Sexsteuer in Ludwigshafen am Rhein

Geschäfte, Internet-Shops, Dienstleister, Beamte... wo habt ihr Diskriminierung oder unangemessenes Verhalten erfahren? Wo hat es euch besonders gut gefallen, bzw. stimmte das Preis/Leistungs-Verhältnis?
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Beitrag von ehemaliger_User »

Liebe Friederike,

der Phantasie der Kämmerer sind keine Grenzen gesetzt. Gemeinden können Aufwands- und Verbrauchsteuern erheben. Um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abzuschöpfen. Entweder an der Quelle (Aufwandsteuer, z.B. Motorbootsteuer) oder beim Verkäufer/Dienstleister (Automatensteuer, getroffen wird die Leistungsfähigkeit des Kunden).

Grundsatz: Besteuerung des Einkommens ist nicht zulässig, wer mit Hundezucht sein Geld verdient zahlt keine Hundesteuer. Oder wer als Therapeut Hunde in der Therapie ensetzt.

Beispiele:
  • Waffensteuer (die Stadt Stgt stellte die Einführung ein da zuviele Jagdwaffen den Ertrag ./, Verwaltungsaufwand unter 0 gedrückt hätte.)
  • Zweitwohnungsteuer
  • Hundesteuer
  • Kurtaxe
  • Pferdesteuer (meines Wissens in allen Gemeinden Einführung gescheitert)
  • Schanksteuer
  • Biersteuer
  • Jagdsteuer
  • Feuerwehrsteuer (abgeschafft)
Warum scheitern Pferdesteuern? Geländewagensteuern? Steuern für Dienstwagen, die auch privat genutzt werden?

Weil die Lobby zu stark ist!

Stellt Euch vor, alle Freier würden als "Wutbürger" wöchentlich auf die Strasse gehen und gegen die Vergnügungssteuer / Abteilung Sexdienstleistung protestieren?
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friederike
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RE: Sexsteuer in Ludwigshafen am Rhein

Beitrag von friederike »

Natürlich muss geprüft werden, wer für die Erhebung einer Steuer zuständig ist, ebenso, wem die Steuer schliesslich zusteht. Aber in jedem Fall muss die Steuer notwendigen Kriterien genügen, insbesondere eben der Bestimmtheit.

Leider ist die Steuerkultur in Deutschland ziemlich heruntergekommen, wie sich immer wieder an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zeigt. Umsatzsteuerrecht ist für den Steuerbürger hochgradig gefährlich, um nur ein Beispiel zu nennen. Man muss nur einmal an die Lafontaine'schen Tricksereien zur Abschöpfung sogenannter Spekulationsgewinne denken, wo ungeniert Steuertatbestände rückwirkend geändert werden sollten. Da geht es nur noch um die Bereicherung des Fiskus.

Wie immer, geht es zuerst gegen die, die man für die Schwächsten hält. Beamte, die im Parlament reichlich vertreten sind, können auf milde Behandlung vertrauen, Landwirte, Hoteliers, Krankenhäuser ....

Wir halt nicht. Vielleicht müssten mehr von uns in die Parlamente gehen ....

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Beitrag von ehemaliger_User »

Bereicherung des Fiskus ist ja nicht grundsätzlich verkehrt.

Es ist für mich nur die Doppelmoral ein Problem: auf der einen Seite SDL stigmatisieren, ihren Dienstleistung als moralisch verwerflich zu geisseln, gleichzeitig aber sich nicht scheuen, dieser Gesellschaftsgruppe zur Finanzierung gemeinschaftlicher Aufgaben das Geld zusätzlich aus der Tasche zu ziehen.

Andererseits: Ich wäre bei 20 Arbeitstagen im Monat mit 500 EUR Einkommensteuer + 100 EUR Vergnügungssteuer mehr als zufrieden... Und mein Bruttoverdienst liegt deutlich unter 10.000 EUR im Monat. (Die Kleinunternehmergrenze bei der Umsatzsteuer beträgt 17.500 EUR Umsatz im Jahr in D entspricht 1458 EUR im Monat. Das wären 78 EUR Umsatz pro Arbeitstag bei 20 Tagen/Monat).

