Konzessionierung von Prostitutionsstätten?

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Sissi_Salzburg
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Beitrag von Sissi_Salzburg »

LIiebe gruesse aus salzburg !Alles erdenklich Gute und viel Glueck `waere toll wenn wir sowas hier zu Wege bringen koennten ! Sissy :icon_thumleft

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fraences
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RE: Konzessionierung von Prostitutionsstätten?

Beitrag von fraences »

Hier ein Bericht von Menschenhandelheute, besonders in Hinblick auf die Rede von Frau Dr. van Galen:

Menschenhandel: Nochmal schnell Scheitern am Ende der Legislatur
Gestern fand im Rechstsausschuss des Bundestages eine öffentlichen Anhörung zum Entwurf “eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten” statt (Liste der geladenen Expert_innen), über den hier schon an anderer Stelle geschrieben wurde. Aus der Begründung zum Entwurf stammt auch dieses Zitat:

HIER WEITERLESEN:

http://menschenhandelheute.net/2013/06/ ... kommentar/
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fraences
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RE: Konzessionierung von Prostitutionsstätten?

Beitrag von fraences »

Sachverständige lehnen Gesetzentwurf der Regierung zur Kontrolle der Prostitution ab


Berlin: Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten (17/13706) wurde von Sachverständigen am Montag einhellig abgelehnt. Die eingeladenen Experten sprachen sich in der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses gegen den Entwurf aus.

Der Entwurf wurde zwar mehrheitlich als erster richtiger Schritt in die richtige Richtung bewertet, er benötige aber viele Nachbesserungen und sei inhaltlich oftmals ungenau. Die Koalitionsfraktionen beabsichtigen mit dem Gesetzesentwurf einerseits, den Menschenhandel mit neuen Strafbestimmungen stärker zu bekämpfen und andererseits Prostitutionsstätten einer gewerberechtlichen Überwachung zu unterwerfen. Die Vorlage sieht beim Thema Menschenhandel eine Reihe von Neuerungen im Strafgesetzbuch vor. So soll etwa Menschenhandel mit dem Ziel des Organhandels, der momentan lediglich als Beihilfe zu Straftaten nach dem Transplantationsgesetz strafbar ist, ausdrücklich unter Strafe gestellt werden. In die Neuregelungen einbezogen sind unter anderem auch Fälle von Menschenhandel zum Zweck der Bettelei und der Ausnutzung strafbarer Handlungen. Mit der Verschärfung dieser und anderer Strafvorschriften will man EU-Vorgaben zur Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel umsetzen.


Dr. Lea Ackermann, Vorsitzende der Hilfsorganisation Solwodi,
kritisierte den Gesetzesentwurf als unzureichend, er müsse dringend erweitert werden. So forderte sie ein „bedingungsloses Aufenthaltsrecht“ für Zwangsprostituierte aus Drittstaaten, das nicht an die Aussagebereitschaft der Frauen gekoppelt ist. „Das ist das Mindeste, was wir den Frauen anbieten können“, sagte Ackermann. Gerade bei Menschenhandel und Zwangsprostitution sei eine Strafverfolgung meist nur per Aussage des Opfers möglich.

Sabine Constabel von Gesundheitsamt Stuttgart
sagte, der Entwurf könne das Elend in der Prostitution nicht mindern. Man müsse die Freier stärker in die Verantwortung bringen und dazu einen Blick nach Schweden werfen. Ebenso müsse man den Straftatbestand der Ausbeutung von Prostituierten ändern, das Mindestalter auf 21 Jahre anheben, mehr Sozialarbeiterinnen einstellen und Mietobergrenzen für Bordelle beziehungsweise Räumen in Bordellen einführen.
[ Rede vollständig bei www.emma.de/news-artikel-seiten/sabine- ... eine-ware/ ]

Die Rechtsanwältin Margarete von Galen
sagte, der Gesetzesentwurf erfasse nicht die schlimmsten Missstände, sondern werde nur zu einem „Arbeitsbeschaffungsprogramm für Rechtsstätten“ führen. Sie kritisierte, dass in dem Gesetzesentwurf von Prostitutionsstätten gesprochen werde, diese jedoch nicht weiter definiert würden. Ein Kritikpunkt, der von allen Sachverständigen angekreidet wurde.

Michale Heide von Karo e.V.
sagte, die einzige Verbesserung des Entwurfs sei die Veränderung der Altersgrenze für Prostituierte in Paragraf 232 [auf 21 Jahre]. Wichtig sei die Änderung des Straftatbestandes in einen Verbrechenstatbestand, das erhöhe auch die Ermittlungschancen der Polizei. Allgemein forderte er eine bessere Anwendung der Gesetze vor Ort, abstrakte Gesetze könnten nicht so viel ändern.

Stephanie Klee von der Agentur highLights
lehnte den Entwurf komplett ab und nannte ihn einen „juristisch nicht durchdachten Schnellschuss“. Sie forderte stattdessen ein Gesamtkonzept, das der Branche völlige Gleichstellung mit anderen Erwerbsbranchen eröffne und Rechtssicherheit biete. Das Grundgesetz garantiere die freie Wahl der Berufsausübung.

