Lebens- und Erwerbsverläufe von Frauen im mittleren Alter:
Problem Altersarmut am Beispiel der Babyboomer (Studie)
und wie das mit der Rentenrechnung und Kapitalanlage funktioniert (meine Ergänzung)
Studie
Barbara Riedmüller
Ulrike Schmalreck
FU Berlin
2012
125 Seiten, 1,2 MB:
www.polsoz.fu-berlin.de/polwiss/forschu ... boomer.pdf
Untersucht wurden Frauen der geburtenstarken Jahrgänge (Babyboomerinnen Jhrg. 1947-66). Sie sind Symbol der "alternden Gesellschaft" und des damit einhergehenden demographischen-sozialen Wandels und benötigten Umbaus der Rentensysteme.
Sie haben vielfältige Lebensentwürfe und Altersicherungen. Es entsteht eine Klassengesellschaft zwischen Männern-Frauen, Ost-West und auch innerhalb der Frauen.
3 Ursachen für schlechte Altersversorgung von Frauen [S.21]:
- Zugang zur Rente hängt von einem Normalarbeitsverhältnis ab, aber für Frauen gibt es geringere Arbeitsmarktintegration. Für Sexarbeit gibt es bisher überhaupt keine abhängigen Beschäftigungsverhältnisse obwohl das
ProstG das ermöglichen wollte.
- Rentensystem geht vom veralteten Familienmodell aus, in dem die
Ehe privilegiert ist. Unbezahlte häusliche Pflegearbeit funktioniert jedoch nur, wenn es auch bezahlte "Familiengehälter" für Haupternährer gibt.
- Privatisierte Zusatzversorgung werde erforderlich, für die jedoch dieselben Probleme bezüglich Geschlecht und Arbeitsmarktintegration existieren und somit die Situation verschärfen.
4 Vorsorgetypen [Tabelle 2.6, Seite 22]
- Sozialversicherung (eigener gesetzlicher Rentenanspruch)
- Ehe d.h. Versorgung über Rente des Partners
- Selbstvorsorge (private Kapitalanlage, Haus)
- Mischformen
Probleme und Risiken:
- Niedriglohn
- geringfügige Beschäftigung
- Langzeit-/Arbeitslosigkeit
- unzureichende Zusatzversorgung
- Kindererziehung/Pflegezeiten
- Scheidung
- Unterversorgt bei Selbständigkeit (z.B. Sexwork)
- Insolvenz (
Sexwork-Exit)
5 Frauen-Biographietypen (nach Clusteranalyse von 286 befragten Frauen):
32% vollerwerbstätig
25% familienorientiert
23% teilzeiterwerbstätig
11% mischerwerbstätig
09% Zwei-Phasen Frauen
2 Säulen der Altersvorsorge:
1.) Gesetzliche Rentenversicherung [S. 58ff.]
Bewertung in Entgeltpunkten: 1 EGPT = 27,47 Eur/Monat Renten-Auszahlung = 1 Jahr Sozialversicherung-Beitragseinzahlung bei einem Durchschnittsgehalt von 30.000 Euro/Jahr
(Entgeltpunkte sind quasi sozialversicherte Jahre auf Durchschnittsverdienerniveau).
Ferner gibt es EGPT für soziale Leistungen wie Kindererziehung oder Pflegeleistung z.B. 0,6 EGPT/Jahr für ein Kind...1,3 EGPT/Jahr für 3 Kinder.
http://de.wikipedia.org/wiki/Entgeltpunkte
(In der gesammelten Summe der EGPT steckt also die persönliche Erwerbsarbeitsbiographie. In den 27,47 Euro/Monat, dem aktuellen Rentenwert setzt die Politik die Rentenhöhe für das Umlageverfahren fest gemäß Arbeitnehmereinkommen innerhalb der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung d.h. mittels politischer
Rentenanpassungsformel mit Demographiefaktor, Riesterfaktor, Nachhaltigkeitsfaktor...)
- Formel:
Gesetzliche Renten Versicherung (GRV) Deutschland:
Persönliche Rentenhöhe
= Summe der EGPT zum Renteneintrittsalter · Zugangsfaktor · Rentenartfaktor · aktueller Rentenwert
= 25 EGPT · 1 · 1 · 27,47 Euro/Monat
= 700 Euro/Monat
Die durchschnittlich zu erwartete Rente für Frauen aus den Babyboomer Jahrgängen beträgt laut dieser Studie nur 700 Euro pro Monat, d.h. sie liegt nur auf der Höhe der Grundsicherung (Sozialhilfeniveau)!