Die Lohnsteuer bei 3.000 Brutto im Monat beträgt ca. 500 EUR in Steuerklasse 1. Der Arbeitgeber bezahlt ca. 15 % Anteil zur Sozialversicherung zusätzlich.

Ich möchte jetzt keine Diskussion über Steuerehrlichkeit anzetteln! Ich hätte auch keine Lust, der Gesllschaft, die mich verachtet, mein sauer verdientes Geld nachzuwerfen. Und niemand ist über ungerecht empfundene Steuern erfreut.

Sexarbeit gehört wie die Heilberufe von der Umsatzsteuer befreit. Von der Vergnügungssteuer erst recht. Im Gegenzug dafür könnte der Nachweis einer entsprechenden Altervorsorge gefordert werden - auch für ausländische DienstleisterInnen.

Was ist aus der Initiative in NRW geworden?

Bericht aus Fokus Online 16.08.2010:

NRW
Grüne wollen Sex-Vergnügungssteuer abschaffen

ddp Prostituierte in NRW zahlen „Steuer auf sexuelle Vergnügungen" In Nordrhein-Westfalen müssen Prostituierte in einigen Städten sogenannte Vergnügungssteuer zahlen. Grünen-Abgeordnete planen nun das Ende dieser Schöpfung der schwarz-gelben Vorgängerregierung.
"Es ist nicht richtig, die Prostituierten zusätzlich zu den eh schon zu zahlenden Steuern wie Einkommenssteuern zu belasten“, sagte die Landtagsabgeordnete der Grünen, Verena Schäffer. Viele würden bereits am Existenzminimum leben. Mögliche Änderungen an der derzeitigen Steuer seien deshalb zu prüfen.

Schäffer und ihre Parteikollegin Josefine Paul hatten im nordrhein-westfälischen Landtag in dieser Woche eine Kleine Anfrage gestellt, um das Ausmaß der zusätzlich erhobenen Steuern zu ermitteln. Prostituierte müssen seit 2002 mit der Anerkennung als legale Erwerbstätigkeit die herkömmlichen Umsatz- und Einkommenssteuern bezahlen.

„Wessen Vergnügen ist das eigentlich?“
„Die Vergnügungssteuer trifft die Falschen“, sagte Schäffer weiter. „Es ist eine Frage, wessen Vergnügen das eigentlich ist, bestimmt nicht das der Prostituierten.“

Zur Einführung der Steuer für sexuelle Vergnügungen benötigen die Kommunen einer Genehmigung des nordrhein-westfälischen Innen- und des Finanzministers. Nach Angaben der Abgeordneten haben die Städte Köln und Dorsten im Mai eine entsprechende Erlaubnis erhalten.

Die Anfrage der Grünen soll nun klären, welche Kommunen die Prostituierten nach welchen Kriterien belasten. „Es ist unklar, ob die Steuer an der Anzahl der Kunden oder der Größe des Raumes berechnet wird“, sagte Schäffer.
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Aoife
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Beitrag von Aoife »

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ehemaliger_User hat geschrieben:Ich hätte auch keine Lust, der Gesllschaft, die mich verachtet, mein sauer verdientes Geld nachzuwerfen.
Das wäre sicher eine Grundlage zur Solidarisierung, denn so geht es uns allen.

Darüber hinaus denke ich jedoch, dass es trotz Rechenbeispiel nötig ist, den Anfängen einen Riegel vorzuschieben. Wenn die Sexsteuer unwidersprochen eigefordert werden kann ist es abzusehen wann neue kreative Besteuerungen erfunden werden.

