"Splitterfasernackt" Lilly Lindner

Ein nahezu unerschöpfliches Thema: Psychologische Betrachtungsweise der Sexarbeit
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Aoife
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Re: Vergangenheitsbewältigung

Beitrag von Aoife »

Vielen Dank für den tollen Beitrag, Marc!

Ich denke unter "Ökonomie der Sexarbeit" passt er wirklich gut, habe mir aber dennoch erlaubt die Beantwortung hierher zu verlegen, da wir hier bereits in diesem Zusammenhang Grundlegendes angesprochen haben.

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Marc of Frankfurt hat geschrieben:Warum immer mehr Menschen psychotisch werden?

Unsere Gesellschaft produziert sich widersprechende Zielvorstellungen!


....

Wie kann das sein?


Die Fehlentwicklung kann erklärt werden mit unserem Mißverständnis von Ökonomie und Gemeinschaft (Natur und Weltverständnis, Menschenbild). Und wegen dieses Mißverständnisses legitimiert die herrschende Lehre die niederen Instinkte von Konkurrenz und Ausbeutung und das sogar auf die Gefahr hin, dass es zum Systemabsturz kommt (Staatsbankrott, Krieg).

...

Wann ist das Mißverständnis aufgekommen?


Die herrschende Lehre im Westen besagt, dass der Wettbewerb auf dem freien Markt das effizienteste Instrument der Steuerung ist, um das Beste für das Allgemeinwohl zu erreichen. Das ist der Kernsatz des Liberalismus und Neo-Liberalismus, der mit Adam Smith beginnt ("Unsichtbare Hand").

Dabei war dieser Mann ein Moralphilosoph und Theologe. Wenn er auch den Egoismus der Handwerker und Händler auf dem Marktplatz akzeptiert hat und glaubte dabei kommt doch was gutes raus am Ende, so deshalb, weil er an Gott als lenkende Kraft glaubte.

Erst später, als aufgeklärte Wissenschaft Gott als Faktor loswerden wollte, kam der Markt und Wettbewerb als unsichtbare Kraft ins Spiel. So entstand der moderne Glaube an die Konkurrenz. Der ordoliberale Ökonom Hayek aus der Wiener Schule der Nationalökonomie soll es als Lehrsatz herausgestellt haben. Aber wenn man genau nachforscht, wurde es nie empirisch herausgefunden. Es ist also keine evidenzbasierte Wissenschaft, sondern ein Postulat oder Dekret. Nichts weiter als ein moderner Glaubenssatz oder Mythos.

Neue Forschungen (behavioral economics) belegen das Gegenteil. Kooperation ist viel erfolgreicher. Bei Zusammenarbeit entsteht das was wir Synergie nennen und was 'mathematisch' soviel ist wie "1 + 1 = 3 Synthese". D.h. es kommt mehr heraus als hereingesteckt wurde. Das ist eine weitere Definition von Mehrwert (vgl. Definition von Karl Marx im Posting #1 auf der 1. Seite). Das ist das Geheimnis des Lebens.

...

Zu "Double Bind" siehe unter Menschenrechte und Sexwork:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=65607#65607





.
Letztlich halte ich weder Smith noch Hayek für ursächlich, sie haben nur eine bereits bestehende Praxis mit einer pseudowissenschaftlichen Erklärung "untermauert". Und ich glaube auch nicht an ein Mißverständnis, sondern ich halte das für absolut beabsichtigte Fehlinformation im Sinne des Teile und Herrsche. Auch würde ich Konkurrenz nicht als niederen Instinkt bezeichnen, weil sie anders als Instinkte nicht angeboren, sondern mit Fehlinformationen anerzogen ist.

          Bild
Aoife hat geschrieben:..., die von Boszormenyi-Nagi beklagte, weil psychisch so schädliche Anomie (Gesetzlosigkeit) hat ja gerade ihren Ursprung in der fehlenden Anarchie, also Herrschaftslosigkeit.

Was nur beim ersten Blick ein Paradox darstellt, denn wenn Gesetzgebung von Herrschern ohne wirkliches Recht dazu (außer dass sie die grünen Männchen mit den Pistolen befehligen) usurpiert wird, dann beudeutet das logischerweise, dass die von ihnen gemachten sogenannten "Gesetze" keine Entsprechung in der menschlichen Seele haben und somit als psychischer Rahmen wirkungslos bleiben.
Somit sehe ich die Ursache für die verrückte (und somit die Menschen verrückt machende) Gesellschaft nicht bei Smith oder Hayek, sondern im Versagen die absolutistische Monarchie zu überwinden. Das was sich heutzutage Demokratie schimpft stellt nur den Versuch dar die Monarchie in einem völlig unbedeutenden Punkt zu "verbessern" - nämlich den Monarchen durch ein unter welchen Umständen auch immer gewähltes Parlament zu ersetzen. Das wirklich Schlimme der Monarchie, nämlich dass sich jemand anmaßt Land und Leute zu besitzen, wird völlig ausgespart. Die Existenz von Strafgesetzen in den Demokratien beweist, dass die Menschen nach wie vor als Leibeigene gesehen werden, hier werden Untertanen bestraft anstelle für zivilrechtliche Entschädigung zu sorgen.

