleichheit zwischen Männern und Frauen. Das System Prostitution degradiert Frauen zum käuflichen Geschlecht und überschattet die Gleichheit der Geschlechter.“ Gefordert wird u.a. eine Bestrafung von Freiern. Auf den Appell folgte eine langandauernde mediale Behandlung des Themas Prostitution. Dabei sind Prostituierte regelmäßig als Opfer von Frauenhändlern dargestellt worden.
Auch einige Mitglieder der LINKEN fordern eine scharfe gesetzliche Regulierung der Prostitution. So wurde auf einer Diskussionsveranstaltung unter Federführung des Kölner Kreisverbandes am 30.05.2005 für das „schwedische Modell“ geworben, das eine Strafbarkeit der Nachfrage nach Prostitution vorsieht.[2] Die Bundestagsfraktion der LINKEN hat allerdings am 14.10.2014 einstimmig ein Positionspapier verabschiedet, in dem sie sich u.a. gegen eine Meldepflicht für Prostituierte und die Strafbarkeit der Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen, aber für erweiterte Aufenthaltsrechte sowie soziale und berufliche Angebote für Prostituierte ausspricht.[3]
B. Prostitution in Deutschland
Es existieren keine verlässlichen Angaben über die Zahl der Prostituierten und die Zahl der Nachfrager nach Prostitution in Deutschland. Schätzungen bewegen sich zwischen 50.000 und 400.000 Prostituierten. Die Zahl der Nachfrager dürfte entsprechend um ein Vielfaches größer sein. Demnach handelt es sich bei Prostitution um eine massenweise vorkommende Tätigkeit. Bei Prostituierten dürfte es sich oftmals um Angehörige der unteren sozialen Schicht handeln. Das alles macht die gesellschaftliche Bedeutung und politische Relevanz des Themas aus, insbesondere für die LINKE.
Es gibt nicht „die“ Prostitution; Prostitution hat viele Gesichter: Es prostituieren sich überwiegend Frauen, aber auch Männer. Nachfrager sind ganz überwiegend Männer, aber zunehmend auch Frauen. Das Angebot sexueller Dienstleistungen weist die gesamte Spannbreite menschlichen Sexualverhaltens auf, es reicht von Tantra-Massagen bis zu S/M-Praktiken. Prostitution wird „auf der Straße“, in Stundenhotels, Wohnungen, Studios, Clubs oder Bordellen ausgeübt. Prostituierte arbeiten hauptberuflich, nebenberuflich oder nur gelegentlich. Sie arbeiten offen, zumeist aber im Schutz der Anonymität. Menschen prostituieren sich, weil sie arm sind, durch Sex erheblich mehr Geld einnehmen können als durch ihren erlernten Beruf oder weil sie das „schnelle Geld“ für ihren Drogenkonsum brauchen. Infolge der Niederlassungsfreiheit und des starken ökonomischen Gefälles innerhalb der Europäischen Union kommen in den letzten Jahren vielfach Frauen aus Staaten mit niedrigen sozialen Standards nach Deutschland, um der Prostitution nachzugehen. Oftmals tragen die Einnahmen dieser Frauen wesentlich zur Existenzsicherung ihrer Familien bei.
Ohne Zweifel ist Armutsprostitution weltweit verbreitet und eine Erscheinungsform der ungelösten sozialen Frage. Daher liegt der Schlüssel zur Bekämpfung der Armutsprostitution in einer gerechten Sozial- und Wirtschaftspolitik. Eine Verschärfung des Prostitutionsrechts stellt dagegen ein Instrument konservativer, repressiver Politik dar. Armut bzw. Armutsprostitution kann durch ordnungsrechtliche Vorschriften nicht beseitigt werden.
