sexworker.at/exit = Aus- Umstieg, Huren-Karriere Management
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- PlatinStern
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ich wünsche hydra wirklich ein goldenes händchen, mögen sie die perle unter den bewerberinnen finden.
leider sind meiner erfahrung nach auch in solchen beratungsstellen die meisten mitarbeiter ohne sw-erfahrung nicht wirklich neutral/akzeptierend eingestellt, sind eben auch produkt unserer gesellschaft.
und sehr viele branchenspezifische probleme kann man eben nur dann verstehen wenn man einmal selbst diesen beruf ausgeübt hat, manche dinge kann man sich einfach nicht anlesen, die muss man buchstäblich selbst erfahren und erfühlen.
leider sind meiner erfahrung nach auch in solchen beratungsstellen die meisten mitarbeiter ohne sw-erfahrung nicht wirklich neutral/akzeptierend eingestellt, sind eben auch produkt unserer gesellschaft.
und sehr viele branchenspezifische probleme kann man eben nur dann verstehen wenn man einmal selbst diesen beruf ausgeübt hat, manche dinge kann man sich einfach nicht anlesen, die muss man buchstäblich selbst erfahren und erfühlen.
liebe grüsse malin
eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)
eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)
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- SW Analyst
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- Ich bin: Keine Angabe
Erfolgreicher Ausstieg mit Schmerzen
Aus den Lebens- und Leidenserfahrungen einer Ex-Sexarbeiterin lernen,
ohne gleichzeitig der trügerischen Polarisierung gegen Sexwork zu verfallen.
Einen ergreifenden und lehrreichen Bericht, der teilweise eine kontroverse Abwehrdebatte hier im Forum ausgelöst hat
- habe ich Kommentare hinzugefügt mit denen ich versuchen will leichtfertige Scheinargumente gegen Prostitution zu entkräften und gleichzeitig eine Brücke zu bilden zwischen der Anerkennung von Sexarbeit und konkreten Hilfen für eine erfolgreiche Bewältigung der immensen Herausforderungen in der Sexarbeit.
JedeR der sich vor dem Einstieg in die Sexarbeit damit gründlich auseinandersetzt, hat gesteigerte Chancen nicht in der anspruchsvollen, schwierigen Sexarbeit aufgerieben zu werden.
Auch vor zwei Jahren schon:
"Abrechnung einer SW mit dem Beruf"
viewtopic.php?p=13470#13470
Danke an Luzi für den Input in diesem Forum und hoffe diese Aufarbeitung ist ok so. Auch ich möchte alles Gute für die Zukunft wünschen.
Riesige Probleme der Sexarbeit werden hier klar angesprochen und auch wenn die skizzierten Gegenargumente oder Erklärungen teilweise einfach klingen, daraus Handlungsstrategien und funktionierende Lebens- und Berufsmodelle zu entwickeln, bleibt für jeden Sexworker eine riesige Herausforderung.
All dies macht deutlich wie dringend erforderlich professionelle Hilfe, Berufsberatung und Netzwerkbildung mit entsprechender Infrastruktur für und mit Sexworkern ist.
Ich würde mich freuen wenn Ex-Sexarbeiter und Sexarbeiter bei den geplanten Ausstiegsprogrammen der Bundesregierung ein Mitspracherecht bei Planung und Durchführung bekämen.
Wir sollten uns dafür gemeinsam einsetzen.
Ende März läuft die erste Frist ab.
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ohne gleichzeitig der trügerischen Polarisierung gegen Sexwork zu verfallen.
Einen ergreifenden und lehrreichen Bericht, der teilweise eine kontroverse Abwehrdebatte hier im Forum ausgelöst hat
- habe ich Kommentare hinzugefügt mit denen ich versuchen will leichtfertige Scheinargumente gegen Prostitution zu entkräften und gleichzeitig eine Brücke zu bilden zwischen der Anerkennung von Sexarbeit und konkreten Hilfen für eine erfolgreiche Bewältigung der immensen Herausforderungen in der Sexarbeit.
JedeR der sich vor dem Einstieg in die Sexarbeit damit gründlich auseinandersetzt, hat gesteigerte Chancen nicht in der anspruchsvollen, schwierigen Sexarbeit aufgerieben zu werden.
- Ich bin heute fast 28 und bin mit knapp 19 im Milieu gelandet. Ich hatte Schulden (nicht viele), war neugierig und hoffte auf das große Geld.
- Schulden, Neugier, Abenteuerlust sind nachvollziehbare, typische und akzeptable Einstiegsgründe, die für sich genommen keinen notwendigen oder hinreichenden Grund dafür liefern, in dieser Tätigkeit scheitern d.h. Opfer der Verhältnisse werden zu müssen.
- Viel gefährlicher sind falsche Hoffnungen wie etwa auf "das große Geld", oder einen Ehepartner und Retter (Pretty-Women-Syndrom). Wenn solche Hoffnungen nicht rechtzeitig korrigiert werden können, kommt es unweigerlich zu einer Endtäuschung. Doch dieses "Ende einer Täuschung" ist dann bereits die Basis für einen Neuanfang...
- Leider ist das Milieu teilweise stark von einer Betrugsmentalität durchzogen, was auch so bleiben wird, solange es nicht als Sexarbeit Anerkennung und Respekt findet.
Am Anfang war alles aufregend, ich kam mir verwegen und geheimnisvoll vor a la Nitribitt.
- Der Abenteuer-Effekt motiviert eine gewisse Weile, jedoch ist es notwendig ihn zu ergänzen mit Achtsamkeit und Geschäftstüchtigkeit, um in einem Berufs- oder Geschäftsfeld langfristig sich behaupten zu können (professionelle SexarbeiterIn).
- Vorbilder sich zu suchen ist eine gute Hilfe und Motivation zugleich. Leider gibt es im Sexbiz meist negative oder gescheiterte Vorbilder wie z.B. die ermordete Nitribitt. Eine Tat, die nie aufgeklärt, geschweige denn gesühnt wurde. Das ist teilweise ein Medienproblem und wir müssen unsere eigene Geschichte erforschen und schreiben.
Verdiente viel Geld was ich für Taxifahrten und Schrott ausgab.
- Wer viel arbeitet und verdient, darf auch mit gutem Gewissen viel ausgeben und ohne sich sorgen zu müssen Steuern zahlen.
- Vorausschauendes Sparen für die Zukunft ist eine Fähigkeit oder Berufskompetenz, die quasi nebenbei d.h. privat mit harter Selbstdisziplin erlernt werden muß, was oftmals nur in sicheren Familien, formalen Ausbildungsberufen und unbefristeten Vollbeschäftigungsverhältnissen gelingt. Es der Sexarbeit vorzuwerfen ist Propaganda.
Man denkt ja es geht immer so weiter.
- Das ist dem High-Gefühl von Jugend und Pupertät (Fruchtbarkeit/Sexualität) geschuldet, eine Lust die bekanntlich im Sexbiz besonders bedient wird. Jugendliche haben jedoch auch in anderen Lebensverhältnissen oftmals diese Unsterblichkeits-Allmachts-Illusion, werden aber damit nicht sich selbst überlassen wie die meisten im informellen Sexbiz.
Ging es aber nicht, es begann die Zeit "Frz. ohne" "Küssen" etc., immer mehr Mädchen strömten in die Bordelle, die Preise sanken rapide.
- Ein gewaltiger Strukturwandel im Sexbiz, der mit komplexen globalen gesellschaftlichen Prozessen einherging (Pille, sexuelle Revolution und Emanzipation, Liberalisierung und neue Medien, Ende des kalten Krieges, Globalisierung und Migration...). Das verlangt Umstellung, die längst nicht jedeR leisten konnte und auch nicht allen konnte weiterhin ein Einkommen gesichert werden (Rationalisierungsdruck, Marktbereinigung).
Es gab immer weniger zu tun, Drogen und Alkohol haben da getröstet. Überhaupt waren die Sachen immer da. Zum betäuben, puschen, wegträumen.
- Ausgegrenzte z.B. in der Subkultur des Sexbiz oder anderen gesellschaftlichen Randschichten verfügen über verminderte Handlungsalternativen oder Bewältigungsstrategien (Wohlstand definiert als Chancenvielfalt).
- Eine Berufsausbildung oder Erwachsenenfortbildung findet nicht statt. Berufsverbände und eine brancheneigene Forschungsanstalt sucht frau vergebens.
- Selbstbetäubung bis Suizid ist eine typische Bewältigungsstrategie von Prekariat und Elend.
- Das Sexbiz hat eine immanente Suchtkomponente (bis hin zur Sexsucht z.B. bei Kunden auf dem niedrigpreisigen Straßenstrich) der geschwächte Persönlichkeiten anheimfallen.
Irgendwann sitzt du da und spürst dich nicht mehr,
- Die Betäubung des Selbst hat den Zweck und das Ziel Schmerzlosigkeit, um den Schmerz der alltäglichen Lebenslage oder des verletzten Selbst ertragen zu können. Ein Teufelskreis, der nur durch langwierige Therapie, diszipliniert-schmerzvolle Selbsterfahrung oder heilende Beziehungen zu lösen ist.
jeden Tag das gleiche blabla, die gleichen schleimigen oder 08/15 Freier die dich vollsülzen (die glauben das sie einen wirklich interessieren nur weil man lächelt und nickt, sorry aber die meisten Mädchen wollen NUR das Geld kein Gequatsche).
- Das Geld reicht aber scheinbar nicht. Frau/Mann/Transsexueller in der Sexarbeit muß sich auch würdevolle Arbeitsbedingungen erarbeiten und liebevoll sorgend mit sich selbst umgehen. Den Selbstschutz sicherzustellen ist zwar eine Frage der Ressourcen aber auch der Selbstverantwortung (Erwachsenwerden).
- Der Freier, der zwar einerseits das Geld und damit die Lebensbasis für die Sexarbeiterin bringt, wird dann irgendwann zum Buhmann, wenn die positiven Aspekte in den Hintergrund rutschen.
Du siehst sie gaffen nach den 18jährigen "Mädchen" und danach kannst du im Internet lesen wie sie sich über den Service austauschen als wäre man Vieh.
- Der Kunde huldigt einem fast übermenschlichen Naturgesetz des Fruchtbarkeits-Triebes. Diesen zu bedienen zu können ohne dabei Schaden zu nehmen erfordert absolute Stärke, Gesundheit und Schutz durch die beruflichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Da diese oft Fehlen bzw. den SexarbeiterInnen bewußt verweigert werden, weil man wolle ja keine Prostitution fördern, ist ein Ausbrennen und Versagen vieler Sexworker quasi vorprogrammiert oder wird billigend in Kauf genommen. Scheinheilige Prostitutionsgegner haben somit ein weiteres Argument gegen die Prostitution.
- Um den diskriminierenden Marktwertverlust alternder Sexworker sozialverträglich ausgleichen zukönnen, sollte da nicht wie bei Anlageninvestitionen eine Abschreibungsmöglichkeit auf die Jugendlichkeit des Körpers gefordert werden, statt Kunden dafür zu schelten?
Und auf dem Zimmer? Da lacht man manchmal, hat sogar Orgasmen, spürt Vertrautheit bei einem den man ein bisschen mag.
- Es gibt selbstverständlich durchaus zahlreiche vergnügliche und schöne Momente und zwar zahlenmäßig davon abhängig, wie frei und selbstbestimmt die Sexarbeit organisiert werden kann, die Kunden ausgewählt werden und welche Kundenkreise überhaupt angesprochen werden.
- Aber das Tabu Prostitution, das Tabu promiskuitiver Sexualität erzwingt die Anonymität des Sexes, die dann dank der Erfindung des anonymen Geldes organisiert wird. Diese gedoppelte Anonymität der Transaktionen erzeugt den Warencharakter von Sexdienstleistung, die den Kundenkontakt einerseits vereinfacht aber jede ganzheitliche menschliche Kundenbeziehung langfristig behindert und sich letztlich so auszehrend auswirkt auf die Dienstleister und unbefriedigend auf viele pot. Nachfrager. Nicht zuletzt dies wird moralisch von Prostitutionsgegnern als Argument ins Felde geführt.
Der geht dann aber und der Abend ist noch lang. Meinst macht man einfach schnell, mechanisch, 15 min eben. Schaust dabei in den Spiegel und fühlst dich leer. Von 14 Uhr bis 4 Uhr hast dann manchmal 12 Zimmer. Hast jede Menge Kohle aber mehr auch nicht.
- Die sexuelle Handlung ist eine so starke zwischenmenschliche Energie die daher manche als etwas Heiliges auffassen und mit größter Achtsamkeit handhaben.
