Gewerberecht fürs Gewerbe
Im Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution will die schwarz-gelbe Koalition eine Erlaubnispflicht für Bordelle einführen
BERLIN - Die schwarz-gelbe Koalition will schärfer gegen Frauenhandel und Zwangsprostitution vorgehen. Die Union will aussagebereiten Zwangsprostituierten ein Bleiberecht zusichern. In diesem Punkt signalisieren auch die Grünen Zustimmung.
Nach Informationen aus Koalitionskreisen ist Anfang der Woche eine Einigung zu erwarten. „Wir können nicht länger hinnehmen, dass gerade in Deutschland die Rechte von Frauen so missachtet werden und dass unser Land zur Drehscheibe für Menschen- und Frauenhandel in Europa geworden ist. Das ist ein Skandal“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Die Entwicklung, die zunehmend von Sicherheitsbehörden und Experten beklagt werde, sei „nicht zuletzt“ auf die rot-grünen Gesetzesreformen zurückzuführen, die Prostitution zulasten der Frauen legalisiert habe.
Die Polizei habe deshalb keine Möglichkeit mehr, in der Szene genauer hinzusehen. Kauder hat sich im Grundsatz mit FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle darauf verständigt, dass Bordelle eine gewerberechtliche Genehmigung beantragen müssen. „Ich bin optimistisch, dass wir uns in der kommenden Woche einigen können, um diesen unerträglichen Zustand im Sinne der missachteten Frauen zumindest etwas zu verbessern.“ Ein Gesetzentwurf, den kommende Woche die Fraktionsspitzen beraten, sieht eine „Erlaubnispflicht“ und die „Möglichkeit für gesetzliche Auflagen“ bei der Zulassung von Bordellbetrieben vor.
Damit wird das 2001 von der rot-grünen Bundesregierung eingeführte Prostitutionsgesetz eingeschränkt. Es sollte die Arbeitsbedingungen der Frauen verbessern. Zuhälterei ist seitdem nur noch strafbar, wenn sie „ausbeuterisch“ ist. Das ist aber schwer nachzuweisen, weil die meisten Frauen schweigen, Osteuropäerinnen, weil sie oft Angst haben, dass in ihren Heimatländern ihre Familien bedroht werden. Mehr als zehn Jahre später kritisieren Polizei und Justiz, dass die erhoffte Wirkung der Liberalisierung nicht eingetreten sei. Stattdessen sei es schwieriger geworden, Zwangsprostitution, Menschenhandel und Ausbeutung zu verfolgen.
Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck teilt diese Einschätzung nicht. „Das Gesetz hat nicht zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen geführt“, sagte Beck dieser Zeitung. „Der Beitritt von Rumänien und Bulgarien hat vorübergehend dazu geführt, dass es mehr Menschenhandelsopfer aus diesen Ländern gab.“ Seit einigen Jahren sei der Menschenhandel nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes jedoch rückläufig. Nach Schätzungen gibt es in Deutschland mindestens 3000 Bordelle und bordellartige Betriebe, vermutlich liegt die Zahl noch deutlich höher. Nicht zuletzt wegen der liberalen Gesetzeslage ist Deutschland der größte Markt für käufliche Liebe in Europa.
Noch bis vor wenigen Wochen waren Gesetzesverschärfungen in der Bundesregierung höchst umstritten. Innen,- Justiz- und Wirtschaftsministerium blockierten sich gegenseitig. Das Innenministerium wollte mit Blick auf ein Bleiberecht ein Schlupfloch für Zuwanderung verhindern, das Wirtschaftsministerium sträubte sich gegen Änderungen beim Gewerberecht. Offensichtlich haben die Chefs der Regierungsfraktionen sich auf eine gemeinsame Linie geeinigt, die auf eine Genehmigungspflicht und eine Zuverlässigkeitsprüfung hinausläuft. Die Bundesregierung steht allerdings unter Druck. Sie hat es versäumt, eine EU-Richtlinie gegen Menschenhandel fristgerecht zum April umzusetzen.
Bei einer Zulassungspflicht würden die Grünen im Grundsatz mitziehen. „Wenn Volker Kauder es ernst meint, könnte man zusammenkommen. Wir fordern seit Langem, Prostitutionsstätten unter gewerbliche Aufsicht zu stellen.“ Dann, so Beck, könnten die Behörden Hygiene und Arbeitsbedingungen prüfen und auch kontrollieren, ob Frauen ausgebeutet werden. Die Grünen wollen allerdings keine Regelung zulasten der selbstständig arbeitenden Prostituierten. Beck begrüßte auch, dass Kauder Offenheit für ein Bleiberecht zeigt. Dazu liege ein Gesetzentwurf der grünen Fraktion vor. Beck: „Opferschutz muss in diesem Fall vor Abschiebung stehen. Hier muss Herr Kauder nur zustimmen“. (Von Frank Lindscheid)
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