SOmit handelt es sich beim Konkurrenzdenken und seiner Pflege keineswegs um einen Instinkt oder ein Mißverständnis, sondern um eine ganz gezielte Einflußnahme um die Menschen zu versklaven.

Das zeigt übrigens auch dein Hinweis auf double bind, denn um double bind pathogen zu machen benötigt es nicht nur zwei widersprüchliche Befehle, sondern zusätzlich das Verbot das Feld zu verlassen als tertiären Befehl, in Verbindung mit existenziell bedrohlichen Sanktionen. Oder auf gut deutsch gesagt: Solange jemand sagen kann "leck mich!" haben 2 widersprüchliche Befehle keine krankmachende Wirkung. Die Tatsache dass diese Lösungsmöglichkeit nach Möglichkeit blockiert wird (und dazu gehört auch das gesellschaftliche Prostitutionsstigma) beweist, dass das mit voller geplanter Absicht so propagiert wird. Offensichtlich geht es darum die Menschen gezielt verrückt zu machen, damit sie ihre freie Geburt vergessen und sich in ausbeuterische Systeme einfügen. Dass einige dadurch so verrückt werden, dass sie nicht einmal mehr ausbeutbar sind, sind billigend in Kauf genommene Kollateralschäden.

Liebe Grüße, Aoife
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Rezension

Beitrag von ehemaliger_User »

Lilly Lindner: Splitterfasernackt
Ohne Männer ist es im Bordell ganz gemütlich

An den Nervenenden einer wahren Geschichte: In „Splitterfasernackt“ erzählt Lilly Lindner von Missbrauch, Prostitution und Magersucht. Aufklärungsarbeit in einer glasklaren und welthaltigen Prosa.
Von Ingeborg Harms 17.10.2011
© Droemer Knaur

Lilly Lindners Buch „Splitterfasernackt“ kommt ohne Untertitel daher. Ist es ein Tatsachenbericht, ein Tagebuchwerk oder ein Roman?

Legte es jemand darauf an, mit sensationsheischenden Themen zwischen zwei Buchdeckeln zu punkten, er könnte es nicht besser treffen. Denn hier geht es um eine Karriere als Prostituierte, die sich für die Erzählerin mit nicht eben leicht nachzuvollziehender Logik aus zwei unerhört grausamen Missbrauchsdelikten ergibt. Dass sie mit sechs Jahren von einem Nachbarn vergewaltigt wurde, erfährt man zunächst nur aus Andeutungen. Über die ersten neunzig Seiten liefert Lillys sarkastisch-masochistische Erzählung wenig Konkretes. Man erfährt von einem indifferenten Vater, einer aggressiven Mutter, von Lillys Anorexie, einem Selbstmordversuch, einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik und ihrer Selbsteinlieferung in ein Jugendheim. Quälend deutlich ist, dass sich hier jemand aus Worten einen Schutzpanzer baut, zu kommunizieren versucht und doch niemanden zu sich hereinlässt.

Prostitution aus Angst vor der Unmündigkeit

Wer diesen Teil des Buches überstanden hat, taucht verblüfft in eine so glasklare wie welthaltige Prosa ein. Sie geht einher mit Lillys Entschluss, in einem Bordell anzuheuern. Von nun an sitzt sie zwischen zwei Freiern im „Mädchenzimmer“ auf dem Bett und hämmert in ihren Laptop. Immer noch ist sie magersüchtig, zerschnitzt sich daheim mit Rasierklingen die Arme und schläft des -Nachts ohne Deckbett. Aber es braucht fast vierhundert Seiten, bis sie dem Leser mit einem Schlag eine Vorstellung davon gibt, was so viel Selbstzerstörung auslösen konnte. Und erst jetzt begreifen wir, dass die Grundabsurdität, die das Buch durchzieht, sehr ernst zu nehmen ist: Denn die mit siebzehn Jahren durch einen Sadistenkreis gemeinsam mit anderen verschleppten Mädchen abermals vergewaltigte junge Frau macht sich zur Prostituierten, um endlich mündig zu werden, um ohne Scham von Dingen sprechen zu können, die ihr Selbstgefühl vernichtet haben und die selbst ein mit den menschlichen Abgründen vertrauter Kriminalbeamter nicht leicht über die Lippen brächte.

In immer neuen Anläufen versucht Lilly zu begreifen, warum sie tut, was sie tut. Die Paradoxie, dass jemand, dem die Sexualität lange vor der Geschlechtsreife als diabolische Gemeinheit ins Fleisch getrieben wurde, gerade sie zu seinem Beruf macht, wird immer neu gewendet und erklärt. Eine Begründung ist so gut wie die andere, doch dass keine der Erzählerin genügt, ist das wohl stärkste Argument dafür, dass es sich hier um die Nervenenden einer wahren Geschichte handelt.

