30 Jahre AIDS Chronik:
1981-2011
um 1900
Anfang des 20. Jahrhunderts wird ein Urtyp des HIV von Affen auf den Menschen übertragen. Vorgänger des Erregers ist das bei Schimpansen festgestellte SI-Virus. Enstehungsregion: vermutlich Westafrika.
1959
Im Kongo wird einem erwachsenen Mann eine Blutprobe entnommen, die – wie sich Jahrzehnte später herausstellt – HIV-Antikörper enthält: die erste nachgewiesene HIV-Infektion bei einem Menschen.
1981:
Am 5. Juni -vor genau 30 Jahren- berichtete wird über die Häufung einer seltenen Form der Lungenentzündung bei schwulen Männern berichtet:
Morbidity and Mortality Weekly Report:
www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/june_5.htm
Der Wissenschaftler Michael Gottlieb von der Univerity of California, Los Angeles (UCLA) berichtet im Wochenblatt des US-amerikanischen Center for Disease Control and Prevention (CDC) vom 5. Juni 1981, über ungewöhnliche Pilzinfektionen und Lungenentzündungen bei fünf ansonsten völlig gesunden jungen schwulen Männern aus Los Angeles. Offenbar ist deren Immunsystem zusammengebrochen.
In der New York Times erscheint am 3. Juli 1981 ein Artikel von Lawrence K. Altman über eine Reihe ungewöhnlicher und ähnlicher Krankheitsfälle. Die Erkrankten seien Homosexuelle mit vielen verschiedenen Sexualkontakten.
Rare Cancer Seen in 41 Homosexuals:
www.nytimes.com/1981/07/03/us/rare-canc ... een&st=cse
1982:
Seit Herbst als AIDS bezeichnet. Auf einer Konferenz von Blutspendeorganisationen einigen sich die Teilnehmer am 27. Juli auf einen neuen Namen:
AIDS (Acquired Immuno Deficiency Syndrome). Grund ist das Auftreten von AIDS-Fällen auch bei Drogengebrauchern und Blutern. Bis dahin verwenden die Medien Bezeichnungen wie „Gay Cancer“ (Schwulenkrebs). NBC berichtete am 17.06.1982 darüber.
In New York wird die Gay Men’s Health Crisis (GMHC) gegründet, die weltweit erste Aidshilfeorganisation.
Im Juli wird in Frankfurt am Main erstmals bei einem Patienten in der Bundesrepublik AIDS diagnostiziert.
Im Heft 22 berichtet der Spiegel erstmals über die Krankheit.
1983:
Der Virologe Luc Montagnier und Robert Charles Gallo entdecken das HI-Virus. Anfang 1983 weisen Luc Montagnier und Francoise Barre-Sinoussi vom Institut Pasteur in Paris Partikel eines Retrovirus nach und nennen ihn zunächst LAV (Lymphadenopathie-assoziiertes Virus). Im Mai veröffentlicht Montagnier das erste Bild des Erregers. 2008 erhält das Forschungsduo für seine Entdeckung den Medizin-Nobelpreis.
Der New Yorker Arzt Joseph Sonnabend und zwei seiner Patienten veröffentlichen eine der ersten Aufklärungsschriften: „How to Have Sex in an Epidemic“. Sie sprechen darin erstmals von „Safer Sex“.
Im Heft 23 im Juni widmet der Spiegel der Krankheit die erste Titelgeschichte und beginnt mit einer Hetzkampagne gegen schwule Männer [und Prostitutierte?!?! Anm.].
Ab September 1983 werden erste AIDS-Hilfen in der BRD gegründet (in Berlin und München). Am 23. September wird in Berlin der Dachverband „Deutsche A.I.D.S.-Hilfe e.V.“ (DAH) von schwulen Männern und einer Krankenschwester gegründet.
1984:
Der erste HIV-Antikörpertest wird vorgestellt.
Am 1. Oktober beginnt die Pflicht zum Testen von Blutprodukten auf HIV-Antikörper. Die HIV-Infektionen bei Hämophilie-Patienten gehen drastisch zurück.
1985:
Die erste Informationsbroschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema AIDS erscheint. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wendet sich mit einer Postwurfsendung „AIDS – Was Sie über AIDS wissen sollten“ an alle 27 Millionen „Haushaltungen“ der Bundesrepublik.
In Atlanta/USA findet die erste internationale AIDS-Konferenz statt.
Am 2. Oktober 1985 stirbt US-Schauspieler Rock Hudson an den Folgen von AIDS. Sein Coming-out kurz vor seinem Tod – als schwul und HIV-positiv – sorgt weltweit für Aufsehen.
Viele weitere schwule Prominente sterben in der darauffolgenden Zeit - wie z.B. Robert Mapplethorpe (09.03.1989), Keith Haring (16.02.1990) und Freddie Mercury (24.11.1991). Mit dem Kinofilm Buddies (USA, 1985) und dem Fernsehfilm Früher Frost (USA, 1985) erscheinen die ersten Filme über AIDS.