Nachfrager suchen Prostituierte auf, weil sie ihren Sexualtrieb befriedigen wollen. Sie haben keine Partnerin bzw. Partner oder finden in der Sexualität mit diesen keine umfassende Befriedigung. Das Aufsuchen von Prostituierten kann von sekundären Motiven begleitet werden wie dem Wunsch nach Nähe und Zärtlichkeit oder nach Dominanz und Machtausübung.[4]
Patriarchalische Denkweisen fördern heterosexuelle Prostitution. Sie sind aber nicht ursächlich für Prostitution. Auch homosexuelle Männer suchen (männliche) Prostituierte auf. Der geringere Anteil homosexueller Prostitution an der Gesamtprostitution ist lediglich auf das insgesamt geringere Vorkommen von Homosexualität zurückzuführen. Offenbar suchen inzwischen zunehmend auch Frauen männliche Prostituierte auf oder reisen als Sextouristinnen ins Ausland.[5] Allerdings ist der Anteil der weiblichen Nachfrage nach Prostitution an der Gesamtprostitution noch verhältnismäßig gering.
C. Rechtliche Einordnung
Anders als es in Antiprostitutionskampagnen regelmäßig heißt, „kaufen“ Nachfrager nach sexuellen Dienstleistungen Prostituierte nicht. Würde es sich bei der Vereinbarung zwischen Nachfrager und Prostituierter um einen Kaufvertrag handeln, dann würde der Nachfrager Eigentum an der Prostituierten erwerben, was nicht möglich ist. Nachfrager „mieten“ auch keine Prostituierten, weil Miete nur an Sachen möglich ist. Charakteristisch für Prostitution ist, dass die/der Prostituierte eine sexuelle Dienstleistung aufgrund einer konkreten Vereinbarung mit einem Nachfrager gegen Geldzahlung für eine zumeist kurze Zeit erbringt. Es handelt sich juristisch betrachtet um einen Dienstvertrag. Seit dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes 2002 ist die entgeltliche Vereinbarung über sexuelle Dienstleistungen rechtlich anderen Dienstverträgen grundsätzlich gleichgestellt ist (vgl. § 1 Prostitutionsgesetz).
D. Der strafrechtliche Schutz von Prostituierten
Der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung ist Zweck zahlreicher Vorschriften des Strafgesetzbuchs (siehe §§ 174 ff. Strafgesetzbuch). Dabei geht der Schutz von Prostituierten deutlich über die allgemeinen Strafvorschriften hinaus. Bedrohung, Anwendung von Gewalt, Vergewaltigung oder Freiheitsberaubung sind bereits allgemein strafbar (siehe §§ 240, 223, 177, 239 Strafgesetzbuch). Prostituierte werden darüber hinaus durch die §§ 180a, 181a und 232 Strafgesetzbuch besonders geschützt: Danach sind die Ausbeutung[6] von Prostituierten, Zuhälterei und die Ausnutzung einer Zwangslage, um Menschen zur Aufnahme der Prostitution zu bringen oder in der Prostitution zu halten, strafbar.
Im Jahr 2013 wurden in ganz Deutschland 425 Ermittlungsverfahren im Bereich des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung abgeschlossen. Dabei wurden 625 Tatverdächtige erfasst. 77% waren Männer, 28% hatten die deutsche Staatsangehörigkeit. 542 Frauen waren Opfer von Straftaten der sexuellen Ausbeutung.[7] In Anbetracht der Schätzungen von 50.000 bis 400.000 in Deutschland tätigen Prostituierten erscheint damit die Zahl der Ermittlungsverfahren[8] wegen sexueller Ausbeutung verhältnismäßig klein.
Es bedarf keiner neuen Strafvorschriften, um Prostituierte zu schützen.
Insbesondere ist eine pauschale Strafbarkeit der Nachfrage nach Prostitution („Freierbestrafung nach dem schwedischen Modell“) abzulehnen. Sie steht im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen und würde den Einstieg in ein moralisierendes Gesinnungsstrafrecht bedeuten.
