Länderbericht: Deutschland

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Klaus Fricke
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Länderbericht: Deutschland

Beitrag von Klaus Fricke »

http://www.weser-kurier.de/deutschland- ... 20993.html
Weser Kurier v. 24.12.2014, S.1, inklusive Kommentar s.u.
Kommentar/offener Brief als Email an bundespraesidialamt@bpra.bund.de am 24.12.2014


Gauck ruft zu ... offener Gesellschaft auf

Berlin (dpa) - Bundespräsident Joachim Gauck hat angesichts weltweiter Flüchtlingskrisen zu Hilfsbereitschaft und entschiedenem Eintreten für eine offene Gesellschaft aufgerufen.

«Wo wir dazu beitragen können, dass Frieden erhalten oder gestiftet, dass Leid gelindert und eine bessere Zukunft gebaut werden kann, sollten wir alles tun, was in unserer Macht steht», sagt das Staatsoberhaupt laut vorab verbreitetem Text in seiner Weihnachtsansprache.

Gauck hob es als deutliches Zeichen der Menschlichkeit hervor, dass es mittlerweile viel Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen gebe. Ohne Proteste wie die islamfeindlichen «Pegida»-Demonstrationen in Dresden zu nennen, betonte er: «Dass die Allermeisten von uns nicht denen folgen, die Deutschland abschotten wollen, das ist für mich eine wahrhaft ermutigende Erfahrung dieses Jahres.»

Der Bundespräsident wies darauf hin, dass viele Menschen von der Entwicklung der Welt mit Kriegen, Bürgerkriegen und Terror beunruhigt und besorgt seien. Er fügte jedoch hinzu: «Ängste ernst zu nehmen, heißt nicht, ihnen zu folgen. Mit angstgeweiteten Augen werden wir Lösungswege nur schwer erkennen, wir werden eher klein und mutlos.»

Die weihnachtliche Botschaft «Fürchtet euch nicht!» sei daher auch als Aufforderung zu verstehen, «unseren Werten, unseren Kräften und übrigens auch unserer Demokratie zu vertrauen». Gauck erinnerte daran, dass die friedliche Revolution in der DDR vor 25 Jahren gezeigt habe, dass sich Verhältnisse zum Besseren wenden ließen.

Das Staatsoberhaupt würdigte nachbarschaftlichen Einsatz in Heimen und Krankenhäusern, aber auch von Helfern bei der Bekämpfung der Ebola-Epidemie in Afrika und von Soldaten und Entwicklungshelfern. Jeder könne einen Beitrag leisten, «damit der Wärmestrom lebendig bleibt, ohne den die Welt kalt und friedlos wäre: Indem wir uns engagieren, wenn unsere Mitmenschen Hilfe brauchen. Indem wir Bedrohten Frieden und Verfolgten Schutz bieten.»

Gauck mahnte mit Blick auf die internationalen Krisenherde: «Kein Friede ist selbstverständlich.» Auch der Frieden, den die Deutschen derzeit glücklich und in Freiheit erlebten, sei kostbar. Daraus erwachse zugleich eine Verpflichtung: «Unsere Kultur, unsere Demokratie steht gegen Unfrieden, Hass und todbringende Gewalt.»



K O M M E N T A R und Offener Brief



(Duktus der Diplomatie an)
Z I T A T
«Wo wir dazu beitragen können, dass ... eine bessere Zukunft gebaut werden kann, sollten wir alles tun, was in unserer Macht steht»

GELEBTES EUROPA - GELEBTE SOZIALE VERANTWORTUNG

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Gauck

natürlich unterstützen wir Ihr Anliegen. Das politische Projekt eines gemeinsamen Europa ist die konkrete und bei allen Mängeln erstaunlich erfolgreiche Form, in der sich die von Ihnen angesprochenen Ziele, Frieden und die Chance auf ein auskömmliches oder sogar besseres Leben, zumindest für die zur EU gehörenden Menschen, Gemeinschaften und Nationen realisiert hat - wenn auch mit Rückschlägen und als individuelle und gemeinschaftliche Herausforderung.
 
Der Binnenraum der EU gibt den Menschen, die zu ihm gehören eine Möglichkeit, das Recht, ihr Glück, ihre eigenen Kräfte mobilisierend, nicht nur in den engen Grenzen ihres Nationalstaates zu suchen, sondern auch den Schritt in ein anderes Land zu wagen, das vielleicht bessere Chancen bietet, das eigene Leben gelingender zu gestalten.
 