- Wenn der Sex aufgrund Geldnot, Kundenfrequenz, niedrigem Preisniveau, fehlender Gestaltungsfreiheit, mangelnder Selbstbestimmung, fehlender Kreativität/Kompetenz, mangelnder Dienstleistungs-Lust, fehlender Reproduktionskräfte und Hilfsnetzwerke etc. mechanisch verrichtet wird, führt dies unweigerlich zum Ausbrennen von Körper, Geist und Seele. Das wäre in vielen belastenden sozialen Berufen nicht anders.
- Gewisse Mechanik und Inszenierung ist Kenneichen von Professionalität, eine völlig maskenhafte Seelenlosigkeit bei der Dienstleistungserbringung kennzeichnet ein Burn-out. Gegen das sog. Sex Worker Burn Out (SWBO) gibt es besondere Hifen für Sexworker.
So ging das bei mir ca 4-6 x die Woche fast 7 Jahre lang.
- Die durchschnittliche Arbeitsdauer im Sexbiz ist ca. 9 Jahre (riesige Schwankungen je nach Studie d.h. Selektion der Befragten).
- Problematisch ist, daß sich aufgrund Isolation und fehlender Qualifikation ein unheilvoller Rythmus einstellt.
Im Laufe der Zeit ist mir klar geworden das ich mit 19 keinen Selbstwert hatte. Ich wollte "Macht" und holte sie mir indem ich Männer zahlen ließ.
- Bewustheit ist die grundlegende Heilmethode.
- Wer die Sexarbeit aufgrund seelische Defizite wählt und es nicht schafft mit den Verdiensten oder Freiheiten in der Sexarbeit diese Defizite zu bearbeiten, steht nachher mit den selben Defiziten da, nur daß er älter ist und evt. noch weniger Chancen hat.
Irgendwann war ich (ausgeprägte Suchtnatur) auch abhängig von diesen Bestätigungen, den Komplimenten, den Berührungen, der Macht, dem Geld obwohl ich es gleichzeitig hasste.
- Jeder Mensch braucht Bestätigung, Komplimente, Berührung, Macht/Handlungskompetenz, Geld. Diese Dinge jedoch nur anonym abgespalten leben zu können, in einem Feld, dem die Gesellschaft die notwendige Wertschätzung versagt ist zerstörerisch/ausbeuterisch.
- Unsere kapitalistische Überflußgesellschaft ist grundsätzlich auf 'Suchtnaturen' ausgerichtet und reproduziert diese. Da die Grundbedüfnisse prinzipiell dank des industriellen Fortschritte als gedeckt gelten können, ist Wachstum nur noch mit Luxuskonsum durch Suchtkunden möglich (mein Haus, mein Pool, meine Jacht...).
- Tragischerweise haben sich Sexarbeiter und ihre Kunden eine gesellschaftlich nicht anerkannte Sucht 'ausgesucht'.
Mein "privates" Leben geriet nebenbei aus den Fugen. An eine normale Beziehung war nicht zu denken, immer Lügen, Lügen, Lügen, kaum Freunde aus der normalen Gesellschaft da man ja Abends immer on tour ist.
- Ein schleichender Prozess, der vielen erst spät bewust wird.
- Stigma-Management verzehrt viel unnötige Lebensenergie.
- Die schier übermenschliche Macht des Prostutionsstigmas, der Putophobie (Sexworker-Feindlichkeit) wird oft erst nach Jahren und für reife Sexworker sichtbar.
Hobbys? Ausschlafen nach dem Rausch und schlafen um zu Vergessen.
- S.o. Selbstbetäubung in einer analgetischen Kultur, um den Selbstschmerz der Entfremdung (= verhinderten Selbstrealisation) nicht spüren zu müssen.
Mir war immer klar dass ich das nicht ewig mache aber es war wirklich schwer auszusteigen, es war ja vertraut.
- Den Ausstieg selbst zu organisieren erfordert übermenschliche Anstrengungen. Ein Ausstiegsplan muß daher Teil des Berufskonzepts Sexarbeit sein. Ausstiegswissen muß Teil von Einstigsberatung sein.
- Andernfalls schlägt die "Falle Prostitution" irgendwann zu. Das ist sogenannte "strukturelle Zwangsprostitution", die ganz ohne die kulturell überbetonten Feindbilder Menschenhändler und Zuhälter auskommt.
Mir hat ein Freund (nicht aus dem Milieu) geholfen indem er mich immer wieder bestärkte und einfach an mich glaubte hat.
- Diesen Ritter findet nicht jedeR. Voraussetzung ist es sich zu öffnen und jemandem anzuvertrauen. Vorraussetzung dafür wiederum ist es seine Not anzuerkennen und zu akzeptieren.
Ich bin immer seltener in den Club gegangen und irgendwann einfach garnicht mehr.
- Übergansphase der Umorientierung (vgl. auch das sog. Yo-yoing. Dies würde man bei Musikstars positiv als Come-back benennen).
Die ganze Atmosphäre erschien mir immer unerträglicher.
- Wenn sich das persönliche Bewustsein ändert, paßt man plötzlich nicht mehr in die bestehenden Verhältnisse. Doch die Ursache und Probleme der Not reicht oftmals allein immer noch nicht, es braucht zusätzlich noch einen Auslöser.
Der Tropfen der das Fass dann zum überlaufen gebracht hat waren zwei Sachen. 1. Eine 19jährige Kollegin hatte HIV und schlief ohne Gummi mit Freiern. 2. Der Freund einer Kollegin wurde von einem Freier erstochen.
Das waren Gefahren die ich NICHT IN MEINEM Leben haben wollte.
- Solche traumatischen Ereignisse sind dann der Auslöser, der einem die Kraft geben, wach rütteln oder zwingen sich in neue angstmachende Lebensverhältnisse, weil mit ungewisser Zukunft, hineinzuarbeiten.
- So muß sich jedeR die Identität einer Ex-Sexarbeiterin erst mühsam selbst erarbeiten.
- Ex-Sexarbeiterin ist eine eigene Identität, weil man immer eine gewesene Sexarbeiterin bleiben wird, weil man immer und überall z.B. einem früheren Kunden begegnen kann und nichts im Leben völlig auszulöschen ist. Das Outingrisiko / Risiko der Erpressbarkeit besteht also grundsätzlich nach einem Ausstieg weiterhin fort.
Ich mußte aufs Amt da ich mit 0 Euro raus bin (Schnell verdientes Geld ist schnell wieder weg).
- Hurengut paßt in einen Fingerhut. (Siehe Thema „Geld“ im SW-only)
- Die fehlende Wertschätzung der Gesellschaft für Sexdienstleistung überträgt sich als fehlende Wertschätzung für vermeindlich leicht verdientes Geld auf die SDL.
Ich bin irgendwann umgezogen um niemanden mehr zufällig auf der Straße zu begegnen und habe mein Abi angefangen.
- Ortswechsel, Wechsel von Beruf und Wechsel vom Freundeskreis sind Neuanfangsstrategien so wie man Agenten eine neue Identität verschafft oder Ex-Süchtigen hilft.
- Die Tabugrenze der Prostitution wird vielfach erst beim Ausstieg besonders sichtbar und schmerzvoll erlebt. Dann wird sie nichtmehr durch hohen Verdienst, sexuelle Attraktivität und Bewunderung etc. kompensiert.
Jetzt 2 Jahre danach kommt mir die Zeit sehr unwirklich vor. Ich mache eine Therapie, nicht wegen der Prostitution, denn mein eigentliches Problem war mein mangelndes Selbstwertgefühl, erst das führte mich ins Milieu.
Sicherlich hatte ich noch Glück (kein Zuhälter, keine Krankheiten) aber manche Begegnungen waren sicherlich Grenzerfahrungen und noch heute habe ich ein Problem damit mich auf Menschen wirklich einzulassen.
- Leider gibt es in der Prostitution keine beruflichen Traditionen mit beruflichen Extremsituationen oder Dauerbelastungen professionel umzugehen.
- Supervision für Sexwork muß sich jedeR professionelle SDL selbst organisieren und finanzieren (Krankenkasse, steuerl. absetzbar).
Als Fazit muss ich sagen dass ich sicherlich viele zwischenmenschliche Erfahrungen gesammelt habe
- Männer-, Menschenkenntnis und Lebensweisheit durch Sexarbeit. Für manche ist der Gewinn persönlicher sexueller Freiheit und Selbstsicherheit im eigenen Körpergefühl eine positive Sexworkerfahrung (Domenica), während andere z.B. durch Burn-out und Stigma geschwächt schleichenden Mißbrauch erleben.
aber die negativen Seiten überwiegen eindeutig:
- Das ist eine Frage der Haltung und Gesamtschau, die jeder subjektiv fällen wird und somit wird die Bilanz einer jeden SexarbeiterIn unterschiedlich sein.
alle wollen dein Geld (Puffmutter, Verkäufer, falsche Freunde),
- Das ist das Prinzip des Wirtschaften im kapitalistischen Wettbewerb und kein Problem der Prostitution. Jedoch wird Prostitution als Sündenbock hergenommen, um gesellschaftliche Widersprüche dort hin projezieren und abstrafen zu können.
- An der Prostitution und den Prostituierten werden gesellschaftliche Diskurse stellvertretend geführt, was moralisch geduldet wird und was nicht. Prostitution dient als Negativfolie zur Bewertung des sozialen Handeln. Wer das nicht durchschaut (Stigmadekonstruktion) wird umso leichter Opfer der Polarisierung, Diskriminierung, Stigmatisierung, Pathologisierung und Kriminalisierung.
die Freier benutzen dich, "tanken" sich bei dir auf während man selbst immer mehr und mehr verdrängen und vergessen will/muß um weiter zu "funktionieren",
- Der Energieraub in der Sexarbeit und wie ihm vorgebeugt werden kann sollte Teil der Sexworker-Ausbildung sein. Ein Problem was alle, die intensiv mit Menschen arbeiten (Pädagogen, Heiler...) kennen. Wer energetisch arbeiten kann, wird den Wert der Sexarbeit niemals unterschätzen.
Entfremdung vom eigenem Selbst, Drogen- und Alkoholkonsum (sicherlich nicht bei allen aber bei vielen), das Geld wird rausgeschmissen weil man sich "besser fühlen will", der Verlust von Freunden / der Familie, man sieht den eigenen Körper als "Gebrauchsgegenstand", die Liebe verliert ihren "Zauber".
- Die Ausgrenzung der Prostituierten durch die Gesellschaft hat ihre Entsprechung in der Isolation der Sexarbeiter von ihrem Umfeld. Diese Trennung ist das eigentlich a-soziale. Die Doppelmoral behauptet, daß die Gesellschaft die Ausgrenzung zum eigenen Schutz brauche und die Spaltung von Sex und Liebe der Ursprung allen Übels sei. Daß sie dabei zum Mit-Täter wird indem sie ein Ideal zur Pflicht erhebt, machen die Schicksaale der zahllosen leidenden Sexworker und sexuell unbefriedigten Menschen deutlich.
Heute habe ich echt wenig Geld, benutze No-Nameprodukte, fahre Bus und Bahn, kaufe beim Discounter aber oh Gott das alles ist nicht schlimm und was viel wichtiger ist ich spüre mich wieder, fühle mich frei, bestimme über meinen Körper, habe Sex wenn ICH dazu Lust habe und nicht weil ich muß, respektiere mich und meine Bedürfnisse und bin stolz auf mich.
- Damit hast Du Dich der herrschenden Ideologie der Prostitutionsgegner angeschlossen, um wieder ins seelisch-emotionale Gleichgewicht zu kommen, oder auch um die harten Bedingungen des alltäglichen Konkurrenzkampfes schönzureden.
- Diese mentale Anpassung an den Aggressor nennt man das Stockholm-Syndrom.
- Die ideologische Folgsamkeit in traditionellen Beschäftigungsverhältnissen, die bei gleichzeitig geringen Verdiensten gefordert wird, ist für manche Sexarbeiter unerträglich und Grund genug so manche Widrigkeit in der Sexarbeit anzunehmen.
Ich kann nur jeder Frau die sich im Milieu befindet raten auszusteigen, löst euch von jenen die vorgeben euch zu lieben aber an euch verdienen.
- Absolute Handlungsregeln wird man bezüglich Ausstieg und Sexarbeit nicht geben können, weil jedeR Mensch und jede Lebenssituation einmalig ist.
- Auf die Gefahren in der Prostitution hinzuweisen und safer Handlungswissen zu deren Vermeidung oder Bewältigung zu geben solle das Ziel aller Bemühungen -auch dieses Forums- sein.
Hinterfragt euch was euch das Alles bringt und warum ihr es macht.