Begründet wird die Forderung nach Bestrafung von Freiern mit dem Rückgang der Straßenprostitution in Schweden und Norwegen, die die Strafbarkeit bereits vor Jahren eingeführt haben. Ein Rückgang der (sichtbaren) Straßenprostitution kann aber nicht mit einem Gesamtrückgang der Prostitution gleichgesetzt werden. Es gibt vielmehr Hinweise darauf, dass die Prostitution in Schweden tatsächlich zugenommen hat.[9] Der öffentlich vermittelte Eindruck allerdings, dass mit der Strafbarkeit der Nachfrage negative Begleiterscheinungen der Prostitution wirksam bekämpft werden könnten, dürfte vielmehr destruktiv dazu führen, dass die politische Aufmerksamkeit für den Prostituierten unvermindert drohende Notlagen weitgehend schwindet.
Die Verhängung von Strafen gehört zu den schärfsten Sanktionsinstrumenten des Staates. Deshalb darf der Rechtsstaat nur Handlungen, die gegenüber sonstigen rechtswidrigen Taten einen gesteigerten Unrechtsgehalt aufweisen, strafrechtlich ahnden. Moralisch umstrittene oder verwerfliche Verhaltensweisen wie der Austausch von Sex gegen Entgelt oder Ehebruch dürfen daher in einem Staat, der einerseits religiös und weltanschaulich neutral ist, andererseits seinen Bürgerinnen und Bürgern möglichst viel Raum für eigenverantwortliche Entscheidung gibt, keine Strafbarkeit begründen. Zudem kann Grundlage der Strafbarkeit nur das Ausmaß der individuellen Schuld des Täters sein. Wo aber soll überhaupt eine individuelle Schuld liegen, wenn ein Mann seinen Sexualtrieb befriedigen will und eine Frau oder ein Mann ihm dies gegen Zahlung eines Entgelts gewährt oder ihn sogar zum Sex gegen Zahlung eines Entgelts auffordert?
Nach deutschem Strafrecht ist nicht nur der Täter, sondern auch der Anstifter zu einer Straftat strafbar, siehe § 26 Strafgesetzbuch. Wäre die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen strafbar, dann würden sich Prostituierte, die z.B. auf dem Straßenstrich oder in Laufhäusern Männer zum Sex auffordern, wegen Anstiftung ebenfalls strafbar machen. Wer also Freier bestrafen will, der müsste auch Prostituierte bestrafen. Auch aus diesem Grund ist das „schwedische Modell“ abzulehnen.
Besonders bedenklich erscheint der Ruf nach einer Freierbestrafung mit dem gelegentlich zu hörenden „Argument“, im Sozialismus werde es keine Prostitution mehr geben, weil darin die Notwendigkeit kapitalistischer Selbstausbeutung nicht mehr bestehe. Bekanntermaßen sind die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland weit vom Sozialismus entfernt. Wer daher als LINKER im Kapitalismus nach einer Verschärfung des Strafrechts ruft statt sich für eine tatsächliche Emanzipation von Prostituierten einzusetzen, betreibt letztlich das Geschäft der Konservativen.
E. Soziale und berufliche Angebote für Prostituierte
Armutsprostitution ist keine strafrechtliche Problematik. Wer behauptet, durch die Schaffung neuer Strafrechtsbestände Armutsprostitution verhindern zu können, streut seinem Publikum Sand in die Augen. Solange innerhalb der Europäischen Union Reise- und Niederlassungsfreiheit bestehen, das ökonomische Gefälle zwischen den Staaten groß ist[10] und die Vermögensverteilung innerhalb der europäischen Staaten eine eklatante Ungleichheit aufweist, werden sich Menschen insbesondere aus armen Ländern wie Rumänien und Bulgarien genötigt sehen, ihren Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt ihrer Familiendurch Prostitution aufzubringen, ob in Deutschland oder anderswo. Weder die von der Bundesregierung geplanten noch die im „Appell gegen Prostitution“ geforderten Maßnahmen können diesen Menschen aus ihrer wirtschaftlichen und sozialen Misere helfen.
Drogenprostitution kann mit den vorgeschlagenen Maßnahmen offensichtlich ebenfalls nicht verhindert werden. Wer sich als Drogensüchtige bzw. Drogensüchtiger prostituiert, weil so das schnelle Geld für den „nächsten Schuss“ beschafft werden kann, der bzw. dem werden neue gesetzliche Vorschriften ordnungs- oder strafrechtlicher Art weitgehend gleichgültig sein.
