Gewerbesteuer Urteil 2013

Wo melde ich meinen Beruf an, mit welcher Steuerlast muss ich rechnen, womit ist zu rechnen, wenn ich die Anmeldung verabsäume, ... Fragen über Fragen. Hier sollen sie Antworten finden.
Benutzeravatar
fraences
Admina
Admina
Beiträge: 7426
Registriert: 07.09.2009, 04:52
Wohnort: Frankfurt a. Main Hessen
Ich bin: Keine Angabe

Gewerbesteuer Urteil 2013

Beitrag von fraences »

BFH gibt alte Rechtsprechung auf:

Prostitution wird gewerbesteuerpflichtig



Das horizontale Gewerbe ist künftig gewerbesteuerpflichtig. Das hat der Bundesfinanzhof entschieden und damit seine bislang gegenteilige Rechtsprechung aufgegeben. Prostitution war schon immer steuerpflichtig, Streit gab es jedoch über die Details steuerlicher Einstufung.

Ursprünglich hatte der BFH 1964 entschieden, Einkünfte ausgewerbsmäßiger Unzucht seien sonstige Einkünfte und daher nicht gewerbesteuerpflichtig. Ursprünglich hatte der BFH 1964 entschieden, Einkünfte aus "gewerbsmäßiger Unzucht" seien "sonstige Einkünfte" und daher nicht gewerbesteuerpflichtig.

Auch selbstständige Prostituierte sind gewerbesteuerpflichtig. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) in München entschieden. Er gab damit seine bislang gegenteilige Rechtsprechung auf. (Az: GrS 1/12).

So kam es in den vergangenen Jahren mehrfach zu Gerichtsverfahren zwischen Finanzämtern und auf eigene Rechnung arbeitenden Prostituierten, weil die Behörden deren Tätigkeit als Gewerbe einstuften und Gewerbesteuer forderten. Die Betroffenen vertraten dagegen die Auffassung, ihre Einkommen seien als "sonstige Einkünfte" anzusehen und im Rahmen der Einkommensteuer abzugelten. Auch im vorliegenden Fall vor dem BFH ging es um einen solchen Rechtsstreit.

Für die Prostituierten wird sich in den meisten Fällen voraussichtlich nicht viel ändern, da die Gewerbesteuer auf die Einkommenssteuer angerechnet wird. Im Detail hängt die Höhe jedoch von den jeweiligen örtlichen Hebesätzen ab. Falls diese sehr hoch sind, könnten sich eventuell finanzielle Nachteile ergeben. Der Hauptunterschied besteht in der Steuerverwendung: Die Gewerbesteuer geht an die Kommunen, die Einkommensteuer wird zwischen Bund, Ländern und Kommunen geteilt.

Wer angibt keine Zahlungen an einen Zuhälter abgeführt zu haben, kann diese auch nicht als weitere Betriebsausgaben angeben.14.03.13 Vom Finanzamt geschätztProstituierte muss Steuern zahlen
Bei beiden Prüfmechanismen ist die Stellenanzeige des Begleitservice nicht aufgefallen.05.03.13 Escort-Service nutzt BundesagenturJobbörse vermittelt Prostituierte
Wie die Religionsgemeinschaft mit ihren Abtrünnigen umgeht, sei Sache der Kirche und nicht des Staates, befanden die Richter.26.09.12 Zahle und beteKein Himmelreich ohne Steuern

Ursprünglich hatte der BFH 1964 entschieden, Einkünfte aus "gewerbsmäßiger Unzucht" seien "sonstige Einkünfte" und daher nicht gewerbesteuerpflichtig. Die Finanzverwaltung und juristische Steuerkommentatoren hielten dies aber längst nicht mehr für zeitgemäß. Die rechtliche und gesellschaftliche Einstufung der Prostitution hat sich mit der Zeit stark verändert. Erst vor wenigen Wochen hatte das Hamburger Finanzgericht festgestellt, dass Eigenprostitution ein Gewerbebetrieb sei. Die gegenteilige Rechtsprechung des BFH sei "überholt".