Einzahlungsdauer-Faustformel:
Pro Jahr Einzahlungsdauer in die gesetzliche Rente erhält man später 1% von seinem letzten Nettoeinkommen als Rente ausgezahlt. Demzufolge nach 45 Beitragsjahren ohne Fehlzeiten (Eckrentner = Standardrentner) nicht mehr als 45% des letzten Nettoeinkommens (Das kann aber natürlich nur dann gelten, wenn durchgehende, NICHT sinkende Einzahlungen erfolgt sind. Bei Sexworkern fallen aber die Einnahmen mit dem Alter (Degressive Einkommenserwartung) und es gibt evt. Aufallzeiten).
Betrug die Einzahlungsmindestdauer für einen Eckrentner früher 28 Jahre sind es heute 36 Jahre [N. Blüm].
Einzahlungshöhe-Faustformeln:
Je 100 Euro/Monat regelmäßig und 45 Jahre lange eingezahlt erhält man eine Rente vom Renteneintrittsalter bis zum Lebensende in Höhe von 5 Euro/Monat.
Je 100 Euro einmal eingezahlt, erhält man eine Rente von 0,46 Euro/Monat.
Rentenwert (oder 1 EGPT Entgeltpunkt)
= 27,47 Euro/Monat (festgesetzt für 2011 Westdeutschland)
Der Rentenwert ist die lebenslange monatliche Rentenauszahlung für eine 1 Jahr lange monatliche Renteneinzahlung eines Durchschnittsverdieners (30.268 Euro/Jahr Jan. 2011) d.h. in Höhe von 19,6% · 30.268 Euro/Jahr = ca. 6.000 Euro/Jahr = 500 Euro/Monat (Arbeitgeber- plus Arbeitnehmeranteil).
http://de.wikipedia.org/wiki/Rentenwert
Der Rentenwert (1 EGPT) 27,47 Euro/Monat einer lebenslangen Rentenauszahlung entspricht quasi einem Renten-Barwert von 6.000 Euro. D.h. für jede einmal eingezahlten 100 Euro bekommt man regelmäßig 27,47/6000·100 = 0,46 Euro/Monat Rente bis zum Lebensende.
Rentenbezugsdauer = Renteneintrittsalter bis Todesalter.
1960: 10 Jahre
2010: 18 Jahre
Statistisches Sterbealter ergibt sich aus Daten des Bundesamtes für Statistik in Wiesbaden destatis.de zur Lebenserwartung (bezogen auf heute 76,9 Jahre, oder aber aus versicherunsmathematischen Sterbetafeln der Finanzindustrie bei der privaten Versicherung inklusive Zuschlag zur Zukunftserwartung wegen Vorsorgepflicht beim Kapitaldeckungsverfahren d.h. daher höhere Werte 91 Jahre, weil die Leute demographisch jede Generation ca. 7 Jahre älter werden).
Für jeden Monat, den man seine Rente früher antritt muß man auf 0,3% der Rentenhöhe verzichten.
Für jeden Monat, den man seine Rente später antritt erhält man 0,5% mehr Rente.
Wer keine Rente oder Altersvorsorge hat, wettet quasi auf ein kurzes Leben und frühen Tod !!!
http://de.wikipedia.org/wiki/Rentenformel
Vergleich mit Privater Kapitalanlage
Hier wird völlig anders gerechnet! Es gelten allgemeingültige Formeln aus dem Mathebuch (Wissenschaft), statt veränderbare Formeln aus dem Gesetzbuch (Politik)!
Für eine gleich hohe bzw. niedrige Rente, die man sich als nicht gesetzlich sozialversichert alleinselbständige Sexarbeits-Unternehmerin selbst auszahlen will (d.h. 700 Euro/Monat ab Renteneintrittsalter 65 Jahre bis zum geschätzten statistischen Lebensende mit 80 Jahren d.h. 15 Jahre lang bei angenommenen 3% Verzinsung) errechnet sich folgender Renten-Barwert:
100.000 Euro
= 700*12(1,03^15-1)/(1,03^15(1,03-1))
= google.de/search?q=700*12(1,03^15-1)/(1,03^15(1,03-1))
=
http://tinyurl.com/6t7co7v (Renten-Barwert-Formel)
Der Rentenbarwert ist der Wert einer Rente, d.h. aller Auszahlungen, berechnet für den Tag des Rentenbeginns.
Um das anzusparen müßte man z.B. monatlich 750 Euro über 10 Jahre lang bei 3% anlegen:
100.000 Euro
= 750*12(1,03^10-1)/(1,03-1)
= google.de/search?q=750*12(1,03^10-1)/(1,03-1)
=
http://tinyurl.com/8978hq9 (Renten-Endwert-Formel)
Der Endwert ist der Wert aller Einzahlungen zum Zeitpunkt der letzten Zahlung.
Für einen eigenen Spar- und Rentenplan muß gelten dass der Wert aller Einzahlungen dem Wert aller Auszahlungen entspricht d.h.