Auch weder durch Armut noch durch Drogensucht veranlasste Prostitution stellt sich in vielfacher Weise als Beruf ohne (langfristige) Perspektive dar. Nachfrager wollen im Regelfall junge Prostituierte. Das bedeutet, dass jedenfalls hauptberuflich arbeitende Prostituierte, auch aufgrund des Wettbewerbs mit jüngeren Prostituierten, nach wenigen Jahren nicht mehr in der Prostitution arbeiten können. Aufgrund fehlender Qualifikation oder Erfahrung stellt sich aber der Einstieg in ein anderes Berufsleben als äußerst schwierig dar. Nicht wenige Prostituierte dürften daher nach Beendigung ihrer Tätigkeit in Hartz IV landen. Außerdem stellt Prostitution für die meisten Betroffenen zumindest langfristig eine psychische Belastung dar, die die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen kann. Schließlich kann die Ausübung von Prostitution, wenn nicht konsequent Kondome genutzt werden und im Übrigen auf Hygiene geachtet wird, wegen der hohen Zahl von wechselnden Geschlechtspartnern mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden sein.
Wer also den Menschen, die der Prostitution nachgehen, die Möglichkeit einer anderen beruflichen Perspektive geben will, der muss erhebliche politische Anstrengungen unternehmen. Dazu gehört der Ausbau und die Förderung einer kooperativen Sozialarbeit, die dauerhafte psychologische Unterstützung, Gesundheitsberatung, berufliche Qualifikationsangebote, Schuldner- sowie Rechtsberatung umfasst. Entscheidend dabei ist, dass Prostituierte nicht als (staatliche) Betreuungsobjekte, sondern als Partner/innen in der Sozialarbeit verstanden werden.
F. Keine Abdrängung von Prostituierten in die Illegalität
Prostituierte werden seit jeher moralisch und gesellschaftlich verurteilt und stigmatisiert. Aus diesem Grund suchen Prostituierte den Schutz der Anonymität. Sie entziehen sich einer weitgehenden behördlichen Erfassung und damit dem Risiko eines Bekanntwerdens ihrer Tätigkeit. Das gilt insbesondere für Prostituierte, die ihre Tätigkeit nebenberuflich ausüben oder/und Familie haben.
Anmeldepflicht und pflichtige Gesundheitsberatung
Die Einführung einer Anmeldepflicht soll gewährleisten, dass Prostituierte von der zuständigen Behörde über die für ihre Tätigkeit maßgeblichen Rechtsvorschriften sowie gesundheitliche und soziale Angebote informiert werden. Allerdings gibt es längst etablierte, niedrigschwellige Einrichtungen wie beispielsweise Madonna e.V. in Bochum oder den Sozialdienst katholischer Frauen in Köln, die professionelle und umfassende Beratung und Hilfe anbieten. Die Prostituierten nehmen diese Angebote bereitwillig an, weil sie eine engagierte und vertrauensvolle Kooperation schätzen. Entsprechende Einrichtungen sind bundesweit auszubauen und zu fördern. Die Erfassung in einem behördlichen Anmeldeverfahren ist dagegen nicht geeignet, eine dauernde und vertrauensvolle Kooperation zu etablieren. Entsprechendes gilt für pflichtige Gesundheitsberatungen durch Behörden. Die geplanten Melde- und Beratungspflichten werden im Gegenteil dazu führen, dass eine erhebliche Zahl von Prostituierten den Weg in die Illegalität wählt und so vielmehr als bis dahin dem Risiko krimineller Übergriffe ausgesetzt wird.
Jederzeitige Kontrolle und Überwachung
Prostituierte dürfen nach den Plänen der Bundesregierung während der Ausübung ihrer Tätigkeit unangekündigt kontrolliert werden. Ein so gravierender Eingriff in die Berufsausübung ist verfassungsrechtlich bedenklich. Überdies werden dadurch Schikanen Tür und Tor geöffnet. Von einem Schutz von Prostituierten durch das neue Prostitutionsrecht kann kaum noch die Rede sein.