Der große Senat des BFH betonte in seiner Entscheidung, dass unter einem Gewerbebetrieb generell "jede selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen" sei, "die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt". Auch selbstständig tätige Prostituierte erzielten ihre Einkünfte insofern aus einem Gewerbebetrieb.



http://www.n-tv.de/ratgeber/Prostitutio ... 12241.html


Hier die Erste Pressemeldung
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 831#129831

Hier ein Rechenbeispiel und EÜR für Sexworker
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 8575#98575 :007


( www.bit.ly/sexworkerccc Sexworker collaborate cloud computing - gemeinsame on-line Rechenblätter)
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

ehemaliger_User
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 2968
Registriert: 27.04.2008, 15:25
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger_User »

Wann machen endlich mal die gewählten Volksvertreter Ihre Hausaufgaben? Und schaffen bundesweit gültige eindeutige Regeln? Bei den einen ist mit dem "Düsseldorfer" die Steuerschuld abgegolten, bei anderen nicht?
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

Benutzeravatar
friederike
Goldstück
Goldstück
Beiträge: 2189
Registriert: 07.12.2010, 23:29
Wohnort: Saarlouis
Ich bin: SexarbeiterIn

RE: Gewerbesteuer Urteil 2013

Beitrag von friederike »

Man darf gespannt sein, wann es dann den "freien Berufen" (Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater ...." an den Gewerbesteuerkragen geht ... (unter die Definition des BFH dürften sie ja schon einmal fallen).

Die Folge ist erst einmal eine riesige Bürokratie, das ist klar. Die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist eine andere als die für die Einkommen- und Umsatzsteuer, also: mehr Papierkrieg. Der Freibetrag beträgt 24.500 Euro. In der Gewerbesteuer sind Mieten zum Teil nicht vom Gewinn absetzbar, aber hier gibt es einen Freibetrag von 100.000 Euro.

Immerhin: die Richter meinen, dass die Prostitution jetzt gesellschaftlich anerkannt ist. Bestimmt wird irgendwann die Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer zur Pflicht ....

Benutzeravatar
lust4fun
Gelehrte(r)
Gelehrte(r)
Beiträge: 376
Registriert: 22.11.2012, 22:27
Ich bin: Außenstehende(r)

Beitrag von lust4fun »

Gilt für "selbständig tätige" Prostituierte - das meint Escort, Laufhaus mit Zimmermiete, Club etc.
Gibt es "unselbständig tätige" Prostituierte? Konkret welche Beschäftigungsverhältnisse wären dies?
Ich steh' auf dem Schlauch...

Micky
aufstrebend
aufstrebend
Beiträge: 21
Registriert: 05.11.2008, 17:06
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von Micky »

          Bild
lust4fun hat geschrieben: Gibt es "unselbständig tätige" Prostituierte? Konkret welche Beschäftigungsverhältnisse wären dies?
Es gibt rein theoretisch auch Prostituierte, die als Angestellte in einem sogenannten regulären Arbeitsverhältnis stehen, d.h. ein Gehalt beziehen.

Ich habe aber noch nie davon gehört, dass das in der Praxis auf irgendjemanden zutrifft.

Benutzeravatar
Kasharius
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 4100
Registriert: 08.07.2012, 23:16
Wohnort: Berlin
Ich bin: engagierter Außenstehende(r)

RE: Gewerbesteuer Urteil 2013

Beitrag von Kasharius »

Dies ist der Wortlaut der Entscheidung des Großen Senats, Zusammenschluss aller Senate beim Bundesfinanzhof, dem obersten Finanzgericht, vom 20. Februar 2013 zur gewerblichen Besteuerung von SW. Eine weitere Kommentierung erspare ich mir, da sich das wesentliche aus dem Postings von @freances und @frederike ergibt. Ich werde die Entscheidung moderat edieren. Die wesentlichen Aussagen finden sich in den Randnummern 33 und 36.



  • BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 20.2.2013, GrS 1/12

    Leitsätze

    Selbständig tätige Prostituierte erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Aufgabe des BFH-Urteils vom 23. Juni 1964 GrS 1/64 S, BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500).
    Tatbestand

    1
    A. Vorgelegte Rechtsfrage, Sachverhalt und Ausgangsverfahren,

    Anrufungsbeschluss des III. Senats
    2
    I. Vorgelegte Rechtsfrage
    3
    Der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat durch Beschluss vom 15. März 2012 III R 30/10 (BFHE 237, 421, BStBl II 2012, 661) dem Großen Senat gemäß § 11 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
    4
    Erzielen Prostituierte (sog. Eigenprostitution) Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder sonstige Einkünfte?

    5
    II. Sachverhalt und Ausgangsverfahren
    6
    Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war seit dem Streitjahr (2006) als Prostituierte tätig und bot Dritten die Ausübung des Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt in einer eigens dafür gemieteten Wohnung an.

    Ihre Betriebseinnahmen beliefen sich im Streitjahr einschließlich der Umsatzsteuer auf etwa 64.000 EUR und die Betriebsausgaben auf ca. 26.000 EUR.

    Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte den aus der Prostitution erzielten Gewinn in Höhe von 38.115 EUR nicht --wie erklärt-- als sonstige Einkünfte,

    sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und setzte den Gewerbesteuermessbetrag auf 152 EUR fest.

    [ Gewerbesteuer = Gewerbesteuermeßbetrag x Hebesatz der Gemeinde
    z.B. für Frankfurt ergäbe das 152 EUR x 460% = 700 EUR zusätzlich pro Jahr abzuführende Gewerbesteuer für Sexarbeiter, denen man es jedoch verweigert ihnen einen Gewerbeschein auszustellen [Entscheidung des Bund-Länder-Ausschuß Gewerberecht 18.06.2002 "Prostitution nicht Gewerbe sondern höchstpersönliche Dienstleistung" und "entsprechende Gewerbeanzeigen und Anträge sind abzuweisen". Mit anderen Worten: Gewerbe-Steuerrecht ist also nicht gleich Gewerberecht. Anm. Marc ]


    7
    Die Sprungklage [direkt Klage einzureichen, ohne Einspruchsverfahren zu durchlaufen] hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied mit Urteil vom 14. April 2010 8 K 1846/07 (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 318), dass die Klägerin Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt habe, und hob den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag auf. Zur Begründung verwies es insbesondere auf das BFH-Urteil vom 23. Juni 1964 GrS 1/64 S (BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500), wonach aus "gewerbsmäßiger Unzucht" sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG erzielt würden. An dieser Auffassung sei trotz veränderter Umstände festzuhalten (so auch BFH-Urteile vom 28. November 1969 VI R 128/68, BFHE 97, 378, BStBl II 1970, 185; vom 17. April 1970 VI R 164/68, BFHE 99, 200, BStBl II 1970, 620).
    8
    Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Meinung, die Klägerin habe aus ihrer Tätigkeit als Prostituierte gewerbliche Einkünfte erzielt.

    9
    III. Vorlagebeschluss des III. Senats
    10
    Der III. Senat teilt die Auffassung des FA und beabsichtigt daher, der Revision des FA stattzugeben. Da diese Ansicht vom Urteil des Großen Senats des BFH in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 abweiche, sei eine erneute Klärung dieser im Streitfall entscheidungserheblichen Rechtsfrage erforderlich (§ 11 Abs. 2 FGO).