„Die Wirklichkeit vollzog sich mit verschwitzten Männern“

Wie kann es sein, fragt man sich, dass sie so gütig, so ohne Ranküne von den Männern spricht, die sich zu ihr und den anderen fast komödienhaft in Szene gesetzten Mädchen des Berliner Bordells „Passion“ stehlen? Woher nimmt dieses psychische Wrack die Seelenruhe und den gerechten Wortschatz, um die Sehnsucht spürbar zu machen, die zur käuflichen Liebe treibt? Einmal trifft sie an einer Bushaltestelle auf eine Leidensgefährtin aus der Sadistenwohnung. Ohne ein Wort zu wechseln, sitzen beide nebeneinander, bis es dunkel wird. Sie sehen sich kaum an, teilen ein paar Weintrauben und gehen wieder auseinander. Was sie vereint, ist die Panik vor den Möglichkeiten, die sich mit ihrer Begegnung eröffnen. Denn die Täter wurden nicht verfolgt, und ihre Opfer sagten nie aus.

Lilly Lindner ist die Tochter koreanisch-deutscher Eltern, die ihrem Kind nicht anmerken, was ihm ein netter Nachbar antat. Auch beim zweiten Überfall überhört der Vater, dass etwas nicht stimmt, als sich die Tochter bei vorgehaltener Pistole telefonisch für das ganze Wochenende abmeldet: „Für einen Moment hatte ich dummes Ding doch tatsächlich geglaubt, dass es meinem Vater auffallen müsste, dass ich ihn sonst nie ,Papi’ nenne, oder dass er zumindest wissen würde, dass ich gar keine Freundin namens ,Julia’ habe. In Filmen klappt so etwas immer, da reicht eine falsche Sprechpause, ein kaum hörbares Räuspern, ein unpassendes Wort, und schon kommt ein SWAT-Team oder Jack Bauer durch die Tür gestürmt. Die Wirklichkeit aber vollzog sich mit verschwitzten Männern.“

„Da steht a ja druff, wa?“

Wenn der Kältepol des Buches die Gleichgültigkeit der Mitwelt und ihr Bedürfnis ist, von Unaussprechlichem verschont zu werden, so ist seine Wärmezone das „Passion“, eine verkehrte Welt voller Frauen, die herzlich und geradezu zärtlich miteinander umgehen, meist aus Osteuropa stammen und Deutsch nur gebrochen sprechen: „Die anderen Mädchen wuseln die meiste Zeit über einfach in Reizwäsche oder in durchsichtigen Kleidern herum, und eine Gelassenheit und Ruhe liegt in den Räumen, die schwer zu beschreiben ist.“ Lilly verschafft uns die Innenansicht eines Bordells ohne Prätentionen und moralisches Geschütz. Die Damen schnattern munter vor sich hin, lachen „über die merkwürdigen Anrufer und Kunden, kämmen sich gegenseitig die Haare, suchen nach ihren Strings, tauschen ihre Röcke und Kleider, winken aus dem Fenster neugierigen Männern zu, telefonieren mit eifersüchtigen Ex-Freunden, surfen im Internet, zeigen mir Familienfotos oder schlafen, dicht aneinandergekuschelt, im Mädchenzimmer“. Über die Kundenwünsche tauschen sich Lillys Kolleginnen mit der Sachlichkeit von Anthropologen aus: „,Ja’, stimmt Marla ein, ,nicht alle wollen Sex. Viele Männer brauchen Nähe von Mädchen. Geborgenheit - so heißt das in Deutsch? Ja? Ein bisschen reden und streicheln und zusammen sein.“ Verwundert beobachtet Lilly, „wie schnell man sich daran gewöhnt, in Dessous durch ein Bordell zu laufen, unbekannte Männer zu küssen, Kondome überzustreifen“.

Die Erzählerin scheut weder das Pidgindeutsch noch Dialekte. Lustig wird es immer, wenn Bambie, die Domina, vorbeikommt: „Jetzt quatsch ick schon wieda die janze Zeit, mein arma Kunde! Den hab ick an diesen komischen Balken jefesselt, ick werd ma wieda rüba und weitermachen, dem sind bestimmt schon die Arme abjefallen. Aber wat soll’s, da steht a ja druff, wa?“

Dokument einer Hungerkünstlerin

Ein Kunde hantiert mit Seilen und Haken und schnürt sich vor Lillys Augen „zu einem verknoteten Päckchen zusammen, klemmt sich seine Hoden ab, erwürgt sich fast, hat einen Orgasmus, packt sich wieder aus und setzt sich zu mir aufs Bett. ,Keine Ahnung, warum ich so etwas mag’, sagt er verlegen. ,Ich finde es nicht schlimm’, erwidere ich. ,Danke“, sagt Derek. ,Wofür?’, frage ich, denn schließlich habe ich nur dagesessen und nichts gemacht. ,Dass du nicht gelacht hast’, meint er.“ Diese Episode ragt aus den anderen heraus, weil sie illustriert, dass es auch für Lilly darum geht, dem kränkenden Lachen der anderen zu entkommen. Erst wenn sie noch den abwegigsten Lüsten ungerührt zuschauen kann, wird sie niemand ihrer erlittenen und furchtsam verschwiegenen Geschichte wegen beschämen.

