LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Hier findet Ihr "lokale" Links, Beiträge und Infos - Sexarbeit betreffend. Die Themen sind weitgehend nach Städten aufgeteilt.
ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Plakate

Beitrag von ehemaliger_User »

Die Plakate der Kampagne

http://www.stuttgart.de/item/show/597905?plist=homepage

Bürgerdialog
Die Stadt bietet interessierten Bürgerinnen und Bürgern einen Dialog zur Freier-Kampagne an. Dabei soll es darum gehen, wie die Landeshauptstadt mit dem Thema Prostitution umgeht, sei es aus rechtlicher, psychosozialer, medizinischer, städtebaulicher oder kommunikativer Sicht. Vertreter aus verschiedenen Fachämtern sowie von der Polizei Stuttgart, Dienststelle Prostitution, stehen als Gesprächspartner zur Verfügung, informieren und nehmen Anregungen oder Fragen auf. Die Gelegenheit besteht am 29. April und am 13. Mai 2016 jeweils zwischen 15 und
17 Uhr im Café La Strada im Leonhardsviertel, Jakobstraße 3, 70182 Stuttgart. Interessierte können im genannten Zeitraum jederzeit dazukommen.
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Benutzeravatar
Arum
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 961
Registriert: 01.06.2009, 13:35
Wohnort: Niederländische Grenzregion
Ich bin: Keine Angabe

Re: Aktion der Stadt

Beitrag von Arum »

          Bild
ehemaliger_User hat geschrieben: mmen aus Rumänien, gefolgt von jungen Frauen aus Ungarn und Bulgarien. Sie gehörten häufig ethnischen Minderheiten wie den Roma an, so Constabel.
Und die mögen die Deutschen ja nicht so besonders, nicht wahr, Frau Constabel? Kommt hier die Katze aus dem Sack? Nicht so sehr Ausländer raus, nicht so sehr ach die armen Balkanmädels, sondern eher:Stugida, die gutmenschliche Mitleidsmasche gegen die Ziganiserung des Abendlandes? Oder wie soll ich eine solche Ergänzung jetzt verstehen?

Und ohnehin, ich kenne die Lage in Stuttgart nicht, aber meiner Erfahrung nach gibt es relativ wenige Roma-Frauen in der Prostitution. Die Zigeunerin als laszives Naturwesen, und somit als Hure, ist ein Dauerbrenner, Schreckgespenst des Antiziganismus (Vergleiche Carmen; bedenke aber, die klassischen langen Röcken der Roma-Frauen sind dazu gedacht, die weibliche Keuschheit zu betonen!!). Genau dieses althergebrachte, rassistische Zerrbild steckt meines Erachtens in wichtigem Masse hinter der allgemeinen Balkanpanik in Sachen 'Armutsprostitution'.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4103
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Beitrag von Kasharius »

@Arum

sehr treffend!

@ehemaliger_User

Bürgerdialog: Expertinnen in eigenr Sache, d.h. SW oder Beratungsstellen die ergebnissoffen beraten stehen den Bürgern aber wohl nicht für den Dialog zur Verfügung. ES ist wiedermal nichts mit NICHTS ÜBER UNS OHNE UNS! Schade eigentlich...

Gehst Du dahin...!?

Kasharius grüßt

Benutzeravatar
lust4fun
Gelehrte(r)
Gelehrte(r)
Beiträge: 376
Registriert: 22.11.2012, 22:27
Ich bin: Außenstehende(r)

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von lust4fun »

Gedanken zur Kampagne "Stuttgart-sagt-stopp"


Jetzt, nachdem sich die politische und administrative Diskussion um das "Prostituiertenschutzgesetz" langsam erschöpft, entfacht sich die "Wertediskussion" neu. Der neue Hebel ist dabei der Fokus auf die Freier.

Es ist ein Unterschied, ob ich die wohlgesetzten Formulierungen der Kampagne (stuttgart-sagt-stopp.de) lese, oder die Äußerungen der Frontleute (Kuhn-OB, Constabel-Beauftragte) höre.

Der öffentlich-mediale Duktus changiert zwischen offener Wertediskussion und erzieherischer Ächtung der Freier.

Der OB drückt sein Bedauern aus, dass Paysex nicht zu verhindern sei.
Die Sozialarbeiterin ist klarer: "Der Freier hat die Wahl - er kann es sein lassen!"

Paysex ist in der Schmuddelecke. Paysex ist Sucht - bedauernswert und eigentlich abzulehnen. Paysex ist wie die Notdurft - nicht zu verhindern, aber durch Hygiene in den Griff zu bekommen. Aber keinesfalls ist Paysex Wellness - und soll es auch nicht werden.

Schwarze Pädagogik; aus der Position der "Gerechten" heraus. "Wir" gegen "Die da".

Wer fühlt sich da angesprochen? Wer fühlt sich motiviert zur Selbstkorrektur? Diejenigen, die die Wahl hätten, aber nicht in der Lage sind, die "richtige" Entscheidung zu treffen? Wirkt da der Ruf an das Gewissen? Oder bewirkt ein schlechtes Gewissen ein verschämtes Abtauchen?

Wie Zigaretten-Pädagogik: Warnung, Ermahnung, Abschreckung. Schockbilder. Video im SWR: http://www.swr.de/landesschau-aktuell/b ... 92/cp0ren/

Ich stelle mir eine Kampagne gegen Adipositas vor: Schockbilder und das Plakat "Du kannst das Fressen lassen!" Und dann die Gegenbewegung: "So spricht man nicht zu Menschen!"

Ich denke kontrastierend an die jahrzehntealte Erfarung in der Verkehrserziehung: Was wirkt, sind Mottos mit Charme und Humor: "Ich halte Abstand - gekuschelt wird zuhause!"

Aber Paysex darf nicht als Wellnessoase verharmlost werden?

Was wir seit Jahren versuchen: Rotlicht nicht mit Blaulicht zu konnotieren, sondern mit dem Tageslicht zu versöhnen. Lebendiges Stadtleben statt Vertreibung in tote Industrieviertel. Die Wellness-Auszeit aus dem Alltag wertschätzen, lustvoll und achtsam. In Kommunikation zwischen SW und Kunden...

Die Stadt Stuttgart will "offen" sprechen? Mit wem? Aus welcher Position heraus?

Benutzeravatar
Melanie_NRW
PlatinStern
PlatinStern
Beiträge: 825
Registriert: 16.06.2011, 21:03
Wohnort: Bielefeld
Ich bin: Keine Angabe

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von Melanie_NRW »

Auf den Punkt, danke @lust4fun
Ein Freund meinte, ich hätte Wahnvorstellungen. Da wäre ich fast von meinem Einhorn gefallen!

*****
Fakten und Infos über Sexarbeit

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger_User »

Prostitution in Stuttgart
SPD kritisiert Freier-Kampagne

Von ury 26. April 2016 - 16:20 Uhr

Gegen die Freier-Kampagne von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) wird Kritik laut. In der SPD-Ratsfraktion ist man nicht einverstanden mit der drastischen Sprache eines Plakats. Dieses müsse deshalb aus der Öffentlichkeit entfernt werden.

