Aberglaube, die Poesie des Lebens

Historische Betrachtungsweisen der Prostitution - Ein Spiegel der jeweiligen Zeit und Moral.
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nina777
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Aberglaube, die Poesie des Lebens

Beitrag von nina777 »

Aberglaube, die Poesie des Lebens

Ob böser Blick oder Fruchtbarkeitszauber: Im Spätmittelalter wurden den Prostituierten rätselhafte Kräfte zugeschrieben. Eine Straßenführerin stellt den Fischmarkt vor, wo sich die Dirnen mit einer Art Kondom eindeckten.


Köln - Rot ist die Farbe der Liebe – und der Sünde. Deshalb mussten die Kölner Prostituierten rote Kopftücher tragen, das beschloss der Rat im Jahr 1389. Auf Anhieb ließen sich so sämtliche „gemeyn Frauwen“ – die Straßendirnen – von „ehrbaren“ Damen unterscheiden. Überhaupt galt es zuweilen als gefährlich, einer Hure in den engen Gassen der Stadt zu nahe zu kommen. Einige von ihnen hatten den „bösen Blick“, der Tod und Unglück über das Opfer bringen konnte – davon war man im Mittelalter überzeugt.

Durch und durch abergläubisch waren die Menschen zu jener Zeit, Großstädter ebenso wie die Landbevölkerung, und gerade die „unzüchtigen Weibspersonen“ am äußersten Rand der Gesellschaft boten eine willkommene Projektionsfläche für aufwallende Ängste und ausufernde Fantasien. „Rätselhafte Kräfte wurden ihnen zugeschrieben. Meistens unheilvolle, manchmal aber auch positive“, sagt Stadtführerin Annemarie Haupert. So durfte eine Hausfrau mit unerfülltem Kinderwunsch damit rechnen, bald guter Hoffnung zu sein – wenn sie per Zufall einer Hure begegnete.

„Da fließen uralte Vorstellungen mit ein, Reste eines antiken Liebes- und Fruchtbarkeitszaubers“, ergänzt die 46-Jährige, die auch sich selbst als abergläubisch bezeichnet. Aus diesem Grund hat sie sich mit dem Phänomen eingehend beschäftigt und bietet seit kurzem hierzu einen Spaziergang durch die Kölner City an. Viele Aspekte des Themas werden unterwegs angesprochen; den Dirnen und ihrer Lebenswelt widmet sie auf dem ehemaligen Fischmarkt in der Altstadt ein eigenes Kapitel. „Genau dort, wo sich die Prostituierten damals mit Fischblasen versorgten, einem frühen Vorläufer des Kondoms.“

Das malerische Karree ganz in der Nähe des Rheins ist der Lieblingsort von Annemarie Haupert, denn hier lässt es sich wunderbar in frühere Zeiten eintauchen. „Der Aberglaube erlebte im Spätmittelalter seine Blütezeit“, erzählt die Stadtführerin. Eine erstaunliche Entwicklung, schließlich hatten die Völker Europas zu diesem Zeitpunkt eine Jahrhunderte lange Christianisierung hinter sich. Die immer mächtiger werdende Kirche ahndete solch „heidnische“ und „unmoralische“ Riten erbarmungslos. Im eigenen Interesse. Das magische Wissen wurzelte in Kulturpraktiken aus vorchristlicher Zeit und konnte so nicht nur dem einzig „wahren“ Glauben gefährlich werden, sondern auch seinen ehrgeizigen Verkündern – dem Klerus. So ließ sich die aufflammende Lust am Magischen durchaus als Kritik an einem mittlerweile erstarrten Katholizismus sehen.