Ganz nebenbei ist „Splitterfasernackt“ das Dokument einer Hungerkünstlerin, die uns die Kälte der Unterernährung fühlen lässt, die „beißend und rauh tief aus den Knochen“ kommt, „und so bitter an jedem Körperteil nagt, dass ich weinen möchte vor Schmerzen“. Laufend wird sie von Herzrasen, Ohnmachten, Zittern, Schwindel- und Erschöpfungszuständen heimgesucht. Obwohl Lilly jenseits des Bordells in einem Vakuum lebt und wie eine Fliege unter dem Glassturz gegen die Wände ihrer emotionalen Apathie stößt, ist sie sensibel für die leisen Tragödien und Lebenslügen der Kolleginnen, die sich für den Unterhalt einer fernen Familie prostituieren oder vor einem brutalen Ehemann geflüchtet sind.

Befreiung von der Einsamkeit des Schicksals

Als sie in die Schweiz wechselt, um dort als Callgirl zu arbeiten, hat sie einen Traum. Sie wähnt sich an einem Vortragspult, von wo aus sie dem Auditorium in einer uferlosen Diareihe alle Männer vorführt, mit denen sie je Sex hatte. Am Ende bleibt das Publikum sprachlos zurück, und Lilly verlässt erhobenen Hauptes den Raum. „Splitterfasernackt“ hat eben diese Funktion der Katharsis, es befreit seine Erzählerin von der Einsamkeit eines Schicksals, dem die Worte fehlen. Bis zu diesem Punkt hat sich das traumatische Verlangen nach Sicherheit in die erbarmungslose Kontrolle ihres Körpers übersetzt: „Denn wenn wir es schaffen, jeden noch so unwichtigen Teil von uns zu peinigen, wenn wir uns all das antun, was wir gelernt haben zu ertragen und noch mehr, dann dürfen wir sicher sein, dass uns niemand sonst etwas anhaben kann.“

Doch gegen Ende deutet sich auch in Lilly jene Verwandlung an, für die das Buch steht. Dabei hilft ihr die Verbindung zu Chase, einem Freund aus glücklicheren Kindheitstagen, zu dem die Verbindung nie ganz abbrach. Schließlich lässt [sie] ihre Gefühle für ihn zu und beginnt zu akzeptieren, dass es schön ist, mehr als vierzig Kilo zu wiegen. „Ich habe solchen Hunger“, sagt sie in einem unbewachten Moment, und damit platzt ein Knoten, der die Welt in all ihrer Gebrechlichkeit in Lilly Lindners Sprache strömen lässt.

Lilly Lindner: „Splitterfasernackt“. Droemer, München 2011. 400 S., br., 16,99 €.
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Marc of Frankfurt
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Selbst-Therapie durch Job

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Eindrucksvolle Rezension.

Die Vortragsszene im Auditorium wo Lilly Lindner ihre Erfahrungen zurück in die Welt bringt erinnert mich an einen Artikel, wo eine neue offene, freie, einbindende Therapie bei mentalen Störungen vorgestellt wird (das bedeutet auch Projekte wo mehr als nur ehrenamtliches Mitwirken möglich ist!):

Bild


Diagnose: Schizoaffective Disorder

Therapie: A High-Profile Executive Job as Defense Against Mental Ills

Her overall strategy combines a heavy work schedule, regular reality checks with colleagues, sympathy from her dog (trained to jump in her lap when it senses distress) and the option to bail out for a few days if needed — in luxury.

“I needed to hide out, to be away for a while. I wanted to pamper myself — room service, great food, fluffy pillows, all that — and I was lucky to have a therapist who understood what was going on and went with it.”

