Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Hier können SexarbeitInnen ihren Arbeitsplatz bzw. ihre Arbeitsbedingungen beschreiben. Was erlebt Ihr alles in Eurem Beruf?
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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

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fraences hat geschrieben:Es fängt in Europa schon bei der Straßenprostitution an (Dortmund, Hamburg,Wien etc)und mündet in Prostitutionsformen über Flatrate, Wohnungsprostitution bis zum Escort und Dominastudios.
Wo soll ich unterschreiben.....? Das es nur der Anfang ist, ist auf einen oberflächlichen Blick nicht zu erkennen. Dazu bedarf es eine Vielzahl an Informationen um zu erkennen, das es um eine systematische Vernichtung von Arbeitsplätzen in nahezu allen Bereichen der Sexarbeit geht.

Nur ein paar Beispiele: In Salzburg wurde das Ausüben sämtlicher dominanter Dienstleistungen verboten... Ebenso macht sich ein Betreiber strafbar, wenn in seinem Etablissement eine schwangere SexarbeiterIn angetroffen wird (wovon die Frau leben kann, oder wie der Betreiber dies feststellen soll, interessiert Keinen. In Österreich ist der komplette Escortbereich nur dann im gesetzlichen Rahmen, wenn es um KEINE sexuelle Dienstleistung geht.... Straßenstrich in vielen Ländern Europas.... In Wien ist durch die Wohngebietsregelung (im Wohngebiet und im vom Wohngebiet umgegenen Gebieten) de facto die komplette mannmännliche Sexarbeit vollständig verboten. Oder etwa der Satz im Prostitutionsgesetz: Ein Lokal gilt so lange als Prostitutionslokal, bis das Gegenteil bewiesen ist....

Es gibt so viele Bereiche, in welchen man von Seiten der Politik Einschränkungen einführen will - Nicht um die Situation zu verbessern, sondern um sichtbare Prostitution zurückzudrängen. Dem müssen wir vorrangig entgegen treten!


christian

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Emma-Gutversteckt
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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Emma-Gutversteckt »

@ frances:

Das sind wahre Worte!

Doch kann man nicht bestreiten, dass es eben durchaus auch negative Dinge gibt und gewisse Läden (ich sage nicht, alle) definitiv menschenunwürdig sind.
Daraus ergibt sich die Frage, wie man diese negativen Dinge am besten angeht, um sie zu beseitigen.

Die Politik möchte das Problem aus der Welt schaffen, indem sie einfach alles verbietet.

Wir möchten, dass nichts verboten wird.

Wie soll und kann ein Mittelweg aussehen, mit dem beide Seiten leben können?

Du erwähnst den Straßenstrich... In Hamburg zum Beispiel stehen dort Minderjährige und viele Drogensüchtige. Die Minderjährigen sollten dort definitiv nicht stehen und durch die Drogensüchtigen halten sich dort auch Dealer und viele andere seltsame Menschen auf. Wer soll dort den ganzen Tag stehen und alles kontrollieren? Und wer soll das bezahlen?

Wer soll in den Flatrate-Läden schauen, wie es den Frauen (wirklich) geht und im Zweifelsfall Aufklärungsarbeit leisten? Und wer soll das bezahlen?

Das Problem insgesamt ist meiner Meinung nach die Tatsache, dass es keine dauerhaft umsetzbare Möglichkeit gibt, um all diese negativen Begleiterscheinungen, die es zweifellos gibt, zu beseitigen.

Von daher denke ich, dass es durchaus vernünftig ist, gewisse Dinge zu verbieten, bevor tatsächlich irgendwann alles verboten wird, weil keiner mehr auch nur ansatzweise einen Überblick hat. Ich würde lieber geduldet als komplett in die Illegalität gedrängt werden.

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Beitrag von fraences »

@Emma-Gutversteckt

Glaubst Du das durch Verbote Misstände und ausbeuterische Verhältnisse ausschließen zu können?

Das natürliche Leben kennt die Sicherheit nicht, die Angst und Feigheit verspricht.

Wenn man eine positive Entwicklung will, muss man die Dinge in erster Linie zu lassen und zweitens Geduld haben.