    Entscheidungsgründe

    11
    B. Entscheidung des Großen Senats zu Verfahrensfragen
    12
    I. Keine mündliche Verhandlung
    13
    Der Große Senat entscheidet gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, weil eine weitere Förderung der Entscheidung durch eine mündliche Verhandlung nicht zu erwarten ist. Die Vorlagefrage und die Auffassungen, die dazu in Rechtsprechung und Schrifttum vertreten werden, sind im Vorlagebeschluss eingehend dargestellt worden. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu der Vorlagefrage Stellung zu nehmen.
    14
    II. Zulässigkeit der Vorlage
    15
    Die Vorlage des III. Senats ist zulässig.
    16
    1. Der vorlegende Senat ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Pflicht zur Vorlage der Rechtsfrage an den Großen Senat besteht. Das Urteil des Großen Senats in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 ist vor Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung (31. Dezember 1965) ergangen. Da es jedoch gemäß § 64 der Reichsabgabenordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom 22. Mai 1931 (RGBl I 1931, 161) veröffentlicht wurde, ist die Anrufung des Großen Senats gleichwohl erforderlich (§ 184 Abs. 2 Nr. 5 FGO i.d.F. vom 6. Oktober 1965, BGBl I 1965, 1477; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 11 Rz 7).
    17
    2. Die gemäß § 11 Abs. 3 FGO vorgesehene Anfrage bei anderen Senaten war nicht erforderlich. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO ist eine Vorlage an den Großen Senat nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält. Zwar hat der VI. Senat mit Urteilen in BFHE 97, 378, BStBl II 1970, 185 und in BFHE 99, 200, BStBl II 1970, 620 entschieden, selbständig tätige Prostituierte erzielten sonstige Einkünfte. Eine Anfrage war aber deshalb entbehrlich, weil hierdurch die Divergenz zum Urteil des Großen Senats in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 nicht beseitigt werden könnte. Will der erkennende Senat von einer Entscheidung des Großen Senats des BFH abweichen, muss er die Rechtsfrage dem Großen Senat des BFH erneut vorlegen. Eine Anfrage bei allen anderen Senaten des BFH kommt ebenso wenig in Betracht wie eine Anfrage beim Großen Senat selbst, ob dieser an seiner Rechtsauffassung festhalte (Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 11 FGO Rz 44; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Rz 10; Müller-Horn in Beermann/Gosch, FGO § 11 Rz 18; Dumke in Schwarz, FGO § 11 Rz 18; wohl auch BFH-Beschluss vom 24. Juni 1985 GrS 1/84, BFHE 144, 124, BStBl II 1985, 587). Der in § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO angesprochene "Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll", ist stets (nur) ein Fachsenat, nicht aber der Große Senat selbst.
    18
    3. Die Vorlage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Große Senat bereits durch Urteil in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 über die aufgeworfene Rechtsfrage entschieden hat.
    19
    a) Nach der Rechtsprechung des Großen Senats ist eine erneute Vorlage derselben Rechtsfrage an ihn nur zulässig, falls in der Zwischenzeit neue rechtliche Gesichtspunkte aufgetreten sind, die bei der ursprünglichen Entscheidung nicht berücksichtigt werden konnten, und/oder neue Rechtserkenntnisse eine andere Beurteilung der entschiedenen Rechtsfrage rechtfertigen könnten (BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 1971 GrS 4/70, BFHE 101, 13, BStBl II 1971, 207; in BFHE 144, 124, BStBl II 1985, 587).
    20
    b) Gegen diese Auffassung wird vorgebracht, § 11 FGO enthalte derlei Einschränkungen für die erneute Vorlage einer Rechtsfrage an den Großen Senat nicht. § 11 Abs. 7 Satz 3 FGO erkläre im Gegenteil die Entscheidung des Großen Senats nur in der vorliegenden Sache für den erkennenden Senat als bindend, woraus sich im Gegenschluss ergebe, dass eine erneute Vorlage in einer anderen Sache selbst für den vorlegenden Senat möglich wäre (zur Kritik vgl. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 11 FGO Rz 11; Gräber/Ruban, a.a.O., § 11 Rz 34; Sunder-Plassmann in HHSp, § 11 FGO Rz 45). Die Auffassung berge überdies die Gefahr der Rechtserstarrung (Gräber/Ruban, a.a.O., § 11 Rz 34).
    21
    c) Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Große Senat an seiner bisherigen Auffassung zur Zulässigkeit heute noch festhalten könnte (offengelassen bereits im BFH-Beschluss in BFHE 144, 124, BStBl II 1985, 587). Denn die erneute Vorlage der Rechtsfrage, ob selbständig tätige Prostituierte sonstige Einkünfte oder gewerbliche Einkünfte erzielen, ist jedenfalls schon deshalb zulässig, weil seit der Entscheidung des Großen Senats mehr als 45 Jahre vergangen sind, Verwaltung und Literatur einhellig die Auffassung vertreten, Prostituierte erzielten gewerbliche Einkünfte (s. C.I.2. und 3.), und sich überdies die rechtlichen Rahmenbedingungen --wie im Einzelnen aus dem Beschluss des vorlegenden III. Senats in BFHE 237, 421, BStBl II 2012, 661 ersichtlich-- für die Ausübung der Prostitution seither geändert haben.
    22
    III. Entscheidungserheblichkeit
    23
    Die vorgelegte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des III. Senats erheblich. Würde der Große Senat an seiner Entscheidung in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 festhalten, wäre der III. Senat gehindert, der Revision des FA --wie beabsichtigt-- stattzugeben.
    24
    C. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegte Rechtsfrage
    25
    Der Große Senat entscheidet die vorgelegte Rechtsfrage im Sinne der Auffassung des vorlegenden Senats.
    26
    I. Entwicklung der Rechtsprechung, Auffassung der Literatur und Verwaltung
    27
    1. Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Behandlung der Einkünfte aus Prostitution ist im Vorlagebeschluss in BFHE 237, 421, BStBl II 2012, 661 wiedergegeben.