Carsten Moritz vom Bundeskriminalamt
kritisierte den Entwurf ebenfalls. Es sei gut, dass die EU-Richtlinie nun umgesetzt werde, das Hauptproblem aber bleibe: Der Straftatbestand des Menschenhandels bleibe stark von der Opferaussage abhängig und diese sei schwierig zu erhalten. In diesem Sinne entspreche der Entwurf nicht dem Sinne der EU-Vorgabe.

Irmingard Schewe-Gerigk von Terre des Femmes
stimmte den Forderungen von Frau Ackermann nach einem unbeschränkten Aufenthaltsrecht unabhängig von der Aussage der Prostituierten vor Gericht gegen ihre Zuhälter zu und forderte ebenfalls ein komplett neues Gesetzpaket. Vor diesem Hintergrund unterstützte sie einen Änderungsantrag der Grünen zu dem Gesetz.

Marc Schulte vom Bezirksamt Charlottenburg
machte sich für die Einführung von rechtlichen und baulichen Mindeststandards von Bordellen stark. Dadurch könnten auch „bisher geschlossene Türen geöffnet“ werden und die Kontrolle durch das Gewerberecht erleichtert werden. Insgesamt sei der Gesetzesentwurf nur Stückwerk, in dem der „Bewusstseinswandel des Prostitutionsgesetzes von 2002 noch nicht angekommen ist“.

Helmut Sporer von der Kriminalpolizei Augsburg
["Augsburger Weg" www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=2678&start=12 ]
sagte, das Prostitutionsgesetz von 2002 habe die Prostituierten in „eine Art staatliche Sklaverei gebracht“. Vorher wäre der Wille der Frau maßgeblich gewesen, nun habe der Bordellbetreiber dank des eingeschränkten Weisungsrechtes des Arbeitgebers „einen Freibrief“ über sie [seine subjektive und falsche Auslegung von §3 ProstG www.sexworker.at/prostg , Anm. MoF]. Die Abschaffung des Weisungsrechtes wäre daher das Beste, sagte Sporer. Der Entwurf nur ein erster symbolischer Schritt, in der Ausarbeitung sei er voller Schwachstellen. So sei Prostitution kein Gewerbe in eigentlichen Sinne sondern eine höchstpersönliche Dienstleistung. Deshalb sei die Gewerbeordnung der falsche Regelungsweg.


www.trendkraft.de/recht-gesetz-steuern/ ... tution-ab/
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Marc of Frankfurt
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Bericht von der Anhörung im Bundestag-Rechtsausschuß

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Menschenhandel: Nochmal schnell Scheitern am Ende der Legislatur – Ein Kommentar


Obwohl sich die Anhörung wohl nur mit der gewerblichen Regulierung von sog. “Prostitutionsstätten” befasste, haben sich die geladenen Expert_innen zum Glück auch zur Umsetzung der EU-Richtlinie geäußert.


Die fehlende Definition von Begriffen führe zu Rechtsunsicherheit, sei sogar eine “Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Rechtssprechung” (v. Galen). Die Umsetzung würde wieder den Bundesländern überlassen werden – wodurch weiterhin eine bundesweite Regulierung fehlen würde. So bleibt völlig unklar, welche Behörden dafür zuständig wären. Wahrscheinlich ist, dass jedes Land das Gesetz anders, oder möglicherweise gar nicht umsetzen würde. Wie ein Gesetz, das noch mehr Rechtsunsicherheit schafft, Betroffenen von Menschenhandel helfen soll, ist schleierhaft.

“Der ‘Schnellschuss’ einer Änderung von §38 GewO lässt den verdacht aufkommen, dass es dem Gesetzgeber in Wahrheit nicht um den Schutz der Prostituierten geht, sondern allein darum, in Zeiten des Wahlkampfs auf mediale Berichte zu reagieren.” (v. Galen)

Eine solche Regulierung solle vielmehr Gegenstand einer Erweiterung des Prostitutionsgesetzes (ProstG) sein, betonten einige Expert_innen. Alle waren sich über die Notwendigkeit einer Regulierung dieses Bereiches einig – jedoch seien dafür klare Begriffe und Bestimmungen notwendig. Der aktuelle Entwurf beinhalte hingegen nur vage, undefinierte Begriffe, die einer willkürlichen Umsetzung Tür und Tor öffneten.


Kriminaldirektor Carsten Moritz vom BKA ... Das Gesetz sei also eher eine Verschlechterung, weil es nun mehr Straftatbestände gebe, die alle das gleiche Problem aufweisen: Ohne Zeugenaussage gibt es kein Verfahren.

Anstatt sich mit Opferschutz zu befassen, wird Rechtsunsicherheit im Bereich Sexarbeit geschaffen.


25/06/2013

http://menschenhandelheute.net/2013/06/ ... kommentar/



Letzte Lesung der Gesetzentwürfe

Deutscher Bundestag
Plenarsitzung Do, 27.06.2013
19.a) Zweite und dritte Beratung CDU/CSU, FDP
Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten
- Drs 17/13706, http://dip.bundestag.de/btd/17/137/1713706.pdf

b) Zweite und dritte Beratung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland
- Drs 17/10843, 17/13179 -
http://dip.bundestag.de/btd/17/108/1710843.pdf
http://dip.bundestag.de/btd/17/131/1713179.pdf

(TOP 19a+b, 00:30 Stunden)
[ehemaliger_User]


Bundestag-Poster: "Weg der Gesetzgebung"
www.btg-bestellservice.de/pdf/20060000.pdf

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Terre de femmes

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Forderungen zum Thema Frauenhandel

Im Bereich Frauenhandel fordert TERRE DES FEMMES:

Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis unabhängig von einer Aussage in einem Gerichtsverfahren für die Betroffenen von Menschenhandel.