Du möchtest nicht in die Illegialität gedrängt werden, das sollte man allen anderen Menschen auch zu billigen. Mit Verdrängung und Verbote verschlechtern sich doch nur die Situation??
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Melanie_NRW »

Wer das bezahlen soll? Die, die auch die Steuern kassieren...

Hier mal ein schönes Beispiel, wie es aussehen könnte:

http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_u ... 44,2094501

"Die Prostitution verbieten wollen die Grünen im Ulmer Gemeinderat nicht. Sie beantragen aber die Einrichtung einer Anlaufstelle beziehungsweise die Einstellung einer Streetworkerin, die allein für die in den Bordellen arbeitenden Prostituierten zuständig ist.

Die Fraktion reagiert damit auf das Ergebnis eines Gesprächs, das sie mit der Polizei zum Thema geführt haben. Demnach kämen viele Prostituierte aus Ländern im Osten Europas, die sich nicht mit ihren Rechten in Deutschland auskennen würden und deshalb in Gefahr seien, Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung zu werden.

Seit Jahresbeginn erhebt die Stadt eine Steuer auf Bordelle, weshalb ein Teil der Einnahmen für die Schaffung einer Streetworkerin verwendet werden soll. Ein Verbot lehnen die Grünen ab, weil das die Prostituierten nur in die Illegalität abdrängen würde."

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Beitrag von fraences »

Und wie heißt es in der internationale Sexworker Bewegung:

"Only Rights can stop the wrongs."
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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Magdalena »

@Emma @la marfa

Ich möchte mich auch im Namen meiner Kolleginnen gegen die Äußerungen in diesem Thread auf das Schärfste verwehren! Niemand von Euch steht es zu uns in die Illegalität zu drängen!

Wenn Jemand von Euch unsere Arbeitsweise nicht passen sollte, so geht das in Ordnung. Aber uns unter Generalverdacht stellen zu wollen ist es nicht! Es ist auch nicht in Ordnung in den Raum zu stellen, daß ich oder meine Kolleginnen nicht freiwillig und selbstbestimmt arbeiten würden. Wir sind erwachsen und wissen was wir wann und wie zu tun haben.

Ich bin hier im Forum schon länger aktiv. Aber so etwas herablassendes habe ich hier noch nicht erlebt!

Magda - und den Rest lasse ich jetzt weg, da ich nicht gegen die Forenregeln verstoßen möchte

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Beitrag von Zwerg »

@magda
Kaffee? Wenn die KollegInnen einverstanden sind, bin ich in 20 Minuten drüben :-)

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Magdalena
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Beitrag von Magdalena »

Warst eh schon lang nimmer da. Kaffee gibt es nur einen Kleinen, damit Du uns nicht noch einen Herzkasperl kriegst! Die Rose ist auch da - die braucht es was von Euch (wegen einer HP)

Liebe Grüße an den Forenzwerg!

vom ganzen Team

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Beitrag von Zwerg »

Ich schwinge mich auf die Hufe!

christian

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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Emma-Gutversteckt »

Jetzt zitiere ich mich mal selbst:

"Doch kann man nicht bestreiten, dass es eben durchaus auch negative Dinge gibt und gewisse Läden (ich sage nicht, alle) definitiv menschenunwürdig sind."

Mit keinem Wort habe ich behauptet, dass Kolleginnen nicht zu selbstständigem Denken fähig wären!

Ich kann nur von meinen eigenen Erfahrungen ausgehen und von den Dingen berichten, die ich selber gesehen und/oder erlebt habe - und in diesem Fall waren sie eben negativ. Wenn sie positiv gewesen wären, hätte ich ebenso davon berichtet.

Es ist mir völlig egal, wer wie arbeitet. Das kann schon jede für sich selbst entscheiden, wenn sie wirklich die freie Wahl hat.
In dem Club, den ich besucht habe, sah es nicht so aus, als wären die Damen dort alle freiwillig - und genau dort sehe ich auch das Problem, weil es enorm schwierig ist, dabei zu unterscheiden, wer sich tatsächlich selbst dafür entschieden hat (und wer nicht), entsprechende Kontrollen zu machen und Aufklärungsarbeit zu leisten.
Liebe Grüße
Emma Gutversteckt

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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von annainga »

ich finds unfair, anderen zu unterstellen, sie hätten von "verbieten, verdrängung, in die illegalität treiben" gesprochen. es geht doch darum zu zeigen, wie ein konzept und auch andere formen der sexarbeit geradezu prädestiniert und dafür auisgelegt sind, auszubeuten.

danke an @lust4fun, dass du tanjas beitrag gelinkt hast - dort gibts auch antworten zu @Melanies frage, weshalb dann dort frauen arbeiten:

"ich habe Kinder zuhause, die haben Hunger"

"aber er wäre immer noch besser als keine Arbeit oder arbeiten und kaum Geld dafür zu bekommen."