1986:
DAH-Refarat Prostitution besteht 1986-1992 und wird dann zum Frauenreferat umbenannt.
www.aidshilfe.de/sites/default/files/Bi ... _embed.swf Seite 11
Film "Ein Virus kennt keine Moral" von Rosa von Praunheim.
Mit dem bis dahin erfolglos gegen Krebs eingesetzten Medikament
AZT nimmt die AIDS-Forschung im März eine entscheidende Wende: Erstmals zeichnet sich ein Medikament gegen HIV ab (AZT: Azidothymidine, Generic Name: Zidovudine, Marken-Namen: Retrovir, Retrovis von Glaxo-SmithKline).
Die Internationale Kommission für Virus-Taxonomie benennt LAV und HTLV III während eines AIDS-Kongresses im Mai in Paris um in
„Human Immuno Deficiency Virus“ (HIV).
1987:
Maßnahmenkatalog und Repressiver Kurs des
Staatssekretärs im Bayerischen Staatsministerium Peter Gauweiler (CDU): Am 25. Februar 1987 beschließt die bayerische Staatsregierung einen „Maßnahmenkatalog zur Abwehr von AIDS“ (u.a. mit der Möglichkeit „Ansteckungsverdächtige“ zum HIV-Test vorzuladen). Am 24. Oktober kommt es in München zu einer Großdemonstration gegen die bayerische Vorgehensweise.
Die Kampagne "Gib AIDS keine Chance" der BZgA startet.
Die Deutsche AIDS-Stiftung "Positiv leben", die Nationale AIDS Stiftung und der Nationale AIDS-Beirat der Bundesregierung werden ins Leben gerufen.
In den USA entsteht die radikale Bewegung Act Up (AIDS Coalition to Unleash Power), um durch neue öffentlichkeitswirksame Aktionen Aufmerksamkeit zu erzeugen und politischen Druck auszuüben.
Am 17. März wird AZT (Retrovir) als erstes Medikament gegen AIDS zugelassen. Ein Meilenstein für die Behandelbarkeit von HIV – und für die Medizingeschichte: AZT ist bis dato das teuersten verschreibungspflichtige Medikament. Die Behandlungskosten betragen rund 10.000 US-Dollar pro Jahr.
In Großbritannien eröffnet Prinzessin Diana am 9. April die erste auf HIV spezialisierte Krankenhausabteilung, das London Lighthouse. Insbesondere die Tatsache, dass Diana AIDS-Patienten die Hand gibt, ohne Handschuhe zu tragen, erregt Aufmerksamkeit – obwohl die Übertragungswege von HIV längst bekannt sind.
1988:
Der erste Welt-AIDS-Tag wird von den Vereinten Nationen (WHO) ausgerufen
www.welt-aids-tag.de
Ende der 80er Jahre findet sich eine politische Mehrheit für den liberalen Aufklärungskurs von Gesundheitsministerin Rita Süssmuth (CDU).
1989:
Zu Jahresanfang werden in Berlin und Nordrhein-Westfalen erstmals Automaten mit sterilen Einwegspritzen aufgestellt. Sie sollen helfen, HIV-Infektionen beim Drogengebrauch zu vermeiden.
Am 21. Juni schließen sich in Hamburg Junkies, Ex-User und Substituierte zum überregionalen Netzwerk JES zusammen
www.jes-bundesverband.de
1990:
Im März wird die “AIDS-Hilfe DDR e.V.” gegründet und als Verein eingetragen. In der DDR gründen sich im Laufe des Jahres 15 Aidshilfen, 14 von ihnen werden Mitglied der AIDS-Hilfe DDR.
Deutsche AIDS-Hilfe lädt unter dem Motto: “positiv in den Herbst – keine Rechenschaft für Leidenschaft” zur
ersten Bundespositivenversammlung (BPV) nach Frankfurt ein. In den folgenden Jahren wächst diese Veranstaltung zur größten Selbsthilfekonferenz zum Thema HIV in Europa heran.
1991:
Die von der Künstlergruppe Visual AIDS in New York entwickelte Rote Schleife wird zum ersten Mal als Zeichen für Solidarität mit HIV-Betroffenen getragen. Über 100.000 werden am 20. April im Londoner Wembley-Stadion verteilt – bei einem Gedenkkonzert für den an HIV verstorbenen Popsänger Freddie Mercury (24.11.91 †)
Im September
besetzt Act Up den Dom zu Fulda.
1992:
Die urprünglich für Boston geplante Internationale AIDS-Konferenz findet vom 19. bis 24. Juli in Amsterdam statt. Der Grund: die US-Regierung hält an ihrer Regelung fest, HIV-Positiven die Einreise in die USA zu verwehren.
1993:
Am 20. Mai stirbt Siegfried Dunde in Bonn an den Folgen von AIDS. Er beschäftigte sich in Vorträgen und Publikationen mit Vorurteilen gegenüber Homosexuellen und Aids-Kranken und war stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Aids-Stiftung "Positiv Leben".
1994:
Mit Philadelphia (USA, 1994) erscheint der erste Hollywood-Film über AIDS.
1995:
Studien zeigen endgültig, dass die kombinierte Behandlung zweier Wirkstoffe besser als eine Monotherapie wirkt. Die Zweierkombi wird neuer Behandlungsstandard.