Sowohl unbürokratische und umfangreiche als auch psychologische Versorgung der Betroffenen in Deutschland.

Finanzielle Absicherung und geeignete Unterbringung der Betroffenen

die bundesweit flächendeckende Einrichtung muttersprachlicher Beratungsstellen und Zufluchtstätten mit Fachpersonal

ein eigenständiges Aufenthaltsrecht ausländischer Ehepartnerinnen ab der Eheschließung

eine gesetzliche Gewinnabschöpfung aus Straftaten, um die Betroffenen materiell zu stärken und zu entschädigen

die Bereitstellung öffentlicher Gelder für Aufklärungskampagnen und Frauenprojekte in den Herkunftsländern der Betroffenen und in Deutschland.

http://frauenrechte.de/online/index.php ... ungen.html

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Forderungen der Prostitutionsgegnerin Sabine Constabel Gesundheitsamt Stuttgart, Frauencafe La Strada


Zusammenfassend sind zum einen Maßnahmen zur Stärkung der Prostituierten erforderlich:

ein klares Verbot der Werbung für unsafe und besonders entwürdigende Praktiken („französisch ohne“, „Natur“, „Flatrate“);

Anhebung des Einstiegsalter auf mindestens 21 Jahre;

Schaffung eines Schutzraumes durch Wiedereinführung einer verpflichtenden, regelmäßigen psychosozialen und gesundheitlichen Pflichtberatung, die durchaus auch mit einem Erlaubnisschein verbunden sein kann;

Schaffung kreativer Lösungen, z.B. durch eine Anlehnung an die Pauschalsteuer, damit Prostituierte sozial und gesundheitlich abgesichert sind;

Schaffung psychosozialer Beratungsstellen für Prostituierte;

Schaffung niederschwelliger Angebote;

Ausbau der Ausstiegsprogramme für Prostituierte;

Bleiberecht für Opfer von Menschenhandel.





Und Maßnahmen zur Schwächung der Ausbeuter:

Regulierung der Prostitution durch Einführung von Erlaubnis- und Anzeigepflichten für sämtliche Prostitutionsbetriebe;

Wiedereinführung objektiver Strafbarkeitsmerkmale zur Entlastung der Opferzeuginnen zur Abgrenzung legal/illegal. Vorbild kann hier Frankreich mit dem Code Penal Art. 225 Proxénétisme sein;

Tatbestände zum Menschenhandel müssen verschärft werden;

Wiedereinführung der Strafbarkeit der §180a StGB (Förderung der Prostitution);

Bundeseinheitliche Zugangs- und Kontrollrechte an Orten, an denen Prostitution nachgegangen wird;

Festlegung von Mietobergrenzen gegen Mietwucher;

Freierbestrafung bei Inanspruchnahme illegaler und unerwünschter Prostitutionsformen.


Ihr gesamter Vertrag/Eingabe an den Rechtsausschuß
http://www.emma.de/news-artikel-seiten/ ... eine-ware/

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vom 10. Juni

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Sexwork Deutschland

Anschreiben an die zuständigen Ausschüsse


http://www.sexwork-deutschland.de/Prost ... husse.html

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Beitrag von ehemaliger_User »

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Beitrag von ehemaliger_User »

Noch ein Artikel zur Demo:

Deutsche Nutten wollen nicht zwangsgerettet werden

von Gloria Veeser

Ein bisschen verstört es mich schon, als Domenica, die Escort-Dame mit dem Antlitz einer römischen Jungfrau, mit den Lippen gekonnt ein Kondom über ihre Erdbeer-Eistüte stülpt, während sie mir eloquent erklärt, warum Prostitution gelebter Feminismus ist. Aber eben nur ein bisschen. Dann schlucke ich heimlich meinen Respekt runter, nehme tapfer meine moralische Überlegenheit zusammen und spendierte der offenbar verblendeten Sex-Sklavin eine Runde Mitleid.

Zusammen mit einem guten Dutzend Kolleginnen hat Domenica sich vor dem Bundestag versammelt. Hier soll an diesem Nachmittag eine Gesetzesvorlage zur "Bekämpfung des Menschenhandels und einer besseren Kontrolle von Prostitutionsstätten" diskutiert werden.

Ich muss zugeben, dass es auch mir schwer fällt zu glauben, dass Frauen freiwillig die Beine für jeden X-beliebigen spreizen und ihnen der Job auch noch Spaß macht. Klar, sie verdienen ordentlich Kohle, aber dahinter steckt doch sicher irgendein Zwang, Trauma oder sonst eine unerklärliche Not, die sie in so einen Beruf zwängt, denke ich.

Dass sich die Regierung mit neuen Gesetzen um das Thema kümmern will, das verstehen die Prostituierten irgendwie anders. Sie regen sich stattdessen darüber auf, dass Menschenhandel mit Prostitution in einen Topf geworfen wird.