Auch die Diskrepanz zwischen Werbeaussage und dem tatsächlichen Geschehen ist sehr groß, was zu falschen Vorstellungen bei manchen Männern führt...

der letzte satz ist etwas, was mich sehr meisten stört. dass durch die offensive werbung nicht nur kunden, sondern der ganzen außenwelt vorgespielt wird, sexarbeiterinnen sind willige objekte. in der werbung für sexarbeit kommt das oft vor. auch der unsäglich name des "kaufmich" - forums finde ich unmöglich. wir argumentieren hier und an anderen orten schwer, damit wir zeigen, dass wir uns nicht verkaufen, aber dieser werbe-name wird akzeptiert? (kleine anmerkung: ja, würde ich auch akzeptieren, wenn ich keine andere möglichkeit hätte, aber ich bin froh, dass ich sie habe, genauso wie ich froh bin, nicht an einem arbeitsplatz arbeiten zu müssen, an dem vorhergehendes "probeblasen" normal ist).

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malin
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Beitrag von malin »

ach annainga, die stimme der vernunft...könnt dich grad knutschen :050

ich verstehe ehrlich die dynamik dieses threads nicht ganz.
noch einmal ganz klar: es geht doch keineswegs darum andere formen der arbeit abzuwerten, sie in die illegalität zu pressen oder in irgend einer form als negativ zu bewerten.

es geht vielmehr darum bestimmte BETREIBER konzepte zu diskutieren, und sie auf ihre fairness gegenüber den sw abzuklopfen.

letztlich ist das eher eine art mindestlohn und arbeitsschutzdebatte, die man so auch über diverse andere branchen führen könnte.

wenn ich hier schreibe, dass ich es nicht okay finde dass ein leiharbeiter 8.50 die stunde bekommt, während der betreiber einer zeitarbeitsagentur das x-fache dieses betrages für sich generiert, greife ich doch damit nicht den arbeiter selbst an oder fordere gar das verbot seiner tätigkeit.
liebe grüsse malin

eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)

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annainga
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Beitrag von annainga »

danke @Malin.
auch dass du mit einem beispiel nochmal klar machst, um was es geht. dein leiharbeitsbeispiel finde ich gut gewählt, weil fast jeder so jemand in seinen bekanntenkreis kennt. es geht nicht darum, dessen arbeit zu verbieten, aber so zu gestalten, dass sie nicht unwürdig ist.

lieben gruß, annainga

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RitaD
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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von RitaD »

Was mir auch sauer aufstösst ist, Unterschichten Freier....was ist das ?
Ich kenne diese Schicht von Freier nicht.
Weil sein Salär kleiner ist als von andern?
Oder sein Job weniger Wert ist.

Für mich war ein Freier, ein guter Kunde, solange er mich gut behandelt hat, egal aus welcher " Schicht " er kam.

Arrogant ist zu sagen, solche Freier kommen nicht zu mir.

Flatrate ist der neue Name von Gruppensex.
Das Prinzip ist das gleiche.
Ergo, gab es Flatrate schon in den 60er Jahren, und keiner hat sich darüber aufgeregt.
Jede SW soll den weg gehen, den sie für sich richtig und gut befindet. Was die meisten auch tun.

Svea hat es schön gesagt, wir sind Schwestern.

Die Schiene von A.S. zu fahren ist kontra Produktiv und bringt rein gar nichts.