"Endwert = Barwert" (Äquivalenzprinzip).
Für andere Monatsraten, Zinssätze oder Jahreslaufzeiten die Formeln an den ensprechenden Stellen einfach überschreiben und neu ausprobieren. Die mathematischen Renten-Formeln für private Kapitalanlage sind
hier erklärt.
Wer eine "ewige Rente" d.h. bis zum tatsächlichen Tode so wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung will, der muß auf ein Produkt der Versicherungsindustrie zurückgreifen, was natürlich wieder teurer ist, als das Kapital nur einfach selbst anzulegen ohne Versicherungskomponente (Sterbetafel, Rückstellungen, Rendite).
2.) Privates Sparverhalten [S. 75 ff.]
Großer West-Ost-Unterschied. Die meisten sparen, sehen die Notwendigkeit zum sparen aber haben ungenügende Absicherungsmöglichkeiten. Dennoch sind die Sparmöglichkeiten sehr unterschiedlich. Ca. die Hälfte der Babyboomerhaushalte ist auf das Privatversicherungswirtschaft-Betrugsmodell Riesterrente hereingefallen [so steht das allerdings nicht in der Studie, das ist meine Interpretation].
Tabellen zu den Vermögensformen [S. 87f.]
40-51% besitzen eine Immobilie im Wert von durchschnittlich 200.000 Euro.
Sparguthaben sind meist unterhalb von 15.000 Euro.
33% haben gar keine Altersvorsorge.
Verschuldung hat seit der Finanzkrise 2008 stark zugenommen bei 61% auf 75.000 Euro.
Politische Vorschläge zur Verhinderung von Altersarmut liefern das Schweizer (AHV) und Schwedische Modell.
Die Rentenmodelle der Parteien und Verbände werden abschließend diskutiert.
Direkter Vergleich der Rentenversicherungssysteme:
- Umlageverfahren nach Sozialgesetzbuch:
700 Euro/Monat Rente bei 25 EGPT wie oben in der Studie als Durchschnitt der Babyboomer angegeben (entspricht 25 Jahre Rentenversicherungs-Einzahlungen auf ein Durchschnittsgehalt von 30.000 Euro/Jahr). Das entspräche der Zahlung von Arbeitgeber- plus Arbeitnehmeranteil in Höhe von insgesamt 19,6% d.h. 5.880 Euro/Jahr oder 490 Euro/Monat.
- Kapitaldeckungsverfahren der Privatwirtschaft:
Legt man dieselben 490 Euro/Monat jedoch über 25 Jahre lang bei 3% Zinsen selbst auf dem Kapitalmarkt an, erhält man
490*12(1,03^25-1)/(1,03-1) = 214.000 Endwert-Formel (s.o.)
und man kann sich daraus ab Renteneintrittsalter eine mehr als
doppelt so hohe Rente von 1.500 Euro/Monat über 15 Jahre lang bei 3% auszahlen
1500*12(1,03^15-1)/(1,03^15(1,03-1)) = 214.000 Barwert-Formel (gerundet).
D.h. Wertsteigerung, Performance oder Rendite ist bei Privater Kapitalanlage deutlich besser:
Der Renten-Barwert einer Privaten Rente ist in dem Beispiel DOPPELT so hoch wie der gesetzlichen Rente !!!
Dennoch ist Sicherheit bzw. Krisenfestigkeit bei der gesetzlichen Rente höher bzw. unübertroffen (bei: Währungsumstellung, Staatsbankrott, Krieg).
Nachtrag 2013:
- Siehe dazu auch das unten hochgeladene Dokument:
"Safer Money - Geld & Zukunftsvorsorge für Sexworker DE"
Es erklärt schrittweise gesetzliche Rente und private Kapitalanlage-Vorsorge und rechnet 2 Beispiele für 40jährigen Angestellten und Selbständigen, die anfangen wollen vorzusorgen und zu sparen, um mit 60 Jahren in Rente gehen zu können.
- Was müssen sie monatlich und insgesamt einzahlen?
- Wie kann ich das selbst ausrechnen?
- ...
Siehe das unten angefügte PDF
www.sexworker.at/phpBB2/download.php?id=1297
und dazu unser interaktives Rechentool:
www.bit.ly/sexworkerccc 
[youtube]
http://www.youtube.com/watch?v=xp5H52quEYg[/youtube] Andere Hörversion
www.youtube.com/watch?v=PiC8l9cUjWI
Nachtrag
Hier ein aktuelles Beispiel
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=134583#134583
Interaktives Rechenblatt
www.bit.ly/sexworkerccc >> Rente
Link zu diesem Posting (bitte weitergeben)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=5319&start=81 (Korrektur Aug.2013)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=5319&start=77