In der SPD-Ratsfraktion gibt es Kritik an der Freier-Kampagne von OB Kuhn (Grüne). Diese sei "in Ansätzen gut gedacht", erklärt die frauenpolitischen Sprecherin der Fraktion, Judith Vowinkel. "Das Plakat ‚Die Würde des Menschen ist auch beim Ficken unantastbar’ geht in der Öffentlichkeit aber gar nicht." Dort seien auch Kinder und Jugendliche mit dieser Sprache konfrontiert, die man in Schulen zu unterbinden versuche. Die Stadt habe hier Vorbildfunktion. "Deshalb sollte mindestens ein Plakat entfernt werden", so Vowinkel. Und die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion moniert, zu der Kampagne seien weder die Politik noch die Gleichstellungsbeauftragte gehört worden, "obwohl die grundsätzliche Idee einer Kampagne aus dieser Abteilung eingebracht wurde". ury

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... ef97a.html
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4103
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

Beitrag von Kasharius »

@lust4fun

:038

Kasharius grüßt

Klaus Fricke
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 1121
Registriert: 05.11.2010, 16:16
Wohnort: Bremen / Sougia - Kreta
Ich bin: Keine Angabe

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von Klaus Fricke »

@ lust4fun
Wie Du oben anmerkst: Schwarze Pädagogig. Sie ist es, so befürchte ich, von der das Gemüt einer sich entfesselnden Basis durchdrungen ist. 35 % Zustimmung zu Neofaschisten in Österreich. Glänzende Augen bei interviewten Wiener Passanten. Die dünne Firnis der Aufklärung reißt. Mein Kampf Bestseller! Eine Bevölkerung von erweckten Historiker*innen?

Nutten(*) zu Menschen

Die Adeptschaft neoliberaler Marktgläubigkeit haben das Programm des Survival of the Fittest, den kruden Sozialdarwinismus reaktiviert. Gewählt wird jetzt, wo Salonfähigkeit erreicht wurde, wo es nur noch um die Technokratie der alternativlosen Bewältigung z.B der Flüchtenden geht, das neofaschistische Original. Die ins sozialdarwinistische Sprechen verfallenen konservativ-sozialdemokratischen Eliten, die dem Marktradikalismus huldigend, dem Starken den Galopp erlaubten, werden abgehängt, sie und ihre Skrupel: ausgedient.

Stoppt Armuts- und Zwangsprostitution, Nutten sind Menschen.

Das Feld der erotisch-sexuellen Dienste nur ein weiteres, das unter öffentlich-rechtliche Gewalt gerät? Sind SW Nutten? Sind sie erst Menschen, wenn keine Armutsprostituierten mehr? Was nur, wenn sie SW bleiben wollen? Was, wenn sie sich nicht der Zuschreibung Armuts- und Zwangsprostitution unterwerfen, sich nicht retten lassen, nicht vom falschen Glauben lassen, sondern ihre Arbeitskraft realisieren, ihr Ficken kommerzialisieren wollen. Was für eine Anmaßung eine Kampagne zu SW und Kundschaft unter dem Diktum zu starten, nichts zu beschönigen (OB Fritz Kuhn "Wir haben uns bewusst für Aussagen entschieden, die nichts beschönigen ..." http://www.stuttgart.de/item/show/27327 ... t=homepage, Sloganuntertitel), nicht den Gedanken zu erlauben, da könnte etwas schön sein an SW und falls doch, dem Entschönigend, verächtlich zu begegnen. Nur kein gutes Wort, keine Missverständnisse wenn es um SW geht: Ficken - Nutten - Abschaum. Im Sinne öffentlicher Hygiene stehen zur Wahl Verachtung und Säuberung oder Unterwerfung!

Welche Medienproduzentschaft verkauft sich für diese perfide Kampagne?


«Die eher patriarchal geprägte Doppelmoral wird nun durch ein Bündnis zwischen Polizei und angeblich „neuer", der Sache nach aber punitiver Frauenbewegung abgelöst, wir haben einen weichen „Maternalismus" eingeführt. ... Gleichwohl ist der gesellschaftliche Schaden groß und wächst langfristig; denn eine solche Politik untergräbt die Grundlagen einer freien Gesellschaft.» (Wieso gelingt es nicht, die Prostitution angemessen zu regulieren? Prof. Dr. Monika Frommel, 16. April 2016, http://www.cuncti.net/geschlechterdebatte abgerufen am 18.04.2016)

(*)
«Das Wort Nutte ... [ist] nur im derb-vulgären Sprachgebrauch üblich ... und [wird] damit immer in klar abwertender Absicht benutzt» https://de.wikipedia.org/wiki/Nutte
Gesperrter User

Doris67
PlatinStern
PlatinStern
Beiträge: 1127
Registriert: 20.06.2012, 10:16
Wohnort: Strasbourg
Ich bin: SexarbeiterIn

Beitrag von Doris67 »

Klaus: Was Sexarbeit angeht, ist der Firnis schon mit Einführung des m.E. faschistoiden Modells in Schweden 1999 gerissen.
Mitglied der Confédération Nationale du Travail

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger_User »

Freierkampagne
Plakataktion mischt Rotlichtviertel auf

Von Eva Funke 28. April 2016 - 17:34 Uhr

Nicht nur die Stadträte sind schockiert über die Wortwahl der Freierkampagne von OB Fritz Kuhn (Grüne). Auch bei den Bordellbetreibern im Leonhardsviertel ist die Aufregung groß.

Stuttgart - Dass in bürgerlichen Kreisen wie den Mitgliedern des Gemeinderats an Vokabeln wie "ficken" oder "Nutte" Anstoß genommen wird, damit musste OB Fritz Kuhn rechnen. Doch jetzt werfen ihm ausgerechnet Bordellbetreiber vor, sich der Gossensprache zu bedienen. Für Aufregung sorgen zwei von drei Slogans, mit denen der OB dagegen vorgehen will, dass Bordellbesucher Frauen menschenunwürdig behandeln:. Der eine Slogan lautet: "Auch Nutten sind Menschen", der andere: "Die Würde des Menschen ist auch beim Ficken unantastbar."

Hausverbot für La Strada-Mitarbeiterinnen

In einer Rundmail an die Stadträte und den OB wirft jetzt ein Bordellbetreiber aus dem Leonhardsviertel Kuhn vor, in seiner Kampagne mit "Nutte" das schlimmste Schimpfwort für eine Prostituierte benutzten. Das gleiche treffe für das Wort "ficken" zu. "Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass nunmehr Schulkinder mit diesen Wörtern konfrontiert werden? Wo bleibt der Jugendschutz?", fragt er in seiner Mail und weist darauf hin, dass ein Bordellbesucher hochkant aus seinen Etablissements rausfliegt, wenn er eine Prostituierte als Nutte bezeichnet. Da 90 Prozent der Bordellbesucher einen Migrationshintergrund hätten, bezweifelt er, dass die, an die sich die Slogans richtet, die Plakate lesen können. Seine Konsequenz, weil er sich durch die Kampagne persönlich angegriffen fühlt: In seinen Häusern dürfen Mitarbeiterinnen des Café La Strada, der Anlaufstelle für Prostituierte im Leonhardsviertel, keine Kondome mehr verteilen. "Die haben bei mir jetzt Hausverbot", stellt er fest.

Einer seiner Kollegen in der Branche sieht es ähnlich. "Die Wortwahl ist nicht treffend", sagt er und meint, dass die Kampagne ein Flopp wird. "Die Leute, an die sie sich richtet, kümmert das nicht", ist er überzeugt.