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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Jupiter »

Ja Rita, du sagst es, so etwas gab es schon immer und wird es weiter geben (auch dort, wo es verboten ist, siehe Frankreich Strauss-Kahn). Einfach gesagt, "Rudelbumsen". Ob dies positiv für eine SW läuft hängt doch von einigen Randparametern ab. Diese lassen sich aber nicht von außen kontrollieren und deswegen nach einem "Verbot" zu rufen, welches wiederum nicht kontrolliert werden kann.
Wir sollten uns wieder auf die Arbeitsbedingungen einer SW konzentrieren und wie hier Missstände aufgedeckt und angeprangert werden können. Wie kann hier das Vertrauen gewonnen werden, dass diese unter Vermeidung persönlicher Nachteile einer Vertrauensperson die Probleme mitteilen kann.
Dies ist doch das Kernproblem.

Gruß von Jupiter, der gerade überlegt, zu welcher "Freier-Schicht" er gehört.
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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Re: RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Arum »

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Melanie_NRW hat geschrieben:          Bild
La Marfa hat geschrieben:...
Und damit meine nicht Argumente wie "aber die Migrantinnen ..."

Mündigkeit spreche ich niemandem ab, vielmehr frage ich ja ganz ausdrücklich nach den freien Willen derjenigen, die in solchen Betrieben arbeiten, ob das ihr Wunsch ist, trotz aller anderen Alternativen, die sie haben.
Doch das tust du, in einer Tour versuchst du Argumente zu festigen, die dagegen sprechen.

Generell alles, was nicht in deine persönliche Weltanschauung passt, wird hier von dir schlecht geredet.

Für mich hat jede Form des Pay6 seine Daseinsberechtigung, solange sich Anbieter und Kunden finden, die dieses Modell nutzen. Es hat für mich schon einen arg bitteren Beigeschmack, was und vor allem WIE du hier teilweise schreibst.

Wir sind hier nun mal nur eine kleine Gruppe von Sexarbeitern, die vielen anderen da draußen haben vllt besseres zu tun als sich in Foren einzuloggen und darüber zu sinnieren, was richtig ist und was falsch. Die machen einfach ihren Job und alles andere interessiert sie nicht.

Deswegen wirst du wahrscheinlich lange warten können, bis sich eine von den Frauen hier äußert, die selbst in einem Flatrate-Club arbeitet.

Und genau DAS werfen uns ja immer die Prostitutionsgegner vor. Das sich die anderen nicht melden. Dann kann es sie ja auch nicht geben und freiwillige (privilegierte) Prostituierte sind demnach eine Minderheit und nicht schützenswert. Alle anderen werden dazu gezwungen und können sich deswegen auch nicht äußern. Also sollte Prostitution doch besser verboten werden, weil es ja was ganz furchtbares sein muss. Keine Frau kann sowas freiwillig machen...

Merkst du was?

Es wird vielleicht nicht jedem Recht sein, aber ich möchte doch meinen Senf dazugeben.
Vorangestellt sei: Ich bin kein Deutscher und wohne nicht in Deutschland. Ich werde mich vielleicht etwas holprig ausdrücken. Das hat in der Vergangenheit schon mal eine Person dazu verlockt, mich ständig anzugreifen, ohne wirklich auf die Inhalte meiner Beiträge einzugehen. Und so habe ich hier dann gute zwei, drei Jahre lang nicht mehr beigetragen.

Trotzdem möchte ich zu diesem Thema etwas sagen, denn es scheint mir wichtig genug.
Genau dasjenige, was hier von Melanie erörtert wird, scheint mir schon seit langem das Hauptproblem dieses Forums, und im besonderen auch dieses threads.
Maggie McNeill hat schon mal, wenn ich mich recht entsinne, in einem ihrer blog postings darauf hingewiesen, es gebe immer wieder Gruppen SW, die sich gerne von anderen Gruppen abgrenzen wollen, dadurch dass es denen abgesprochen "richtige" SW zu sein, dabei aber ausser Auge verlierend, dass die Politik nun gerade darauf hinzielt, Gruppen auseinanderzutreiben, um dann die schwärzeren Seiten des Gewerbes dazu benutzen, den Berufszweig als solchen unter Generalverdacht zu stellen.