Eine große Chance vor allem für Menschen, die in Regionen leben, die strukturschwach sind oder die aufgrund von rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten Menschen benachteiligen (Minderheiten, sexuelle Orientierung). Das Recht auf Freizügikeit, das die EU ihren Menschen gewährt, ist ein Freiheitsrecht, dass den Menschen Würde als Verantwortungssubjekt sichert. Es ist ein Menschenrecht, das global Geltung haben sollte und in der EU wenigstens als Rechtsanspruch realisiert ist. Kritik an diesem Recht, Verweigerung dieses Rechtes ist ein Verstoss gegen das  M e n s c h e n r e c h t  des Pursuit of Happiness, der Suche nach dem individuellen Glück. Wie gesagt, für die Menschen der EU ist dieses Recht durch staatliche Gewalt geschützt.
 
Wir leben in Bremen. Wir haben Kontakt zu vielen Menschen, die nicht aus Deutschland stammen und hier, in ihren Geburts- oder in anderen Ländern leben. Wir sind ein binationales Paar, das seine Wurzeln in Rumänien, Moldawien, Griechenland und Deutschland hat. Unsere Verwandtschaft lebt in Italien, in den USA in Deutschland und Moldawien. Die Menschen, die uns sozial und beruflich nah sind, stammen aus Bolivien, Persien, Indien, Polen, der Ukraine, Russland, Vietnam, Thailand, Lettland, dem Kosovo, Deutschland, Griechenland, Rumänien, der Republik Moldau und anderen Staaten dieser, für uns und unser persönliches Erleben sehr sehr kleinen und verletzlichen Welt. Ein nicht kleiner Teil unseres Einkommens trug und trägt dazu bei, das Menschen, die zu unserer international lebenden Familie gehören, ein auskömmliches Leben hat, dass die Kinder unserer großen Familie eine Ausbildung erhalten. Wir denken, das ist gelebtes Europa, dass ist die alltägliche und konkrete Form in der der europäische Gedanke sich realisiert, Frieden, ein auskömmliches oder sogar besseres Leben eine Chance hat. Für uns ist es ein Glück in einer Region der Welt zu leben, den Wimpernschlag der Geschichte mit zu gestalten, der Menschen das Freiheitsrecht gewährt, sich auf die auch internationale Suche nach ihrem Glück zu machen.
 
In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends hatten wir beruflich sehr viel Kontakt zu Menschen aus dem nordosteuropäischen Raum. Die allmähliche Öffnung der EU gegenüber den baltischen Staaten und Polen war Grundlage davon. Wir sprechen Russisch, Rumänisch, Neugriechisch, Englisch und Deutsch. Das hat Kontakte ermöglicht und einfach gemacht. Seit ungefähr 2009 hatten/haben wir beruflich mit sehr vielen Menschen, mehreren Hundert, Kontakt (gehabt), die aus Rumänien stammen. Sehr viele Anfragen nach Arbeitsmöglichkeiten haben wir darüber hinaus von Menschen aus Regionen der Welt, die nicht zur EU gehören. Diesen Menschen können wir leider keine Angebote machen, da Sie in Deutschland nicht erwerbstätig sein dürfen.
 
Unsere Möglichkeiten, diesen Menschen eine Gelegenheit zu bieten, für ein auskömmliches oder auch besseres Leben aus eigener Kraft eine Chance wahrzunehmen, sind zudem sehr überschaubar. Maximal vier selbständig zu betreibende Betriebsstätten können wir anbieten. Diese haben wir für nicht aus Deutschland stammenden Menschen, derzeit vor allem für Menschen aus Rumänien, reserviert. Wir bieten Arbeitsorte an, die komplett ausgestattet sind, die sofort in Betrieb genommen werden können, stehen mit unseren Sprachkenntnissen, unseren professionellen Kenntnissen, mit unseren persönlichen Erfahrungen zur Verfügung und sorgen durch Übersetzung von Texten (Gesetze, Verordnungen, politische Diskussion, ... ) dafür, dass ein Minimum an Informationen in der Landessprache für diese Menschen vorliegt, denn, wie die EU in einem von ihr geförderten Projekt - in Deutschland unter Federführung der Diakonie - feststellt: "only an informed person is a protected one". Damit geben wir diesen Menschen die Möglichkeit, soweit es ihre Erwerbstätigkeit betrifft, auch dann am sozialen und politischen Leben teilzuhaben, wenn sie nur sehr wenig Deutsch sprechen. Als Beispiel möchten wir Sie auf diese Veröffentlichung hinweisen:
 
Best Practice - Das Projekt Ne-RO-In ( menschenhandelheute.net/2013/11/17/sexarbeit-und-migration-best-practice-das-projekt-ne-ro-in-bremen/)
 