Der Rathauschef wollte sich nicht zu der Kritik äußern. Im Gleichstellungsbeirat hat er am Mittwoch seine Position deutlich gemacht: "Wir wollen die Auseinandersetzung und dass man über die Kampagne spricht." Zumindest das Ziel hat Kuhn erreicht.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 61611.html
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Klaus Fricke
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 1121
Registriert: 05.11.2010, 16:16
Wohnort: Bremen / Sougia - Kreta
Ich bin: Keine Angabe

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von Klaus Fricke »

@ all
@ Doris 67


Volkmar Sigusch - Kontinuum der Barbarei
Überlegungen im Zusammenhang mit
Das Eis ist gebrochen - Karl Heinrich Ulrichs als Vorkämpfer der Homosexuellen, Volkmar Sigusch, Hamburg 2015


Verharmlosung?

Ob die Begriffe faschistoid von Doris67 oder der von mir häufig benutzte Begriff Neofaschismus zulässig sind, um z.B. das schwedische Modell oder die FPÖ zu charakterisieren ist sicher diskutabel. Für mich ist die Analyse von Prof M. Frommel (s. meinen vorhergehenden Beitrag), dass wir es bei der Reform des SW-Rechtes in D mit einer Gefährdung der freiheitlichen Verfasstheit unseres Staates zu tun haben, richtig. Ich befürchte, dass die Einordnung der derzeitigen politischen Entwicklung in D und AT mit dem Begriff Rechtsruck insbesondere im Zusammenhang mit der Gefährdung der Verfassungsnormen durch staatliches Handeln, verharmlosend ist und benutze gelegentlich den Begriff des rechtsförmigen Terrors für diese (Selbst-) Entbindung der staatlichen Gewalt von Verfassungsgrundsätzen. Die Verfassungs-Erosion im Verfassungsalltag der öffentlich-rechtlichen Institutionen, in den Institutionen der staatlichen Gewalt und in den Köpfen ihres Personals, so sehe ich das, ist fortgeschritten. Schleichend wandelt sich die Verfassung und der Staat wird zum Subjekt, den das Recht zu schützen hat und die Bürger*innen zum Verpflichteten Personal, die dem Schutz des Staates zu dienen haben. Harmlos ist das nicht und die FPÖ Entwicklung aktiviert mein Misstrauen.

«Die deutschen Rechtsextremismusforscher Siegfried Jäger und Alfred Schobert (2006) vom diskursanalytisch arbeitenden Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) beurteilen in einem Beitrag über Griffins Faschismusbegriff die Einordnung der Partei in den Rechtspopulismus als "verharmlosend". Vielmehr verfolge die FPÖ völkisch nationalistische Ziele.[63]» (Hvhbg K.F.) https://de.wikipedia.org/wiki/Freiheitl ... usrichtung, (5. Politische Ausrichtung, 5.1 Einordnung) abgerufen am 28.04.2016, ca 15 Uhr


Kontinuum der Barbarei

Bezüglich der Plakataktion des Stuttgarter Oberbürgermeisters Kuhn, habe ich meine Kritik bereits verdeutlicht. Für mich handelt es sich bei der Überformung des Feldes der erotisch-sexuellen Dienste mit dem Begriff der Zwangs- und Armutsprostitution und der Verwendung der vulgärsprachlichen Begriffe Nutten - Ficken als zentral Aufmerksamkeit erzeugende Plakatbotschaften, um eine Propaganda, die die konkrete historische Form dessen ist, was nach Auffassung von Volkmar Sigusch, der auf Homophobie Bezug nimmt, als Kontinuum der Barbarei oder, wie ich dies auf SW verweisend schrieb, Kontinuum der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, zu bezeichnen ist.

Volkmar Sigusch verwendet den Begriff Kontinuum der Barbarei in seinem Beitrag Das Eis ist gebrochen zum Band Die andere Fakultät (Hrsg F. Mildenberger, Hamburg 2015).

In dem Beitrag von Sigusch geht es um das Werk von Karl Heinrich Ulrichs, geb. 1825, Suizid 1869, eines bekennenden Homosexuellen, der den wohl ersten Versuch unternahm, wissenschaftliche Grundlagen zur Homosexualität zu formulieren und dies tat, bevor der Begriff Homosexualität geprägt wurde. Zugleich versuchte Ulrichs eine Schwulen-Bewegung (auch diesen Begriff gab es zu seinen Lebzeiten nicht) zu initiieren. Ulrich verwendete für das, was wir heute mit dem Begriff Homosexuelle bezeichnen den Begriff 'Uringe'.


Seine Haltung wird in dieser Aussage deutlich: «[...]mögen sie heißen Pole, Hannoveraner, Jude oder sei es ein unschuldiges Geschöpf, das den Leuten 'anrüchig' ist, weil es so sittenlos war, außerehelich geboren zu werden, wie wir ja so unsittlich waren, mit der Uringsnatur ausgestattet geboren zu werden, oder mag es eine arme 'Gefallene' sein ... Wir, die wir wissen, wie weh es thut vergewaltigt und gemartert zu werden: wir können so recht von Herzen die Partei jener ergreifen, die wir in ähnlicher Lage erblicken. ... Neben dem Juden stehen wir, sobald ein übermütiger Katholik ihn beschimpft, neben dem Katholiken (Ich bin nicht etwa selber Katholik), sobald ein intoleranter Liberaler ihn um seines Glaubens Willen schmäht» (S.114)

Sigusch stellt den Ideen und Aussagen Ulrichs die Bewertung seiner akademischen Nachfolger gegenüber. Dabei geht er auf Iwan Bloch ein, der sich 1919 dafür aussprach: «die Frau solle der "Enttierung", die Dirne der "Menschwerdung", die Rasse der "Vervollkommnung" zugeführt werden» (S. 112, Hvhbg. K.F.) und weiter mit bezug auf Homosexuelle «Gegen diese von Geburt an "Entarteten" müssten "Zwangsmittel" ergriffen werden. ... Da nun aber jeder einzelne Homosexuelle eine "Infektionsquelle" sei, ... wäre zwangsweise Internierung in Spezialanstalten angezeigt, wo alle therapeutischen Mittel zur wirklichen Ausrottung des unseligen Triebs versucht werden können« (S. 113, Hvhbg. K.F.)

Die Stuttgarter Kampagne, konstruiert SW als Armuts- / Zwangsprostitution. Positive Sichtweisen auf SW werden folglich als Schönfärbung bezeichnet und ausdrücklich abgelehnt. Der Lebensentwurf SW wird, den Common-Tatort-Sense Wegwerfmädchen verstärkend und instrumentalisierend, als inhuman, unwürdig, unmenschlich, aus der Art fallend, entartet präsentiert, um die wirkliche Ausrottung dieses unsäglichen Triebes durch die "Gutmenschen" der "Rettungsindustrie" zu rechtfertigen. Die Wiederkehr der Ausrottungsphantasie findet sich im schwedische Modell, dessen Ziel die Abschaffung der SW in einer matriarchal weichgespülten, KZ-freien Version der Schönen neuen Welt ist: Nicht vergast aber weg.

Um sich menschenrechtlich zu immunisieren, die Menschrechte missbrauchen zu können, dämonisiert das Schwedische Modell und seine Stutgarter etc Adept*INNEN SW als Ort der Entartung, des Schmutzes, in dem der Slogan Nutten sind Menschen, vom Subtext: Nutte, Freier, Betreibender sein ist ein unseliger Trieb, ist Abschaum, konterkariert wird. Nichts beschönigen, SW ist Armuts- und Zwangsprostitution, Nutten - Ficken, weg damit, dass ist die Erzählung, die zum paneuropäischen Allgemeinwissen werden soll, wo sie es noch nicht geworden ist, die Teil eines jeden gesunden Menschenverstandes sein soll, die andere Erzählungen ausserirdisch erscheinen lässt.