- Das ist der eigentliche Sinn, warum jemand in der Prostitution oder in einer Lebenslage steckt. Das ist die zu leistende Selbsterkenntnis, die den Sinn des Lebens ausmacht.
Klar hat man Geld aber ist Kohle das Alles wert ??? Die Existenzangst, der Ekel, die Lügen ?
- Der Ekel gegen fremde, anonyme, Sexpartner, die einen geschäftlich auswählen, statt daß man selbst sich in Liebe jemanden für Intimität erwählt ist ein Kernargument gegen Prostitution, d.h. Sexualität als Tauschgeschäft. Doch jede Partnerschaft und die Ehe ist bereits eine Lebens- bzw. Versorgungsgemeinschaft und damit ein Tausch. Damit ist die Gesellschaft prinzipiell prostitutiver Natur.
- Bemerkenswert und Fakt ist jedoch, daß dieses Ekelgefühl relativ ist und sich nur einstellt in Abhängigkeit von der eigenen tagesaktuellen Lust an Sexarbeit, der Höhe des Honorars, den Umgangsformen des Kunden, der Kultiviertheit der Arbeitsbedingungen, der Gestaltungsfreiheit und den Selbstbestimmungsmöglichkeiten etc. D.h. wenn ich Opfer der Verhältnisse bin, überkommt mich Ekel quasi irgendwann zwangsläufig und ich mache es z.B. am übergriffigen, häßlichen, geilen Gegenüber fest. Wenn ich in der Lage bin in Fülle einer Profession nachzugehen, können die Kunden alle erdenklichen Defizite haben und ich bin dennoch in der Lage sie intim zu beschenken, ohne daß ich dabei negativ berührt würde. Diese Balance ist jedoch energie- und somit auch altersabhängig und das wiederum bedeutet Zukunfsplanung mit Berufswechseloptionen ist überlebensnotwendig und kann nicht frühgenug begonnen werden.
Was ist euch ein selbstbestimmtes Leben wert?
Holt Euch Hilfe! Es gibt Anlaufstellen!
- Anlaufstellen geben Hilfe nur wenn man auf sie zukommt und fordert. Sie haben oftmals keine Kapazitäten um weitreichend und flächendeckend Sexarbeiter mit Fachinformationen zu versorgen, so wie dies unser Forum leistet. Letztlich müssen sie auch von ihrer Beratungsarbeit leben können und werden nach Kundenfrequenz bezahlt, jedoch nicht so umfangreich ausgestattet wie es wünschenswert und notwendig wäre.
Ihr seid stark! Fangt endlich an, an Euch zu glauben und übernehmt Verantwortung für Euer Leben!
Es ist ein langer Weg aber:- Erfüllung
Du bist das einzige Hindernis auf dem Weg zu einem erfüllten Leben.
Les Brown
So, puh viel geschrieben. Aber es war mir wichtig.
So gings mir.
Luzi - Erfüllung
Auch vor zwei Jahren schon:
"Abrechnung einer SW mit dem Beruf"
viewtopic.php?p=13470#13470
Danke an Luzi für den Input in diesem Forum und hoffe diese Aufarbeitung ist ok so. Auch ich möchte alles Gute für die Zukunft wünschen.
Riesige Probleme der Sexarbeit werden hier klar angesprochen und auch wenn die skizzierten Gegenargumente oder Erklärungen teilweise einfach klingen, daraus Handlungsstrategien und funktionierende Lebens- und Berufsmodelle zu entwickeln, bleibt für jeden Sexworker eine riesige Herausforderung.
All dies macht deutlich wie dringend erforderlich professionelle Hilfe, Berufsberatung und Netzwerkbildung mit entsprechender Infrastruktur für und mit Sexworkern ist.
Ich würde mich freuen wenn Ex-Sexarbeiter und Sexarbeiter bei den geplanten Ausstiegsprogrammen der Bundesregierung ein Mitspracherecht bei Planung und Durchführung bekämen.
Wir sollten uns dafür gemeinsam einsetzen.
Ende März läuft die erste Frist ab.
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- SW Analyst
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- Registriert: 01.08.2006, 14:30
- Ich bin: Keine Angabe
Neueröffnung
Die Beratungsstelle, die bereits durch obige unsensible und erfahrene SW diskriminierende Stellenanzeige aufgefallen ist, will sich über Austiegs-Angebote finanzieren. Hoffentlich ist die Eröffnung am 1. April mehr als ein Aprilscherz:
ddp-Interview:
Erste Beratungsstelle für Prostituierte in Rheinland-Pfalz will Ausstieg erleichtern
Koblenz (ddp-rps) Die erste Beratungsstelle für Prostituierte in Rheinland-Pfalz soll in Koblenz Frauen den Ausstieg erleichtern «Es geht um den Ausstieg, aber nicht nur», betonte der Leiter der Pro-Familia-Einrichtung, Achim Klein, im ddp-Interview.
Den Prostituierten solle Hilfe bei Alltagsproblemen angeboten werden, etwa bei Schulden, Drogensucht oder Krankheiten.
Wenn eine Frau signalisiere, dass sie aussteigen wolle, werde ihr Unterstützung angeboten. «Das richtet sich auch an Frauen, die unter Zwang zur Ausübung der Prostitution genötigt werden», sagte Klein. Für den Ausstieg sei eine berufliche Alternative wichtig. Deshalb kooperiere die Beratungsstelle künftig verstärkt mit den Arbeitsämtern, um den Frauen konkrete Perspektiven aufzuzeigen.
Die Beratungsstelle nimmt am ersten 1. April ihre Arbeit auf. «Es geht erst einmal darum, uns bekanntzumachen und das Vertrauen der Prostituierten zu gewinnen», sagte der Leiter. Eine erfahrene Sozialarbeiterin sei bereits gefunden. Zu Beginn müsse sie vor allem in der Szene unterwegs sein und sich aktiv um die Frauen bemühen. «Es gibt in der Gesellschaft viele Vorbehalte gegenüber Prostituierten», erklärt Klein. Die Mitarbeiterin müsse daher offen auf die Sexarbeiterinnen zugehen und deutlich machen, dass deren Lebensentwurf respektiert werde.
Bislang kann Klein nicht auf genaue Zahlen zurückgreifen, wie groß Zielgruppe und Bedarf sind. Vieles werde sich erst im Laufe der Arbeit entwickeln, sagte er. Das Projekt gehe auf einen Beschluss des Landtags zurück: Im Jahr 2007 hatten die Abgeordneten beschlossen, eine Betreuung für Prostituierte in Rheinland-Pfalz «modellhaft» aufzuziehen. Das Land finanziere die Arbeit zu einem Großteil und habe pro Jahr bis zu 30 000 Euro zugesichert. Pro Familia steuere als Träger zehn Prozent der Kosten bei.
«Die Politik wird ein Auge darauf haben, welche Dynamik die neue Einrichtung entwickelt und zu welchen Effekten sie führt», sagte Klein. Weitere Beratungsstellen im Land seien denkbar.
ddp/kah/kos
http://www.ad-hoc-news.de/ddp-interview ... s/20086179
http://www.rhein-wied-news.de/?q=node/524
Information zur geplanten Prostituierten-Beratungsstelle
Die pro familia Koblenz hat sich nach erfolgter Ausschreibung durch das Land als Träger für eine Prostituierten-Beratungsstelle beworben.
Das Thema Prostitution ist im pro familia Gesamtverband klar verortet. Als Fachverband widmet sich pro familia mittels Forschung, Fachdiskussionen und Öffentlichkeitsarbeit allen Facetten der Sexualität.
Im Leitbild des pro familia Landesverbands RLP heißt es unter anderem:
pro familia tritt ein für: „…
• eine Kultur, in der Selbstbestimmung auch in Bezug auf Sexualität anerkannt ist, soweit andere nicht in ihren Rechten beeinträchtigt werden
• die Achtung unterschiedlicher sexueller Orientierungen
• eine Gesellschaft, in der psychische, körperliche und sexuelle Gewalt verurteilt und alles getan wird, um ihrem Auftreten vorzubeugen …“
Jüngster Beleg für die Aktualität des Themas im Verband ist die letzte Ausgabe des pro familia Magazins, mit dem Schwerpunkt auf Prostitution.
Die Ziele der Prostituiertenberatung orientieren sich an den Problemlagen und Anliegen der Prostituierten. Gemäß des Landtagsbeschlusses und der Ausschreibung sollen ausstiegswilligen Prostituierten entsprechende Hilfestellungen gewährt werden.
Dieser Focus auf ausstiegswillige Prostituierte erfährt durch das pro familia-Konzept eine Ausweitung: Ist die Betreffende nämlich entschieden, dass sie derzeit an ihrer Lage grundsätzlich nichts verändern möchte, sollen ihr gleichwohl Hilfen vermitteln werden, die dazu beitragen, individuelle Notlagen abzuwenden. [Hilfen auch für noch unbekehrte SW? Anm.]
Bezüglich der Beratung von potenziellen „Einsteigerinnen“ in die Prostitution gibt es aus unserer Sicht eine klare Grenze: Eine Prostituierten-Beratungsstelle hat definitiv nicht die Aufgabe, Personen zur Prostitution zu ermutigen und diese damit zu fördern. Allerdings sollte geprüft werden, welche Beratungsangebote in präventiver Hinsicht Sinn machen könnten, etwa um andere berufliche Alternativen aufzuzeigen oder um „Fallgruben“ des Gewerbes frühzeitig kenntlich zu machen.
Nun bleibt abzuwarten, ob pro familia Koblenz den Zuschlag erhält. Wir werden zur gegebenen Zeit weiter darüber berichten.
http://www.profamilia-koblenz.info/Doku ... stelle.doc
http://www.profamilia-koblenz.info
Siehe auch die Antragsmöglichkeiten beim Bundesministerium , wo über ein Mitsprachrecht von Sexworkern bei der Organisation von SW-Ausstiegsprojekten bisher Nichts zu lesen ist.
Wollen wir Sexworker da bis Ende des Monats noch drauf reagieren? Oder überlassen wir das Feld den "Profi-Sozialarbeitern"?
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ddp-Interview:
Erste Beratungsstelle für Prostituierte in Rheinland-Pfalz will Ausstieg erleichtern
Koblenz (ddp-rps) Die erste Beratungsstelle für Prostituierte in Rheinland-Pfalz soll in Koblenz Frauen den Ausstieg erleichtern «Es geht um den Ausstieg, aber nicht nur», betonte der Leiter der Pro-Familia-Einrichtung, Achim Klein, im ddp-Interview.
Den Prostituierten solle Hilfe bei Alltagsproblemen angeboten werden, etwa bei Schulden, Drogensucht oder Krankheiten.
Wenn eine Frau signalisiere, dass sie aussteigen wolle, werde ihr Unterstützung angeboten. «Das richtet sich auch an Frauen, die unter Zwang zur Ausübung der Prostitution genötigt werden», sagte Klein. Für den Ausstieg sei eine berufliche Alternative wichtig. Deshalb kooperiere die Beratungsstelle künftig verstärkt mit den Arbeitsämtern, um den Frauen konkrete Perspektiven aufzuzeigen.
Die Beratungsstelle nimmt am ersten 1. April ihre Arbeit auf. «Es geht erst einmal darum, uns bekanntzumachen und das Vertrauen der Prostituierten zu gewinnen», sagte der Leiter. Eine erfahrene Sozialarbeiterin sei bereits gefunden. Zu Beginn müsse sie vor allem in der Szene unterwegs sein und sich aktiv um die Frauen bemühen. «Es gibt in der Gesellschaft viele Vorbehalte gegenüber Prostituierten», erklärt Klein. Die Mitarbeiterin müsse daher offen auf die Sexarbeiterinnen zugehen und deutlich machen, dass deren Lebensentwurf respektiert werde.
Bislang kann Klein nicht auf genaue Zahlen zurückgreifen, wie groß Zielgruppe und Bedarf sind. Vieles werde sich erst im Laufe der Arbeit entwickeln, sagte er. Das Projekt gehe auf einen Beschluss des Landtags zurück: Im Jahr 2007 hatten die Abgeordneten beschlossen, eine Betreuung für Prostituierte in Rheinland-Pfalz «modellhaft» aufzuziehen. Das Land finanziere die Arbeit zu einem Großteil und habe pro Jahr bis zu 30 000 Euro zugesichert. Pro Familia steuere als Träger zehn Prozent der Kosten bei.
«Die Politik wird ein Auge darauf haben, welche Dynamik die neue Einrichtung entwickelt und zu welchen Effekten sie führt», sagte Klein. Weitere Beratungsstellen im Land seien denkbar.
ddp/kah/kos
http://www.ad-hoc-news.de/ddp-interview ... s/20086179
http://www.rhein-wied-news.de/?q=node/524
Information zur geplanten Prostituierten-Beratungsstelle
Die pro familia Koblenz hat sich nach erfolgter Ausschreibung durch das Land als Träger für eine Prostituierten-Beratungsstelle beworben.