Als kleines privates Unternehmen verfolgen wir aus eigenen Mitteln das Ziel den Menschen, die die von uns zur Verfügung gestellten Betriebsstätten nutzen, einen informierten Start in die Selbständigkeit zu ermöglichen. Wir bedauern es, das andere Mitbewerber insbesondere aber andere Organisationen, die in unserem Wirtschaftsfeld tätig sind, das Behörden, Ministerien, Bundesländer nicht in ähnlicher Weise wie wir Verantwortung übernehmen und Menschen, die ihr Recht auf Freizügikeit innerhalb der EU wahrnehmen, ausreichend in einer diesen verständlichen Sprache informieren. Wir halten das, wenn der europäische Gedanke ernstgenommen wird, für das Minimum an Respekt, Willkommenskultur und Wertschätzung, dass in der EU wandernden Menschen entgegenzubringen ist, sofern das Recht auf Freizügikeit nicht nur ein Lippenbekenntnis sein soll.
 
Die von uns zur Verfügung gestellte Infrastruktur nutzend, die wir durch Investitionen und durch eigen Arbeit aufgebaut haben, die wir erhalten und verbessern, ist es inzwischen vielen Menschen, die dort tätig waren/sind gelungen, ihre soziale Situation, die ihrer Herkunftsfamilien und ihrer Kinder zu stabilisieren oder auch deutlich zu verbessern. In Ihrem Heimatland haben sie begonnen, sich und den Menschen, die Ihnen nah sind, eine Existenz aufzubauen, die nicht mehr von Armut gekennzeichnet, die nicht mehr prekär ist. Das ist für uns

G e l e b t e s  E u r o p a - Gelebte soziale Verantwortung
 
Wir sind im Feld er erotischen und sexuellen Dienstleistungen tätig. Unser Betrieb ist das „Haus9“. Wir möchten Sie auf zwei Veröffentlichungen von uns aufmerksam machen (Download):
 
Rumänische Sexarbeiterinnen - www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=138988#138968
Konzept „Haus9“ - www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=140701#140701
 
Gegen das Feld der erotischen und sexuellen Dienstleistung und uns Menschen, die in ihm aktiv sind herrscht in der veröffentlichten Meinung ein Ton sozialer Verachtung und Schmähungen, wie die EU richtig festhält. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Stigmatisierung trifft uns täglich, ist allgegenwärtig für uns. Der veröffentliche Diskurs, der gegen uns geführt wird, ist eine Fortsetzung mittelalterlichen Verbannung und des Prangers (gerade in Bremen, gab es diese Verbannung und den Pranger), jahrhundertealter Repression, Verfolgung, Kasernierung, staatlicher Ausbeutung, Wehrmachtsprostitution und KZ-Bordellwesen. Sexarbeitenden wurde und wird Respekt nachhaltig verwehrt. Sie kommen wenig zu Wort und unterliegen der Vorverurteilung „millieutypischer Unruhe“ und dem Generalverdacht der Kriminalität. Dort wo wir offensiv das Gespräch im öffentlichen Raum, mit VerantwortungsträgerInnen suchen, erleben wir oft nachhaltige Gesprächsverweigerung oder Ignoranz und Missachtung unseres Gesprächswunsches, wie wir Ihnen bereist mitgeteilt hatten. Hier das Beispiel, dass wir Ihnen bereits genannt haben:
 
Terre des Femmes - http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=12338
 
Für uns hingegen und für die vielen uns bekannten Menschen, die im Feld der erotischen und sexuellen Dienstleistungen aktiv sind, ist das Feld nicht nur gelebtes Europa. Es ist, um nur einiges zu nennen:
 
Empathie - Kooperation - ein besseres Leben - Emanzipation - Gleichberechtigung - Frauenpower - Pluralität - eine Chance - individuell - flexibel - Selbstständigkeit - unternehmerisch - niederschwellig - Toleranz - Freiheit - Horizonterweiterung - ein Geschenk - Freude - Aufbruch - Wertschätzung - befreiend - Kultivierung des Begehrens - menschenwürdig - liebenswert - ein Erlebnis - neue Kraft - Sanftmut - Grenzerfahrung - menschlich - unersetzlich - unverzichtbar - in der Nachbarschaft - Kaffeeklatsch - Erfahrungsaustausch - Ermutigung des eigenen Begehrens
 
Was andere im Feld der erotischen und sexuellen Dienstleistungen aktive Menschen antworten, wenn wir sie fragen, wenn sie gefragt werden, finden Sie hier
 
Flagge zeigen - Ceva de Spus: www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=134457#134457
Sexarbeit ist für mich ... www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=144616#144616
Selfie-Aktion "Ich bin Sexarbeiterin" - http://www.voice4sexworkers.com/2014/12 ... iterinnen/
 
Es ist erfreulich, dass wir Ihre Aufmerksamkeit gefunden und Ihr Interesse geweckt haben.

Lara Freudmann und Klaus Fricke
(Duktus der Diplomatie aus)