Die Mechanismen dieser Entwertung, die Erzählungen, mit denen Entwertung betrieben wird, beschreibt Sigusch, mit Bezug auf die Dämonisierung der Homosexualität als Kontinuum der Barbarei. Ich empfehle, den Begriff SW an allen Stellen des Zitates mitzudenken, oder einzusetzen, wo Sigusch von Homosexualität spricht. Der Vergleich ist, so meine ich, darüber wäre aber zu streiten, zulässig, da auch SW, wenn auch nicht bewusst, nicht als offensiv vertretenes Konzept (wie z.B. ich bin Akademiker) und auch nicht von allen oder der Mehrheit der Aktiven, als sexuelle Orientierung gelebt wird.

«Ganz und gar unabstellbar aber ist der Hass der so genannten Heterosexuellen auf die so genannten Homosexuellen wie die Angst vor ihnen, solange beides, hetero- wie homosexuelle Wünsche, für die Heterosexualität konstituiv und dazu noch weitgehend dem Bewusstsein entzogen ist. Solange es Hetero- und Homosexualität als abgezirkelte gesellschaftliche Sexualformen gibt, so lange wird das so sein. Folglich ist "schwul" noch immer ein Schimpfwort ersten Ranges auf den deutschen Schulhöfen, müssen "schwule Säue" damit rechnen, von Normopathen [sic!] "geklatscht" zu werden, weigern sich Konservative in den Schulen angemessen aufzuklären, verstecken sich homosexuelle Sportler, suchen orthosexuelle Forscher nach wie vor ein sog. Homo-Gen, fragen angesehene Akademien zum x-ten Mal, ob Homosexualität angeboren oder erworben sei, erklärte die Katholische Bischofskonferenz Deutschlands homosexuelle, auf Dauer angelegte Partnerschaften in einem "Wort zur Bundestagswahl" des Jahres 1998 zu einer Todeskraft, die unsere Gesellschaft zerstöre, sagte vor wenigen Jahren, in AIDS-Zeiten und auf homosexuelle Männer gemünzt, ein Minister des Freistaates Bayern: "Diese Randgruppe muß ausgedünnt werden, weil sie naturwidrig ist" (vgl. mit Belegen Sigusch 1990: 75 ff.). Und der Vertraute des gegenwärtigen Papstes und Chef der Vatikanregierung Kurienkardinal Pietro Parolin nannte gerade die Entscheidung der irischen Bevölkerung für die Homo-Ehe "eine Niederlage der Menschheit" (zit. nach Süddeutsche Zeitung vom 28 Mai 2015, S. 9), setzt sie also mit Krieg und Völkermord gleich. Solche Sätze präsentieren schlagartig das Kontinuum der Barbarei» (S. 115, Hvhbg. K.F.)

Weder den RegEntwProstSchG noch die Formulierungshilfe der Bundesregierung zur Reform des Menschenhandelsstrafrechts nennend, jedoch diese Entwicklungen prognostizierend, schließt Sigusch seine Überlegungen:

«Schwule, "Perverse" und überhaupt Andersartige [sind] nach wie vor prinzipiell an die Wand gestellt ... Eine schwere ökonomische Krise mit parteipolitischem Rechtsruck könnte das, was die neosexuelle Revolution an Freiräumen ermöglicht hat, wieder beseitigen.» (S. 115, Hvhbg. K.F., in, so meine Kenntnis, 66 Staaten ist Homosexualität ein Straftatbestand, in einigen davon kann Homosexualität mit dem Tode bestraft werden.)

Das erleben wir, nur dass mir die Kennzeichnung Kontinuum der Barbarei zur Beschreibung dieser Politik und die Wand-Metapher näher sind, als die des Rechtsrucks. Neofaschismus oder wie @ Doris67 schreibt eine faschistoide Entwicklung, deren Ursprung 1999 in Schweden lag, das sind Bewertungen, die, so finde ich, zulässig, und natürlich diskussionswürdig sind. Das was jetzt mit SW geschieht, steht bei den Neofaschisten auf der Agenda, wenn es um weitere "Andersartigkeiten" geht: die Erradierung vom Antlitz des beherrschten Bodens. Ein weiteres Mal Sigusch, der einen Zeitgenosse Ulrichs zitiert, den «anonym angreifende Medizinprofessor Alois Geigel ... "Verschwinden Sie! Kaufen Sie sich gefälligst mit Ihren 25.000 Uringen am Nordpol an, aber verschonen Sie gütigst unsere deutsche Erde mit Ihrer Gegenwart!"» (S. 106)
Gesperrter User

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger_User »

Prostitution
Prostituierte fühlen sich verunglimpft

Von Sascha Maier und Mathias Bury 29. April 2016 - 18:38 Uhr

Die Kampagne der Stadt gegen Zwangs- und Armutsprostitution sorgt in Stuttgarts Rotlichtviertel für viel Gesprächsstoff. Die gewerbetreibenden Frauen dort stören sich vor allem an dem Wort "Nutte", das die Prostituierten als ehrenrührig auffassen.

Darf die Stadt sich bei einer durchaus richtigen Kampagne einer Wortwahl bedienen, die derart anstößig ist? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

Stuttgart - Ein Ziel hat die Plakat-Kampagne von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) gegen Zwangs- und Armutsprostitution schon erreicht: Es wird in der Stadt über das Thema gesprochen. Allerdings ziemlich kontrovers. Streitpunkt sind zwei der vier Plakate, die das Thema sprachlich ganz unverblümt ansprechen. Die verwendeten Slogans "Die Würde des Menschen ist auch beim Ficken unantastbar" und "Nutten sind Menschen" sind auch im Milieu selbst nicht unumstritten.

Eine 50 Jahre alte Frau, die seit 25 Jahren anschafft, ist sauer. Dass die Stadt das Wort "Nutte" verwendet, empfindet sie als sehr beleidigend. "Ich hab’ gedacht, ich seh’ nicht recht!", sagt sie im Eingangsbereich eines Etablissements an der Leonhardstraße. Sie ist nicht die einzige Prostituierte, die sich durch die Plakate verunglimpft fühlt. Eine andere Frau, die kaum Deutsch spricht, konnte erst gar nicht entziffern, was auf den Plakaten steht, bis es ihr eine Kollegin erklärt hat. "Ich bin entsetzt", sagt sie.

Doppelmoral in der Kampagne?

Seit Freitag hängen im Stadtgebiet im Rahmen der Freierkampagne 260 Plakate in Aufstellern, 150 an Bauzäunen und anderen Freiflächen und eine weitere Handvoll auf Großplakatflächen. Die Botschaft an die Freier: sie sollen sich klar machen, dass es sich bei der Prostitution nicht um eine harmlose Dienstleistung handelt, sondern dass sie durch ihr Handeln die Not und das Leid von Frauen billigend in Kauf nehmen.

Andreas Ackermann vom Restaurant "Brust oder Keule" sieht eine gewisse Doppelmoral in der Kampagne. "Es ist Bundesgesetz, dass keine Bordelle in unmittelbarer Nähe von Schulen betrieben werden dürfen“", sagt er und zeigt auf die Jakobsschule auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Keine zwanzig Meter davon entfernt ist der Eingang zu einem Bordell. Für Ackermann ist die Kampagne scheinheilig: "Einerseits wird das Gesetz, dass man Kinder und Jugendliche schützen soll, nicht eingehalten. Andererseits wird der öffentliche Raum mit dem F-Wort vollplakatiert."