Die mir gegenüber (allerdings nur mündlich gegebene Begründung und somit wahrscheinlich in der weiteren Diskussion abgestritten werdende) gegebene Begründung für die exsteuer in Ludwigshafen war:

1. Da die reichlich vorhandene Großindustrie nicht zahlt müsste man das für kommunale Aufgaben notwendige Gelds eben bei uns holen.
2. Man habe sich gedacht, wenn das in Köln klappt könnte man das in Ludwigshafen genauso machen.

Vergessen hat man offensichtlich, dass die in Köln angestrengten und teilweise erfolgreichen Klagen gegen die Vergnügungssteuer auf auf NRW-internen Gesetzen beruhen und auf die erst von mir aufgebrachte Europa-rechtliche Lage überhaupt nicht eingegangen sind.

Da ich bisher das Stadium einer gerichtlichen Auseinandersetzung noch nicht erreicht habe ist völlig offen, ob die unteren Instanzen möglicherweise auf Zeit spielen und die eindeutige Lage nach EMRK mißachten würden, um sich der Hoffnung hinzugeben die Sache würde nicht weiter verfolgt.

Eine Hoffnung, die sich durchaus erfüllen könnte, wenn ich nicht eine internationale NGO vertreten würde sondern auf das Einkommen aus der Prostitution angewiesen wäre. 5 € sind ja wirklich nicht viel, und dass ich mich jetzt mit deutschen Gesetzen auseinandersetzen muss statt anzuschaffen ist das Geld sicher nicht wert. Ich gehe aber davon aus, dass die behördlichen Begehrlichkeiten uns in absehbarer Zeit ersticken werden, wenn wir nicht *jetzt* dagegen aufstehen.

@ehemaliger_User: eine Bereicherung des Fiskus wäre dann nicht wirklich falsch, wenn der Fiskus seine Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit erfüllen würde. Da er aber in allererster Linie den Schuldendienst bedient ist zu fragen, ob dieser Fiskus von irgendeinem Wert für das Volk ist. Fraglich bleibt, ob der Verkauf der Volkssouveränität durch die Politiker wirklich eine vertragliche Verpflichtung für das Volk darstellt. Ich gehe davon aus da keine diesbezügliche Aufklärung stattgefunden hat auch die Staatsschulen Privatsache derjenigen sind, die sie eingegangen haben. Sie haben aufgrund von anders nicht bezahlbaren Wahlversprechen eine zeitlang Macht genossen, und es ist nicht einzusehen warum das Volk dafür bezahlen soll.

Liebe Grüße, Aoife
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Beitrag von ehemaliger_User »

@Aoife

Du hast vollkomen Recht: "Wehret den Anfängen". Die Ursache des chronischen Geldmangels liegt doch in der Unfähigkeit der Politik, dem Volk tatsächlcih zu dienen.

Steht Meineid nicht unter Strafe? Oder gilt das nur für Eide vor Gericht? Was willst Du von einer Kanzlerin erwarten, die bei der Vereidigung nicht mal mehr die Hand hebt? (Ja, das war so 2009). Damit ihre gekreuzten Finger nicht auffallen? Oder zeigte sie daq deutlich, wieviel Respekt sie vor uns Volk hat? Oder fühlt sie sich schon als "Göttin"?

Der Amtseid nach GG lautet doch:
"Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohl des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. [So wahr mir Gott helfe.]"

Aoife, Dein Gedanken gefällt mir: Persönliche Haftung der Regierungs- und Bundestagsmitgleider für die eingegangenen Staatsschulden. Wenn ich meinem Arbeitgeber grob fahrlässig einen Vermögensschaden zufüge muss ich auch haften.
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Beitrag von Aoife »

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ehemaliger_User hat geschrieben:Aoife, Dein Gedanken gefällt mir: Persönliche Haftung der Regierungs- und Bundestagsmitgleider für die eingegangenen Staatsschulden.
Tbh (um ehrlich zu sein): Das ist nicht mein Gedanke - Sinn Féin strebt für den irischen Freistaat eine Verfassungsklage an, die den Verkauf der Souveränität an EZB/IMF als verfassungswidrig und somit nicht durch die über Wahlen erreichte Repräsentation des Volkswillens gedeckt erklären soll.

