Rezension Fachbuch: Schleichende Kriminalisierung
Valentin Landmann erklärt Schwächen der Unrechtsbekämpfung
22. Januar 2007
Wir leben in Zeiten eines "Krieges gegen den Terrorismus", einer medienwirksamen Verurteilung der organisierten Kriminalität sowie der Ankündigung von Verboten "zu" geringer Preise im Lebensmitteleinzelhandel - was Ökonomen in Verbindung mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes übrigens wie Hohn in den Ohren klingt. Da ist es erfrischend, ein Buch zu lesen, das auf nüchterne, aber sehr prägnante Weise die Anreizstrukturen der Justiz, der Ermittlungsbehörden, der Verbrecher und der Menschen, die von der Politik zu solchen gemacht werden, sowie deren Kunden analysiert.
Valentin Landmann, Jurist aus der Schweiz, erörtert in seinem kurzweiligen Buch die Parallelität von legalem und illegalem Verhalten. Seine Grundannahme dabei lässt sich am besten dahin gehend zusammenfassen, dass sämtliche Menschen positiv auf ökonomische Anreize reagieren und daß die Grenzen zwischen dem legalen Teil der Gesellschaft und der Halbwelt (oder der Unterwelt) verschwimmen. Landmann zufolge ist jedermann käuflich. Dieses Bild erscheint etwas zu simpel, weil Moral so hauptsächlich unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten interpretiert wird. Aber abgesehen davon, ist Landmanns konsequente Analyse entlang eines ökonomischen Argumentationsstranges überzeugend, weil sie die Stärken und Schwächen der Unrechtsbekämpfung deutlich macht. Nicht alles, was sich der Gesetzgeber hat einfallen lassen, reduziert die Anzahl der Kriminalfälle. Die Frage, die sich der Verfasser an diesen Befund anschließend stellt, lautet: Will der Gesetzgeber überhaupt die Anzahl der Kriminalfälle reduzieren? Liegt ihm nicht vielleicht daran, möglichst viele Gesetzesbrüche zu erzeugen und nachzuweisen, um den entsprechenden Apparat auszuweiten?
Was sich wie eine Verschwörungstheorie liest, wird in drei Kapiteln sauber abgeleitet. Kapitel I wird mit "Das Chaos" treffend überschrieben. Hier stellt Landmann die Tendenz des Gesetzgebers dar, durch eine stetig steigende Anzahl der Gesetze immer mehr Verhaltensweisen zu kriminalisieren. Darüber hinaus schafft der Gesetzgeber - zum Beispiel mit Hilfe der Asylpolitik und der Sozialpolitik - zahlreiche Anreize zu kriminellem Verhalten. Wo das nicht ausreicht, greift die Justiz ein. Anhand von zahlreichen Beispielen bringt Landmann dem Leser das sogenannte Downscaling nahe. Darunter versteht man die Tendenz, Straftatbestände an immer kleinere Vergehen zu knüpfen - mit der Folge, dass zum Beispiel der Straßendealer zum Drogenbaron wird. Aus Sicht der Ermittlungsbehörden ergibt sich der doppelte Vorteil, dass zum einen die Statistik der Verbrechensaufklärung erheblich verbessert und zum Zweiten unter dem Eindruck steigender Drogenkriminalität der Apparat ausgeweitet werden kann.
Dieses Chaos kann nicht ohne Auswirkungen auf das Marktgeschehen bleiben. Im zweiten Kapitel, überschrieben mit "Der Spiegel der Gesellschaft", zeigt der Verfasser die Parallelen zwischen legalen Marktaktivitäten und illegalen Transaktionen. Abgesehen von moralischen Erwägungen, bilden unterschiedliche Kostenstrukturen den wesentlichen Unterschied zwischen diesen - im übrigen durchlässigen - Sphären. So sind als die größten Unterschiede der fehlende Rechtsschutz, die mangelnde Versicherbarkeit, ein intransparenter Arbeitsmarkt und die erschwerte Verwertbarkeit der Gewinne im Bereich der Kriminalität zu betrachten. Parallelen sieht der Autor in der Planung und Risikoabschätzung. Daraus leitet Landmann die Empfehlung ab, anstelle einer permanenten Kriminalisierung zahlreicher Aktivitäten (zum Beispiel der Schattenwirtschaft) Maßnahmen zur Veränderung der Kosten-Nutzen-Kalküle (zum Beispiel durch eine entsprechende Steuersenkung) zu ergreifen. Weniger Straftaten und mehr Wohlstand wären die Folge.