Das Thema Prostitution ist im pro familia Gesamtverband klar verortet. Als Fachverband widmet sich pro familia mittels Forschung, Fachdiskussionen und Öffentlichkeitsarbeit allen Facetten der Sexualität.
Im Leitbild des pro familia Landesverbands RLP heißt es unter anderem:
pro familia tritt ein für: „…
• eine Kultur, in der Selbstbestimmung auch in Bezug auf Sexualität anerkannt ist, soweit andere nicht in ihren Rechten beeinträchtigt werden
• die Achtung unterschiedlicher sexueller Orientierungen
• eine Gesellschaft, in der psychische, körperliche und sexuelle Gewalt verurteilt und alles getan wird, um ihrem Auftreten vorzubeugen …“
Jüngster Beleg für die Aktualität des Themas im Verband ist die letzte Ausgabe des pro familia Magazins, mit dem Schwerpunkt auf Prostitution.
Die Ziele der Prostituiertenberatung orientieren sich an den Problemlagen und Anliegen der Prostituierten. Gemäß des Landtagsbeschlusses und der Ausschreibung sollen ausstiegswilligen Prostituierten entsprechende Hilfestellungen gewährt werden.
Dieser Focus auf ausstiegswillige Prostituierte erfährt durch das pro familia-Konzept eine Ausweitung: Ist die Betreffende nämlich entschieden, dass sie derzeit an ihrer Lage grundsätzlich nichts verändern möchte, sollen ihr gleichwohl Hilfen vermitteln werden, die dazu beitragen, individuelle Notlagen abzuwenden. [Hilfen auch für noch unbekehrte SW? Anm.]
Bezüglich der Beratung von potenziellen „Einsteigerinnen“ in die Prostitution gibt es aus unserer Sicht eine klare Grenze: Eine Prostituierten-Beratungsstelle hat definitiv nicht die Aufgabe, Personen zur Prostitution zu ermutigen und diese damit zu fördern. Allerdings sollte geprüft werden, welche Beratungsangebote in präventiver Hinsicht Sinn machen könnten, etwa um andere berufliche Alternativen aufzuzeigen oder um „Fallgruben“ des Gewerbes frühzeitig kenntlich zu machen.
Nun bleibt abzuwarten, ob pro familia Koblenz den Zuschlag erhält. Wir werden zur gegebenen Zeit weiter darüber berichten.
http://www.profamilia-koblenz.info/Doku ... stelle.doc
http://www.profamilia-koblenz.info
Siehe auch die Antragsmöglichkeiten beim Bundesministerium , wo über ein Mitsprachrecht von Sexworkern bei der Organisation von SW-Ausstiegsprojekten bisher Nichts zu lesen ist.
Wollen wir Sexworker da bis Ende des Monats noch drauf reagieren? Oder überlassen wir das Feld den "Profi-Sozialarbeitern"?
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Sexwork und Medienbiz
Was manche Ex-Sexworker nach ihrer SW-Kariere vermarkten:
Should Call Girls Kiss and Tell?
by Tracy Quan
On the anniversary of Eliot Spitzer’s exposed liaison with Ashley Dupre, a madam is considering releasing the names in her little black book. What ever happened to discretion?
Ganzen Artikel mit Links weiterlesen:
http://www.thedailybeast.com/blogs-and- ... s-and-tell
Video clip über ihre Post-SW-Karriere als Autorin und Kolumnistin:
http://www.metropolistv.nl/?p=1040&lang=en
Medienkompetenz Sexwork:
viewtopic.php?t=943
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Should Call Girls Kiss and Tell?
by Tracy Quan
On the anniversary of Eliot Spitzer’s exposed liaison with Ashley Dupre, a madam is considering releasing the names in her little black book. What ever happened to discretion?
Ganzen Artikel mit Links weiterlesen:
http://www.thedailybeast.com/blogs-and- ... s-and-tell
Video clip über ihre Post-SW-Karriere als Autorin und Kolumnistin:
http://www.metropolistv.nl/?p=1040&lang=en
Medienkompetenz Sexwork:
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Video: Sexwork und Alter
Geschäftsmodell für ältere Sexworker:
Molly Luft (65j) mit ihrem 'Aldi-Puff' (ab 15 Euro) ist wieder im Geschäft in Berlin.

Jetzt mit 65 Jahren ist Molly im Rentenalter.
90.000 bis 100.000 Männer hat sie wohl schon glücklich gemacht.
Sie wollte bereits nach 30 Jahren aussteigen, war aber immer mit zu viel Lust und Liebe bei der Sache und hat den ökonomischen Erfolg und Umstieg nicht geschafft.
Jetzt ist sie krebskrank und hat dennoch eine neue Location in Berlin eröffnet für Billigservice:
Bonus-Karte: Ab 10 Besuchen ist der 11 Service Gratis.
http://www.metropolistv.nl/?p=1039&lang=en (video)
viewtopic.php?p=46871#46871 (s.o.)
www.mollyLuft.de
Meine Gedanken zu Billigangeboten und Einkommensplanung:
viewtopic.php?p=52027#52027 (Ökonomie und Sexwork)
Diskussion Preisdumper:
viewtopic.php?t=781
Weltweit 1. Altenheim für Sexworker:
viewtopic.php?p=24972#24972 (Mexiko)
.
Molly Luft (65j) mit ihrem 'Aldi-Puff' (ab 15 Euro) ist wieder im Geschäft in Berlin.

Jetzt mit 65 Jahren ist Molly im Rentenalter.
90.000 bis 100.000 Männer hat sie wohl schon glücklich gemacht.
Sie wollte bereits nach 30 Jahren aussteigen, war aber immer mit zu viel Lust und Liebe bei der Sache und hat den ökonomischen Erfolg und Umstieg nicht geschafft.
Jetzt ist sie krebskrank und hat dennoch eine neue Location in Berlin eröffnet für Billigservice:
Bonus-Karte: Ab 10 Besuchen ist der 11 Service Gratis.
http://www.metropolistv.nl/?p=1039&lang=en (video)
viewtopic.php?p=46871#46871 (s.o.)
www.mollyLuft.de
Meine Gedanken zu Billigangeboten und Einkommensplanung:
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Diskussion Preisdumper:
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Weltweit 1. Altenheim für Sexworker:
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RE: sexworker.at/exit = Aus- Umstieg, Huren-Karriere Managem
Ich kann nicht glauben was ich da lese: Kann denn niemand dieser Frau das Handwerk legen? Selbst total abgewrackt versaut sie jetzt anderen das Geschäft ! Wieviel von den 10! Euro bleibt denn bei der s/w? Was ich dieser Frau wünsche , spreche ich aus Gründen des guten Geschmacks hier nicht aus! Aber die Gedanken sind ja bekanntlich frei. Wie kann man so versifft, prollig und noch dumm dazu sein? Die finanzielle Not anderer dermaßen auszunutzen verstößt meiner Meinung nach gegen die Menschenwürde.
Möge die Buttersäure mit ihr sein!
Ringeltaube
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Wenn wir jung sind, arbeiten wir dafür, so zu leben wie wir möchten wenn wir alt sind. Wenn wir alt sind , merken wir, daß es zu spät ist so zu leben.
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Ich sehe jetzt wirklich nicht, warum man Jemand, der aus Not heraus handelt "das Handwerk legen soll" - Sollte nicht eher der Gedanke "was kann man tun, damit man selbst nicht in diese Falle (Altersarmut) gerät" im Vordergrund stehen?
Auch ich bin nicht erbaut, wenn ich die obigen Zeilen lese - doch bin ich der Meinung, dass wir aus diesen Schicksalen lernen sollten (bevor wir verurteilen).
Christian
Auch ich bin nicht erbaut, wenn ich die obigen Zeilen lese - doch bin ich der Meinung, dass wir aus diesen Schicksalen lernen sollten (bevor wir verurteilen).
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Es geht darum,das ich es unmöglich finde, wenn jemand nach dem Motto handelt "und nach mir die Sintflut". Diese Frau hinterlässt verbrannte Erde und verdirbt anderen auf lange Zeit das Geschäft. Sind die Preise erst mal im Keller ,dann bleiben sie dort leider auch. Was können Die anderen S/W in Berlin dafür, das sie ihren Arsch nicht an die Wand gekriegt hat, sie hatte ja lange genug Zeit dafür. Hoffe das ich aufgrund meiner Meinung nicht aus dem Forum ausgeschlossen werde.
Ringeltaube
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Christian
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Das hat Niemand gesagt, oder angedeutet... - es ist durchaus legitim mit mir nicht einer Meinung zu sein. Wobei: Wir achten sehr darauf, dass wir SexarbeiterInnen mit dem von vielen Seiten verweigerten Respekt begegnen. Auch dann, wenn sie nicht UserInnen unseres Forums sind. Das natürlich das Geschäftsmodell von Molly nicht JederFraus Sache ist - und vielleicht zu Emotionen führen könnte - kann ich durchaus nachvollziehen. Trotzdem wollen wir hier vermeiden, dass sie deshalb beleidigt wird.Ringeltaube hat geschrieben:Hoffe das ich aufgrund meiner Meinung nicht aus dem Forum ausgeschlossen werde.
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Hmh, wie schon Bambis Mama sagte:Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, soll man den Mund halten. Werde aber auch in Zukunft meine Meinung sagen, diese aber wohlformulierter darniederlegen. Komme aus Berlin und habe Berliner Schnauze.
Ringeltaube
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Hallo Ringeltaube, bitte nicht aufregen; Molly Luft hat schon vor 100.000 Jahren mit Tiefstpreisen geworben (ab 15DM); insgesamt ist die Dumping-Politik nicht nur dem sozialen Umfeld in Berlin geschuldet und der ökonomischen Situation, sondern auch dem exzessiven Preiskampf unter geschätzten 14.000 Anbieterinnen. Nun, da relativiert sich manches. Ich habe mal in einem Nachbarforum vor einigen Jahren einen Offenen Brief an die Pimpernelle (gemeint war Frau Luft) veröffentlicht. Das erfreut dich sicherlich, wenn ich dir bei Bedarf den Link zusende.
lg Ariane
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RE: sexworker.at/exit = Aus- Umstieg, Huren-Karriere Managem
Hallo Ariane, bin erfreut und erleichtert auf etwas Zustimmung zu stoßen, denn ich bin ehrlich gesagt kein Freund davon aus Gründen der Toleranz alles zu erdulden und tottoleriert zu werden. Ich habe 1992 angefangen in Berlin zu arbeiten, zu einer Zeit als es in Ostberlin noch keine Adressen gab bzw. meine Örtlichkeit war eine der Ersten dort, ein Hinterzimmer in einem Jeansladen, betrieben von einem Wessi, der in seiner Gegend gescheitert war. Nachdem ich vieles ausprobiert und nach einigen Jahren Berlin verlassen hatte, verfolgte ich aus Interesse ab und zu die dortige Preisentwicklung. Erschreckend! Manche Frauen machen ja wirklich die Hölle durch, deswegen meine Wut auf Existenzen wie Molly Luft.
Ringeltaube
P.S. Link würde mich interessieren.
Ringeltaube
P.S. Link würde mich interessieren.
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Re: Sexwork und Medienbiz
Habe gerade Marc's Beitrag "Aus den Lebens- und Leidenserfahrungen einer Ex-Sexarbeiterin lernen,
ohne gleichzeitig der trügerischen Polarisierung gegen Sexwork zu verfallen."
gelesen, dessen Kommentaren ich mich nur anschliessen kann *bravo* für diese klugen Einschätzungen, die ich teile
zusammen mit den entsprechenden Links zu:
"Was manche Ex-Sexworker nach ihrer SW-Kariere vermarkten"
Ich persönlich halte von diesen Vermarktungsschienen "danach" überhaupt nichts, also Blogs a la Diary eines Callgirls etc. pp. und finde auch den Verstoss gegen Grundsätze der Diskretion nicht sonderlich sinnvoll.
