AO Werbeverbot und die Rechtsunsicherheit dahinter

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NoraSW
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AO Werbeverbot und die Rechtsunsicherheit dahinter

Beitrag von NoraSW »

Zusätzliche Beschränkungen der Prostitution und verbotene Werbung

§ 10.Paragraph 10,

(2)Absatz 2
Das Bewerben von Unsafe-Sex-Praktiken (Geschlechtsverkehr oder Geschlechtsverkehr gleichzuhaltende Handlungen ohne Verwendung von Kondomen) zur oder mit Bezug auf die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution ist verboten.

https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassu ... 2023-06-01

Hier geht es um einen Verwaltungsstraftatbestand.

Das Bewerben von AO Werbung in Wien ist zu bestrafen mit bis zu 800 €.
Soweit so klar.

Hier muss die subjektive und objektive Tatseite erfüllt sein.
Es muss also der Tatbestand vorliegen und auch den Vorsatz geben.
Dies bedeutet dass folgende Parteien bestraft werden können:

Die anbietende Person

Der / die Betreiber/in wenn er/sie selbst schaltet oder er/ sie es zulässt, dass es ihn seinem / ihrem Machtbereich geschaltet wird.

Die Plattform, wo es veröffentlicht wird, weil sie einen Beitrag zur Taterfüllung setzt.

Die Polizei hat keine Möglichkeit auf Offenlegung von inserierenden Personen bei Plattformen zu pochen, die zuständige Strafbehörde allerdings schon.
Da allerdings die Strafbehörde die LPD Wien ist, spielt es den Ball zurück.
Allerdings hat die Behörde abzuwägen, was für und wider den Tatbestand spricht.
Also wenn eine betreffende Person nicht selbst das Inserat geschaltet hat, muss die Behörde ermitteln, wer geschaltet hat.

Der Datenschutz greift hier nicht, da dieser einer Interesse der Strafverfolgung nicht entgegen stehen darf.

Das Gesetz gibt keine Auskunft darüber ob der Ort der Inserat Schaltung strafbar ist wenn man z.B in Wien schaltet, aber in Niederösterreich gearbeitet wird.
Hier besteht massive Rechtsunsicherheit.
Hier ist Willkür der Behörden nicht auszuschließen.

Es besteht die Gefahr, dass massiv auf Daten der inserierenden Personen zugegriffen werden kann.

Es besteht die Gefahr, dass durch alte Inserate, die im Umlauf sind und vielleicht vergessen wurden, Strafen verhängt werden.

Sine lege sine crimen nulla poene
Strafbarkeit für Handlungen vor den Gesetz sind nicht gegeben.
Aber Werbung, die dauerhaft läuft auch wenn sie alt ist, ist gefährlich!!!
Hier kann der Vorsatz bestritten werden, muss aber nicht unbedingt zielführend sein.

Der/ die ie Sexarbeiter/in muss unter Umständen beweisen, alles unternommen zu haben, es löschen zu lassen.

Allgemein ist hier zu sagen, dass dieses Gesetz keinerlei Wirkung und Verbesserung für Sexarbeitende bringt.
Es bringt Unsicherheit und Willkür.

Hier ist auch die Frage:
Was bedeutet Werben?
Zugänglich für eine breite Öffentlichkeit?
Genügt alleine die Frage und ich bejahe?
Hier besteht die Gefahr von Agent Provocateur...

Wenn also nicht klar ist, was Werbung bedeutet, kann man hier alles hinein interpretieren.

Beste Grüße
Nora

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Thorja
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Re: AO Werbeverbot und die Rechtsunsicherheit dahinter

Beitrag von Thorja »

Übles schwant mir auch, was all die Fake-Inserate betrifft: Von einigen von uns - so auch von mir - tauchen auf diversen Betrugsseiten immer wieder Inserate mit gestohlenen Fotos, zusammengewürfelten Textfragmenten und Servicelisten aus dem Reich der Phantasie auf. Man hat keine Handhabe gegen diese Inserate, da die betreffenden Seiten kein Impressum haben und niemand erreichbar ist.

Der Sinn dieser Seiten soll wohl sein, potentiellen Inserentinnen das Geld aus der Tasche zu ziehen und sie mit Inseraten bekannterer Sexworker zu täuschen. Die einzige Möglichkeit der Kontaktaufnahme besteht in einem Kontaktformular, wo man gleich mal zur Zahlung von 500 Dollar für ein Inserat aufgefordert wird.

Wie geht die Polizei in dem Fall nun vor, dass auf solchen Seiten etwa unsafe Praktiken von Wiener SW angepriesen werden? Nehmen die dann mit uns persönlich Kontakt auf? Bin ich dann in Erklärungsnotstand? Wie beweise ich, dass es sich um ein Fakeinserat mit unauthorisierten Fotos und Texten von mir handelt?
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NoraSW
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Re: AO Werbeverbot und die Rechtsunsicherheit dahinter

Beitrag von NoraSW »

Für mich stellt sich hier die Frage ob der Gesetzgeber sich nicht allen relevanten Fallkonstellationen zukünftig bewusst war, es an Relevanz mangelt oder bewusst eine unklare Formulierung geschaffen hat, welche massive Möglichkeiten zur Auslegung zu unseren Ungunsten eröffnet.

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Kasharius
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Re: AO Werbeverbot und die Rechtsunsicherheit dahinter

Beitrag von Kasharius »

https://www.rak-muenchen.de/rechtsanwae ... erberecht/

Nur der Versuch einer Annäherung an den Begriff am Beispiel des bundesdeutschen Standesrechts für Rechtsanwälte.

Eine Definition dieses Begriffs gibt es jedenfalls im Deutschen Recht nicht, aber er wird in der Regel weit ausgelegt innerhalb der Anwendung entsprechender Vorschriften.

Kasharius grüßt euch :006