G. Kondompflicht und Freierbestrafung
Die Einführung einer gesetzlichen Kondompflicht und die Bestrafung von Nachfragern bei Vorliegen von Zwangsprostitution erscheinen nur vordergründig plausibel. Die Benutzung von Kondomen ist im eigenen Interesse der Prostituierten und Nachfrager und, jedenfalls außerhalb der Drogenprostitution, nach Auskunft von Selbsthilfeorganisation Standard. Wie die Erfahrungen mit der HIV-Prävention in Deutschland zeigen, bewirkt engagierte Aufklärung mehr als ein abstraktes gesetzliches Gebot. Sollte eine Prostituierte keine Kondombenutzung wollen, wird die gesetzliche Verpflichtung dazu nichts daran ändern können, weil es keine effektive Kontrollmöglichkeit gibt.[11] Erzwingt aber ein Nachfrager sexuelle Handlungen ohne Kondom, verwirklicht dies bereits diverse Straftatbestände (Nötigung, Köperverletzung, Vergewaltigung).
Die durch Bedrohung oder Gewalt herbeigeführte Zwangsprostitution ist bereits in vielfältiger Weise strafbar.[12] Im Übrigen wird einem Nachfrager der Vorsatz bzgl. Zwangsprostitution im Rahmen eines Strafverfahrens regelmäßig nur bei Vorliegen besonderer Umstände (von außen abgeschlossene Tür, vergittertes Fenster, Spuren von massiver Gewalteinwirkung) nachgewiesen werden können. Schließlich werden Nachfrager selbst den Beratungsstellen und Selbsthilfeeinrichtungen keine Hinweise auf Zwangsprostitution mehr geben, wenn sie sich dadurch einem Ermittlungsverfahren ausliefern.
H. Erlaubnispflicht für Bordellbetreiber/innen
Der Betrieb eines Bordells oder einer bordellartigen Einrichtung sollte im Unterschied zu den Plänen der CDU/SPD-Bundesregierung als Gewerbe eingeordnet und damit den Vorschriften der Gewerbeordnung unterworfen werden. Im Übrigen sollte der Betrieb durch angemessene Richtlinien der Länder geregelt werden, die insbesondere die Anforderungen an von Prostituierten selbst betriebene Einrichtungen nicht überspannen.
Fazit:
Prostitution ruft die unterschiedlichsten Assoziationen und Reaktionen hervor. Der gesellschaftliche Status von Prostituierten war und ist aber niedrig. Wurden weibliche Prostituierte früher vor allem unter kirchlichem Einfluss regelmäßig als „Täterinnen“ verurteilt, die zum Ehebruch verleiten, werden sie heute zunehmend als „Opfer struktureller männlicher Gewalt“ dargestellt. Für die ganz überwiegende Zahl der Prostituierten in Deutschland, die ihre Tätigkeit nicht nur gelegentlich ausüben, handelt es sich um Arbeit, durch die sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Dabei ist Sexarbeit kein Beruf wie jeder andere.
• Wir wollen die Rechte der Prostituierten stärken!
• Deshalb fordern wir den Ausbau und die Förderung kooperativer Sozialarbeit für Prostituierte.
• Meldepflicht, Pflicht zur Gesundheitsberatung, Kondompflicht und damit verbundene Kontrollen und Sanktionierungen der Prostituierten lehnen wir ebenso ab wie die Einführung neuer Straftatbestände.
• Der Betrieb von Bordellen und bordellartigen Betrieben sollte dem Gewerberecht zugeordnet werden.