    28
    2. Die Verwaltung ist der Auffassung, dass selbständig tätige Prostituierte Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen. So hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in vorliegendem Verfahren zwar nicht seinen Beitritt erklärt, jedoch mitgeteilt, die Auffassung des vorlegenden III. Senates werde von den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder schon seit längerer Zeit vertreten (vgl. z.B. Verfügung der Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 30. Juli 2004 S 2240 A - St 11, EStG-Kartei NW § 15 (1) Nr. 1 EStG Nr. 802 in Übereinstimmung mit einem Beschluss der Referenten des Bundes und der Länder). Die im Vorlagebeschluss für diese Rechtsauffassung angeführten Argumente seien aus Sicht des BMF zutreffend.
    29
    3. In der Literatur wird allgemein die Ansicht vertreten, selbständig tätige Prostituierte erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb (z.B. Schön in Kirchhof/Lehner/Raupach/Rodi [Hrsg.], Festschrift K. Vogel, 2000, S. 661, 668; Fischer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 1342; ders. in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 22 Rz 69; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 32. Aufl., § 22 Rz 150 "Prostitution"; Blümich/Bode, § 15 EStG Rz 17, und Blümich/Nacke, § 22 EStG Rz 168 "Gewerbsmäßige Prostitution"; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 1059; Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 15 Rz 34; Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 259; Leisner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 22 Rz D 179 "Geschlechtsverkehr"; Kemper, DStR 2005, 543).


    30
    II. Auffassung des Großen Senats
    31
    Der Große Senat teilt die Auffassung des vorlegenden Senats in BFHE 237, 421, BStBl II 2012, 661, dass selbständig tätige Prostituierte Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen und damit einen Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG unterhalten.
    32
    Unter einem Gewerbebetrieb ist gemäß § 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG jede selbständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, falls sie den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet und es sich nicht um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) oder einer selbständigen Arbeit (§ 18 EStG) handelt.
    33
    Selbständig tätige Prostituierte erfüllen diese Voraussetzungen; sie nehmen insbesondere in Abweichung von der im BFH-Urteil in BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500 vertretenen Auffassung auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil; die Prostitution kann in Gestalt eines "sich am wirtschaftlichen Verkehr beteiligenden Unternehmens" betrieben werden. Da dies einhelliger Auffassung in Verwaltung und Literatur (s. C.I.2. und 3.) entspricht, sieht der Große Senat von weiteren Ausführungen hierzu ab, sondern verweist zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen im Vorlagebeschluss des III. Senats in BFHE 237, 421, BStBl II 2012, 661.

    Prostituierte erzielen auch keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG.
    [ Hier wird Sexarbeitern explizit das Recht auf Anerkennung als freiberufliche Tätigkeit verwehrt !!! Anm. Marc
    www.gesetze-im-internet.de/estg/__18.html ]


    34
    III. Entscheidung der Vorlagefrage
    35
    Der Große Senat des BFH beantwortet die vorgelegte Rechtsfrage danach wie folgt:
    36
    Selbständig tätige Prostituierte (sog. Eigenprostitution) erzielen Einkünfte aus Gewerbebetrieb.


http://www.bundesfinanzhof.de/pressemitteilungen

Kasharius grüßt und hoffe, so ist es genehm :002 :006

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe

Höhe der zusätzlich fälligen Gewerbesteuer

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Danke für das Urteil.