Da ich mich gerade selber in einer Übergangsphase zu neuen Ufern bewege, auch nicht von Sexwork lassen will und kann, sehe ich nicht in der Veröffentlichung von Indiskretionen und sog. Abrechnungen einen sinnvollen Beitrag - es wirkt sich doch nur nachteilig auf die Szene aus, diese ganze Skandalisierungsschiene und auch durch die Berichterstattung idealisierte Einstiegshilfe in Pretty Woman Manier- , sondern nur in aktivem künstlerischen und/oder politischen Engagement von Sexworkern bzgl. des Umgangs mit Stigmata und Ausgrenzung, mit dem Ziel, Sexwork anzuerkennen, wo sie stattfindet, nicht am Rand, sondern mitten in der Gesellschaft. Ich versuche es auf die humorvolle Tour, weil ich der Überzeugung mit, daß man mit Komik Irritationen erzeugt und Stereotype aushebeln kann, natürlich immer kombiniert mit einer politisch klaren aufgeklärten Haltung. Interessanterweise wird einem das in manchen engagierten Foren nicht gerade gedankt - im Gegenteil, man wirft mich mit radikalen Feministinnen in einen Topf, gerne wird auch Hexenjagd betrieben, das ist schon interessant, auch wenn weibliche Stimmen dazu schweigen; insbesondere da ich der Auffassung bin, daß Feminismus und Sexwork sich überhaupt nicht ausschliessen und man nicht vergessen darf, wem man gewisse Fortschritte in den Rahmenbedingungen des Sexworkens überhaupt zu verdanken hat; z.B. denke ich an das deutsche Prostitutionsgesetz, wirksam seit 2002, das in der Umsetzung auf regionaler Ebene zwar teilweise verpufft, aber immerhin für eine gewisse Anerkennung der Sexworker gesorgt hat, angestossen ja durch Felicitas Schirow, einer Berliner Bordellbesitzerin. Also persönliches jahrelanges Engagement und Sexwork schliesst sich nicht aus. Die Verbesserung gewisser rechtlicher Rahmenbedingungen, insbesondere in Berlin (trotz einiger Puffschliessungen), daran profitieren letztlich alle Sexworkerinnen und es ist nicht einzusehen, daß manche Damen aus dem hochpreisigen Segment auf Frauen, die auf der Strasse, in Laufhäusern etc. arbeiten, herabschauen, wie ich es häufig beobachte. Das aber ist eher die Regel, denn die Ausnahme. D.h. die Brandmarkung geht nicht nur von interessierten politischen und bürgerlichen Kreisen aus (die wir hautnah bedienen), sondern durch die aktive Spaltung, die insbesondere deutsche Sexworker untereinander betreiben und "Seelenfickern" noch in den Arsch kriechen, anstatt gewisse Regeln, die mal von Huren durchgesetzt wurden und die dem Schutz der Psyche dienten, ebenfalls anzuwenden oder zumindest zu unterstützen. In anderen Ländern gibt es diese heimliche Klassen-Einteilung nämlich garnicht so sehr, sondern ein solidarischeres Verständnis unter den aktiven Frauen, ob Puff oder 5-Sterne-Hotel.
Diese lächerlichen Callgirl Blogs langweilen mich nicht nur, sondern sind m.E. dem progressiven Umgang mit Sexwork nicht zuträglich. Jenseits von Opferschiene und Idealisierung einer nicht so eindeutig als Tätigkeit definierbaren "Dienstleistung" muss es doch differenziertere Ausdrucksformen geben, im Sinne eines liberal-aufklärerischen Verständnisses.
Sorry, jetzt ist es etwas lang geworden, aber das regt mich zur Zeit extrem auf.
ohne gleichzeitig der trügerischen Polarisierung gegen Sexwork zu verfallen."
gelesen, dessen Kommentaren ich mich nur anschliessen kann *bravo* für diese klugen Einschätzungen, die ich teile
zusammen mit den entsprechenden Links zu:
"Was manche Ex-Sexworker nach ihrer SW-Kariere vermarkten"
Ich persönlich halte von diesen Vermarktungsschienen "danach" überhaupt nichts, also Blogs a la Diary eines Callgirls etc. pp. und finde auch den Verstoss gegen Grundsätze der Diskretion nicht sonderlich sinnvoll.
Da ich mich gerade selber in einer Übergangsphase zu neuen Ufern bewege, auch nicht von Sexwork lassen will und kann, sehe ich nicht in der Veröffentlichung von Indiskretionen und sog. Abrechnungen einen sinnvollen Beitrag - es wirkt sich doch nur nachteilig auf die Szene aus, diese ganze Skandalisierungsschiene und auch durch die Berichterstattung idealisierte Einstiegshilfe in Pretty Woman Manier- , sondern nur in aktivem künstlerischen und/oder politischen Engagement von Sexworkern bzgl. des Umgangs mit Stigmata und Ausgrenzung, mit dem Ziel, Sexwork anzuerkennen, wo sie stattfindet, nicht am Rand, sondern mitten in der Gesellschaft. Ich versuche es auf die humorvolle Tour, weil ich der Überzeugung mit, daß man mit Komik Irritationen erzeugt und Stereotype aushebeln kann, natürlich immer kombiniert mit einer politisch klaren aufgeklärten Haltung. Interessanterweise wird einem das in manchen engagierten Foren nicht gerade gedankt - im Gegenteil, man wirft mich mit radikalen Feministinnen in einen Topf, gerne wird auch Hexenjagd betrieben, das ist schon interessant, auch wenn weibliche Stimmen dazu schweigen; insbesondere da ich der Auffassung bin, daß Feminismus und Sexwork sich überhaupt nicht ausschliessen und man nicht vergessen darf, wem man gewisse Fortschritte in den Rahmenbedingungen des Sexworkens überhaupt zu verdanken hat; z.B. denke ich an das deutsche Prostitutionsgesetz, wirksam seit 2002, das in der Umsetzung auf regionaler Ebene zwar teilweise verpufft, aber immerhin für eine gewisse Anerkennung der Sexworker gesorgt hat, angestossen ja durch Felicitas Schirow, einer Berliner Bordellbesitzerin. Also persönliches jahrelanges Engagement und Sexwork schliesst sich nicht aus. Die Verbesserung gewisser rechtlicher Rahmenbedingungen, insbesondere in Berlin (trotz einiger Puffschliessungen), daran profitieren letztlich alle Sexworkerinnen und es ist nicht einzusehen, daß manche Damen aus dem hochpreisigen Segment auf Frauen, die auf der Strasse, in Laufhäusern etc. arbeiten, herabschauen, wie ich es häufig beobachte. Das aber ist eher die Regel, denn die Ausnahme. D.h. die Brandmarkung geht nicht nur von interessierten politischen und bürgerlichen Kreisen aus (die wir hautnah bedienen), sondern durch die aktive Spaltung, die insbesondere deutsche Sexworker untereinander betreiben und "Seelenfickern" noch in den Arsch kriechen, anstatt gewisse Regeln, die mal von Huren durchgesetzt wurden und die dem Schutz der Psyche dienten, ebenfalls anzuwenden oder zumindest zu unterstützen. In anderen Ländern gibt es diese heimliche Klassen-Einteilung nämlich garnicht so sehr, sondern ein solidarischeres Verständnis unter den aktiven Frauen, ob Puff oder 5-Sterne-Hotel.
Diese lächerlichen Callgirl Blogs langweilen mich nicht nur, sondern sind m.E. dem progressiven Umgang mit Sexwork nicht zuträglich. Jenseits von Opferschiene und Idealisierung einer nicht so eindeutig als Tätigkeit definierbaren "Dienstleistung" muss es doch differenziertere Ausdrucksformen geben, im Sinne eines liberal-aufklärerischen Verständnisses.
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betrifft Molly Luft
(Btw: stelle gerade fest, daß ich mich forenmässig jahrelang wohl falsch bewegt habe)
Da man ohne X-Check dort nicht ohne weiteres Zugang hat, habe ich mir erlaubt, den kompletten Text hier reinzustellen:
Ariane in Verkehrsberichte, veröffentlicht: Mittwoch, 2. Februar 2005, 14:50
Fuck OFF Pimp
Offener Brief an Berlins größte Pimpernelle (weibl. Ableitung für Pimp: engl. Zuhälter)
Tja meine Liebe, ist nun Dein Traum von einer eigenen Bar in Erfüllung gegangen (hat wohl nur tagsüber geöffnet, wie ich erfahren habe)
"and now runs a bar in the city's lively Kreuzberg district"
und meinst nun, Deine Lebensweisheiten als Consulterin in Staatsdiensten einbringen zu müssen.
"People would no longer be unemployed and could earn themselves a living."
Ach ja?
" People aren't willing to work very much but they expect to earn a lot of money"
Wie Du erst Deine Tochter vom eigenen Ehemann hast befingern und * lassen und dann auf den Strich und in den eigenen Puff geschickt hast (die zugleich mit Deinem Wissen Sozialhilfe kassierte), und Deine Damen ausgebeutet hast, ist wirklich unübertreffbar, z.B. Frau hat 17 Nummern an einem Tag geschoben und geht mit sage und schreibe 167EUR nach Haus, dank Deiner Abgaben und überspannter Beiträge zur Anzeigenschaltung. A very lot of money....
Auch wenn Du Dein Leben in den Dienst der Männerwelt gestellt hast, mute doch dem Rest der Menschheit Deine Weisheiten und Ratschläge nicht zu, um Deine leere Kneipe zu füllen.
Fuck Off...
**********************************
Dies war eine Entgegnung auf ein Interview mit einem englischen Journalisten, das online nicht mehr zugänglich ist. Ich meine aber, sie hat sich sogar getraut, es unter ihren Presse-Memoiren auf ihre Website zu stellen:
German prostitute sees sex trade hope for jobless
Mon Jan 31, 2005 04:24 PM GMT
Printer Friendly | Email Article | RSS
BERLIN (Reuters) - A celebrated Berlin prostitute has said that German job centre advisers shouldn't shy away from offering jobs in the sex industry to the long-term unemployed.
Molly Luft, who sold her famous Berlin brothel two months ago and now runs a bar in the city's lively Kreuzberg district, on Monday said the sex industry was always looking for new recruits.
"Why shouldn't they send the unemployed to work in the sex industry? Before it was a grey zone, but now employees are insured and receive benefits," Luft told Reuters. "People would no longer be unemployed and could earn themselves a living."
Most business sectors in Germany are shedding workers, and unemployment is expected to exceed five million, nearly 11 percent of the workforce, in January for the first time since reunification in 1990.
German sex workers have been on a par with any other employee since the government legalised prostitution in 2001. They are entitled to social security benefits and pay taxes.
Registered brothel keepers also believe they have a right to seek new staff through job centres and have been scouring job seekers' databases for suitable matches.
"I was always looking for workers over 30 years in the trade. People aren't willing to work very much but they expect to earn a lot of money," Luft said.
A spokesman for the Federal Labour Office said that if job seekers said they were prepared to work as, for example, dancers in strip bars, advisers could put them in touch with any suitable employers, but vacancies would not be displayed in job centres.
He also stressed job centres would not look for prostitutes on behalf of brothels, nor offer sex industry jobs to people who hadn't specifically mentioned it as an area of interest.
Speculation has grown over recent weeks that Germany's new welfare reforms, obliging the long-term unemployed to take any available job or risk losing their benefits, could lead to
women being offered jobs in the sex industry.
"One can't expect everyone to be prepared to work in the sex industry," Luft said. "Plus if people aren't very attractive they aren't going to make much money," she added.
Da man ohne X-Check dort nicht ohne weiteres Zugang hat, habe ich mir erlaubt, den kompletten Text hier reinzustellen:
Ariane in Verkehrsberichte, veröffentlicht: Mittwoch, 2. Februar 2005, 14:50
Fuck OFF Pimp
Offener Brief an Berlins größte Pimpernelle (weibl. Ableitung für Pimp: engl. Zuhälter)
Tja meine Liebe, ist nun Dein Traum von einer eigenen Bar in Erfüllung gegangen (hat wohl nur tagsüber geöffnet, wie ich erfahren habe)
"and now runs a bar in the city's lively Kreuzberg district"
und meinst nun, Deine Lebensweisheiten als Consulterin in Staatsdiensten einbringen zu müssen.
"People would no longer be unemployed and could earn themselves a living."
Ach ja?
" People aren't willing to work very much but they expect to earn a lot of money"
Wie Du erst Deine Tochter vom eigenen Ehemann hast befingern und * lassen und dann auf den Strich und in den eigenen Puff geschickt hast (die zugleich mit Deinem Wissen Sozialhilfe kassierte), und Deine Damen ausgebeutet hast, ist wirklich unübertreffbar, z.B. Frau hat 17 Nummern an einem Tag geschoben und geht mit sage und schreibe 167EUR nach Haus, dank Deiner Abgaben und überspannter Beiträge zur Anzeigenschaltung. A very lot of money....
Auch wenn Du Dein Leben in den Dienst der Männerwelt gestellt hast, mute doch dem Rest der Menschheit Deine Weisheiten und Ratschläge nicht zu, um Deine leere Kneipe zu füllen.