Im dritten Kapitel, den Beobachtungen am Markt, wendet Landmann die ökonomischen Überlegungen auf einzelne Bereiche der Kriminalität an - auf die Haltung von Waffen, Diebstahl und Raub, Hehlerei und Geldwäsche, Kidnapping und Lösegelderpressung, Piraterie, Terrorismus, Wirtschaftskriminalität, auf den Drogenmarkt und die Prostitution. Am stärksten sind dabei die Abschnitte zum Drogenmarkt und zur Prostitution, bei denen der Autor seine Erfahrungen aus der Praxis, aber auch ein offenkundig reiches Literaturstudium nutzt. Unter der wohl realistischen Annahme, dass die Nachfrage nach Drogen und Prostitution vergleichsweise stabil ist, spricht in der Tat nichts gegen eine Legalisierung, wie sie der Autor sehr überzeugend - und mit vielen abschreckenden Beispielen belegt - einfordert. Im Gegenteil, das Verbot des Drogenkonsums und die Behinderung der Prostitution schaffen viele Probleme erst (Drogentote und Zuhälterei). Die Darstellung macht auf der anderen Seite auch sehr deutlich, warum es wohl gerade nicht dazu kommen wird. Behindernd wirken sowohl der Eigennutz der betroffenen Behörden, deren Vertreter um ihre Arbeitsplätze zu fürchten hätten, als auch vordergründige moralische Überlegungen. Auch Landmanns Ausführungen zum Downscaling lassen eher das Gegenteil befürchten.
Das Buch ist ein überaus gelungener Beitrag zur Diskussion um den so oft beschworenen Anstieg der Kriminalität. Es ist flüssig und kurzweilig, bisweilen gar ein wenig flapsig geschrieben, so dass jeder deutsche Jurist trotz hoher Aktenberge dafür noch Zeit haben sollte (im Übrigen enthält das Buch genügend Anregungen zur nachhaltigen Verkleinerung von Aktenbergen). Den positiven Gesamteindruck können auch leichte Schwächen wie das Fehlen eines Literaturverzeichnisses sowie die inflationäre und bisweilen unsachgemäße Verwendung des Begriffs des Marktes nur unwesentlich schmälern. Positiv ist überdies, dass der Preis des Buches einen legalen Erwerb durchaus zulässt.
ANDREAS FREYTAG.
Valentin Landmann: Verbrechen als Markt. Zur Ökonomie der Halbwelt und Unterwelt. Orell Füssli Verlag, Zürich 2006, 224 Seiten, 23,50 Euro.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.01.2007, Nr. 18 / Seite 12
FAZ
Euer RZ teilt seine Freude darüber mit, das Buch demnächst in Händen zu halten.... ich denk, das kann was....
Autor jetzt Mitglied im PEN-Club:
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Kann das Buch "Verbrechen als Markt"von Valentin Landmann sehr empfehlen. Besonders der letzte Kapital im Buch Prostitution und Halbwelt. Liebe Grüße,Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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RE: Fachbuch: SCHLEICHENDE KRIMINALITÄT
Interessante Diskussion.
Vor einiger Zeit habe ich in privater Runde an ähnlicher Diskussion teilgenommen. Jemand schlug vor, Kokain zu legalisieren, um in Entwicklungsländern Einkommensquellen für Landwirte zu schaffen. Dem wurde widersprochen: nach einer Drogenlegalisierung könnten doch die Grossfarmer im Mid-West Mohn bis zum Horizont anbauen - dann wären die Einkommensquellen in der Dritten Welt dahin und die Escobars dieser Welt ruiniert.