Das Problem dieses Forums diesbezüglich ist und bleibt, dass hier eben wenige SW aktiv sind, die in der Tat in FKK Clubs, Pauschalclubs, Partytreffs arbeiten. Darüber hinaus sind hier meines Wissens kaum Rumäninnen, Bulgarinnen, Ungarinnen, Nigerianerinnen und so weiter und so fort aktiv. Leider aber sind es genau diejenigen, die von Politik und Medien ständig dazu benutzt werden, die Prostitution unter Generalverdacht zu stellen. Woraufhin dann hier im Forum dann schon diskutiert wird, aber immer wieder von genau diesen Personen, auf die die Verdächtigungen sich grundsätzlich nicht beziehen können. Wodurch den Argumenten hier, wie gut sie auch immer sein dürfen, die grundsätzliche Berechtigung abgesprochen werden kann, unter dem Motto: "Aber ihr seid doch keine .... Ihr seid die grosse Ausnahme... Ihr seid die Glücksfälle...." Usw.

Und ich möchte euch hier jetzt nicht angreifen, so wie ich mal verstanden worden bin, ich möchte einfach hinweisen auf eine Tatsache. Man sieht's auch wieder an dieser Diskussion.

Da wird gross verallgemeinert über Flatrate-Bordelle aufgrund einer spezifischen Erfahrung von mehreren Jahren her. Wie die Frauen, die im Moment dort tatsächlich arbeiten, selber ihre Arbeit empfinden, steht aussen vor. Noch mal abgesehen davon, dass sich im Laufe der Jahre auch in dieser Nische vielleicht etwas getan haben könnte.

Und verständlicherweise sind die Frauen der FKKs usw hier nicht so sehr aktiv, denn die sind ja mehrere Stunden am Tag im Club aktiv. Die haben keine Laptops dabei, um sich mal schön zwischen den Kundenterminen hindurch hier im Forum zu äussern. Und auch wenn sie über smart phones verfügen, die dürfen sie im Prinzip nicht während der Schicht benutzen. Wenigstens nicht zum Internetsurfen. Und die Deutschkenntnisse der Rumäninnen usw sind nicht unbedingt von solchem Niveau, dass die hier mir nicht dir nicht mitdiskutieren. Mir hat das hier immer schon recht schwer gefallen, während doch Sprache mein Beruf ist, geschweige noch die deutsche Sprache, wenn auch genau in gegengesetzter Richtung.

Also, die sind nicht hier, und von denen hört man nichts.
Das mag die Politik natürlich sehr. Und so lange es nicht irgendeiner Initiative gibt, die auf diese anderen Frauen zugeht, mit deren redet, ihre Geschichten aufzeichnet, sie sammelt, vielleicht sogar zu irgendeiner Buchausgabe, solange können Medien und Politik die Prostitution als solche ohnehin unter Generalverdacht stellen, die unabhängig Arbeitenden als die grossen Glücksfälle ausgrenzen, sie gleichzeitig aber genauso gut immer schärferen Gesetzen unterwerfen.

So funktioniert das, und nicht anders.

Versteht mich bitte nicht falsch, ich stehe voll hinter euch, aber bitte, lasst euch nicht auseinanderspielen. Der Prozess ist voll im Gange.

Nun mal zum Thema 'Flatrate'.
Heutzutage gibt es eine Kette, die sich Pauschalclub nennt. Die haben Häuser in Bochum, Dortmund und Münster. Eines derer kenne ich kundenmässig.
Da gelten volgende Regeln:

1. Der Kunde zahlt € 100 für drei Stunden, oder € 150 für den ganzen Tag.
2 Zimmergang dauert 20 Minuten. Keine Minute mehr, aber auch keine Minute weniger. Auch wenn der Kunde schon innerhalb zwei Minuten oder so fertig ist, hat die Frau bei ihm auf Zimmer zu bleiben, und er bei ihr. Da unterhält sich die Frau mit dem Kunden. Das hat für sie den Vorteil, dass sie körperlich nicht überfordert werden kann. Das war auch genau die grosse Schwachstelle vom damaligen Pussy Club-Konzept: Da gab es diese Regel nicht. Solche Möglichkeit hatte man einfach übersehen. Anfänglich brachte das keine Probleme mit sich, aber als dann der Club immer beliebter wurde, konnten die Frauen körperlich nicht mehr mithalten. Nun, in dieser anderen Kette geht das nicht.
3. Darüber hinaus sind die Frauen nach einer Runde zu einer Auszeit angehalten. Sie müssen sich, ich schätze für eine Viertelstunde oder so, sich frisch machen, und dürfen sich nicht unter den Kunden mischen.
4. Einmal das hinter sich, gehen sie wieder in den Barbereich, aber auch da dürfen sie sich nicht gleich wieder auf Zimmer mitnehmen lassen. Ich weiss nicht wie lange genau, aber es gilt die Regel, dass sie eine gewisse Zeit lang im Barbereich bleiben müssen. Es kommt also vor, dass man, wenn man als Kunde mit einer der Frauen ins Gespräch gerät und dann irgendwann vorschlägt aufs Zimmer zu gehen, zu hören bekommt: "Noch nicht", und nach einem Blick auf die Uhr, "In zwei Minuten, dann darf ich wieder." Auch dies wieder eine Massnahme, die darauf hinzielt, die Frauen körperlich nicht zu überfordern. Also, auch wenn es an Tagen innerhalb von drei Stunden 60 Männer im Haus gibt, und zehn Frauen, kann es nie so sein, dass die Frauen 6 Männer innerhalb diesen drei Stunden haben.
5. Die Frauen dürfen selber bestimmen, an welchen Tagen sie nicht arbeiten.
6. Die Frauen wohnen, so weit mir bekannt, auch nicht im Haus. Ich kenne mindestens eine, die wohnt mit ihren Kindern; eine andere arbeitet in Bochum, wohnt aber in Düsseldorf.
7. Wie die Frauen genau bezahlt werden, weiss ich natürlich nicht. Aber ich schätze, die Anzahl Zimmergänge ist wohl mitbestimmend: Jeder wird vermerkt. Wohl auch gibt es irgendein Bonussystem. Der Kunde wird beim Abschied nach seiner Favoritin des Tages gefragt. Die an einem Tag meist Erwähnte, so kann ich mir vorstellen, empfängt dafür wohl eine Belohnung. Ob das aber tatsächlich der Fall ist, kann ich nicht sagen.

Es arbeiten in dieser Kette Frauen, die schon seit Längerem da sind und sehr selbstsicher wirken, und, wie schon bemerkt, auch Kinder zu versorgen haben. Es sieht also ganz danach aus, dass sich die Arbeit dort lohnt. Und wohlgemerkt, sie dürfen auch über Längeres Ferien machen, mehrere Wochen lang. Eine derer hat mir mal schon gesagt: "Nie im Leben wieder eine Beziehung, dies ist alles viel schöner."

Mir ist auch aufgefallen, dass diejenige Frauen, die ganz offensichtlich kein Spass bei der Sache haben, nicht lange da bleiben. Von (dauerhaftem) Zwang kann also nicht die Rede sein.

Nun, die Geschichten solcher Frauen würde ich liebend gerne aufzeichnen. Nur, ich bin Kunde, und werde nie denselben Draht zu ihnen haben können, wie Kolleginnen. Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass gerade zu einer Zeit wie der heutigen es unumgänglich ist, auf die Frauen in Pauschalclubs, FKKs usw zuzugehen, und ihre Geschichten (anonymisiert, versteht sich) der Öffentlichkeit anzubieten. Gerade jetzt, wo sich in immer mehr Staaten (eben auch bei mir in den Niederlanden, aber natürlich auch sonst wo) ein Totalangriff auf die Prostitution breitmacht, ist eine solche Gegenstimme unumgänglich. Es muss einfach klargestellt werden, dass die Anbieterinnen von Privatempfang oder Escort oder Domina-Studio, oder auch diejenigen die in Edelbordellen arbeiten, nicht die grossen Ausnahmen sind. Solange es keine vernünftigen Veröffentlichungen gibt, die genau den Rumäninnen, Bulgarinnen, Ungarinnen, Nigerianerinnen usw., oder auch den Club-Frauen welchen Typs auch immer eine Stimme verleihen, kann immer so getan werden, als wären die grundsätzlich Ausbetungsopfer, auf welcher Art und Weise auch immer.

Man sollte auf sie zugehen. Auch zum eigenen Schutz.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Nymphe »

Danke Arum, das sehe ich ganz genauso.