Fall: Ms. Keris Myrick. Sie leitet jetzt das Project Return Peer Support Network www.prpsn.org





www.nytimes.com/2011/10/23/health/23liv ... wanted=all

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annainga
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Re: Vergangenheitsbewältigung

Beitrag von annainga »

eine spannende diskussion führt ihr hier. etwas komplex, ich habe mich bemüht, die beiträge zu verstehen, weil ich das thema so faszinierend finde.

womöglich, weil ich ein so anderes weltbild habe. und weil mir einige psychologische theorien nicht vertraut sind. ich würde mich trotzdem gerne einklinken.

z.b. der satz

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Aoife hat geschrieben:Offensichtlich geht es darum die Menschen gezielt verrückt zu machen, damit sie ihre freie Geburt vergessen und sich in ausbeuterische Systeme einfügen.
wer sollte das sein? die gesellschaft, so wie sie sich geformt hat? gott?

lieben gruß, annainga

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Re: Vergangenheitsbewältigung

Beitrag von Aoife »

          Bild
annainga hat geschrieben:wer sollte das sein? die gesellschaft, so wie sie sich geformt hat? gott?
Da neige ich eher zur ersten Auswahl - sollte Gott das gemacht haben, so hätte er sich auffällig spät dazu entschlossen, schließlich wurde in Ulster erst 1542 der erste Versuch gemacht das Staatsmachtsystem einzuführen :002

Jedoch bin ich überzeugt, dass die Gesellschaft sich nicht "von selbst" in dieser Weise entwickelt hat, sondern von einzelnen Interessierten in dieser Richtung geformt wurde. Bezüglich Deutschland denke man nur an Luthers Rolle im Bauernkrieg.

Worum es mir hier im Psychologiebereich in erster Linie geht ist die Feststellung, dass Anarchie historisch keineswegs die ihr unterstellte Gesetzlosigkeit und Faustrecht bedeutet, sondern dass der Mensch als soziales Wesen dynamisch seine eigenen Regeln in der Gruppe entwickelt.

So gesehen leidet die moderne Gesellschaft (beziehungsweise ihre Mitglieder) genau unter der Willkür und dem Mangel an psychisch relevanten Regeln, mit dem die Nutznießer dieser Situation drohen dass sie im Fall einer Herrschaftslosigkeit eintreten würden.

Ich denke dass die marxistisch-leninistische Vorstellung einige Generationen Gewöhnung an das kommunistische Staatssystem würden dazu führen dass die Menschen es gar nicht anders wollen zweifellos widerlegt ist. Aber die psychischen Probleme die die Menschen auch unter anderen Staatsmachtsystemen haben zeigen IMHO dass solche Systeme an sich nicht menschengerecht sind - einige Generationen Indoktrination dass das schon immer so gewesen sei können zwar das bewußte Nachdenken über bessere Lösungen entmutigen, das krankmachende Unwohlfühlen mit dieser nicht menschengemäßen Lebensform wird dadurch aber nicht verändert.

Deshalb meine geschichtlichen Hinweise, zuallererst geht es darum, dass die Menschen sich wohlfühlen sollen, sozusagen eine flächendeckende Gruppentherapie :002 - aber dazu ist es IMHO unerlässlich auch darauf hinzuweisen, dass der Glaube "das sei schon immer so gewesen" und die theoretisch naheliegende Lösungsmöglichkeit der Herrschaftslosigkeit sei eine Utopie die noch nie funktioniert habe, nicht den geschichtlichen Tatsachen entspricht.

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Beitrag von annainga »

also, du glaubst, dass "einzelne Interessierte" gezielt menschen verrückt machen wollen, z.b. luther?

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Beitrag von Aoife »

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annainga hat geschrieben:also, du glaubst, dass "einzelne Interessierte" gezielt menschen verrückt machen wollen, z.b. luther?
Absolut.

Nicht dass er eine medizinische Diagnose angestrebt hätte, er wollte bestimmt niemanden beispielsweise schizophren machen, aber er wollte eindeutig dass die Menschen "ihre gottgewollte Unterordnung unter den Adel" akzeptieren, und das ist zumindest in meinen Augen verrückt. Und weil sich das nicht so exakt steuern lässt treten dann als "Nebenwirkungen" auch noch andere Verrücktheiten auf.

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Beitrag von annainga »

mit luther kenne ich mich nicht gut aus. wir unterscheiden uns insoweit in unseren grundannahmen, dass ich denke, dass die meisten menschen gutes bewirken wollen und nicht egoistisch sind oder "menschen gezielt verrückt machen" wollen. bei luther kann ich mir das auch vorstellen.

lieben gruß, annainga

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Beitrag von Aoife »

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annainga hat geschrieben:wir unterscheiden uns insoweit in unseren grundannahmen, dass ich denke, dass die meisten menschen gutes bewirken wollen und nicht egoistisch sind oder "menschen gezielt verrückt machen" wollen.
Da du "die meisten" schreibst sehe ich eher keinen Unterschied in unseren Grundannahmen.

Allerdings sehe ich weit mehr als nur theoretische Differenzen dahinter, denn gerade da die meisten Menschen Gutes bewirken wollen ist es wichtig sich darüber klar zu werden, was zum einen denn überhaupt "gut" ist, und zum anderen welche Kräfte es offensichtlich verhindern.

30 bis 40% schwere psychische Problematiken in der Bevölkerung (und auch den übrigen geht es ja nicht 100% gut) sprechen schon eine Sprache für sich.