Jetzt verteilen sie draußen Kondome, Eiscreme und Flyer, auf denen sie die Begriffe abgrenzen. "Das eine ist ein Verbrechen, das andere ist Arbeit", sagt eine Kollegin von Domenica, die derzeit einen Verein für die Stärkung der Rechte von Sexarbeitern gründet. Sie tragen rote Schirme auf denen Botschaften stehen wie: "Proud Hooker" oder "we dont need to be saved." Klingt eigentlich fast so, als wollten sie einfach nur in Ruhe gelassen werden.

Aber die Regierung hat Sachverständige eingeladen, Sozialarbeiter, Rechtsanwälte und Kriminalbeamte, um gemeinsam im Bundestag über das Wohl der im Sex-Gewerbe tätigen Menschen zu entscheiden.

Die, über die drinnen geredet wird, stehen draußen und haben ein Plakat gebastelt, auf dem "Wir sind alle Prostitutas" steht und das mich irgendwie kurz an das berühmte Emma-Titelbild "Wir haben abgetrieben" erinnert. Aber wen die wohl mit "Wir alle" meinen?

Es gibt tatsächlich fünf verschiedene Arten von Razzien, denen Sexarbeiter ausgesetzt sind, erklärt mir Alexa Müller von Hydra, der Berliner Hurenorganisation: Vom LKA, dem Arbeitsamt, der Steuerfahndung, der Polizei und der Kommune.

Sie sieht ihre Rechte durch noch mehr staatliche Rettungsversuche gefährdet. Sie will mehr Rechte statt Verbote, damit sie sich als selbstständige Unternehmerin gegen die Willkür der Institutionen wehren kann. Wie viele hier hatte auch sie vorher einen ganz normalen Bürojob. Aber das hat ihr keinen Spaß mehr gemacht und so verkauft sie lieber ihren Körper. "Immer noch lieber als meine Seele."

Sie genießt ihre Freiheit und die kurzen intensiven Begegnungen mit Menschen und regt sich auf über diejenigen, die versuchen, sie zu stigmatisieren: "Wenn mir eine sogenannte Feministin sagt, dass sie besser weiß, was ich mit meinem Körper mache, dann kann ich ihr nur den Stinkefinger zeigen und fragen, was ist denn mit DIR und DEINER Moral, beschäftige dich doch mit dir selber, zeig nicht mit dem Finger auf mich!"

Domenica fachsimpelt derweil bei einem Erdbeer-Eis gutgelaunt mit ihrer Kollegin über die verschiedenen Geschmäcker der verteilten Kondomsorten. Sie wirkt entspannt und irgendwie ganz glücklich. Ich komme nicht drum herum, weiterhin skeptisch zu sein. Die Arme, denke ich, die weiß ja gar nicht, wie fürchterlich schlecht es ihr geht. Dabei ist sie doch so hübsch! Sie hätte es doch in Heidis Casting-Show versuchen können, eine Karriere als Model einschlagen, statt für Geld ihren Körper zu verkaufen.

Aber stattdessen erklärt sie mir, dass ja alle Menschen, die für Geld arbeiten müssen, sich prostituieren. Dann wettert sie gegen das Barbie-Dreamhouse und spricht was von sex-positivem Feminismus. Wie jetzt – ich dachte, echte Feministinnen ziehen sich vor Kameras aus und schreiben sich Botschaften gegen Prostitution auf ihre nackten Brüste.

Ich versuche, den wahren Grund für ihre Jobwahl zu funden: Sie studiert Psychologie und finanziert so ihr Studium. Na bitte, da haben wirs! Es sind die finanziellen Verhältnisse, die sie dazu zwingen! Zugeben will sie das freilich nicht, sagt: "Ich könnte ja auch einen ganz normalen Minijob machen, aber ich mag Sex und ziehe es eben vor, 400 Euro in einer Nacht statt in einem Monat beim Kellnern zu verdienen."

Hier komme ich irgendwie nicht weiter, mal umhören was die anderen so sagen.

Auch Undine gibt an, dass sie den Beruf freiwillig macht. Ich frage sie geduldig nach ihren "Gründen" für diesen Protest: "Ich bin heute hier, weil hier einige Politiker als Hilfe gegen Menschenhandel verkleidet versuchen, die eigenen moralischen Ansichten durchzudrücken. Nicht jede Prostituiere wird ausgebeutet, auch wenn es die Vorstellungskraft einiger Menschen übersteigt, dass jemand freiwillig Sexarbeit leistet. Ich kämpfe daher für mein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung."

Ob sie sich denn nicht zum Objekt degradiert fühle, frage ich.

Sie lacht mir herzlich ins Gesicht und sagt: "Ich kann nicht nachvollziehen, inwiefern ich mich durch eine sexuelle Dienstleistung mehr zum Objekt mache als durch irgendeine andere Dienstleistung. Das liegt in der Natur des Dienstes."

Die Kraft ihrer Argumente und ihr selbsbewusstes Auftreten blenden mich kaum und als sie mir von ihrem Physik-Studium und dem Diplom-Abschluss in ihrer Nachttischschublade erzählt, denke ich tapfer weiter, dass es eigentlich nicht ihre Traumjob sein kann. Stattdessen suche ich hinter den Büschen der Umgebung nach dem bösen Zuhälter, der sie in Wirklichkeit zwingt, hier anzutanzen.

