Unsafe trotz HIV - gefährliche Körperverletzung

Abgesehen vom Fehlen der nötigen Hilfsinstitutionen für Sexworker findet hier auch alles Platz, was ihr an bestehenden Einrichtungen auszusetzen habt oder loben wollt
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Aoife
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Beitrag von Aoife »

Blanca hat geschrieben:Beide handeln fahrlässig.
Das sehen *wir* so ...

Wir finden das nicht gut, und würden es wahrscheinlich nie so machen. O.k.
Ich frage mich aber schon, ob wir überhaupt das Recht haben, über das sexuelle Handeln *anderer* so bewertend zu urteilen?

Liebe Grüße, Aoife
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Blanca
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Beitrag von Blanca »

Jemanden fahrlässig mit einer Krankheit anzustecken..
bzw. nicht auf seine eigene Gesundheit zu achten..
das finde ich schon bedenklich.
Als SW, Frau und Mensch.

Blanca

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Aoife
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Beitrag von Aoife »

Ich auch :002

Ich bin nur am Zweifeln, ob es zulässig ist, aus dem "ich finde" ein "das ist" zu machen :017

Liebe Grüße, Aoife
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Kajus
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Beitrag von Kajus »

Natürlich muss sich jeder selbst schützen. Trotzdem halte ich es für richtig, dass es strafbar ist, den Sexpartner nicht darauf aufmerksam zu machen, wenn man an einer sexuell übertragbaren Krankheit oder Infektion leidet.

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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Ein höchst brisanter Wertekonflikt

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Kajus
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Beitrag von Kajus »

Das Problem ist der Nachweis. Erfolgt der Hinweis "nur" mündlich, lässt er sich hinterher nicht nachweisen. Das macht die Sache besonders problematisch. Wenn es einen E-Mail-Austausch gibt, sollte er unbedingt dauerhaft gespeichert werden. Sonst kurz und formlos schriftlich mit Unterschrift - es geht nicht nur um die strafrechtliche Relevanz, sondern auch um Haftungsansprüche, die z. B. bei einer AIDS-Infektion sehr hoch sein können.

Ein weiteres Problem ist, wenn der Nichtinfizierte im Gespräch vorgibt, selbst positiv sein, es aber nicht ist, hinterher rechtliche Schritte einleitet und behauptet, er sei nicht aufgeklärt worden.

Je nach Behandlungsstand und momentaner Kondition liegt bei HIV-Positiven so gut wie keine Ansteckungsgefahr vor. Behauptet der Negative hinterher, er sei nicht aufgeklärt worden, kann der Positive trotzdem erhebliche Schwierigkeiten haben obwohl so gut wie keine Ansteckungsgefahr vorlag. Auf dieee Weise können sich Negative unrechtmäßig Haftungsansprüche und Schadensersatzforderungen unrechtmäßig erschleichen.

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Josef_K.
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RE: Unsafe trotz HIV - gefährliche Körperverletzung

Beitrag von Josef_K. »

Vor etlichen Jahren wurde an deutschen Universitäten im Rahmen des Rechtswissenschaftlichen Studiums noch gelehrt, dass der vorsätzliche ungeschützte Geschlechtsverkehr eines HIV-Infizierten mit einem über die Infektion nicht unterrichteten Partner nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen kann.

An welchem konkreten Punkt die Subsumtion scheiterte, ist mir nicht mehr erinnerlich - jedenfalls war ich ziemlich überrascht, als ich von dem Verfahren gegen den No-Angels-Star erfuhr. In den letzten Jahren muss es entweder ein Umdenken in der Rechtslehre gegeben haben oder in den Methoden der Virusbestimmung. Da der Virus regelmäßig mutiert, kann ich mir schon vorstellen, dass inzwischen mit ausreichender Genauigkeit nachweisbar sein könnte, dass der Virusstamm des Opfers von dem des (potentiellen) Täters herrühren muss.

Und auch ein bedingter Vorsatz kann - je nach Einlassung des Täters - durchaus anzunehmen sein. Dessen Feststellung ist zwingend für eine strafrechtliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Bedingter Vorsatz setzt im Gegensatz zur Absicht lediglich voraus, dass der Täter die ernstliche Ansteckungsgefahr kannte und sie bewusst in Kauf nahm. Denkt der Täter aber im Sinne von „Es wird schon gut gehen“, scheidet eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung aus. Eine solche Abgrenzung kann sich im Einzelfall als sehr problematisch erweisen und nicht selten dürfte die Münze, die der Richter im Kopfe wirft, auf der falschen Seite landen, wenn er über die Gedanken fremder Menschen sinniert.