Die neue Entwicklung konnte nie mehr ganz eingedämmt werden, und Annemarie Haupert ist den Menschen des Mittelalters noch heute dankbar dafür. Im Aberglauben sieht sie „die Poesie des Lebens“ – ganz im Einklang mit Johann Wolfgang von Goethe, der das Phänomen 1823 mit ebendiesen Worten beschrieb. Die Kölnerin selbst ist „in einem abergläubischen Haushalt aufgewachsen“. Noch heute lässt sie sich gerne die Karten legen; regelmäßig streut sie auch Salz in ihr Portemonnaie: „Damit mir das Geld niemals ausgeht.“ Apropos Salz. Vor der Türschwelle verteilt, erhöht es ebenfalls die geradezu „magische“ Anziehungskraft einer Hure und bringt ihr weitere Freier ins Haus, so will es die Überlieferung.

Dies machten sich die Prostituierten im Mittelalter zunutze, erzählt Annemarie Haupert. Ebenfalls beliebt waren Zauber-Riten mit empfängnisverhütender Wirkung. Vor ungewollter Schwangerschaft sollte etwa ein Bauchtanz schützen, bei dem die Dame sieben Mal auf und ab hüpfen musste. Auch kräftiges Niesen könne helfen, rieten die uralten Quellen. Wer dran glaubt...

http://www.ksta.de/html/artikel/1270399126551.shtml
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rainman
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Beitrag von rainman »

Ja, ja, der Aberglaube! So ganz kann sich auch heute noch keiner davon freischwimmen. Ich weiß auch nicht recht, warum ich die Zahl 13 nicht mag.
Vieles mag ja heutzutage ganz skurril und lustig erscheinen. Aber auf der anderen Seite ist der verdammte Aberglaube auch schuld an Millionen von HIV-Infizierten in Schwarzafrika (vgl. Peter Scholl-Latour: Afrikanische Totenklage. München 5/2001).

LG rainman

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Marc of Frankfurt
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Magie im Alltag

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Ein extrem wilder Tanz (Veitstanz) kann möglicherweise einen Schwangerschaftsabbruch/Fehlgeburt auslösen.

Salt zieht hygroskopisch die Feuchtigkeit an und manche benutzen es magisch zur Ausleitung schlechter Energien (Salzfäßchen in der Zimmerecke). Ob es auch eine Duftstoffwirkung hat die wie die Sexualphermone wirkt? Tiere werden z.B. von den Lecksteinen 'magisch' angezogen wie Menschen von Salzstangen um ihren Mineralhaushalt aufzufüllen...

Geldriten für guten Verdienst sind Münzen unter der Matatze vom Lotterbett oder die Tipps im Feng Shui ...

Opfergaben bei den Sexworker-Heiligen und Gottheiten:
- Maria Magdalena
- Isis/Venus/Ashtarte/Aphrodite/Maria/die große Mutter
- Yellama - Indien
- Sheela na gig - Keltisch
- Hermes
- Adonis
- Dionysos

zur Fischblase als Sexworker-Arbeitsmittel:
viewtopic.php?t=1351&start=80#78875

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joderaid
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Beitrag von joderaid »

aberglaube ist symbolisch ambivalent: einerseits die erklärung des übernatürlichen und auch die hoffnung auf heilung. das mittelalter war frauenfeindlich, vor allem in deutschland. das buch zur hexenjagd, der hexenhammer oder lat. malefiz maleficarum strotzt davon.

zu den gottheiten. nicht in allen genannten, gab es tempelprostitution oder orgiastische feste. und die sheela na gig ist keine göttin (manche möchten das ...)

"Beinahe alle am ursprünglichen Anbringungsort noch erhaltenen Sheelas sind in den von Anglo-Normannen im 12. und 13. Jahrhundert eroberten Gebieten Irlands zu finden. In den Gebieten, die in der Hand einheimischer Herrscher verblieben, finden sich weniger Sheelas.

... nach mittelalterlichen Normen empfundene Hässlichkeit darauf verweist, dass sie die weibliche Lust als abscheulich und sündhaft darstellen."

ebend, sie sind nicht aus heidnischer zeit, ergo keltisch, sondern hässliche fratzen der normannischen kirche. sorry, dass musste mal raus:) lg