Unkonventionelles tut immer ein bisschen weh

Ähnlich sieht es die Versicherungskauffrau Ute Möller, die den Charme des Leonhardsviertel als "kleinen Kiez" privat sehr schätzt. Die 43-Jährige bezweifelt, dass sich Freier, die besonders billigen Sex suchen, von den Plakaten abschrecken lassen. Lieber solle die Stadt die Betriebe strenger kontrollieren. Damit spricht sie der 50-jährigen Dame, welche die Branche aufgrund langjähriger Erfahrung gut kennt, aus der Seele. "Die illegale Prostitution ist an dem Preisdumping schuld. Armutsprostitution gibt es hier im Viertel doch nur, weil die Stadt zugelassen hat, dass sich immer mehr Betriebe gesetzeswidrig ansiedeln", sagt sie.

Ein Passant, der augenscheinlich einen Bordellbesuch plant, sieht die Sache so: "Viele Schwarze sagen zueinander ,Nigger’, und das ist okay. Eine Prostituierte darf zu einer anderen Prostituierten wahrscheinlich auch ,Nutte’ sagen", ist seine Meinung.

Am Nachmittag findet im Prostituierten-Café La Strada das erste von zwei öffentlichen Gesprächen zu der Kampagne statt. Neben den zahlreichen Fachleuten ist lediglich eine Handvoll Interessierter gekommen. An den Plakaten stört sich in der Runde niemand. "Ich finde gut, dass die Kampagne anstößig ist, dass man diskutieren kann", sagt Nathalie Schulb, die mit ihrem Mann in einem gemeinnützigen Unternehmen arbeitet, das in Indien Kleider produziert, die dort von ehemaligen Zwangsprostituierten hergestellt werden. "Unkonventionelles tut immer ein bisschen weh", sagt ihr Gatte Simon.

Freier seien entgrenzter und respektloser

Sozialarbeiterin Sabine Constabel berichtet von ihren Gesprächen mit Prostituierten, welche die Plakate gut fänden, eben weil sie das Thema direkt angehe und die Wörter, die Schmerz und Verachtung verkörperten, auch verwende. "Mit dem Wort Sexarbeiterin wird das Problem negiert, das ist die große Lüge", sagt Constabel.

Sabine Kopal, die als Streetworkerin in Rotlichtbetrieben unterwegs ist, erzählt davon, wie Freier in den vergangenen Jahren immer distanzloser geworden seien. "Die sind heute viel entgrenzter und respektloser als noch vor einem Jahr", erzählt die Sozialarbeiterin. Wolfgang Hohmann vom Arbeitsbereich Prostitution der Stuttgarter Polizei ist zufrieden damit, dass es seit geraumer Zeit gelungen ist, den Straßenstrich in dem Rotlichtviertel durch Bußgelder gegen Freier und Prostituierte stark zu reduzieren.

Aber nach wie vor sei ein Problem, dass die Beamten seit dem Prostitutionsgesetz von 2002 nur wenig gegen die Zuhälter tun könnten. Wolf Gläser vom Stadtplanungsamt erläutert die städtebauliche Geschichte des Viertels und wie man dieses aufwerten will. Den entscheidenden Schritt verspricht man sich von der Beseitigung des Züblin-Parkhauses im Jahr 2021.

Nach wie vor stehen sich im Gemeinderat die Positionen zur der Kampagne gegenüber. Die SPD-Fraktion hat sich über die Wortwahl empört und kritisiert, die Stadt leiste einer "Verrohung der Sprache" Vorschub. Ähnlich reagierte die CDU. Sie sieht "die Grenze des guten Geschmacks überschritten". Andreas Winter, Fraktionschef der Grünen, verteidigt die Plakate. Wenn man sich das Schicksal von Zwangsprostituierten vor Augen führe, sei eine "drastische Wortwahl durchaus angemessen".

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 42881.html

Es war keine Diskussion möglich, ich bin nach kurzer Zeit wieder weg. Dass Armutsprostitution nichts mit Zwangsprostitution zu tun hat wurde einfach geleugnet. Constabel hat leider auch nicht gesagt, welche Prostituierte die Plakate in Ordnung finden.

Leider hat die Althure mit ihrem Beitrag ins Horn der Gegner geblasen - so wie in Pforzheim Amazon verstärkt Flüchtlinge beschäftigt und manche Entlassene diesen die Schuld geben.
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger_User »

Pro und Contra Freierkampagne
Sollen die Plakate abgehängt werden?

Von Eva Funke 29. April 2016 - 19:01 Uhr

Die Freierkampagne der Landeshauptstadt löst unterschiedliche Reaktionen aus. Auch in unserer Redaktion wird darüber diskutiert, ob das F-Wort auf Plakaten verwendet werden darf oder nicht. Ein Pro und Contra.

Provozieren ist immer gut. Das haben wir ja gerade von Herrn Böhmermann gelernt. Und im Schmäh-Gedicht fehlt es nicht an Kraftausdrücken, das ist auch in Ordnung. Böhmermann geht damit am späten Abend um, Fritz Kuhn lässt die Plakate aber in der ganzen Stadt aufhängen. Sicherlich lernen Kinder auf dem Schulhof noch weitaus derbere Ausdrücke, aber deshalb darf eine Stadt solch vulgäres Zeug nicht verbreiten! Die ­Botschaft stimmt, die Wortwahl nicht. ­Meinem Sohn sage ich: So etwas sagt man nicht. Aber man schreibt es auf ­städtische Plakate? Das ist schlicht absurd - und nur ein Zeichen der sprachlichen Verrohung. Dass nebenbei auch die Prostituierten durch das Schimpfwort ­Nutte beleidigt werden, passt da nur ins Bild. Hier wird provoziert ohne jeden Sinn und Verstand. Und die Angesprochenen? Wer von einer Zwangsprostituierten abartige Sexpraktiken verlangt, dem gehen die peinlichen Plakate des Oberbürgermeisters mit Sicherheit am Allerwertesten vorbei.

Michael Weier (52) ist Redakteur im Lokalressort ­unserer Zeitung


Contra: Ein Tabuthema wird endlich diskutiert, sagt Eva Funke

Die Freierkampagne, die OB Fritz Kuhn (Grüne) fährt: Sie ist keine schöne Kampagne. Wörter wie "ficken" und "Nutte" schockieren, denn sie verletzen das Schamgefühl. Also weg mit dem öffentlichen Ärgernis? Nein! Die Kampagne darf nicht schön sein. Sie soll provozieren. Und sie muss die Freier mit dem konfrontieren, was sie tun: die Würde der Prostituierten missachten, wenn sie Sexpraktiken fordern, zu denen die nicht bereit sind, und wenn sie Sex ohne Kondom verlangen. Skandalös ist nicht der Gebrauch der Pfui-Wörter im öffentlichen Straßenraum. Der Skandal ist, dass es mitten in Stuttgart Armuts- und Zwangsprostitution gibt, möglich gemacht durch Männer, die die Situation der Frauen ausnutzen. Dass die Wortwahl der Kampagne bei milieufernen Bürgern Empörung auslöst, ist gut so. Denn Freier gibt es in allen Schichten - und sie werden mit dieser Empörung konfrontiert. Das erzeugt Druck, ihr Verhalten zu ändern. Die Plakate abzuhängen würde bedeuten, den Schwanz einzuziehen.