Zur Ansteckungsgefahr:
Als ich in jungen Jahren Mitte/Ende der 1980er Jahre zum ersten Mal einen Aidstest habe machen lassen, versuchte der von mir aufgesuchte Prof. zunächst noch, mir den Test auszureden. Die Ansteckungsgefahr beim einem gesunden Mann mit intaktem Immunsystem und ohne Verletzung im Intimbereich tendiere bei vaginalem Geschlechtsverkehr gegen Null. Damals war man noch nicht so sensibilisiert wie heute.

Allerdings hat sich die Richtigkeit seiner damaligen Aussage als nicht grundsätzlich falsch erwiesen. Nach meinen Informationen liegt die Ansteckungsgefahr in dieser Konstellation beim Mann wohl tatsächlich unter 1% - bei Frauen aber immerhin bei 4%. Allerdings wird es sicher auch anderslautende Statistiken geben oder halt verschiedene Interpretationen derselben Zahlen.

Persönlich begrüße ich es ausdrücklich, dass solches unverantwortliches Verhalten eines Infizierten mit Strafe bedroht ist. Der/die Infizierte weiß um die erheblichen Folgen im Falle einer Ansteckung und mit welchen einfachen Mitteln das Infektionsrisiko minimiert werden kann.

Josef K.
"Vor Schelme, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre üble Paßiones auszuführen, vor diese kann sich kein Mensch hüten, die sind ärger als die größten Spitzbuben, die in der Welt sind." (König Friedrich II. im Jahre 1779)

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Aoife
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Re: RE: Unsafe trotz HIV - gefährliche Körperverletzung

Beitrag von Aoife »

          Bild
Josef_K. hat geschrieben:Persönlich begrüße ich es ausdrücklich, dass solches unverantwortliches Verhalten eines Infizierten mit Strafe bedroht ist. Der/die Infizierte weiß um die erheblichen Folgen im Falle einer Ansteckung und mit welchen einfachen Mitteln das Infektionsrisiko minimiert werden kann.
Unter dem Aspekt der Einzelfallbetrachtung finde ich diese Haltung absolut nachvollziehbar.

Unter den mehr auf eine statistische Minderung des Infektionsrisiko's bedachten Epidemiologen und Sozialmedizinern ist jedoch die Ablehnung der Strafbarkeit eines solchen Verhaltens weit verbreitet. Insgesamt scheinen solche strafrechtlichen Bestimmungen durch Intensivierung des HIV-Stigma's und folgender Unlust/Angst sich testen zu lassen mehr zu schaden als zu nützen.

Liebe Grüße, Aoife
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Marc of Frankfurt
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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Interne Querverweise:

Im Thema "HIV=>AIDS":
- Link zur PE der Aidshilfe zum Prozess Benaissa
- Anfrage der Linken und Antwort der Bundesregierung
- HIV-Therapie (ART) wirkt präventiv
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=87125#87125
sowie dort weiter oben und unten


Risikoabschätzung für ein Sexworker-Berufsleben:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1844 (SW-only)

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konkret
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Re: RE: Unsafe trotz HIV - gefährliche Körperverletzung

Beitrag von konkret »

          Bild
Angie_Escort hat geschrieben:SO schlecht finde ich die Sache (für uns und unser Begehr) gar nicht.Da hats mal wen erwischt der voll in der Öffentlichkeit steht - einen richtigen "STAR"...

...keinen "Schwulen"
...keine "billige, abgewrackte Strassennutte"
...keinen "Neger"
...keinen "Junkie"
Falsch. Nadja Benaissa ist nichtweiß, folglich spielt ihr Nichtweißsein bei der Beurteilung ihrer "Schuld" der Übertragung des HI-Virus, der von - Achtung: Holzschnitt - weißen Herrenmenschen als Übel vom schwarzen Kontinent betrachtet wird, auf jeden Fall mindestens unterschwellig und somit Rassismus eine nicht zu übersehende Rolle.