Fuck Off...
**********************************
Dies war eine Entgegnung auf ein Interview mit einem englischen Journalisten, das online nicht mehr zugänglich ist. Ich meine aber, sie hat sich sogar getraut, es unter ihren Presse-Memoiren auf ihre Website zu stellen:
German prostitute sees sex trade hope for jobless
Mon Jan 31, 2005 04:24 PM GMT
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BERLIN (Reuters) - A celebrated Berlin prostitute has said that German job centre advisers shouldn't shy away from offering jobs in the sex industry to the long-term unemployed.
Molly Luft, who sold her famous Berlin brothel two months ago and now runs a bar in the city's lively Kreuzberg district, on Monday said the sex industry was always looking for new recruits.
"Why shouldn't they send the unemployed to work in the sex industry? Before it was a grey zone, but now employees are insured and receive benefits," Luft told Reuters. "People would no longer be unemployed and could earn themselves a living."
Most business sectors in Germany are shedding workers, and unemployment is expected to exceed five million, nearly 11 percent of the workforce, in January for the first time since reunification in 1990.
German sex workers have been on a par with any other employee since the government legalised prostitution in 2001. They are entitled to social security benefits and pay taxes.
Registered brothel keepers also believe they have a right to seek new staff through job centres and have been scouring job seekers' databases for suitable matches.
"I was always looking for workers over 30 years in the trade. People aren't willing to work very much but they expect to earn a lot of money," Luft said.
A spokesman for the Federal Labour Office said that if job seekers said they were prepared to work as, for example, dancers in strip bars, advisers could put them in touch with any suitable employers, but vacancies would not be displayed in job centres.
He also stressed job centres would not look for prostitutes on behalf of brothels, nor offer sex industry jobs to people who hadn't specifically mentioned it as an area of interest.
Speculation has grown over recent weeks that Germany's new welfare reforms, obliging the long-term unemployed to take any available job or risk losing their benefits, could lead to
women being offered jobs in the sex industry.
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Verlinkung
Meine Antwort zu den Anfeindungen gegen Domenica.
Meine Einschätzung zum Niedrigpreis-Geschäftsmodell:
viewtopic.php?p=52027#52027
Sehenswerter Film:
Ausgestiegen, das harte Leben der Ex-Huren
Film von Gesine Enwaldt und Inka Wienen
viewtopic.php?t=3849
viewtopic.php?p=52229#52229 (film members-only)
.
Meine Einschätzung zum Niedrigpreis-Geschäftsmodell:
viewtopic.php?p=52027#52027
Sehenswerter Film:
Ausgestiegen, das harte Leben der Ex-Huren
Film von Gesine Enwaldt und Inka Wienen
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Lebensgeschichte eines Machers:
Ausstieg auch ein Thema für Zuhälter
Vom Profiteur zum Prostitutionsgegner
Vom Ausbeuter zum Klerikalen - Ein Leben in Extremen:
Der Paulus von St. Pauli
Peter Töpfer

Peter Töpfer (Bild: lukas coch/zeitenspiegel)
Langsam lässt Peter Töpfer seinen Kombi über das Kopfsteinpflaster der Davidstraße rollen, blickt nach links, nach rechts, alles sieht so anders aus und doch wie früher, er biegt ab, hin zum Hans-Albers-Platz. Wie ein Faraday'scher Käfig vor Blitzen schützt, so scheint ihn das Auto vor Einschlägen der Erinnerungen zu schützen. Fast zwanzig Jahre ist es her, dass er das letzte Mal hier war. Aber da ist immer noch diese Angst. Nicht vor irgendwelchen Typen, die ihn noch kennen könnten. Die kommen erst nachts auf die Straße, wenn der Kiez in rosarotes und blaues Neonlicht getaucht ist.
Jetzt leuchtet die Vormittagssonne jeden Winkel des Viertels aus, das noch den Rausch der letzten Nacht auszuschlafen scheint. Alles ruhig, nur Peter Töpfer nicht. Mit tiefer, leiser Stimme sagt er: "St. Pauli ist für mich nicht ungefährlich. Auch nach all der Zeit nicht." Die Geister der Vergangenheit, ihre Gewalt, ihre Gelüste, sie sind nicht totzukriegen. Aber er hat den Kampf mit ihnen aufgenommen.
Mit Gottes Hilfe. "Der Herr sagt: ‚Die Last, die ich auferlege, ist leicht zu tragen.' Ich möchte, dass mein Leben geführt ist von Gott, in allem. Was soll mir passieren?" Töpfer kennt sich aus mit Gottes Wort. Der stämmige 61-Jährige mit der hohen Stirn und dem Seitenscheitel ist Prediger bei der evangelisch-freikirchlichen Glaubensgemeinschaft Mission Kwasizabantu. Mehrere Male pro Woche spricht er vor Kirchengemeinden. In Berlin, in Wolfsburg, in der Schweiz – wo immer das Wort Gottes Gehör findet.
Mission von Gottes Gnaden
Die Mission Kwasizabantu (KSB) ist eine evangelische Buß- und Bekehrungsgemeinschaft mit weltweit rund 40.000 Anhängern. Der deutschstämmige lutherische Prediger Erlo Stegen gründete sie 1966 im Zulu-Stammesgebiet von Südafrika, "als Gott in seiner Gnade mir... eine Erweckung unter den Zulus schenkte".
Die Erweckung, von der es heißt, dass sie mit spontanen Heilungen und anderen Übernatürlichkeiten einhergehen kann, stellt ein zentrales Element der KSB-Lehre dar.
Rigide Kleidungsvorschriften ächten alles Körperbetonte. Frauen dürfen sich nicht schminken. Hochzeiten werden "im Sinne Gottes" angebahnt. Manchmal lernen sich die Ehepartner, ähnlich wie in islamischen Traditionen, vor der Heirat kaum oder gar nicht kennen. Kritiker werfen der KSB sektenartige Züge vor ( www.ksb-alert.com ).
Oft fährt er nach Lindach, ein 3000-Seelen-Dorf bei Schwäbisch Gmünd. Hier liegt die Süddeutschland-Zentrale der Mission Kwasizabantu. Nur wenige Schritte neben der missionseigenen Grund- und Realschule steht die Gemeindehalle, ein Wellblechbau, der früher als Lager diente. Knapp 200 Gläubige sind an einem Donnerstagabend im Januar zusammen-gekommen, um Töpfers Predigt zu hören. Die Männer in Bügelfaltenhosen, die Frauen in langen, weiten Röcken. "Glücklich ist ein Mensch, wenn er sagen kann: Jesus Christus hat die Werke der Finsternis in mir zerstört." Peter Töpfer stützt den Ellenbogen auf das Pult und blickt über seine Lesebrille auf die Gemeinde. "Wer Sünde tut, der ist vom Teufel", zitiert er aus dem Johannes-Evangelium. Seine Stimme wiegt sich in sanftem Singsang. Er spricht von Vergebung, Bekehrung, Gnade und Glück. Hinter ihm ein Holzkreuz, daneben, auf einer Spanholzplatte, der Bibelvers: "Gott will, dass alle Menschen errettet werden."
Als seine Predigt endet, tritt der Gemeindeleiter ans Pult. In gemütlichem Schwäbisch bittet er zum Gesang. Er und Töpfer kennen sich bereits viele Jahre. Gemeinsam haben sie manches Werk der Finsternis verhindert. 2005 zum Beispiel, als sie in Schorndorf, einem kleinen Ort bei Stuttgart, mit einer Bürgerinitiative gegen die Genehmigung eines Bordells kämpften. "Bordelle", sagt Töpfer, "sind des Teufels."
Peter Töpfer parkt an der Davidstraße. Er zögert, einen Augenblick. Dann verlässt er seinen Faraday'schen Käfig und setzt den Fuß dorthin, wo sein Kiezleben begonnen hatte, damals, in den Sechzigern. Vor der Eckkneipe Anker am Eingang der Herbertstraße, dem berühmtesten Straßenstrich Deutschlands, zeigt er auf die Fensterchen im ersten Stock. "Hier, direkt über dem Anker, hab ich 1975 mein erstes Bordell eröffnet."
Als Zuhälter wird man nicht geboren, zum Zuhälter wird man gemacht. Alle sagen das auf St. Pauli, die großen Fische und die kleinen. Peter Töpfer war ein Fisch irgendwo dazwischen. Direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er in Meßkirch in Baden-Württemberg geboren, im hügeligen Niemandsland zwischen Donau und Bodensee. Er war Besatzungskind, Schlüsselkind, Problemkind. Seinen Vater, ein Offizier der französischen Armee, lernte er nie kennen. Seine Mutter musste arbeiten, hatte keine Zeit für ihn. Er wuchs auf der Straße auf, geriet mit der Polizei aneinander: Einbrüche, Schlägereien – als Flucht aus der Langeweile, auf der Suche nach Anerkennung. Seine Mutter hörte Volksmusik. Er wollte ein Rock'n'Roll-Leben. Er musste raus aus Meßkirch.
Als er volljährig wurde, ging er nach Hamburg und heuerte bei der Handelsmarine an. Das Matrosenleben war eine einzige Party. Er sah die Welt und verdiente genug, um sich bei Landgängen zu besaufen. Peter Töpfer lernte Spanisch. Genau ein Wort: "Pastillas contra dolor de cabeza" – Kopfschmerztabletten.
Erst Kneipengast, dann Freier
Immer wieder kehrte er nach Hamburg zurück, wurde Stück für Stück von St. Pauli aufgesogen. Erst als Kneipengast, dann als Freier in der Bordellszene. Bald stand er selbst hinterm Kneipentresen, schenkte Schnaps aus und zog die Kunden so gut es ging über den Tisch. "Istanbul hieß diese Kneipe. Da ging alles los, Mitte der Sechziger." Vor der Spelunke, die heute Pils-Börse heißt, stehen immer noch Frauen Spalier. "Von da an dauerte es nicht mehr lange, bis ich ein, zwei, drei Prostituierte hatte." Er wurde zum Luden. Hatte auf einmal Geld. Viel Geld. Bis zu fünfhundert, manchmal tausend Mark brachte ihm eine Hure ein. Pro Tag. Immer mehr Frauen schafften für ihn an, schon nach wenigen Monaten hatte er sich unter den Kiezgrößen einen Namen gemacht. Einige Jahre später mietete er sich im Eros-Center ein – damals Europas größtes Bordell, das Willi Bartels, der "König von St. Pauli", mit dem Segen der Stadtväter hochgezogen hatte.
Das Eros-Center heißt heute Paradise Point of Sex. Auf dem Weg dahin kommt Peter Töpfer an weiteren Stationen seines früheren Lebens vorbei: Clubs, Diskotheken – "ideale Orte, um frische Mädchen für den Strich zu rekrutieren". An der Ecke zur Großen Freiheit biegt er durch eine dunkle Unterführung in einen Innenhof ein. "Das hier war der Kontakthof", sagt er. Hier warteten die Frauen auf Freier, um sie dann auf eines der 200 Zimmer mitzunehmen.
Mitte der 1970er Jahre schloss sich Töpfer mit anderen Zuhältern zur "Nutella-Bande" zusammen. Knapp zehn Männer – für die mehr als hundert Huren anschafften. Er investierte sein schnelles Geld in schnelle Autos, in Luxusreisen und Goldschmuck, gönnte sich einen Cadillac Eldorado, ein langes, stolzes Straßenschlachtschiff. Er war nicht mehr Matrose. Jetzt war er Kapitän. Die Jahre verflogen wie im Rausch, der Geldstrom aus den Bordellen schien unerschöpflich. Das englische Boulevardblatt Daily Mirror kürte St. Pauli zur "Sex-Hauptstadt der Welt". Töpfer und seine Kumpane waren ihre Kämmerer. Fast täglich trafen sie sich im Café Adler von Dieter Bockhorn und Uschi Obermaier. Es wurde gekifft, gekokst, und die Zeit dazwischen überbrückten Cognac und Klarer. Sonntagmorgens fanden im Adler Gottesdienste statt, zu denen sich Dealer, Zuhälter und Zwielichtige versammelten. Die Predigten hielt ein blonder, langhaariger Hippie, der meist so breit war wie seine Zuhörer.
Anfang der 1980er Jahre hatte der Kiez einen Kater. Bisher waren Geschäfte und Meinungsverschiedenheiten mit Geld oder Fäusten geregelt worden. Stets galt der Kiezkodex: Kein Verrat an die Bullen! Keine Waffen! Doch das Klima wurde kälter. Am 28. September 1981 wurde St. Pauli von Schüssen erschüttert. Der Zuhälter Fritz Schröder (Chinesen-Fritz) verblutete im Boxlokal Ritze, der Mord blieb ungeklärt. Töpfer, der Chinesen-Fritz gut kannte, traf Vorkehrungen. "Vorsicht bei Festnahme – Schusswaffengebrauch!", stand in seiner Polizeiakte. Er kam in eine Sinnkrise. Ist es das wert? Was hat Wert? Er stellte sein Leben in Frage, zum ersten Mal.