Wir empfehlen dem Landesvorstand der LINKEN.NRW, sich eindeutig gegen den geplanten Gesetzentwurf der CDU/SPD-Bundesregierung oder noch weitergehende Verschärfungen des Prostitutionsrechts zu positionieren.
http://www.dielinke-nrw.de/nc/politik/l ... stitution/
Positionierung zum geplanten ProstSCHG
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Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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Fakten und Infos über Prostitution
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RE: Positionierung zum geplanten ProstSCHG
NRW kritisiert Prostitutionsgesetz scharf
Von Andrea Dernbach
Nordrhein-Westfalens rot-grüne Landesregierung geht hart ins Gericht mit dem geplanten Prostituiertenschutzgesetz der Bundesregierung: Es treibe Sexworkerinnen in die Illegalität.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung kritisiert den schwarz-roten Entwurf für ein neues Prostitutionsgesetz scharf. Neben inhaltlichen Einwänden hält die Regierung Kraft es auch für nicht umsetzbar: Das Gesetz sei, „so wie es sich im derzeitigen Entwurf darstellt, in weiten Strecken nicht vollzugstauglich“, heißt es in der Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Gesundheit und Emanzipation, die diese Woche veröffentlicht wurde. Es bestehe die Gefahr einer „Prostitutionsbürokratie“, die zudem „erst einmal aufgebaut werden muss“, erklärte Ministerin Barbara Steffens (Grüne).
Hure auch, wer ein Dach überm Kopf braucht?
Die Kosten, die der Gesetzentwurf aufführe, seien „viel zu niedrig angesetzt“. Dort ist von jährlich 17 Millionen Euro die Rede, für die Länder und Kommunen aufkommen müssten. Dazu kommt eine Anschubfinanzierung von knapp zwei Millionen Euro.
Inhaltlich stört sich das Ministerium neben der vorgeschriebenen Gesundheitsberatung und der geplanten Anmeldepflicht für Sexarbeiterinnen auch an einer „geradezu uferlosen Definition von Prostitution“. Dem Entwurf zufolge gilt als Prostituierte nicht mehr nur, wer regelmäßig, sondern auch wer gelegentlich sexuelle Dienstleistungen anbietet. Als Lohn gilt nicht nur Geld, sondern auch jede andere „geldwerte Gegenleistung“. Ob damit auch ein Essen oder eine bezahlte Reise gemeint sei, fragen die Verfasserinnen der Stellungnahme im Text. Dies würde aus ihrer Sicht auch Randgruppen treffen, die sich nicht als Prostituierte einordnen, „bei denen aber ein (oft unausgesprochenes) Tauschverhältnis üblich ist“, etwa Strichjungen oder obdachlose Frauen, wenn sie Sex als Gegenleistung für ein Dach überm Kopf bieten. "Dieses Gesetz macht Menschen erst zu Prostituierten", meint Steffens' Abteilungsleiterin Claudia Zimmermann-Schwartz. Sie leitete bis Oktober 2014 den "Runden Tisch Prostitution" in Nordrhein-Westfalen, der vier Jahre lang das Thema Prostitution aufarbeitete und dem etwa 70 Fachleute aus Wissenschaft und Praxis angehörten. Dem Tagesspiegel sagte sie: "Wir wissen, dass der Weg in die Prostitution oft lang ist, viele brechen ihn auch ab, sind unschlüssig - und erhalten nun von Gesetzes wegen das Etikett 'Prostituierte'. Und wo soll ich Grenzen ziehen, wenn schon ein 'geldwerter Vorteil' richt? Soll sich jetzt auch die Studentin anmelden, die mit ihrem Professor schläft, weil sie auf ein besseres Examen hofft?"
"Tausende Sexarbeiterinnen werden in die Illegalität geschickt"
Ein glattes Nein formuliert das Land gegen die geplante Anmeldepflicht. Es sei "ein Konstruktionsfehler des Gesetzentwurfs, dass nicht sauber genug zwischen der Bekämpfung des Menschenhandels (Straftat) und der Regulierung der Prostitution (von der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit umfasste Tätigkeit) unterschieden wird". Erfahrungen mit der Meldepflicht in Wien hätten gezeigt, dass viele Menschenhandelsopfer eine ordentliche Anmeldung hätten - wenn sie dann die Kontrolle der Behörden bestünden, müssten sie glauben, "ihre Ausbeutung sei legal und vom Staat legitimiert". Ministerin Steffens fand, als sie die Stellungnahme in dieser Woche vorstellte, harte Worte für die Mechanismen, die das Gesetz aus ihrer Sicht in Gang setzen wird: Er werde "Tausende Sexarbeiterinnen in die Illegalität schicken" und entferne sich "weit von seinem ursprünglichen Ziel, Menschen in der Sexarbeit besser zu schützen".