Ich finde aber nur ein paar Touristen, die verschämt ein paar Bilder von dem bunten Hurenhaufen machen, und ein einsames Polizistenpärchen, dass nur gut auf die lieben Mädchen aufpasst.

Ich spreche die Mädchen auf die vielbeachtete Doku mit dem Titel "Sex - made in Deutschland" an, die einer Empörungswelle neuen Schwung gab, auf der auch der aktuelle Gesetzesentwurf der CDU-FDP-Regierung surft. Ich frage sie, woran es liegen könnte, dass alle in Prostituierte entweder Täter oder Opfer sehen.

Domenica erklärt sich das so: "Die Gesellschaft braucht eben jemanden, den sie stigmatisieren kann, ob das Schwule sind oder Juden, Ausländer oder eben Prostituierte.... "

Also frage ich die anwesende queere israelische Prostituierte Liad. Und sie beginnt vielversprechend: "Ich habe das gemacht, weil ich das Geld brauchte." Na also, da kommen wir doch auf den Punkt. "Aber selbst wenn ich mein Land verlasse, weil es dort keine Arbeit gibt und selbst wenn ich hierher komme, weil Prostitution für mich gerade die beste finanzielle Option ist, heißt das noch lange nicht, dass ich ein Opfer von Menschenhandel bin."

Liad ist auch seit Jahren politisch aktiv und verarbeitet ihre Erfahrungen auch als Künstlerin. Über das angebliche Anliegen der Regierung, sie durch die vielen Sondergesetze nur schützen zu wollen, kann sie nur müde lächeln. Die Polizei ist für Liad alles andere als Freund und Helfer. "Ich glaube wirklich nicht, dass irgendeine Sexarbeiterin, die eine Razzia erlebt, die Polizei als ihre Beschützer wahrnimmt. Im Gegenteil: Polizei bedeutet Unterdrückung, Verfolgung, Angst. Prostitution ist auf dem Papier legal, aber der Staat tut alles, um den Frauen das Gefühl zu geben, vor ihm davonlaufen zu müssen."

Ihre Kollegin Susanne glaubt, die Prostituierten seien eben die Sündenböcke für alles, was in der Arbeitsmigration allgemein so schief läuft. Sie regt sich richtig auf, wenn sie auf Feministinnen zu sprechen kommt, "die haben von der Realität keine Ahnung, wenn sie sagen alle, Osteuropäerinnen seien Zwangsarbeiterinnen, so eine abgefuckte Diskussion, damit ficken die angeblichen Frauenrechtlerinnen doch den Frauen selber in den Arsch!"

Auch wenn sie alle verschiedene Geschichten, Gründe und Erklärungen für ihre Berufswahl haben. Eines haben alle Protestierenden an diesem Tag gemeinsam: Es klingt so gar nicht nach Opfer, wenn sie erklären, was sie am meisten an ihrem Job schätzen: Ihre Freiheit.

http://www.vice.com/de/read/deutsche-nu ... rce=vicefb

mit schönen Bildern.
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Beitrag von fraences »

Das man ausgerechnet in der Überschrift den stark negativ belastete Begriff "Nutten" benutzt entsetzt mich doch sehr.

Das man es nur auf Deutsche Sexworker bezieht, ist mal wieder typisch für die Spaltung, die man erreichen will.

Die gute formulierten Aussagen der Aktivistinnen geben dem Artikel wieder ein gewisses Gleichgewicht, wenn auch die moralischen Vorstellungen der Reporterin vordergründig bleiben und eine tiefergehende Betrachtung unserer Problematik bei naher ausbleibt.

Anstatt das Gewerberecht und nachteiligen Auswirkungen primär zu betonen, trennt man zwischen Prostitution und Menschenhandel, stärkt damit die Prostitutionsgegner.

Wahre Absichten und Interessen der staatliche Kontrollorgane und der alteingerichteten Herrschaftskaste bleiben auf der Strecke.

Was gerade stattfindet, bedeutet eine Rückwärtsrolle von 3 Jahrzehnten.

Schade, das die Reporterin in ihre persönliche Erfahrungsraum zu eingeengt daher kommt. Sie erscheint mir gekleidet von der "bürgerlichen Zwangsjacke."
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RE: Konzessionierung von Prostitutionsstätten?

Beitrag von La Marfa »

@ Fraences
Du schreibt "trennt man zwischen Prostitution und Menschenhandel, stärkt damit die Prostitutionsgegner."
Du findest es falsch, zwischen Prostitution und Menschenhandel eine Trennlinie zu ziehen? Und diese Trennung soll die Prostitutonsgegner stärken?