Eva Funke (59) ist Redakteurin im Lokalressort unserer Zeitung

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 79e69.html
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Benutzeravatar
Hamster
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 682
Registriert: 06.04.2015, 18:33
Wohnort: Hamburg
Ich bin: Keine Angabe

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von Hamster »

"DERBE WORTWAHL"

BADEN-WUERTTEMBERG
Die Debatte um eine Stuttgarter Plakatkampagne offenbart, wie hilflos der Staat gegen Zwangsprostitution agiert.

Fritz Kuhn spricht das Wort nicht aus. "Ich will es ja nicht zum eigenen Sprachgebrauch machen", sagt der Stuttgarter Oberbuergermeister. Daher fuer heute lieber: " das F-Wort".

Im kleinen Sitzungssal des Rathauses tagt am vergangenen Mittwoch der Beirat fuer Gleichstellungsfragen, das gruene Stadtoberhaupt leitet die Sitzung. 23 Frauen und 7 Maenner sitzen an einem runden Tisch mit eingelassenen Mikrofonen und debattieren ueber das Wort "Ficken".

So ausgeschrieben steht es seit Anfang der Woche auf Hunderten Plakaten, die Kuhn und seine Verwaltung in ganz Stuttgart haben aufhaengen lassen: "Die Wuerde des Menschen ist auch beim Ficken unantastbar."

Die Parole ist Teil der Kampagne "Stuttgart sagt Stopp", mit der Freier auf die Situation von Zwangsprostituierten aufmerksam gemacht werden sollen. Neben dem Slogan mit dem F-Wort waehlten die Verantwortlichen drei weitere Saetze aus. Satz 1: "Willst Du der Mann ihrer Albtraeume sein?" Satz 2: "Kondome benutzt man, Frauen nicht." Satz 3: "Nutten sind Menschen."

125 000 Euro kostet die bundesweit einzigartige Aktion. Ziel sei, so teilt die Stadtverwaltung mit, eine "Wertediskussion zum Frauenbild in der Gesellschaft, zu Sexualitaet und Partnerschaft anzustossen".

Die tobt seit einigen Tagen tatsaechlich, allerdings anders als erwuenscht.

Statt der Freier muessen sich zunaechst die Stadtvorderen und Kuhn selbst verantworten. Eltern und Grundschullehrer schreiben an den Oberbuergermeister, in den sozialen Medien geht es hoch her. Pikierte Buerger attestieren der Stadt auf deren Facebook-Seite "derbe Wortwahl" und "abstossendes Vokabular", einer fragt: "Und was ist mit den Kindern?"

Kuhn verteidigt sich in der Beiratssitzung: "Man muss die Freier un einer Sprache ansprechen, die sie selbst sprechen." Die Wuerde von Prostituierten werde taeglich mit Fuessen getreten, "mitten in Stuttgart", dagegen muesse man doch etwas tun.

Die CDU-Gemeinderaetin Iris Ripsam entgegnet in der Sitzung, sie verstehe dennoch nicht, "warum eine Kommune mit dieser Wortwahl an die Oeffentlichkeit geht". Und SPD-Kollegin Judith Vowinkel konstatiert: "Es hat eine Verrohung unserer Sprache stattgefunden, und die uebernehmen wir, wenn wir als Stadt das Wort mitbenutzen." Und dann gibt noch die Gleichstellungsbeauftragte einer Universitaet zu bedenken, dass man auch an die Fluechtlinge denken muesse, die sich durch derart boese Worte irritiert fuehlen koennten.

Es ist, trotz skurriler Momente, eine ernsthafte Debatte. Und sie offenbart, wie hilflos die Politik derzeit beim Thema Prostitution agiert.

Der Gruene Kuhn steckt in einer Zwickmuehle: 2002 hat die rot-gruene Bundesregierung das Prostitutionsgesetz weitgehend liberalisiert. Inzwischen ist vielen Politikern klar, dass such dadurch die Situation der Prostituierten nicht verbessert hat und viele Frauen weiterhin unter Zwang arbeiten. Trotzdem kann der Stuttgarter Kuhn den Bordellbetrieb nicht einfach verbieten, die Bundespartei ist zudem immer noch mehrheitlich der Ansicht, dass die Liberalisierung richtig gewesen sei und das Gesetz nur weiterentwickelt werden muesse. Auch die grosse Koalition will nun in Einzelfragen nachbessern.

Also versucht Kuhns Stadtverwaltung, das Geschaeft anders zu begrenzen: Das kleine Rotlichtviertel Stuttgarts liegt nur wenige Gehminuten entfernt vom Rathaus. 200 Frauen verkaufen sich dort, 50 davon auf dem Strassenstrich, in der ganzen Stadt sind es rund 1400, so steht es in der Prostitutionsstatistik der Polizei von 2015. 88 Prozent der Frauen stammen aus dem Ausland, meist aus Osteuropa. Wen Beamte dabei erwischen, dass er im Sperrbezirk auf der Strasse eine Prostituierte anspricht, der muss ein Bussgeld zahlen. Der Bescheid kommt per Post nach Hause, was fuer Puffgaenger peinlich werden kann.

Nun soll die Kampagne Freier auch moralisch unter Druck setzen. Sabine Constabel, Sozialarbeiterin und Leiterin des Prostituierten-Cafe´s La Strada, wuerde das Geschaeft am liebsten verbieten, mit den Plakaten hat sie kein Problem: "Im Bordell wird nicht Liebe gemacht, im Bordell wird nicht miteinander geschlafen." Und so hart das Geschaeft, so klar koenne auch die Sprache sein: "In den Bordellen unserer Stadt werden 18-jaehrige Maedchen brutalst in ihre Koerperoeffnungen gefickt."

Sollte ihre neunjaehrige Enkelin sie nach dem Wort auf den Plakaten fragen, sagte Constabel dem Beirat, dann werde sie ihr halt erklaeren, "dass es in unserer Gesellschaft noch Sklavinnen gibt."

Aehnlich sieht das Kuhn. Bis Ende Mai werden die Stuttgarter also noch an den Postern vorbeilaufen. Der Buergermeister will auch das Plakat mit dem F-Wort haengen lassen, schon um den Bordellbetreibern keinen Triumph zu goennen. "Die Kampagne kann nicht realistischerweise zum Ziel haben, dass es keine Freier mehr gibt." Es gehe um einen Appell an sie: "Ihr duerft euch nicht wie Schweine benehmen."

Jan Friedmann

Aus "Der Spiegel" Nr. 18 vom 30.04.2016

Klaus Fricke
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 1121
Registriert: 05.11.2010, 16:16
Wohnort: Bremen / Sougia - Kreta
Ich bin: Keine Angabe

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von Klaus Fricke »

Verbale Brandstiftung - Die Stuttgarter Grünen übertreffen die AfD


?Sexarbeitende sind Nutten? (Stadt Stuttgart - http://www.stuttgart.de/item/show/27327 ... t=homepage)