1996:
Die Deutsche AIDS-Stiftung "Positiv leben" und die Nationale AIDS-Stiftung schließen sich zur Deutschen AIDS-Stiftung zusammen.
Die Vereinten Nationen schaffen mit UNAIDS ein spezielles Programm, um die internationalen Maßnahmen gegen die HIV-Epidemie abzustimmen. Es entstand 1996 aus dem Global Program on HIV/AIDS der Weltgesundheitsorganisation.
Optimismus bei der 11. Welt-AIDS-Konferenz in Vancouver: Die neuen Proteasehemmer versprechen einen Durchbruch bei der Behandlung von HIV. Die Ära der
Kombinationstherapien (Highly Active Antiretroviral Therapy, kurz HAART) beginnt. Nachteile wie Nebenwirkungen und Resistenzbildungen werden erst in den Folgejahren bekannt.
1997:
Die US-amerikanischen CDC berichten, dass erstmals die Zahl der jährlichen AIDS-Toten gesunken ist. Ende 1997 leben etwa 30 Millionen Menschen mit HIV/Aids, 2,3 Millionen sterben an den Folgen von Aids.
1998:
Am 21. Juli veranstaltet der “Landesverband der Eltern und Angehörigen für humane und akzeptierende Drogenarbeit NRW e.V.” den ersten “Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher”, der seitdem jährlich mit vielen Veranstaltungen in zahlreichen deutschen Städten abgehalten wird.
Auf der 12. Internationalen AIDS-Konferenz (28.07.-03.08.) in Genf wird die Beteiligung der Community der Menschen mit HIV/Aids auf allen Ebenen der Vorebreitung und Durchführung im so genannten
Genfer Prinzip festgeschrieben. Dieses Prinzip wurde später (1999) auch in Deutschland übernommen.
1999:
Vom 2. bis 5. Juni findet der 7. Deutsche AIDS-Kongress in Essen statt. Erstmals sind Community-Vertreter an Planung und Druchführung eines deutschen Aidskongresses direkt beteiligt.
90er Jahre:
Aids ist weltweit zur vierthäugisten Todesursache aller Zeiten geworden.
In Deutschland kommt es jährlich zu etwa 2000 HIV-Neudiagnosen.
2000:
Von 2000 bis 2007 stieg die Zahl der Neudiagnosen jährlich kontinuierlich an.
Die Vereinten Nationen beschließen im Dezember die Einrichtung eines Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, der drei schwersten Epidemien des Jahrhunderts
www.theGlobalFund.org
2001:
Liberales
Infektionsschutzgesetz (IfSG) ersetzt das Bundesseuchengesetz und das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten.
Bayern führt die
Zwangs-Kondomverordnung für Prostituierte ein.
2006:
Im Januar wird in den USA mit Atripla die erste einmal tägliche Dreier-Kombi in einer Pille zugelassen. Die HIV-Therapie wird immer einfacher.
2007:
Timothy Ray Brown aus Seatle, seit 1995 HIV+, durch Rückenmarktransplation mit Resitenz erzeugender Mutation geheilt (delta32 CCR5, siehe folgendes posting).
Im März 2007 empfehlen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNAIDS die
Beschneidung als ergänzende HIV-Präventionsmethode. Studien in afrikanischen Ländern hatten gezeigt, dass beschnittene Männer beim heterosexuellen Geschlechtsverkehr ein um 60 Prozent niedrigeres Infektionsrisiko aufweisen.
Die jährlichen Neudiagnosen seit 2007 in Deutschland stabilisieren sich bei 3000 pro Jahr.
2008:
Nobelpreis für die Entdeckung der HI-Virus geht nur an den Franzosen Luc Montagnier. Der Amerikaner Robert Gallo geht leer aus.
Entwarnung der Schweizer Infkommission unter Prof. Pietro Vernazza (Eidgenössischen Kommission für Aids-Fragen, EKAF): "Richtige und regelmäßige Einnahme der verordneten Anti-HIV-Medikamente (compliance), verhindert eine HIV-Übertragung selbst bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr" (
EKAF-Statement und
DAH-Positionspapier).
2010:
Sexworker Forum auf dem
Welt AIDS-Kongress in Wien.
Nach mehr als zwei Jahrzehnten heben die USA das seit 1987 geltende Einreiseverbot für HIV-Positive zu Jahresbeginn endgültig auf. Das Verbot habe „mit Angst zu tun, nicht mit Fakten“, sagt US-Präsident Barack Obama.
von Erwin In het Panhuis
www.queer.de/detail.php?article_id=14372
und DAH
http://blog.aidshilfe.de/2011/06/01/30- ... 1981-1986/
und von mir ergänzt.
Mehr:
www.economist.com/node/18772276
www.ondamaris.de/?page_id=1109 von Ulrich Würdemann
Präventionsplakate 1985-2011:
www.aidshilfe.de/sites/default/files/Bi ... _embed.swf
Weitere Zeit-Tafeln:
5000 Jahre Kampf für Menschenrechte
Prostitutionsgesetze ab 1800
Sexworker-Bewegung seit 1973