Ws die zitierten Artikel angeht:
Allein dieser Satz aus dem Artikel "Ich spreche die Mädchen auf die vielbeachtete Doku mit dem Titel "Sex - made in Deutschland" an, die einer Empörungswelle neuen Schwung gab, auf der auch der aktuelle Gesetzesentwurf der CDU-FDP-Regierung surft" ist doch schon bezeichnend. Vielbeachtet?? Von wem? Dem sensationsgierigen Fernsehdummi-Volk, die sich daran gleichermaßen entrüsten wie aufgeilen? Einer Empörungswelle Schwung geben? Die Wortwahl zeigt doch schon, dass es nicht um Mitgefühl geht, nicht um individuelle Emotionen, sondern Empörung als Welle. Merkt die Autorin nicht, dass sie ihr Ziel, welches sie propagieren möchte, mit ihrer Wortwahl selber konterkariert? Oder missverstehen wir sie und sie möchte genau diese Welle, die da angetrieben und geritten wird, anprangern? Die Kraft und das Selbstbewusstsein einer Undine blenden die Autorin kaum? Was will sie sagen? Dass diese Undine versucht sie zu blenden? Oder dass dieser Undine doch tatsächlich gelingt, die Autorin wenigstens etwas zu beeindrucken?

Fragen über Fragen über Fragen. Das soll Journalismus sein? Oder doch eher Postulismus? Gibt es das Wort überhaupt, wenn nicht, sollte man es für solche Verdummungsversuche erfinden.

Ansonsten darf die Autorin auch bitte gerne ihrem Artikel vorausstellen: "Ich habe da etwas erlebt und möchte euch das schildern, wobei ich auch nur versuchen kann, neutral zu bleiben, aber weiß das Erlebte selber nicht einzuordnen."

DAS wäre doch mal ein Novum.

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Beitrag von Sissi_Salzburg »

Eine Ergänzung aus Salzburg , keines der mir bekannten Bordelle hat einen barrierefreien Zugang ! Das soll aus meunerSichtweise auch nicht heissen dass jeder Mensch (ob Männlein oder Weiblein mit Handycap) sich mit seinen Bedürfnissen in einem "konzessionierten " Betrieb wohl fühlt , angenommen wird und entspannen kann ! Wo bleibt hier das RECHT AUF SEXUELLE SELBSTBESTIMMUNG ? Wo die Wahrung der INTIMSPHAERE ? :017 Liebe Gruesse Sissy

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RE: Konzessionierung von Prostitutionsstätten?

Beitrag von La Marfa »

Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist viel grundlegender bereits geregelt, und zwar gem. GG über das BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008, Az. 2 BvR 392/07. So jedenfalls ist die Sachlage in Deutschland. Dem Prostitutionsrecht steht allerdings noch offen, die Sanktionen festzulegen, die jemandem auferlegt werden, der im Protitutionszusammenhang dieses Grundrecht beschneidet.

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RE: Konzessionierung von Prostitutionsstätten?

Beitrag von Emma-Gutversteckt »

Na ja, ich habe mir die Seite "vice" mal etwas genauer angesehen und finde da nicht einen einzigen Artikel, den man als objektiv bezeichnen könnte. Die haben fast nur Verarschungsartikel (von denen manche echt witzig sind - solange man nicht selbst dran glauben muss).

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Re: RE: Konzessionierung von Prostitutionsstätten?

Beitrag von Lycisca »

Emma-Gutversteckt hat geschrieben:Die haben fast nur Verarschungsartikel (von denen manche echt witzig sind - solange man nicht selbst dran glauben muss).
Ich hätte den Artikel oben weniger als "Verarschung", sondern eher als selbstironisch gesehen: "brave" Reporterin trifft "schlimme" SW. Wahrscheinlich lässt sich so der Mehrheit der "braven" Bürgerinnen am besten klar machen, wie dumm die Vorurteile zu SW sind.

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Beitrag von Tilopa »

Bordelle - Grüne fordern Genehmigungspflicht

"Der Bundestag soll in der Nacht zu Freitag über ein neues Gesetzespaket zur Bekämpfung von Menschenhandel abstimmen. Koalition und Opposition sind enttäuscht vom Entwurf.