Peter Töpfer steht im Kontakthof. "Das ist alles so klein und hässlich, bei Tageslicht." Er seufzt. "Am schönsten wär's, wenn all diese Läden pleite gingen." Er tritt wieder auf die sonnendurchflutete Große Freiheit, über der Reklameschilder für Bier, Discos und Sexclubs werben. Schräg gegenüber steht eine Kirche, St. Joseph. Töpfers Blick wandert ihre Klinkerfassade hinauf. Seine Hände packen die eisernen Gitterstäbe des Kirchentors. Er muss lachen. Es gibt ein richtiges Leben im falschen, scheint ihm das kleine Gotteshaus zu sagen.
1981, zwei Jahre, nachdem die Polizei das Café Adler nach mehreren Drogenrazzien geschlossen hatte, traf Töpfer auf der Straße den Hippie-Prediger wieder. Doch den Hippie-Prediger gab es nicht mehr: Er hatte jetzt kurze Haare, trug einen Anzug, er brauche keine Drogen mehr, sagte er, er brauche nur noch Jesus, der habe zu ihm gesprochen. In Südafrika, bei der christlichen Mission Kwasizabantu.
"Ach du Scheiße!", dachte Töpfer. "Jesus hat zu ihm gesprochen. Jetzt ham' sie ihn fertig gemacht!" Doch in seiner Sinnsuche war er auch fasziniert. Er ließ sich zum Besuch eines Gottesdienstes überreden. Mit offenem Hemd und Goldkette lauschte er den Worten des Predigers, der von Neid sprach und von Hass und Hurerei. Töpfer war wie elektrisiert. Er dachte: "Wer hat denn dem mein Leben erzählt?"
Danach war seine Sehnsucht, einen Schlussstrich zu ziehen, nicht mehr zu stillen, weder durch Alkohol noch durch Drogen. Er trennte sich von seinen Bordellen. Er verabschiedete sich von seinen Nutella-Kumpanen. Die wollten ihn in den Urlaub schicken, er solle sich erholen, auf Hawaii. Aber er wollte keinen Urlaub von seinem alten Leben. Er wollte ein neues. Er eröffnete einen Gebrauchtmöbelladen in Altona, besuchte Bibelkreise, heiratete seine Freundin, mit der er ein kleines Kind hatte.
"Meine Sünden waren so grausam"
Sein neues Leben war zwei Jahre alt, da hatte er "das größte Erlebnis überhaupt". Peter Töpfers Stimme wird lauter, er gestikuliert. "Während eines Gottesdienstes ging es um diese Bibelstelle, wo die Jünger zu Jesus sagen: Wenn du willst, kannst du Feuer auf die Ungläubigen herabfallen lassen!' Er erwidert ihnen: Ich bin doch gekommen, um zu retten! Das war wie ein Blitz – und mein ganzes Leben stand mir vor Augen. Ich war so erschrocken!" Peter Töpfer macht eine beschwörende Geste, sucht nach Worten: "Meine Sünden waren so grausam! Ich spürte auf meinen Schultern einen Sack, der immer schwerer wurde, ich bin aufs Gesicht gefallen und habe bitterlich geweint. Um mich war es stockdunkel."
Fünfundzwanzig Jahre ist das her. Doch auf einmal ist die Finsternis wieder ganz nah. Er schlägt die Hände vors Gesicht. "Ich lag da. Ich dachte: Jetzt musst du sterben! Jetzt ist es aus. Da hörte ich eine Stimme. Der Gemeindeleiter kniete neben mir, er las aus der Bibel – all die Stellen, in denen es um die Vergebung der Sünden geht. Ich hörte das. Und spürte, wie meine Schultern leichter wurden. Dann wurde es taghell." Peter Töpfer spreizt die Finger, blickt mit blitzenden Augen zwischen ihnen hervor. "Da wusste ich: Jetzt hat Gott dir vergeben."
"Nie wieder zurück!", sagte er sich damals. Er könne nachempfinden, was Saulus passiert war, als ihm auf dem Weg nach Damaskus das Licht erschien und ihn zum Paulus gemacht hat. Töpfer wollte den Weg zu Gott gehen. Doch seine Frau, "die liebte das Leben". Seine radikale Frömmigkeit verstörte sie. Sie ließ sich scheiden, nahm die Tochter mit. Töpfer blieb zurück. Allein, mit Gott – "Gott hat mir das Leben gerettet".
Wie Recht er damit haben sollte, erfuhr er schon bald aus Zeitung und Fernsehen. Der Ehrenkodex zählte nichts mehr im St. Pauli der 1980er Jahre. Im Oktober 1982 gibt es eine Schießerei im Eros-Center. Klaus Breitenreicher und Jürgen Becker von der Nutella-Bande sterben im Kugelhagel. "Wäre ich geblieben, wäre ich auch getötet worden." Auf dem Kiez kamen mehr als zwei Dutzend seiner Bekannten um. "Mord, Selbstmord, Drogen, Aids", zählt er auf.
Peter Töpfer sitzt wieder in seinem dunkelblauen Kombi und schließt die Augen. "Bitte Herr, sei Du weiter mit mir. Amen", betet er. Dann startet er den Motor. Sein Ziel: Haus Druhwald, eine Wohnsiedlung in einem Waldgebiet eine halbe Autobahnstunde südlich von Hamburg – die Norddeutschland-Zentrale der Mission Kwasizabantu. Das Zuhause seines neuen Lebens.
Auf den letzten Schritten in dieses Leben hat er Ordnung gemacht. "Ich bin zu den Menschen gegangen, denen ich Böses getan hatte, und bat sie um Vergebung." Alle haben sie ihm vergeben, sagt er: Ein Kiez-Kollege, der ihn umbringen wollte, die Eltern der Mädchen, die er in die Prostitution gelockt hatte, Betrogene, die noch gar nichts von Töpfers Betrug gewusst hatten. Und eine Frau, die Töpfers Tun nie vergessen konnte. Er hatte sie als Jugendlicher im Alkoholrausch vergewaltigt.
Druhwald liegt auf einer Lichtung zwischen dicht stehenden Buchen, Birken und Fichten. Siebzehn Klinkerhäuser mit Gästezimmern für mehr als 300 Leute stehen darauf, eine Halle für die Gottesdienste, ein von rostigem Maschendraht umgrenzter Bolzplatz, ein Hühnerstall. Rauchschwaden ziehen zwischen den Häusern hindurch. Es wird mit Holz geheizt. Keine Menschenseele weit und breit, es ist atemberaubend ruhig, wenn gerade keine Bibelfreizeiten stattfinden. Acht Familien leben in Druhwald. Und Peter Töpfer.
Nie wieder zurück! In Töpfers Wohnung gibt es nichts, was an die Zeit vor seinem Leben als Laienprediger erinnert. Nur der Führerschein von 1977 hat die Zeitenwende überdauert.
Auf dem Wohnzimmertisch eine blumenbestickte Tischdecke. An den Wänden Aquarelle von Landschaften, Bauernhäusern, Bäumen. Hochzeitsfotos seiner Kwasizabantu-Brüder und -Schwestern. Und Fotos von Gottesdiensten der Mission in Südafrika. Fast jedes Jahr fliegt er dorthin. Er hat Zulu gelernt. Genau ein Wort: "Yabonga" – Dankeschön.
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/ ... Pauli.html
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Vom Profiteur zum Prostitutionsgegner
Vom Ausbeuter zum Klerikalen - Ein Leben in Extremen:
Der Paulus von St. Pauli
Peter Töpfer

Peter Töpfer (Bild: lukas coch/zeitenspiegel)
Langsam lässt Peter Töpfer seinen Kombi über das Kopfsteinpflaster der Davidstraße rollen, blickt nach links, nach rechts, alles sieht so anders aus und doch wie früher, er biegt ab, hin zum Hans-Albers-Platz. Wie ein Faraday'scher Käfig vor Blitzen schützt, so scheint ihn das Auto vor Einschlägen der Erinnerungen zu schützen. Fast zwanzig Jahre ist es her, dass er das letzte Mal hier war. Aber da ist immer noch diese Angst. Nicht vor irgendwelchen Typen, die ihn noch kennen könnten. Die kommen erst nachts auf die Straße, wenn der Kiez in rosarotes und blaues Neonlicht getaucht ist.
Jetzt leuchtet die Vormittagssonne jeden Winkel des Viertels aus, das noch den Rausch der letzten Nacht auszuschlafen scheint. Alles ruhig, nur Peter Töpfer nicht. Mit tiefer, leiser Stimme sagt er: "St. Pauli ist für mich nicht ungefährlich. Auch nach all der Zeit nicht." Die Geister der Vergangenheit, ihre Gewalt, ihre Gelüste, sie sind nicht totzukriegen. Aber er hat den Kampf mit ihnen aufgenommen.
Mit Gottes Hilfe. "Der Herr sagt: ‚Die Last, die ich auferlege, ist leicht zu tragen.' Ich möchte, dass mein Leben geführt ist von Gott, in allem. Was soll mir passieren?" Töpfer kennt sich aus mit Gottes Wort. Der stämmige 61-Jährige mit der hohen Stirn und dem Seitenscheitel ist Prediger bei der evangelisch-freikirchlichen Glaubensgemeinschaft Mission Kwasizabantu. Mehrere Male pro Woche spricht er vor Kirchengemeinden. In Berlin, in Wolfsburg, in der Schweiz – wo immer das Wort Gottes Gehör findet.
Mission von Gottes Gnaden
Die Mission Kwasizabantu (KSB) ist eine evangelische Buß- und Bekehrungsgemeinschaft mit weltweit rund 40.000 Anhängern. Der deutschstämmige lutherische Prediger Erlo Stegen gründete sie 1966 im Zulu-Stammesgebiet von Südafrika, "als Gott in seiner Gnade mir... eine Erweckung unter den Zulus schenkte".
Die Erweckung, von der es heißt, dass sie mit spontanen Heilungen und anderen Übernatürlichkeiten einhergehen kann, stellt ein zentrales Element der KSB-Lehre dar.
Rigide Kleidungsvorschriften ächten alles Körperbetonte. Frauen dürfen sich nicht schminken. Hochzeiten werden "im Sinne Gottes" angebahnt. Manchmal lernen sich die Ehepartner, ähnlich wie in islamischen Traditionen, vor der Heirat kaum oder gar nicht kennen. Kritiker werfen der KSB sektenartige Züge vor ( www.ksb-alert.com ).
Oft fährt er nach Lindach, ein 3000-Seelen-Dorf bei Schwäbisch Gmünd. Hier liegt die Süddeutschland-Zentrale der Mission Kwasizabantu. Nur wenige Schritte neben der missionseigenen Grund- und Realschule steht die Gemeindehalle, ein Wellblechbau, der früher als Lager diente. Knapp 200 Gläubige sind an einem Donnerstagabend im Januar zusammen-gekommen, um Töpfers Predigt zu hören. Die Männer in Bügelfaltenhosen, die Frauen in langen, weiten Röcken. "Glücklich ist ein Mensch, wenn er sagen kann: Jesus Christus hat die Werke der Finsternis in mir zerstört." Peter Töpfer stützt den Ellenbogen auf das Pult und blickt über seine Lesebrille auf die Gemeinde. "Wer Sünde tut, der ist vom Teufel", zitiert er aus dem Johannes-Evangelium. Seine Stimme wiegt sich in sanftem Singsang. Er spricht von Vergebung, Bekehrung, Gnade und Glück. Hinter ihm ein Holzkreuz, daneben, auf einer Spanholzplatte, der Bibelvers: "Gott will, dass alle Menschen errettet werden."
Als seine Predigt endet, tritt der Gemeindeleiter ans Pult. In gemütlichem Schwäbisch bittet er zum Gesang. Er und Töpfer kennen sich bereits viele Jahre. Gemeinsam haben sie manches Werk der Finsternis verhindert. 2005 zum Beispiel, als sie in Schorndorf, einem kleinen Ort bei Stuttgart, mit einer Bürgerinitiative gegen die Genehmigung eines Bordells kämpften. "Bordelle", sagt Töpfer, "sind des Teufels."