Das Urteil bedeutet in dem Fall für Sexarbeit in einer Großstadt mit hohem Hebesatz:

50 EUR mehr Steuern pro Monat
oder
700 EUR mehr Steuern pro Jahr
wegen der zusätzlich fällig werdenden Gewerbesteuer.


(Aber: aus einem Gewinn in Höhe von 38.115 EUR errechnet sich m.E.:
38.115 EUR Gewinn vor Steuern
* 3,5%
= 1.334 EUR Gewerbesteuermessbetrag statt 152 EUR wie vom FA festgesetzt s.o.
* 460% (Bsp. für hohen Hebesatz der Gemeinde)
= 6.136 EUR Gewerbesteuer im Jahr oder 511 EUR/Monat
was also den maximalen ca. 16% vom Gewerbeertrag entspräche.
Wer findet den Fehler ???)



Korrektur und Rechenblatt



Gewerbesteuer 0% bis maximal 15,75% laut Diagramm
Bild


Rechenbeispiel: EÜR für Sexworker
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=98575#98575





.
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 11.05.2013, 18:11, insgesamt 1-mal geändert.

thelord
aufstrebend
aufstrebend
Beiträge: 27
Registriert: 13.08.2008, 22:55
Ich bin: Keine Angabe

Re: Höhe der zusätzlich fälligen Gewerbesteuer

Beitrag von thelord »

          Bild
Marc of Frankfurt hat geschrieben:Danke für das Urteil.


Das Urteil bedeutet in dem Fall für Sexarbeit in einer Großstadt mit hohem Hebesatz:

50 EUR mehr Steuern pro Monat
oder
700 EUR mehr Steuern pro Jahr
wegen der zusätzlich fällig werdenden Gewerbesteuer.


(Aber: aus einem Gewinn in Höhe von 38.115 EUR errechnet sich m.E.:
38.115 EUR Gewinn vor Steuern
* 3,5%
= 1.334 EUR Gewerbesteuermessbetrag statt 152 EUR wie vom FA festgesetzt s.o.
* 460% (Bsp. für hohen Hebesatz der Gemeinde)
= 6.136 EUR Gewerbesteuer im Jahr oder 511 EUR/Monat
was also den maximalen ca. 16% vom Gewerbeertrag entspräche.
Wer findet den Fehler ???)
Der entscheidende Fehler liegt darin, dass du den Freibetrag von 24.500 € übersehen hast.

Es verbleiben also noch 13.600 € (38100 - 24500), allerdings komme ich damit auf einen Gewerbesteuermessbetrag von 476,- €, also hab auch ich etwas übersehen, oder aber der BFH hat den Sachverhalt nicht detailliert genug dargestellt.

Benutzeravatar
lust4fun
Gelehrte(r)
Gelehrte(r)
Beiträge: 376
Registriert: 22.11.2012, 22:27
Ich bin: Außenstehende(r)

RE: Gewerbesteuer Urteil 2013

Beitrag von lust4fun »

Mich würden noch weitere Kommentare von euch betroffenen Profis interessieren.
Ein paar Gedanken und Fragen von mir:

1.
Natürlich ist es einleuchtend, wenn man feststellt, dass selbständig tätige Sexworker am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen, und dass die Tätigkeit deshalb ein gewerbliches Unternehmen darstellt. Aber wir haben in unserem Recht auch ausdrücklich die Form der Freien Berufe. Für sie gilt doch dasselbe (wirtschaftlicher Verkehr), und trotzdem sind sie bewusst und aus gutem Grunde anders geregelt. Das Urteil greift diese Unterscheidung gar nicht auf, soweit ich sehe. Es geht lediglich um die Abgrenzung vom Begriff "andere Einkünfte".
Entweder kommt auf die Freien Berufe dieselbe "gesellschaftlich veränderte" Neuregelung zu (wie friederike anmerkt), oder das Urteil trägt eben nicht wirklich zur Klärung einer 45 Jahre andauernden Unklarheit bei.