Und dass das Gleiche für Deutschland schon einige Jahrzehnte her ist und das Volk bereits erheblich unter den Folgen leidet verbietet ja nicht die Frage nach der Rechtmäßigkeit und somit nach der Verbindlichkeit der damals (möglicherweise ohne dazu ermächtigt zu sein) eingegangenen Verträge. Wäre doch mal ein sinnvoller Anwendungsbereich für "Sittenwidrigkeit" :002

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Frederik
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Beitrag von Frederik »

Hallo, Friederike,
vielleicht müssten mehr von uns in die Parlamente gehen ....
Klar, das würde die Aufmerksamkeitsrate erheblich erhöhen. Aber mach Dir keine falschen Vorstellungen. Wie viele Abgeordnete Deiner Couleur wären zahlenmäßig repräsentativ? Schmeiß mal Deinen Taschenrechner an.

Was mich aber eigentlich intrigiert: Wie konnte meinem geübten Adlerauge entgehen, was Dir im zartesten Adoleszenzalter in die Augen sprang, nämlich eine Rückwirkung. Meistens werde ich bei sowas hellwach. Hast Du einen Link?

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friederike
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RE: Sexsteuer in Ludwigshafen am Rhein

Beitrag von friederike »

@Fredrik,

spontan hätte ich keinen Link, das ganze wäre auch keinesfalls mein Verdienst: in einer Vorlesung ist einmal darüber gesprochen worden. Es ging u.a. um die Verkürzung des Haltefristen, innerhalb deren Vermögensgewinne bei privaten (also nicht buchhaltungspflchtigen) Steuerzahlern einkommensteuerbar werden. Die Gesetzesänderung sollte sofort wirksam werden (notwendigerweise, um "Aufräumarbeiten" zu verhindern), so dass im Fiskaljahr bereits erfolgte Fälle sogleich betroffen gewesen wären.

An den Proporz im Parlament könnte man natürlich denken. Zunächst einmal flögen etliche Lehrer usw. hinaus. Eine angemessene Vertretung des Pay6-Sektors könnte doch auch die Kunden einbeziehen ....

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Beitrag von friederike »

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ehemaliger_User hat geschrieben:Bereicherung des Fiskus ist ja nicht grundsätzlich verkehrt.

Es ist für mich nur die Doppelmoral ein Problem: auf der einen Seite SDL stigmatisieren, ihren Dienstleistung als moralisch verwerflich zu geisseln, gleichzeitig aber sich nicht scheuen, dieser Gesellschaftsgruppe zur Finanzierung gemeinschaftlicher Aufgaben das Geld zusätzlich aus der Tasche zu ziehen.
Angemessene und faire Besteuerung ist gewiss in Ordnung, aber "Bereicherung des Fiskus" bedeutet doch: der Fiskus geht davon aus, dass Einkommen erst einmal dem Staat gehört, alles, was man dem Bürger lässt, ist ein "Steuergeschenk". Mein Geld gehört erst einmal mir, ich kann es besser verwenden als der Staat. Ich bin bereit, für Staatsaufgaben zu bezahlen, aber nur im gerechten Rahmen.

Was wir hier diskutieren, ist doch, dass mein Einkommen als Prostituierte einer Sondersteuer unterliegen soll, also höher besteuert werden soll als andere Einkommen etwa eines Mediziners.

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Beitrag von ehemaliger_User »

friederike hat geschrieben: 
Was wir hier diskutieren, ist doch, dass mein Einkommen als Prostituierte einer Sondersteuer unterliegen soll, also höher besteuert werden soll als andere Einkommen etwa eines Mediziners.
Der Fiskus sieht ds aber anders, der meint, der Bordellbesitzer bzw. der Freier müsse tiefer in die Tasche greifen. Das zeigt doch, dass die Agierenden von diesem Markt nichts verstehen und den Weg des geringsren Widerstands gehen.

Für Mediziner könnte doch eine "Kanülensteuer" eingeführt werden...
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