Um fünf Minuten nach Mitternacht steht das Thema zu Abstimmung: In der Nacht zu Freitag soll der Bundestag über einen Gesetzentwurf abstimmen, mit dem die schwarz-gelbe Koalition Menschenhandel stärker bekämpfen und das 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz nachbessern will. Nach Vorstellungen von Union und FDP sollen Bordelle, Laufhäuser und andere Prostitutionsstätten künftig nach Paragraf 38 der Gewerbeordnung überwacht werden, so dass Betreiber sofort nach der An- oder Ummeldung 'anlassunabhängig' überprüft werden können.
Nach jahrelanger Diskussion über wirksameres Vorgehen gegen Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung sind aber selbst Vertreter der Koalitionsparteien enttäuscht von diesem Entwurf. Die Opposition kritisiert ihn ohnehin. Die Grünen, die 2003 mit regierten, als Prostitution in Deutschland legalisiert wurde, wollen nun drei Änderungsanträge einbringen.
Erstens wollen sie Opfern von Menschenhandel ein eigenständiges Bleiberecht zusichern, auch wenn diese – 'aus nachvollziehbaren Gründen' – nicht in einem Strafverfahren aussagen. Zweitens sollen Freier bestraft werden, die wissentlich die Dienste einer Frau in Anspruch nehmen, die zur Prostitution gezwungen wurde. Drittens wollen die Grünen, dass Bordelle nicht nur überwacht werden, wie es die schwarz-gelbe Koalition plant, sondern dass sie explizit erlaubt werden müssen, unter Umständen auch befristet. Betreiber sollen konkrete Auflagen bekommen, die es den Behörden erlauben, Prostitutionsstätten zu kontrollieren und wenn nötig ausbeuterische Praktiken zu untersagen. Zum Beispiel sollen sie einen Geschäftsplan vorlegen und das Rechtsverhältnis zwischen sich und ihrem Personal dokumentieren. Sie sollen für Hygiene sorgen und Kondome zur Verfügung stellen. Außerdem fordern die Grünen, dass ein Bordellchef keine Anweisungen geben darf, die die sexuelle Selbstbestimmung einer Prostituierten verletzen.
In ihren Augen sind selbstbestimmte Prostituierte, die auf Augenhöhe mit ihren Freiern verhandeln, inzwischen nicht mehr die Regel. Vielmehr werden zunehmend Frauen aus Südosteuropa aus wirtschaftlicher Not heraus zur Prostitution gezwungen und faktisch in ein System von Gewalt gedrängt; entsprechende EU-weite Studien bestätigen das. Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Volker Beck, ist der vorliegende Gesetzentwurf der Regierung aber kein wirksames Gegenmittel.
'Der Vorschlag, Prostitutionsstätten lediglich als überwachungsbedürftiges Gewerbe zu deklarieren, greift viel zu kurz', sagt Beck. 'Nur eine umfassende Regulierung führt die Prostitution aus dem Dunkelfeld und schafft Rechtssicherheit für Prostituierte und Betreiber.' Nicht einmal die von Unions-Fraktionschef Volker Kauder angekündigte Reform des Aufenthaltsrechts werde angegangen, kritisiert Beck.
Bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses Anfang der Woche hatten Experten die Ideen der Bundesregierung zur Bekämpfung des Menschenhandels bereits weitgehend abgelehnt; da war die Rede von 'Stückwerk' und von einem 'juristisch nicht durchdachten Schnellschuss'.
Der Entwurf wurde zwar mehrheitlich als 'erster symbolischer Schritt in die richtige Richtung' bewertet, habe aber noch viele Schwachstellen. So forderte etwa auch die Hilfsorganisation Solwodi ein 'bedingungsloses Aufenthaltsrecht' für Zwangsprostituierte aus Nicht-EU-Staaten, das nicht an die Aussagebereitschaft der Frauen gekoppelt ist. Schon lange kritisieren Praktiker, dass es gerade bei Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung oft nur mit der Aussage des Opfers möglich ist, Täter zu bestrafen.

Nur in einem sind sich alle beteiligten Fachleute bisher einig: Das Thema ist äußerst komplex, und bisher hat kein Land in Europa einen 'goldenen Weg' gefunden, um Menschenhandel wirksam einzudämmen. In Deutschland scheiterte bereits die große Koalition an einem dringend geforderten Gesetzespaket – obwohl 2007 die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) entsprechende Vorschläge zur Reform des Prostitutionsgesetzes vorgelegt hatte.
Vor rund zwei Jahren kündigte die amtierende Ministerin Kristina Schröder (CDU) erneut Reformen an. Sie scheiterte aber am Widerstand des Koalitionspartners, vor allem an den liberal geführten Ministerien für Justiz und Wirtschaft. Darüber hinaus konnten sich führende Innenpolitiker von Union und FDP nicht einigen. Die Folge: Die Bundesrepublik versäumte es, eine EU-Richtlinie fristgerecht bis Anfang April dieses Jahres umzusetzen.
Kurz nach Ostern raffte sich die Regierung schließlich zu einem weiteren Anlauf auf. Sie kündigt aber jetzt schon Nachbesserungsbedarf an. So heißt es in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf, dieser beschränke sich 'bewusst auf die Umsetzung der EU-Richtlinie'. Die zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels in Fachkreisen – insbesondere bei Opferverbänden und Strafverfolgungsorganen – diskutierten weiteren Vorschläge 'hätten eine intensive Prüfung und Erörterung erfordert'. Das wäre in dieser Wahlperiode kaum realisierbar gewesen.
'Für die Union ist klar, dass zügig weitere Maßnahmen folgen müssen, wenn wir den Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution gewinnen und den Opfern helfen wollen', sagt die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Andrea Voßhoff (CDU).
Eine umfassende Reform in der nächsten Legislaturperiode wünschen sich auch die Grünen. Es werde zu prüfen sein, 'ob die Besonderheiten, die mit der Erbringung sexueller Handlungen gegen Entgelt einhergehen, weitere gesetzliche Änderungen erforderlich machen'."

http://www.welt.de/politik/deutschland/ ... licht.html

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Beitrag von ehemaliger_User »

Der Gesetzesentwurf der Koalition wurde angenommen, die Vorschläge der Grünen abgelehnt. Im Schnellverfahren (Redebeiträge wurden zu Protokoll gegeben). Der gesamte Vorgang dauerte 3 min für TOP19a und TOP19b.

http://dbtg.tv/fvid/2480610


Text:
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 002#133002


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RE: Konzessionierung von Prostitutionsstätten?

Beitrag von fraences »

Der Gesetzesentwurf ist angenommen worden.

Und im Bahnhofsviertel von Frankfurt findet gerade eine Großrazzia in den Bordellen statt, die schon seit 17 Uhr angefangen hat und noch andauert.
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RE: Konzessionierung von Prostitutionsstätten?