Die ökonomischen Gesetze würden sogleich greifen.
Vor einiger Zeit habe ich in privater Runde an ähnlicher Diskussion teilgenommen. Jemand schlug vor, Kokain zu legalisieren, um in Entwicklungsländern Einkommensquellen für Landwirte zu schaffen. Dem wurde widersprochen: nach einer Drogenlegalisierung könnten doch die Grossfarmer im Mid-West Mohn bis zum Horizont anbauen - dann wären die Einkommensquellen in der Dritten Welt dahin und die Escobars dieser Welt ruiniert.
Die ökonomischen Gesetze würden sogleich greifen.
@friederike, diskussion
die freigabe von illegalen drogen wüde einerseits die preise stark senken und somit beschaffungsdelike verhindern andererseits durch die einfache möglichkeit der beschaffung viele neue konsumenten entstehen lassen(im einkaufswagerl liegen dann neben huhn,salat,schokolade und einem sixpack bier auch 10joints,5 heroinspritzen und eine packung extasy
zur großen anzahl an alkoholkranke kämen dann auch noch viele abhängige von heroin,kokain,crack und ähnliche substanzen
diese zusätzlichen kranken würden unser sozialsystem,das bereits aus anderen gründen kurz vor dem zusammenbruch steht vollends zum einsturz bringen außerdem würden die drogendealer auf andere kriminelle tätigkeiten umsatteln und mit gewalttateneinen großen teil der bvölkerung drangsalieren wenn nicht gleichzeitig die polizei massiv aufgestockt würde
lieb grüße
robby
die freigabe von illegalen drogen wüde einerseits die preise stark senken und somit beschaffungsdelike verhindern andererseits durch die einfache möglichkeit der beschaffung viele neue konsumenten entstehen lassen(im einkaufswagerl liegen dann neben huhn,salat,schokolade und einem sixpack bier auch 10joints,5 heroinspritzen und eine packung extasy
zur großen anzahl an alkoholkranke kämen dann auch noch viele abhängige von heroin,kokain,crack und ähnliche substanzen
diese zusätzlichen kranken würden unser sozialsystem,das bereits aus anderen gründen kurz vor dem zusammenbruch steht vollends zum einsturz bringen außerdem würden die drogendealer auf andere kriminelle tätigkeiten umsatteln und mit gewalttateneinen großen teil der bvölkerung drangsalieren wenn nicht gleichzeitig die polizei massiv aufgestockt würde
lieb grüße
robby
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Gibt es Belege für diese Hypothese?Robby hat geschrieben:die freigabe von illegalen drogen wüde ... durch die einfache möglichkeit der beschaffung viele neue konsumenten entstehen lassen
Wobei diese Drogen deutlich weniger selbst- und sozialschädigend sind als Alkohol - jeder, der anstelle von alkoholabhängig heroinabhängig wird würde die Gesellschaft also von Folgekosten entlasten.Robby hat geschrieben:zur großen anzahl an alkoholkranke kämen dann auch noch viele abhängige von heroin,kokain,crack und ähnliche substanzen
Und Polytoxikomanie (der Gebrauch von allem was man bekommen kann) ist keine Frage von legal oder illegal, sondern von frühkindlichen Erfahrungen ...
Liebe Grüße, Aoife
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
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- fraences
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Die Schweiz hat als einzige Land in Europa durch die kontrollierte, legale Drogenvergabe ihre brisante Drogenproblematik in Griff bekommen. Aus meine Sicht wird mehr Drogen konsumiert wie je zuvor. Die größte Gefahr liegt an den Schreckmittel (Verbleites, gezuckertes Gras, undefinierbare Stoffe in Kokain,u:sw.)Mit diese Aussage will ich auf keinem Fall den Konsum von Drogen gutheissen.Aber Sucht ist Sucht,ob Alkohol, Medikamente,Spielsucht,etc.Liebe Gruesse Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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