Ja zu den Auflagen für Bordelle
"Im Grundsatz positiv" findet Nordrhein-Westfalens Regierung dagegen den Versuch, strengere Auflagen an den Betrieb von Bordellen zu knüpfen, etwa Mindeststandards für die Zuverlässigkeit von Bordellbetreibern zu verlangen. Das sei "eine sinnvolle Ergänzung des geltenden Prostitutionsgesetzes von 2002", heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums.
Dass es hier Lücken gab, geben auch die Befürworterinnen des alten Gesetzes zu, das 2002 die rot-grüne Regierung Schröder schrieb. Es schaffte vor 13 Jahren die Sittenwidrigkeit von Prostitution ab und und machte es möglich, dass Sexarbeiterinnen und -arbeiter sich regulär zur Sozialversicherung anmelden konnten, ohne eine bürgerlichere Beschäftigung zu erfinden ("Hausfrau"). In den Augen ihrer Kritikerinnen und Kritiker hat die Liberalisierung Deutschland zum Bordell Europas gemacht. Ihre Befürworter halten dagegen, dass wirklicher Schutz für Sexarbeiterinnen nur möglich sei, wenn ihre Arbeit legalisiert sei. Kürzlich bekannte sich, gegen massiven Widerstand, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zur Entkriminalisierung der Prostitution - und kritisierte dabei auch den schwarz-roten Gesetzentwurf.
Länder und Verbände haben noch bis zum 3. und 4. September Zeit, sich zum Gesetzentwurf von Bundesministerin Schwesig zu äußern.
http://www.tagesspiegel.de/politik/sexa ... 44132.html
Pressemitteilung von NRW Gesundheitsministerium
http://www.voice4sexworkers.com/2015/08 ... sichtigen/
Von Andrea Dernbach
Nordrhein-Westfalens rot-grüne Landesregierung geht hart ins Gericht mit dem geplanten Prostituiertenschutzgesetz der Bundesregierung: Es treibe Sexworkerinnen in die Illegalität.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung kritisiert den schwarz-roten Entwurf für ein neues Prostitutionsgesetz scharf. Neben inhaltlichen Einwänden hält die Regierung Kraft es auch für nicht umsetzbar: Das Gesetz sei, „so wie es sich im derzeitigen Entwurf darstellt, in weiten Strecken nicht vollzugstauglich“, heißt es in der Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Gesundheit und Emanzipation, die diese Woche veröffentlicht wurde. Es bestehe die Gefahr einer „Prostitutionsbürokratie“, die zudem „erst einmal aufgebaut werden muss“, erklärte Ministerin Barbara Steffens (Grüne).
Hure auch, wer ein Dach überm Kopf braucht?
Die Kosten, die der Gesetzentwurf aufführe, seien „viel zu niedrig angesetzt“. Dort ist von jährlich 17 Millionen Euro die Rede, für die Länder und Kommunen aufkommen müssten. Dazu kommt eine Anschubfinanzierung von knapp zwei Millionen Euro.