Beitrag von fraences »

Moralisches Rollback
Verschärfte Kontrollen: Mit Verweis auf Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung will die Bundesregierung Prostitution durch die Hintertür wieder kriminalisieren

Von Ulla Jelpke


Kurz nach Mitternacht lag dem Bundestag in der Nacht zum Freitag ein Gesetzentwurf der schwarz-gelben Bundesregierung »zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten« zur Abstimmung vor. Eigentlich geht es um die Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union zur Bekämpfung des Menschenhandels. Doch der Antrag entpuppt sich als großangelegter Angriff auf die erst unter der SPD-Grünen-Regierung im Jahr 2002 erfolgte Legalisierung von Prostitution als Gewerbe.

Angst vor Rache

Dem Anliegen, Menschenhandel und Zwangsprostitution zu bekämpfen, wird der Regierungsantrag schon deswegen nicht gerecht, weil er hierzu nur strafrechtliche Aspekte beinhaltet, während Prävention und Opferschutz völlig außen vor bleiben. Solange den Betroffenen kein gesicherter und eigenständiger Aufenthaltstitel in Deutschland zugesprochen wird, sind die Täter durch die Angst der Opfer geschützt. Ein Änderungsantrag der Grünen fordert zwar ein solches Aufenthaltsrecht, doch die Grünen machen die Aussagebereitschaft der Opfer in einem Strafverfahren als Bedingung hierfür. Die Linksfraktion kritisiert, daß dies die Angst der Opfer vor Racheakten an ihnen oder ihren Familien in ihrer Heimat ebenso ignoriert, wie Traumatisierungen oder die Angst, in einem Strafverfahren erneut zum Opfer zu werden. Das Prostitutionsgesetz habe der Rotlichtkriminalität Vorschub geleistet, rechtfertigte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), die mit diesem Antrag vorgenommenen Reglementierungen des Prostitutionsgewerbes. So werden Prostitutionsstätten nun in den Katalog überwachungsbedürftiger Gewerbe aufgenommen. Ihre Genehmigung kann von schwammig formulierten Behördenauflagen zum Schutz der Allgemeinheit, der Kunden, der Prostituierten oder der Nachbarn vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen abhängig gemacht werden. Damit wird suggeriert, daß hier bislang ein rechts- und kontrollfreier Raum herrschte. Doch in Wirklichkeit unterliegt Prostitution bereits seit Jahrzehnten einer so engmaschigen Kontrolle und einem so ausgeprägten strafrechtlichen Sonderschutz, wie sonst kaum ein anderes Gewerbe. In den vergangenen zwölf Jahren gab es nach einer Razzien-Statistik von »Doña Carmen – Verein für soziale und politische Rechte von Prostituierten« 280 Großrazzien bei 6500 Objekten in 646 Gemeinden, bei denen 60000 Ermittler 42000 Personen kontrollierten.

In unzulässiger Weise vermischt der Regierungsantrag Prostitution mit den Themen »Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung« und Zwangsprostitution. Der legale Bereich der eigenständig arbeitenden und selbstbestimmten Sexarbeiterinnen- und Sexarbeiter wird dabei völlig ausgeblendet. Doch eben diese Prostituierten sollen zukünftig verschärften Kontrollen und Behördenwillkür ausgesetzt werden. Auch die Grünen wollten in einem Änderungsantrag das unter ihrer Mitregierung verabschiedete Prostitutionsgesetz nun zum Schutz der Frauen und verbindlicher Arbeits- und Hygienestandards so nachbessern, daß Prostitutionsstätten künftig der Erlaubnis der zuständigen Behörden bedürfen.
»Zu Tode schützen«

»Bei so viel ›Schutz‹ ist eines sicher: Die Rechte der Prostituierten kommen unter die Räder, man will sie zu Tode schützen«, warnte Doña Carmen in einem Appell an die Bundestagsabgeordneten vor einer Verschärfung des Prostitutionsgesetzes. Neben einem staatlichen Interesse an einer verschärften Migrationsbekämpfung und einem polizeilichen Interesse an einer Ausweitung von Kontroll- und Überwachungsbefungnissen sieht die Prostituiertenvereinigung dahinter »das nicht zu unterschätzende kirchliche Interesse an einer Politik, die langfristig auf die Abschaffung von Prostitution hinausläuft«. Ein solches »moralisches Rollback« sei mit ihr nicht zu machen, erklärte die Linksfraktion dazu.

Die Zahl der Prostituierten in Deutschland beträgt nach Schätzungen rund 400000, davon arbeiten 150000 in Vollzeit. Über die Hälfte der Prostituierten sind ausländischer Herkunft, vor allem aus Osteuropa. Die Anzahl der Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung ist seit Jahren rückläufig, wie die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen zugab. Im Jahr 2011 wurden von der Polizei 640 Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung festgestellt. Das ist gegenüber dem Jahr 2000 ein Rückgang von 30 Prozent.

www.jungewelt.de/2013/06-28/009.php
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Re: RE: Konzessionierung von Prostitutionsstätten?

Beitrag von Zwerg »

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fraences hat geschrieben:Der Gesetzesentwurf ist angenommen worden
Es ist unfassbar!