In Stuttgart werden Menschen, die erotisch-sexuelle Dienste anbieten, seit einigen Tagen flächendeckend und amtlich veranlasst, als Nutten bezeichnet. Ihre Tätigkeit nennt die Behörde, den Jugendschutz sieht sie nicht berührt, ficken. Zugleich werden zwischen 90 und 95 % der Menschen, die erotische und sexuelle Dienste anbieten als Armuts- und Zwangsprostituierte bezeichnet. Ihre Handlungsfähigkeit, Glaubwürdigkeit und Mündigkeit wird ihnen damit pauschal abgesprochen. Die amtlichen Kennzeichnung von Menschen, die erotisch-sexuelle Dienste leisten als Fickende, als Nutten, als Armutsprostituierte, als Zwangsprostituierte erfolgt über Plakatwände und über die Medien. Sie darf 100.000de kosten. Unterstützende der Kampagne lehnen den Begriff Sexarbeit als Berufsbezeichnung zugleich ab. Es handele sich bei diesem Begriff, so wird gesagt, um eine unzulässige Beschönigung. Sabine Constabel Mitarbeiterin der Stadt Stuttgart: «Mit dem Wort Sexarbeiterin wird das Problem negiert, das ist die große Lüge» ( http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 42881.html). Nutten scheint angemessener (Oberbürgermeister F. Kuhn: «Wir haben uns bewusst für Aussagen entschieden, die nichts beschönigen, nichts aussparen und nicht voyeuristisch sind» Bildunterschrift Bild 2 von 6, http://www.stuttgart.de/item/show/27327 ... t=homepage ). Ansonsten wird von Prostitution gesprochen. Die Herkunft dieses Begriffes erlaubt die Übersetzung preisgeben. Nutten können, dem Begriff Prostitution als Synonym verwendent, als Preisgegebene bezeichnet werden. Amtlich preisgegebene Nutten. Nachdem Sexarbeitende amtlich als Nutten entmentschlicht wurden, wird amtlich beschworen Nutten sind Menschen. Die Entwürdigten ihr neuen Cäser*INNEN huldigen Euch.

Die Kennzeichnung von Menschen, die erotisch-sexuellen Dienste erbringen, als Nutten entspricht in ihrem beleidigenden, entwürdigenden und entmenschlichendem Gehalt z.B. den Umetikettierung

- Ausländer / Kanake
- Jude / Volksschädling
- Wohnungslose / Asoziale / Ungeziefer
- Afroamerikaner / Bimbo / Nigger / Affenlaute / Bananenwurf
- Frauen / Votzen

Im Zusammenhang mit den Vorfällen in der Silvesternacht 2015 zu Köln, in denen verständlicherweise nicht davon gesprochen wurde, dass die Geschädigten um sich herum ein Milieu geschaffen hätten, das zur Unruhe und zu Straftaten führte, sondern richtigerweise davon, dass es sich bei den Ereignissen um Angriffe auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht handelte, wurde eine Debatte geführt, wie Frauen vor solchen Übergriffen und Straftaten besser zu schützen seien.


?Frauen sind Votzen?

Niemand, schon gar nicht Amtstragende in leitender Stellung, auch nicht die Oberbürgermeisterin von Köln, kam auf die Idee nach den Übergriffen eine mehrere 100.000 € teure Kampagne unter dem Titel Votzen sind Menschen zu führen, weil Votzen doch der Begriff sei, der die schmerzlichen Erfahrungen der Geschädigten besser repräsentieren würde (S. Constabel. s.o.). Denn ebenso, wie jedem klar ist, das Votzen Geschlechtsteile und keine Menschen sind und das Frauen nicht auf ihre Geschlechtsteile reduziert werden können, ohne sie zu entmenschlichen, ist jedem klar, das Nutten, wie wir spätestens seit Luther wissen, ohne Ehre, ergo ohne Würde sind: «immer ”nur ursach und reizung gewest zu allen Sünden und lastern.» Luther empfiehlt sie aus dem Haus, vom Hof und aus der Gemeinde zu verjagen. Gottes Wort ist, dank an den Reformator für seinen humanitären Fortschritt, drastischer «Die Männer gingen zu ihr, wie man zu einer Dirne geht. So gingen sie zu Ohola und Oholiba, den schamlosen Frauen. Doch gerechte Männer werden ihnen das Urteil sprechen nach der Rechtsvorschrift für Ehebrecherinnen und Mörderinnen. … Ja, so spricht Gott, der Herr: Man berufe eine Volksversammlung gegen sie ein; … Die Volksversammlung soll sie steinigen und mit Schwertern in Stücke hauen. Ihre Söhne und Töchter soll man töten und ihre Häuser verbrennen.» (Bibel, Ez 23, 44-47 ). Nutten sind die Inkarnation der Sünde, der fleischgewordene Antichrist, dass ist die Erzählung der Jahrhunderte und auf dieses Nutten sind Nutten baut das amtliche Stuttgart, wenn es seinem Zynismus freien Lauf lässt und Nutten sind Menschen schreibt.

Wenn Menschen, die erotisch sexuelle Dienste erbringen, amtlich mit dem Begriff Nutten bezeichnet, sie damit entwürdigt und entmenschlicht werden, stellt sich die Frage, wer Träger*IN des Inhumanen ist. Durch die amtliche Verwendung der Bezeichnung Nutten für Menschen, die erotische und sexuelle Dienste erbringen, verlässt das Personal der staatlichen Gewalt den Boden des Grundgesetzes. Staatliche Gewalt, so GG Art 1 in Verbindung mit GG Art 20 ist zu jeder Zeit und zuvorderst verpflichtet, die Würde eines jeden Menschen zu achten. Die Verwendung des Begriffs Nutten, die Brandmarkung der Sexarbeitenden mit diesem Begriff ist staatlicher Vollzug der Entwürdigung.


Ein anderer Pfad der Volksverhetzung

Diese amtlich veranlasste Entwertung der Aktiven des Feldes der erotisch-sexuelle Dienste durch eine Rhetorik der Beschämung, ist mehr als nur eine Verrohung der Sprache. Nur diese Kritik zu äussern wäre zulässig, wenn sich private Interessengruppen oder Einzelpersonen dieser an Entartungspropaganda erinnernden, das Begehren brutalisierenden Sprache bedienen würden. Seine amtliche Verbreitung ist mehr. Sie ist als Akt staatlicher Gewalt ein eklatanter Verfassungsbruch und Verfassungsmissbrauch durch oberste Vertretende staatlicher Gewalt. Die Stuttgarter Grünen übertreffen bei der Diffamierung der Sexarbeit die antiislamisch diffamierende Rhetorik der AfD. Solche Sätze, solche Begriffe sind eine Rechtfertigung für die, die der verbalen staatlichen Brandstiftung folgend, Hass und Gewalt einmal nicht gegen Menschen islamischer Herkunft, sondern, einem anderen Pfad der Volksverhetzung folgend, gegen migrierte Sexarbeitende zu richten beabsichtigen.

In Anlehnung an Volkmar Sigusch «Solche Sätze präsentieren schlagartig das Kontinuum der Barbarei» (Das Eis ist gebrochen - Karl Heinrich Ulrichs als Vorkämpfer der Homosexuellen, Volkmar Sigusch, Hamburg 2015, S 115).

Zuletzt geändert von Klaus Fricke am 30.04.2016, 16:13, insgesamt 4-mal geändert.
Gesperrter User

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger_User »

Danke Klaus, treffend formuliert.

Kannst das auch an redaktion@stz.zgs.de schicken? Oder darunter? http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal ... 42881.html
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Klaus Fricke
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 1121
Registriert: 05.11.2010, 16:16
Wohnort: Bremen / Sougia - Kreta
Ich bin: Keine Angabe

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von Klaus Fricke »

@ ehemaliger_User
Vollzugsmeldung

Benutzeravatar
lust4fun
Gelehrte(r)
Gelehrte(r)
Beiträge: 376
Registriert: 22.11.2012, 22:27
Ich bin: Außenstehende(r)

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von lust4fun »

Inzwischen denke ich wieder ein bisschen anders. In meinem Beitrag oben hatte ich mich noch mit der Art der Kampagnenvorstellung auseinandergesetzt, mit den politischen Motiven und besonders mit dem Verdikt, dass Paysex kein Wellness sein könne und dürfe.

