Spaniens Zeitungen wehren sich erfolgreich gegen Werbeverbot für Prostituierte
Madrid. „Sie werden ausgestellt und angeboten wie reines Fleisch“, empört sich Charo Carracedo, Sprecherin der spanischen Plattform für die Abschaffung der Prostitution. Es sei nicht glaubwürdig, wenn Spaniens Tageszeitungen auf der einen Seite behaupteten, gegen Macho-Gehabe und die Diskriminierung der Frauen zu kämpfen und gleichzeitig seitenweise Sexanzeigen veröffentlichten.

Allen Protesten zum Trotz bleiben Sexanzeigen bis auf Weiteres Bestandteil spanischer Tageszeitungen. Ein Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Regierung zu deren Verbot verschwand wieder in der Schublade. Foto: Schulze
„Diese Werbung trägt zum Erfolg eines Geschäftes bei, das auf der Ausbeutung der Frauen beruht“, donnerte Spaniens frühere Frauenministerin Bibiana Aido, die sich jetzt bei den Vereinten Nationen für die Gleichberechtigung engagiert. Aido hatte sich dafür eingesetzt, die Prostitutionsanzeigen in den spanischen Tageszeitungen per Gesetz zu verbieten.
Doch ein Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Regierung von José Luis Zapatero, der den Medien „die Anpreisung von sexuellen Dienstleistungen“ untersagen sollte, stieß auf heftigen Widerstand des Verlegerverbandes und verschwand nun erst einmal in der Schublade: Spaniens aktuelles Parlament wird wegen der kommenden Neuwahl im November nicht mehr über die Verbannung dieser Prostitutions-Anzeigen abstimmen.
Die spanischen Verleger können also erst einmal aufatmen: Sie fürchten bei einem Verbot noch größere Einnahmeverluste in einer Zeit, in der ihr Werbekuchen ohnehin immer kleiner wird. Mit der Veröffentlichung der Sex-Annoncen, in denen Prostituierte ihre Dienste anbieten, werden in der nationalen Pressebranche immerhin rund 40 Millionen Euro jedes Jahr umgesetzt.
Auch Spaniens Tageszeitungen müssen, wie die Blätter in den meisten Nachbarländern, dramatische Verluste im Werbegeschäft hinnehmen. Ein Abwärtstrend, der von einem kontinuierlichen Leserschwund der gedruckten Ausgaben begleitet wird. Letzteres vor allem, weil die junge Generation sich lieber im Internet mit Informationen versorgt, als noch eine Zeitung in die Hand zu nehmen.
Gerade erst kündigte die nationale Tageszeitung „El Publico“ an, ihre Belegschaft um gut 20 Prozent zu stutzen. Im Frühjahr hatte Spaniens größte Verlagsgruppe Prisa, welche das spanische Zeitungsflaggschiff „El País“ herausgibt, die Entlassung von 2500 Mitarbeitern, knapp ein Fünftel der Belegschaft, beschlossen und damit die ganze Branche geschockt. Ähnlich schwarz sieht es bei den übrigen großen Blättern „El Mundo“, „ABC“, „La Vanguardia“ und „La Razon“ aus.
Sogar die Gratiszeitungen, die an Bahnhöfen und Bushaltestellen ausliegen und lange Zeit auf Kosten der Bezahlblätter gute Umsätze machten, stöhnen jetzt unter dem Anzeigeneinbruch. Was daran sichtbar wird, dass die bisher meistgelesene Gratisgazette namens „20 Minutos“ immer dünner wird.
Die Tagespresse in Spanien hat es ohnehin schwer in einem Land, in dem sich die Bürger lieber vom Fernsehen berieseln lassen, als zur Zeitung zu greifen. Der Statistik zufolge kaufen nur noch 85 von 1000 Spaniern eine Tageszeitung – der EU-Durchschnitt liegt etwa doppelt so hoch. Der Presseverkauf erfolgt fast ausschließlich am Kiosk, wo die Blätter in der Regel für 1,20 Euro zu haben sind.
Die wohl populärste Tageszeitung in Spanien ist übrigens eine reine Sportzeitung. Und zwar das Blatt „Marca“, das täglich seitenweise über den Fußballkrieg zwischen den beiden großen spanischen Rivalen Real Madrid und FC Barcelona berichtet. „Marca“ erscheint zwar auch nur mit einer Auflage von 280000 Stück — geht aber vor allem am Arbeitsplatz durch viele Hände.
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