2.
Was in letzter Zeit noch als politische Frage diskutiert wurde ("Wie wollen wir es regeln?"), wurde nun höchstrichterlich entschieden. Parallel gibt es das Urteil zur Umsatzsteuer. Ist das ein Hinweis darauf, dass das derzeitige politische Vakuum so groß ist, dass es durch Rechtsprechung gefüllt werden muss? Bleibt überhaupt noch ein politischer Freiraum?

3.
Auch wenn rein rechnerisch die finanzielle Situation der SW nicht substanziell verändert ist (Gewebesteuer wird auf die Einkommenssteuer angerechnet), habe ich den Eindruck, dass diese Entscheidung doch weitreichend ist. Die Statements von Dona Carmen, Marc und Ariane hatten mich überzeugt und ich habe auch sehr für das Modell "Freie Berufe" plädiert. Ist das jetzt alles hinfällig? Kann und soll man jetzt noch politisch "kreativ" argumentieren?

4.
Wer ist als "selbständiger" Sexworker den bürokratischen Anforderungen gewachsen? Man hat aus gutem Grunde das Düsseldorfer Modell erfunden. Eine große Zahl Sexworker tritt bislang alle steuerrechtlichen Pflichten an „Betreiber“ ab, obwohl sie formell "selbständig" sind. Werden diese Verhältnisse durch die Gewerbetätigkeit nicht völlig neu geregelt werden müssen? Passiert da nicht auch eine soziale Trennung: Sexworker, die in der Lage sind, dies alles "selbständig" zu managen, und Sexworker, die das selbst nicht können? Entsteht da ein Druck, der das Arbeitsfeld so schwierig macht, dass viele dabei nicht mitkommen? Ist die Konsequenz des Urteils bereits - gewollt oder ungewollt - eine Eindämmung der Prostitution?

5.
Wenn das Feld der "selbständig Tätigen" neu definiert wurde, muss dann nicht auch die Sparte der "Nichtselbständigen" endlich konkreter beschrieben werden? Wenn es faktisch keine regulären Anstellungsverhältnisse in der Sexarbeit gibt - wie könnten die aussehen?

6.
Wir Kunden haben keine Ahnung davon, wie die Sexworker rechtlich aufgestellt sind. Privat geht uns das auch nichts an, und für die Qualität unserer geliebten Dates tut es auch keinen Abbruch. Aber als Staatsbürger muss ich konstatieren, dass ich eine Menge Geld in diese Sparte gebe und nicht weiß, welchen Weg dieses Geld nimmt. Bei jedem Handwerker schaue ich darauf, ob die Rechnung korrekt ist und will die Versteuerung transparent haben. Das hat jetzt nichts mit Neid oder Geiz zu tun, sondern ist für mich eher ein fehlendes Moment bei dem Wunsch, Sexarbeit als "Partnerschaft auf Augenhöhe" wahrzunehmen.

Benutzeravatar
friederike
Goldstück
Goldstück
Beiträge: 2189
Registriert: 07.12.2010, 23:29
Wohnort: Saarlouis
Ich bin: SexarbeiterIn

Re: RE: Gewerbesteuer Urteil 2013

Beitrag von friederike »

          Bild
Kasharius hat geschrieben: [Entscheidung des Bund-Länder-Ausschuß Gewerberecht 18.06.2002 "Prostitution nicht Gewerbe sondern höchstpersönliche Dienstleistung" und "entsprechende Gewerbeanzeigen und Anträge sind abzuweisen". Mit anderen Worten: Gewerbe-Steuerrecht ist also nicht gleich Gewerberecht. Anm. Marc ]
Das ist in der Tat vorstellbar. Es ist also gut möglich, dass die Kommunen nach wie vor die Ausstellung der Gewerbescheine verweigern, die gewerbesteuer aber erhoben wird. Rudolf Mellinghoff, der offenbar sehr vernünftige Präsident des Bundesfinanzhofs, hat unlängst auf die Disparitäten hingewiesen, die es im deutschen Rechtssystem gibt und die zum Teil wirklich skandalös sind.