Aber möglicherweise sind die Stuttgarter Sprüche besser als dieser Hintergrund. Sie folgen eigenen Regeln der Wirksamkeit und sind nicht eine amtliche Aussage. Ich habe jetzt auch den Eindruck, dass du, @Klaus, im Blick zu fokussiert bist.

Es ist doch klar, dass die Sätze in pc-Fassung banal wären und keinerlei Aufmerksamkeit erhalten würden. "Sexworker sind Menschen." "Die Würde des Menschen ist auch beim Sex unantastbar." Das wären allenfalls dröge Sonntagssätze.

Alles dreht sich derzeit um die zwei Wörter "ficken" und "Nutten". Die eine Gruppierung bleibt bei der Ablehnung der Begriffe stehen. Ich betrachte es mit etwas heimlicher Genugtuung, finde die Sorge um die Kinder, die damit konfrontiert werden, eher übertrieben. Ich verstehe die pädagogische Sorge, halte aber die etwas konfrontative "Zumutung" analog der Öffentlichkeit beim CSD für relevanter.

Die zweite Gruppierung, die inhaltlich weiterdenkt, wird zu einem interessanten Widerspruch provoziert. "Natürlich sind Prostituierte Menschen, und deshalb ist der Begriff 'Nutte' unangemessen." Schön öffnen sich neue Denkfenster. Das Kalkül der Texter funktioniert. "Weil die Würde des Menschen unantastbar ist und Sex zum Menschsein gehört, beschreibt das Wort 'ficken' nur einen Teil von Sex."

Diese Widersprüche werden intrinsisch motiviert, nicht durch ein moralisches Sprachverbot von außen. Der Clou dabei könnte sein, wie diese Wirkungen sich auf die Haltung zu Paysex auswirken. Die einen werden dabei bleiben: Paysex verträgt sich nicht mit Würde. Andere werden sich mit dem Impuls auseinandersetzen, dass Paysex eben auch im Kontext von Würde und "normaler" Sexualität steht.

"Du hast die Wahl, wie du darüber denkst." (Frei nach Constabel)

Benutzeravatar
Tanja_Regensburg
PlatinStern
PlatinStern
Beiträge: 1401
Registriert: 22.02.2007, 20:17
Wohnort: Regensburg
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

Beitrag von Tanja_Regensburg »

125 000€ aus öffentlichen Geldern um den Nutten und Freiern zu sagen, dass man sie als Menschen sieht?

Bordelle und Sexdienstleistungen unterliegen Sperrgebieten, werden aus der Öffentlichkeit verbannt, vertrieben und eingedämmt.

Die Stadt Stuttgart aber bezahlt eine Werbekampagne in der steht

"Nutten sind Menschen",
"Die Würde des Menschen ist auch beim Ficken unantastbar",
"Willst du der Mann ihrer Alpträume sein"
"Kondome benutzt man Frauen nicht"

Da stört es nicht, dass Kinder es lesen können...
Man ist sich nicht zu schade Sexdienstleisterinnen als Nutten zu bezeichnen, und Kunden als ekelhafte Monster, die Frauen Alpträume bescheren.

Sind Männer per se Monster, und Frauen per se Nutten , weil sie sich für sexuelle Dienstleistung (eine Form von Care-Arbeit) bezahlen lassen?
Sex in der Ehe, der nur gewährt wird, weil man den finanziellen Status nicht verlieren möchte, Gewalt gegen Frauen und Männer, die nach wie vor verschämt versteckt wird und so gar nichts mit Prostitution zu tun hat, ist es nicht wert, dass betont wird, das die Würde des Menschen gerade in Beziehungen unantastbar ist....

Wie bigott und von Doppelmoral durchdrungen diese Kampagne ist, ist schon fast witzig.

Man will gegen Armutsprostitution vorgehen und kürzt gleichzeitig Alleinerziehenden finanzielle Mittel...

Man öffnet die Grenzen und erlaubt EU Bürgern die Freizügigkeit, wundert sich dann, wenn genau diese das für sich in Anspruch nehmen und sich gegen Billiglohnjobs entscheiden, und lieber selbständig Geld verdienen in der Sexarbeit...

Wo sind denn die viel beschworenen Alternativen für "Armutsprostituierte", die sich gerne beruflich umorientieren möchten?

Wo sind bezahlbare Wohnungen für "Armutsprostituierte", für die man nicht 3 Monatsmieten Kaution bezahlen muss + Miete + Nebenkosten und das schon bevor man einziehen möchte?

Wo sind die Arbeitsplätze für "Armutsprostituierte", von deren Arbeitslohn man diese Wohnung und den Lebensunterhalt bezahlen kann?

Wo sind die Ausbildungsangebote und die finanzielle Unterstützung für die "Armutsprostituierten", die einen Beruf erlernen möchten?

Wo sind unabhängige Beratungsstellen, die den "Armutsprostituieren" nicht noch den letzten Funken von Stolz austreiben, indem sie sie zu "Zwangsopfern" machen von Gesellschaft und Moral?


Schön langsam fallen die Masken und man zeigt, worum es wirklich geht.

Es geht darum dass vor allem die "Armutsprostituierten" verschwinden sollen, am besten in ihre durch Armut geprägten Städte und Dörfer, aus denen sie kommen, in denen es für sie keine Möglichkeiten gibt, Geld für ihre Familien zu verdienen...

Keinen Politiker und keine "Stopp Sexkauf" Organisation interessiert es, dass "Armutsprostituierte" deren finanzielle Existenz man zerstört hilflos zuschauen müssen, wie ihre Kinder hungern und frieren, und die ganze Familie perspektivlos in Armut dahinvegetieren muss, weil es keine Arbeit für sie gibt.

Dieses Geld wäre besser angelegt gewesen Kampagnen gegen Stigmatisierung und Ausgrenzung von Sexdienstleister_innen zu finanzieren und einigen Kolleginnen einen beruflichen Neuanfang zu ermöglichen, indem man sie für den Anfang finanziell unterstützt und Wohnraum zur Verfügung stellt.

Was für eine gräßliche Fratze hinter der Maske der "Wohltätigkeit", die jetzt sichtbar wird.

Danke dafür, jetzt wird auch dem Letzten klar, was die eigentliche Motivation und Absicht ist, die hinter dem moralinsauren, echauffierten und mitleidigem Getue steckt.

Benutzeravatar
friederike
Goldstück
Goldstück
Beiträge: 2191
Registriert: 07.12.2010, 23:29
Wohnort: Saarlouis
Ich bin: SexarbeiterIn

RE: LokalNachrichten: STUTTGART & BW

Beitrag von friederike »

Liebe Tanja,

Du hast es genau richtig beschrieben.

Es ist eigentlich unbegreiflich: da wird argumentiert, dass die Frauen aus Rumänien und anderswo aus schierer Armut sich hier prostituieren. Um ihnen zu helfen soll ihnen diese Alternative genommen werden. Eine andere wird ihnen nicht angeboten. Auf diese Weise sollen sie geschützt werden.

Und vielen anderen, die nicht einmal aus Rumänien kommen, soll es vorsorglich genauso gehen.

Was geht wohl im Gehirn z. B. eines Weinberg MdB vor? Wie sind da wohl die Gehirnwindungen beschaffen?