Ich muss mir ständig anhören, ich sei "die Ausnahme". Das scheint selbst unter Sexarbeiterinnen und Leuten, die der Sexarbeit im Prinzip neutral oder positiv eingestellt sind, der hartnäckigste Mythos zu sein. Am meisten trifft mich das aus meinem direkten privaten Umfeld oder von Kolleginnen.

Ich freu mich immer einen Keks, wenn ich im Gespräch mit (vor allem) ausländischen Kolleginnen mitbekomme: nein, verdammt nochmal, bin ich nicht.

Ich vermute, dass Arbeitszufriedenheit in der Sexarbeit wie viele andere soziale Aspekte statistisch normalverteilt ist, also für die Masse der Kolleginnen der Job "halt ok" ist, und es dann Richtung "Traumjob" in die eine und "würde sofort aussteigen, wenn ich nur könnte" in die andere Richtung jeweils weniger werden.

Dazu wünsche ich mir wirklich mal eine vernünftige Studie.

Zum Thema "Repräsentative Sexworker": https://feministire.wordpress.com/2011/ ... ex-worker/

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Beitrag von fraences »

Danke Arum, schön dich hier wieder zu lesen. Und ich sehe es genauso.

Das mit der Regelung von 20min in den Pauschalclubs, das ist mir auch bekannt von einem Club in Köln-Chorweiler.

Ja, wenn ich manche Ansichten von Kolleginnen, auch außerhalb des Foren höre, befürchte ich auch das so manche Auffassungen in der Richtung läuft zu spalten.

Den Blog von Maggie McNeill muss ich unbedingt lesen. Danke für den Hinweis und wenn Du ein link dazu hast, her damit.
Ich denke, das es noch viel Aufklärung und tiefgreifende Info bedarf, das Ganze zu verstehen.

Da sind die internationale Sexworkerbewegungen schon viel weiter.

Wir werden gerade hier in Deutschland zur Zeit überrannt. Ohne das wir die nötige Zeit haben uns selbst zu organisieren, viele KollegInnen mit ins Boot zu holen und ins Diskurs zu kommen.

Aber ich bin gute Hoffnung, das wir auf einen guten Weg sind.
Leider ist es mit allen Dingen so, das erst wenn der Druck da ist, man (manchmal auch zu spät)merkt, das man sich da zur Wehr setzen muss.

Die ganze(Sonder)Gesetze und Verordnungen um die Prostitutionsbranche erstmal zu verstehen und dann noch die unterschiedliche Handhabung auf Länder- und Kommunenebene verkomplizieren es. Plus die angeplante Einordnung im Gewerberecht, Freierbestrafung und Erweiterung des Menschenhandelsparagrafen.

Zusätzlich eigene Positionierungen zu finden, die mehrheitlich getragen sind,plus eigene Gesetzesvorschläge auszuarbeiten, ist eine harte Herausforderung.

Manchmal sehne ich nach meine Anfangszeiten (80er Jahre)in der Prostitution, da wurde einfach vieles geduldet und der Rubel rollte, ohne das wir (so habe ich es zu mindestens erlebt) und wir brauchten uns nicht so viele Gedanken über die Gesetzeslage machen. Obwohl in dieser Zeit sich vieles in der Grauzone abgespielt hat.

Liebe Grüße, Fraences
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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Zwerg »

Lief gerade auf ORF1 - Flatratebordell

ich sage mal vorsichtig und ganz leise: Mit Forenbeteiligung... Wahrscheinlich wird es Morgen einen 2. Teil geben.

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Melanie_NRW
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RE: Flatrate Bordelle - Pro und Contra

Beitrag von Melanie_NRW »

Danke Zwerg, für den Beitrag.

Den letzten Satz finde ich besonders schön... sie gehören zur Gesellschaft... ich wünschte, man würde so einen "normalen" Satz öfter in den Medien hören.

UND ich fand den Aspekt, den die Sexarbeiterin brachte auch recht wichtig. Das es ein geregeltes Einkommen ist bzw das sie sich nicht jeden Tag Gedanken darüber machen müssen, die Miete für ein Zimmer rein zu bekommen.

Insgesamt in meinen Augen ein guter Bericht... bin gespannt auf den 2. Teil.