Inhaltlich stört sich das Ministerium neben der vorgeschriebenen Gesundheitsberatung und der geplanten Anmeldepflicht für Sexarbeiterinnen auch an einer „geradezu uferlosen Definition von Prostitution“. Dem Entwurf zufolge gilt als Prostituierte nicht mehr nur, wer regelmäßig, sondern auch wer gelegentlich sexuelle Dienstleistungen anbietet. Als Lohn gilt nicht nur Geld, sondern auch jede andere „geldwerte Gegenleistung“. Ob damit auch ein Essen oder eine bezahlte Reise gemeint sei, fragen die Verfasserinnen der Stellungnahme im Text. Dies würde aus ihrer Sicht auch Randgruppen treffen, die sich nicht als Prostituierte einordnen, „bei denen aber ein (oft unausgesprochenes) Tauschverhältnis üblich ist“, etwa Strichjungen oder obdachlose Frauen, wenn sie Sex als Gegenleistung für ein Dach überm Kopf bieten. "Dieses Gesetz macht Menschen erst zu Prostituierten", meint Steffens' Abteilungsleiterin Claudia Zimmermann-Schwartz. Sie leitete bis Oktober 2014 den "Runden Tisch Prostitution" in Nordrhein-Westfalen, der vier Jahre lang das Thema Prostitution aufarbeitete und dem etwa 70 Fachleute aus Wissenschaft und Praxis angehörten. Dem Tagesspiegel sagte sie: "Wir wissen, dass der Weg in die Prostitution oft lang ist, viele brechen ihn auch ab, sind unschlüssig - und erhalten nun von Gesetzes wegen das Etikett 'Prostituierte'. Und wo soll ich Grenzen ziehen, wenn schon ein 'geldwerter Vorteil' richt? Soll sich jetzt auch die Studentin anmelden, die mit ihrem Professor schläft, weil sie auf ein besseres Examen hofft?"
"Tausende Sexarbeiterinnen werden in die Illegalität geschickt"
Ein glattes Nein formuliert das Land gegen die geplante Anmeldepflicht. Es sei "ein Konstruktionsfehler des Gesetzentwurfs, dass nicht sauber genug zwischen der Bekämpfung des Menschenhandels (Straftat) und der Regulierung der Prostitution (von der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit umfasste Tätigkeit) unterschieden wird". Erfahrungen mit der Meldepflicht in Wien hätten gezeigt, dass viele Menschenhandelsopfer eine ordentliche Anmeldung hätten - wenn sie dann die Kontrolle der Behörden bestünden, müssten sie glauben, "ihre Ausbeutung sei legal und vom Staat legitimiert". Ministerin Steffens fand, als sie die Stellungnahme in dieser Woche vorstellte, harte Worte für die Mechanismen, die das Gesetz aus ihrer Sicht in Gang setzen wird: Er werde "Tausende Sexarbeiterinnen in die Illegalität schicken" und entferne sich "weit von seinem ursprünglichen Ziel, Menschen in der Sexarbeit besser zu schützen".
Ja zu den Auflagen für Bordelle
"Im Grundsatz positiv" findet Nordrhein-Westfalens Regierung dagegen den Versuch, strengere Auflagen an den Betrieb von Bordellen zu knüpfen, etwa Mindeststandards für die Zuverlässigkeit von Bordellbetreibern zu verlangen. Das sei "eine sinnvolle Ergänzung des geltenden Prostitutionsgesetzes von 2002", heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums.
Dass es hier Lücken gab, geben auch die Befürworterinnen des alten Gesetzes zu, das 2002 die rot-grüne Regierung Schröder schrieb. Es schaffte vor 13 Jahren die Sittenwidrigkeit von Prostitution ab und und machte es möglich, dass Sexarbeiterinnen und -arbeiter sich regulär zur Sozialversicherung anmelden konnten, ohne eine bürgerlichere Beschäftigung zu erfinden ("Hausfrau"). In den Augen ihrer Kritikerinnen und Kritiker hat die Liberalisierung Deutschland zum Bordell Europas gemacht. Ihre Befürworter halten dagegen, dass wirklicher Schutz für Sexarbeiterinnen nur möglich sei, wenn ihre Arbeit legalisiert sei. Kürzlich bekannte sich, gegen massiven Widerstand, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zur Entkriminalisierung der Prostitution - und kritisierte dabei auch den schwarz-roten Gesetzentwurf.
Länder und Verbände haben noch bis zum 3. und 4. September Zeit, sich zum Gesetzentwurf von Bundesministerin Schwesig zu äußern.
http://www.tagesspiegel.de/politik/sexa ... 44132.html
Pressemitteilung von NRW Gesundheitsministerium
http://www.voice4sexworkers.com/2015/08 ... sichtigen/
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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