Sein deutlichstes Beispiel ist der Fall eines Unternehmens, der von der Finanzverwaltung im Streit wegen der Bewertung von Geschäftsvorfällen wegen Steuerhinterziehung belangt wurde. Die Auseinandersetzung mit dem Finanzamt darüber, wie der Fall steuerrechtlich zu bewerten ist, landete vor den Finanzgerichten. Die Anklage wegen der Steuerhinterziehung führte zu einem Verfahren vor dem Strafgericht.

Das steuerrechtliche Verfahren lief im Instanzenzug vor und zurück mit dem Ergebnis, dass das Strafgericht das Verfahren zuerst abschloss und den Unternehmer verurteilte. Zwei Jahre später entschied der Bundesfinanzhof und gab dem Unternehmer vollumfänglich recht! Sein Handeln war also nach höchstrichterlicher Feststellung keine Steuerhinterziehung - was freilich an der Rechtskraft des Strafurteils nichts änderte. Der Präsident Mellinghoff bezeichnete dies als einen unerträglichen Skandal - vollkommen zu Recht. Die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarchenberger ist freilich dadurch nicht aus dem Nachmittagsschlummer geweckt worden.

Es gibt noch viele weitere solche Skandale, zum Beispiel die längst nicht mehr zeitgemässen obrigkeitsrechtlichen "Nichtanwendungserlasse" des Bundesfinanzministeriums. Der Bundesfinanzminister betrachtet sich nämlich nicht als an die höchstrichterlichen Urteile der Finanzgerichtsbarkeit gebunden, er empfindet sich als gleich- oder höherwertig. BFH-Urteile, die dem Ministerium nicht zusagen, können deshalb durch Erlass für "anwendbar lediglich auf den vom Gericht entschiedenen Einzelfall" erklärt werden! Bürger, die sich auf ihr vom höchsten Gericht bestätigtes Recht berufen wollen, werden also von der Finanzverwaltung aufgefordert, erst einmal zu zahlen und sich dann auf einen jahrelangen, mühsamen Instanzenweg zu machen. Alle Finanzminister seit erdenklichen Zeiten haben sich strikt geweigert, diesen beschämenden Zustand zu ändern, Schäuble genauso wie sein Amtsvorgänger Steinbrück und die ganze Ahnenreihe davor. Das wäre eigentlich einmal eine Frage für den Wahlkampf.

Von den zahllosen Missbrauchsfällen des Ordnungs- und Baurechts zur Beeinträchtigung der Rechte der Prostituierten braucht man hier in diesem Forum ja nicht mehr näher zu berichten. Auch hier unternimmt die Justiz(!)ministerin nichts.

Zur Berechnung der Belastung aus Gewerbesteuer:
Im Internet finden sich jede Menge "Berechnungsprogramme", die normalerweise wohl schon ziemlich ausreichend sein dürften. Natürlich muss der Freibetrag vom Gewerbeertrag abgezogen werden.
Berücksichtigen muss man, dass die Gewerbesteuer bis zum 3,8fachen des Gewerbesteuermessbetrages von der Einkommensteuer abgezogen wird. Das muss man natürlich bei der ESt mit angeben.
Im Effekt heisst das, dass bei Gemeinden mit einem Hebesatz von bis zu 380% gar nichts passiert.
Aufpassen muss man auch mit der Umsatzsteuer - die muss natürlich auch bei der Ermittlung des Gewerbesteuerertrags abgezogen werden!

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe

Gewerbesteuerberechnung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Wer ist als "selbständiger" Sexworker den bürokratischen Anforderungen gewachsen?

Hier die Gewerbesteuer-Berechnung Sexwork jetzt als interaktives on-line Rechenblatt in der Cloud:
Anschauen
Rechnen


Allerdings kann ich damit das Urteil von 2006 mit damals 16% MWSt. auch immer noch nicht korrekt nachrechnen. (???)