Peter Töpfer parkt an der Davidstraße. Er zögert, einen Augenblick. Dann verlässt er seinen Faraday'schen Käfig und setzt den Fuß dorthin, wo sein Kiezleben begonnen hatte, damals, in den Sechzigern. Vor der Eckkneipe Anker am Eingang der Herbertstraße, dem berühmtesten Straßenstrich Deutschlands, zeigt er auf die Fensterchen im ersten Stock. "Hier, direkt über dem Anker, hab ich 1975 mein erstes Bordell eröffnet."
Als Zuhälter wird man nicht geboren, zum Zuhälter wird man gemacht. Alle sagen das auf St. Pauli, die großen Fische und die kleinen. Peter Töpfer war ein Fisch irgendwo dazwischen. Direkt nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er in Meßkirch in Baden-Württemberg geboren, im hügeligen Niemandsland zwischen Donau und Bodensee. Er war Besatzungskind, Schlüsselkind, Problemkind. Seinen Vater, ein Offizier der französischen Armee, lernte er nie kennen. Seine Mutter musste arbeiten, hatte keine Zeit für ihn. Er wuchs auf der Straße auf, geriet mit der Polizei aneinander: Einbrüche, Schlägereien – als Flucht aus der Langeweile, auf der Suche nach Anerkennung. Seine Mutter hörte Volksmusik. Er wollte ein Rock'n'Roll-Leben. Er musste raus aus Meßkirch.
Als er volljährig wurde, ging er nach Hamburg und heuerte bei der Handelsmarine an. Das Matrosenleben war eine einzige Party. Er sah die Welt und verdiente genug, um sich bei Landgängen zu besaufen. Peter Töpfer lernte Spanisch. Genau ein Wort: "Pastillas contra dolor de cabeza" – Kopfschmerztabletten.
Erst Kneipengast, dann Freier
Immer wieder kehrte er nach Hamburg zurück, wurde Stück für Stück von St. Pauli aufgesogen. Erst als Kneipengast, dann als Freier in der Bordellszene. Bald stand er selbst hinterm Kneipentresen, schenkte Schnaps aus und zog die Kunden so gut es ging über den Tisch. "Istanbul hieß diese Kneipe. Da ging alles los, Mitte der Sechziger." Vor der Spelunke, die heute Pils-Börse heißt, stehen immer noch Frauen Spalier. "Von da an dauerte es nicht mehr lange, bis ich ein, zwei, drei Prostituierte hatte." Er wurde zum Luden. Hatte auf einmal Geld. Viel Geld. Bis zu fünfhundert, manchmal tausend Mark brachte ihm eine Hure ein. Pro Tag. Immer mehr Frauen schafften für ihn an, schon nach wenigen Monaten hatte er sich unter den Kiezgrößen einen Namen gemacht. Einige Jahre später mietete er sich im Eros-Center ein – damals Europas größtes Bordell, das Willi Bartels, der "König von St. Pauli", mit dem Segen der Stadtväter hochgezogen hatte.
Das Eros-Center heißt heute Paradise Point of Sex. Auf dem Weg dahin kommt Peter Töpfer an weiteren Stationen seines früheren Lebens vorbei: Clubs, Diskotheken – "ideale Orte, um frische Mädchen für den Strich zu rekrutieren". An der Ecke zur Großen Freiheit biegt er durch eine dunkle Unterführung in einen Innenhof ein. "Das hier war der Kontakthof", sagt er. Hier warteten die Frauen auf Freier, um sie dann auf eines der 200 Zimmer mitzunehmen.
Mitte der 1970er Jahre schloss sich Töpfer mit anderen Zuhältern zur "Nutella-Bande" zusammen. Knapp zehn Männer – für die mehr als hundert Huren anschafften. Er investierte sein schnelles Geld in schnelle Autos, in Luxusreisen und Goldschmuck, gönnte sich einen Cadillac Eldorado, ein langes, stolzes Straßenschlachtschiff. Er war nicht mehr Matrose. Jetzt war er Kapitän. Die Jahre verflogen wie im Rausch, der Geldstrom aus den Bordellen schien unerschöpflich. Das englische Boulevardblatt Daily Mirror kürte St. Pauli zur "Sex-Hauptstadt der Welt". Töpfer und seine Kumpane waren ihre Kämmerer. Fast täglich trafen sie sich im Café Adler von Dieter Bockhorn und Uschi Obermaier. Es wurde gekifft, gekokst, und die Zeit dazwischen überbrückten Cognac und Klarer. Sonntagmorgens fanden im Adler Gottesdienste statt, zu denen sich Dealer, Zuhälter und Zwielichtige versammelten. Die Predigten hielt ein blonder, langhaariger Hippie, der meist so breit war wie seine Zuhörer.
Anfang der 1980er Jahre hatte der Kiez einen Kater. Bisher waren Geschäfte und Meinungsverschiedenheiten mit Geld oder Fäusten geregelt worden. Stets galt der Kiezkodex: Kein Verrat an die Bullen! Keine Waffen! Doch das Klima wurde kälter. Am 28. September 1981 wurde St. Pauli von Schüssen erschüttert. Der Zuhälter Fritz Schröder (Chinesen-Fritz) verblutete im Boxlokal Ritze, der Mord blieb ungeklärt. Töpfer, der Chinesen-Fritz gut kannte, traf Vorkehrungen. "Vorsicht bei Festnahme – Schusswaffengebrauch!", stand in seiner Polizeiakte. Er kam in eine Sinnkrise. Ist es das wert? Was hat Wert? Er stellte sein Leben in Frage, zum ersten Mal.
Peter Töpfer steht im Kontakthof. "Das ist alles so klein und hässlich, bei Tageslicht." Er seufzt. "Am schönsten wär's, wenn all diese Läden pleite gingen." Er tritt wieder auf die sonnendurchflutete Große Freiheit, über der Reklameschilder für Bier, Discos und Sexclubs werben. Schräg gegenüber steht eine Kirche, St. Joseph. Töpfers Blick wandert ihre Klinkerfassade hinauf. Seine Hände packen die eisernen Gitterstäbe des Kirchentors. Er muss lachen. Es gibt ein richtiges Leben im falschen, scheint ihm das kleine Gotteshaus zu sagen.
1981, zwei Jahre, nachdem die Polizei das Café Adler nach mehreren Drogenrazzien geschlossen hatte, traf Töpfer auf der Straße den Hippie-Prediger wieder. Doch den Hippie-Prediger gab es nicht mehr: Er hatte jetzt kurze Haare, trug einen Anzug, er brauche keine Drogen mehr, sagte er, er brauche nur noch Jesus, der habe zu ihm gesprochen. In Südafrika, bei der christlichen Mission Kwasizabantu.
"Ach du Scheiße!", dachte Töpfer. "Jesus hat zu ihm gesprochen. Jetzt ham' sie ihn fertig gemacht!" Doch in seiner Sinnsuche war er auch fasziniert. Er ließ sich zum Besuch eines Gottesdienstes überreden. Mit offenem Hemd und Goldkette lauschte er den Worten des Predigers, der von Neid sprach und von Hass und Hurerei. Töpfer war wie elektrisiert. Er dachte: "Wer hat denn dem mein Leben erzählt?"
Danach war seine Sehnsucht, einen Schlussstrich zu ziehen, nicht mehr zu stillen, weder durch Alkohol noch durch Drogen. Er trennte sich von seinen Bordellen. Er verabschiedete sich von seinen Nutella-Kumpanen. Die wollten ihn in den Urlaub schicken, er solle sich erholen, auf Hawaii. Aber er wollte keinen Urlaub von seinem alten Leben. Er wollte ein neues. Er eröffnete einen Gebrauchtmöbelladen in Altona, besuchte Bibelkreise, heiratete seine Freundin, mit der er ein kleines Kind hatte.
"Meine Sünden waren so grausam"
Sein neues Leben war zwei Jahre alt, da hatte er "das größte Erlebnis überhaupt". Peter Töpfers Stimme wird lauter, er gestikuliert. "Während eines Gottesdienstes ging es um diese Bibelstelle, wo die Jünger zu Jesus sagen: Wenn du willst, kannst du Feuer auf die Ungläubigen herabfallen lassen!' Er erwidert ihnen: Ich bin doch gekommen, um zu retten! Das war wie ein Blitz – und mein ganzes Leben stand mir vor Augen. Ich war so erschrocken!" Peter Töpfer macht eine beschwörende Geste, sucht nach Worten: "Meine Sünden waren so grausam! Ich spürte auf meinen Schultern einen Sack, der immer schwerer wurde, ich bin aufs Gesicht gefallen und habe bitterlich geweint. Um mich war es stockdunkel."
Fünfundzwanzig Jahre ist das her. Doch auf einmal ist die Finsternis wieder ganz nah. Er schlägt die Hände vors Gesicht. "Ich lag da. Ich dachte: Jetzt musst du sterben! Jetzt ist es aus. Da hörte ich eine Stimme. Der Gemeindeleiter kniete neben mir, er las aus der Bibel – all die Stellen, in denen es um die Vergebung der Sünden geht. Ich hörte das. Und spürte, wie meine Schultern leichter wurden. Dann wurde es taghell." Peter Töpfer spreizt die Finger, blickt mit blitzenden Augen zwischen ihnen hervor. "Da wusste ich: Jetzt hat Gott dir vergeben."
"Nie wieder zurück!", sagte er sich damals. Er könne nachempfinden, was Saulus passiert war, als ihm auf dem Weg nach Damaskus das Licht erschien und ihn zum Paulus gemacht hat. Töpfer wollte den Weg zu Gott gehen. Doch seine Frau, "die liebte das Leben". Seine radikale Frömmigkeit verstörte sie. Sie ließ sich scheiden, nahm die Tochter mit. Töpfer blieb zurück. Allein, mit Gott – "Gott hat mir das Leben gerettet".
Wie Recht er damit haben sollte, erfuhr er schon bald aus Zeitung und Fernsehen. Der Ehrenkodex zählte nichts mehr im St. Pauli der 1980er Jahre. Im Oktober 1982 gibt es eine Schießerei im Eros-Center. Klaus Breitenreicher und Jürgen Becker von der Nutella-Bande sterben im Kugelhagel. "Wäre ich geblieben, wäre ich auch getötet worden." Auf dem Kiez kamen mehr als zwei Dutzend seiner Bekannten um. "Mord, Selbstmord, Drogen, Aids", zählt er auf.
Peter Töpfer sitzt wieder in seinem dunkelblauen Kombi und schließt die Augen. "Bitte Herr, sei Du weiter mit mir. Amen", betet er. Dann startet er den Motor. Sein Ziel: Haus Druhwald, eine Wohnsiedlung in einem Waldgebiet eine halbe Autobahnstunde südlich von Hamburg – die Norddeutschland-Zentrale der Mission Kwasizabantu. Das Zuhause seines neuen Lebens.
Auf den letzten Schritten in dieses Leben hat er Ordnung gemacht. "Ich bin zu den Menschen gegangen, denen ich Böses getan hatte, und bat sie um Vergebung." Alle haben sie ihm vergeben, sagt er: Ein Kiez-Kollege, der ihn umbringen wollte, die Eltern der Mädchen, die er in die Prostitution gelockt hatte, Betrogene, die noch gar nichts von Töpfers Betrug gewusst hatten. Und eine Frau, die Töpfers Tun nie vergessen konnte. Er hatte sie als Jugendlicher im Alkoholrausch vergewaltigt.
Druhwald liegt auf einer Lichtung zwischen dicht stehenden Buchen, Birken und Fichten. Siebzehn Klinkerhäuser mit Gästezimmern für mehr als 300 Leute stehen darauf, eine Halle für die Gottesdienste, ein von rostigem Maschendraht umgrenzter Bolzplatz, ein Hühnerstall. Rauchschwaden ziehen zwischen den Häusern hindurch. Es wird mit Holz geheizt. Keine Menschenseele weit und breit, es ist atemberaubend ruhig, wenn gerade keine Bibelfreizeiten stattfinden. Acht Familien leben in Druhwald. Und Peter Töpfer.
Nie wieder zurück! In Töpfers Wohnung gibt es nichts, was an die Zeit vor seinem Leben als Laienprediger erinnert. Nur der Führerschein von 1977 hat die Zeitenwende überdauert.
Auf dem Wohnzimmertisch eine blumenbestickte Tischdecke. An den Wänden Aquarelle von Landschaften, Bauernhäusern, Bäumen. Hochzeitsfotos seiner Kwasizabantu-Brüder und -Schwestern. Und Fotos von Gottesdiensten der Mission in Südafrika. Fast jedes Jahr fliegt er dorthin. Er hat Zulu gelernt. Genau ein Wort: "Yabonga" – Dankeschön.
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/ ... Pauli.html
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Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 28.05.2009, 14:58, insgesamt 2-mal geändert.