Wollen wir wirklich glauben, dass das trotz ganz überwiegendem das Gute bewirken wollen einfach so gekommen ist? Das würde ja bedeuten dass der Mensch von Natur aus unfähig ist gut zu leben, von seinen eigenen Bedürfnissen abgespalten ist. Und es würde bedeuten, dass die Natur des Menschen sich (zumindest in unseren Breiten) vor ein paar hundert Jahren ganz grundlegend gewandelt hätte. Nur: Wenn das so wäre, dann müsste er mit der dieser Wandlung folgenden Umstrukturierung der Gesellschaft ja zurechtkommen, was offensichtlich auch wieder nicht der Fall ist.

Mir selbst erscheint da die Annahme dass der Mensch nur irregeführt wurde um das Machtbedürfnis einiger weniger zu befriedigen sehr viel positiver, da es im Gegensatz zu dem "sich alleine entwickelt haben Szenario" auch Möglichkeiten zur positiven Veränderung beinhaltet.

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Beitrag von annainga »

ich zähle luther zu "den meisten" (die gutes bewirken wollen). richtig boshafte menschen, die "gezielt andere verrückt machen wollen" sehe ich als seltene ausnahmen. du siehst sie (wenn ich dich richtig verstehe) als diejenigen, die das schlechte nicht nur bewirken, sondern auch wollen und so oft in der gesellschaft vertreten sind, dass sie es schaffen, dass "30 bis 40 % schwere psychische Problematiken" haben. verstehe ich das so richtig?

deine meinung erscheint dir positiver schreibst du, weil es eine mögliche positive veränderung beinhaltet, aber das macht sie nicht "wahrer" oder "realisitischer", sondern spricht sogar eher von "wunschdenken". (nicht böse aufnehmen, ich versuche nur, deine "grundannahmen zu verstehen, um mitdiskutieren zu können).

meine grundannahmen sind tatsächlich so, dass fast alle menschen gutes bewirken wollen, aber manchmal schlechtes herauskommt. wieso sollte man das nicht verändern können? menschen sind lernfähig.

wahrscheinlich denken wir auch anders über die jetzt-situation. ich glaube nicht, dass es in der gegenwart wesentlich mehr oder weniger menschen mit problemen gibt, ich halte sie für einigermaßen konstant. also ich denke, dass steinzeitmenschen und menschen im mittelalter nicht wesentlich mehr oder weniger unter dem leben als kampf gelitten haben als wir.

lieben gruß, annainga

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RE: "Splitterfasernackt" Lilly Lindner

Beitrag von Aoife »

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf dieses link hinweisen (Danke Marc!):

viewtopic.php?p=105997#105997

Hier wird an einem Beispiel (nämlich der "Wissenschaft") deutlich gemacht, mit welchen Mitteln Menschen Falschinformationen vermittelt werden, so dass deren Versuche auf der Basis dieses "Wissens" dann Gutes zu bewirken bestenfalls in Leere laufen.

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Beitrag von Aoife »

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annainga hat geschrieben:du siehst sie (wenn ich dich richtig verstehe) als diejenigen, die das schlechte nicht nur bewirken, sondern auch wollen und so oft in der gesellschaft vertreten sind, dass sie es schaffen, dass "30 bis 40 % schwere psychische Problematiken" haben. verstehe ich das so richtig?
Nicht ganz richtig. Ich halte sie nicht für so oft in der Gesellschaft vertreten, sondern zwar äußerst selten, aber so einflußreich, dass auch viele andere im Glauben Gutes zu tun unwissentlich nur die Vorgaben der "Bösen" unkritisch vertreten.
annainga hat geschrieben:deine meinung erscheint dir positiver schreibst du, weil es eine mögliche positive veränderung beinhaltet, aber das macht sie nicht "wahrer" oder "realisitischer", sondern spricht sogar eher von "wunschdenken". (nicht böse aufnehmen, ich versuche nur, deine "grundannahmen zu verstehen, um mitdiskutieren zu können).
Nein, hast du Recht, wahrer und realistischer wird sie nur dadurch dass sie geschichtlich schon einmal funktioniert hat.

Aber ich halte es für einen guten Grund sich dieser Idee zuzuwenden, weil sie positive Lösungsmöglichkeiten beinhaltet.
annainga hat geschrieben:meine grundannahmen sind tatsächlich so, dass fast alle menschen gutes bewirken wollen, aber manchmal schlechtes herauskommt. wieso sollte man das nicht verändern können? menschen sind lernfähig.
Ganz klar - aber eben nur wenn es ihrer Natur entspricht. Das war ja der Irrtum des Sowjetkommunismus zu glauben die Menschen würden auch lernen dass der Verzicht auf Privatbesitz sie glücklicher macht. Deswegen ist meine Frage auch: Was ist die Natur des Menschen? Weil darauf auch beruht, was überhaupt gut für den Menschen ist. Ist der Mensch wirklich eine Biene oder eine Ameise, die nur in Staaten leben können? Gerade damit bei unseren Wünschen etwas zu verändern nicht wieder "unerklärlicherweise" das Schlechte herauskommt brauchen wir ja die Lernfähigkeit. Und (das ist jetzt wirklich eine Grundannahme von mir) die ist generationenübergreifend, wir müssen nicht jeden Fehler aufs Neue selbst gemacht haben. Deshalb ist mir die Geschichte so wichtig.
annainga hat geschrieben:also ich denke, dass steinzeitmenschen und menschen im mittelalter nicht wesentlich mehr oder weniger unter dem leben als kampf gelitten haben als wir.
Ich glaube hier haben wir die wirkliche Diffenrenz zwischen unseren Anschauungen gefunden:

Zum einen glaube ich wirklich dass der Mensch lernfähig ist, und somit nicht immer alles gleichbleibend ist, sondern ja nach Nützlichkeit des Gelernten die Umstände sich verändern können.

Und zum anderen bin ich (bitte jetzt du nicht böse sein annainga) überzeugt dass das Bild vom Leben als "Kampf" genau solch eine Fehlinformation ist, die die Menschen davon abhalten soll trotz allem Gutmeinen bessere Lösungen zu finden. Wissenschaftliche Hintergründe warum das Leben kein Kampf sein muss sondern auch auf Kooperation beruhen kann finden sich weiter oben in dem Beitrag von Marc, den ich hier weiterdiskutiert habe ("Warum Menschen psychotisch werden").

Und da *wir* wissen dass solche Gesellschaftsformen möglich sind kann das auch nicht durch den Hinweis auf bloße theoretische Wissenschaft abgetan werden. Mit *wir* meine ich jetzt Ulster, da der anhaltende Widerstand gegen den Herrschaftsstaat dort die Geschichtsquellen besser überliefert hat. Aber es gibt Hinweise, dass das auch in Mitteleuropa nicht anders war, Herrschaft erst spät im Mittelalter eingeführt wurde und dann als "schon immer so gewesen" behauptet wurde.

Und ich bitte zu bedenken, dass wir hier nicht darum diskutieren auch noch die letzte Ungerechtigkeit in dieser Welt abzuschaffen, es geht bei diesen Zahlen um ein Massenphänomen, so dass die Tatsache dass auch nichtstaatliche Gesellschaftsformen gelegentlich Probleme aufweisen können kein Hinderungsgrund sein kann sich damit zumindest einmal näher zu beschäftigen.

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Beitrag von annainga »

das mit dem "kampf" habe ich absichtlich so geschrieben, natürlich bin ich dir nicht böse, dass du das aufnimmst. ich bin da auch etwas im zweifel, denn überwiegend soll das leben spaß machen, aber sehr oft ist es schwierig und ein kampf, den man ja zum glück gemeinsam bestreiten kann (kooperation). und das halte ich nicht für eine fehlinformation, sondern für richtig. ich denke, dass sehr viel schlechtes daraus entsteht, dass man denkt, das leben soll unbeschwert und heiter sein und darf kein kampf sein. in einem anderen thread fragte ein forumsmitglied, wie sie ihr "müde und erschöpft-sein" verändern könnte. ich wollte erst schreiben "akzeptiere es einfach, manchmal fühlt man sich halt müde und erschöpft, das gehört zum leben genauso dazu wie sich glücklich und leicht zu fühlen". das ziel überwiegend glücklich zu sein, halte ich einfach für "unmenschlich" und eine zu hohe anforderung. (aber das meinst du ja wohl auch nicht)

was mir wichtig ist, sehr wichtig und mich auch erleichtert, dass du es schreibst:

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Aoife hat geschrieben:dass auch viele andere im Glauben Gutes zu tun unwissentlich nur die Vorgaben der "Bösen" unkritisch vertreten.
denn das ist etwas ganz anderes als

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Aoife hat geschrieben:Offensichtlich geht es darum die Menschen gezielt verrückt zu machen
und entspricht einem sehr pessimistischen menschenbild (das natürlich dennoch wahr sein könnte).

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Beitrag von Aoife »

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annainga hat geschrieben:was mir wichtig ist, sehr wichtig und mich auch erleichtert, dass du es schreibst:

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Aoife hat geschrieben:dass auch viele andere im Glauben Gutes zu tun unwissentlich nur die Vorgaben der "Bösen" unkritisch vertreten.
denn das ist etwas ganz anderes als

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Aoife hat geschrieben:Offensichtlich geht es darum die Menschen gezielt verrückt zu machen
und entspricht einem sehr pessimistischen menschenbild (das natürlich dennoch wahr sein könnte).
Oh nein, liebe annainga, da habe ich mich wohl beim ersten Versuch etwas ungeschickt ausgedrückt, sorry.

"geht es darum ... gezielt" sollte nur die dahinterstehende Absicht ganz weniger Einzelner bezeichnen, ich wollte bei weitem nicht jedem der sich unwissentlich dazu instrumentalisieren läßt eine böse Absicht unterstellen.

Aber die Dinge möglichst auf einen besseren Weg zu bringen, indem ich darauf hinweise, dass so manche "mit der Muttermilch aufgesaugte" Meinung nicht der historischen Realität entspricht, etwa der Glaube dass Könige immer und überall Macht hatten die man somit besser dem unpersönlichen Staat überlassen sollte.

Ich habe schon an anderer Stelle darauf hingewiesen (ist aber schon eine Weile her und ich weiß nicht mehr wo), deshalb hier nochmals für Interessierte ein Klassiker mit vielen weltweiten Beispielen, die so manche unserer obrigkeitsgewohnten Vorstellungen wie Gesellschaften grundlegend funktionieren erschüttern können:

http://www.amazon.de/goldene-Zweig-Gehe ... -1-catcorr

(Achtung, 1104 Seiten!)

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Beitrag von Aoife »

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annainga hat geschrieben:und entspricht einem sehr pessimistischen menschenbild (das natürlich dennoch wahr sein könnte).
Rein theoretisch könnte das zwar schon wahr sein, aber die praktische Erfahrung sieht anders aus, insbesondere wenn wir die Mechanismen erkennen mit denen Menschen dazu gebracht werden effektiv Schlechtes zu tun im besten Glauben das sei das Gute.

Und wenn ich diesem pessimistischen Menschenbild auch nur die geringste Berechtigung zugestehen würde könnte ich ja nicht so konsequent selbstorganisatorischen Systeme vertreten.

Die herrschaftslose Gesellschaft ist ja nichts anderes als ein selbstorganisatorisches System das sich zur optimalen Befriedigung der (auch psychischen) Bedürfnisse ihrer Mitglieder entwickelt, während das top-down Herrschaftssystem in erster Linie dem Machtbedürfnis einiger weniger dient. Natürlich müssen die ihre Macht ein wenig auch teilen um ihre Helfer bei der Stange zu haben, aber grundsätzlich werden die Ressourcen massiv verschleudert für Ziele die den wenigsten wirklich etwas bringen.

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Beitrag von annainga »

ok. wir sind wahrscheinlich unterschiedlicher meinung, woher das "verrücktmachende unserer gesellschaft" kommt. wenn ich dich inzwischen richtig verstehe, denkst du, es kommt von einigen wenigen menschen, die berechnend und bewusst, andere menschen gezielt verrückt machen wollen. dazu instrumentalisieren sie einige andere mehr, damit es bei vielen durchgesetzt werden kann.

ich dagegen denke, dass das "verrücktmachende" sich aus gesellschaftlichen bedingungen ergibt, die niemand bewusst einsetzt, um andere gezielt verrückt zu machen, sondern die "einfach so entstehen". das heißt aber nicht, dass man sie nicht ändern kann. wieso auch sollte es das bedeuten? man muss die bedingungen erkennen und sie dann ändern.

lieben gruß, annainga

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Beitrag von Aoife »

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annainga hat geschrieben:das heißt aber nicht, dass man sie nicht ändern kann. wieso auch sollte es das bedeuten? man muss die bedingungen erkennen und sie dann ändern.
Unbedingt. Wir könnten beispielsweise damit anfangen auf Respekt vor unserer Privatsphäre zu drängen. Und dann zeigt sich auch gleich wer diese Änderungen fürchtet.

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Beitrag von Aoife »

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Aoife hat geschrieben:Denn gerade bei der menschlichen Psyche weise ich ja ständig darauf hin, dass sie eben nicht mit einem Computer vergleichbar ist, also eine bestimmte Eingabe keineswegs ein vohrhersagbares output hat. Nur ganz grobe Vergleiche können etwas verdeutlichen, etwa dass ein Programm auf ungeeigneter hardware nicht richtig läuft, aber in Feinheiten verhalten Mensch und Computer sich völlig unterschiedlich.
Nachtrag:

Diejenigen, die beim diesjährigen SWOD dabei waren haben meine Ausführungen wie der Mensch sich psychisch vom Computer unterscheidet ja life erleben dürfen :046

Aber auch auf ganz materieller neurobiologischer Ebene zeigen sich grundlegende Unterschiede der Funktionsweisen, wer sich dafür interessiert, dem sei dieser Beitrag (diesmal sogar auf Deutsch) an's Herz gelegt:

http://news.doccheck.com/de/article/206 ... n-wuerfelt

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Beitrag von fraences »

Danke Aoife,

für den Hinweis zu diesem sehr informative Beitrag.

Witziger weise habe ich mich grad heute mit Günni darüber unterhalten. Und wir überlegt haben, wie das Gehirn Sachen unterschiedlich verarbeitet.

Liebe Grüsse, Fraences
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Beitrag von ehemaliger_User »

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Mia Mai: Wenn die Blätter grün werden
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