Von Steven Pinker, Fischer Verlag, 1212 Seiten
Originaltitel: "the better angels of our Nature. Why the violence declined",
In Viking Press, New York, 2011.
Es war nicht einfach, sich durch das über tausend Seiten dicke Buch durchzuwühlen!
Nicht wegen der Seitenzahl an sich, sondern wegen dem emotional aufwühlenden Inhalt.
Die Tatsachen an sich sind ja bekannt, aber sie so dicht aufgelistet zu sehen,
und dann noch mit den dazu passenden Grafiken, dass braucht Zeit zur Verarbeitung!
Steven Pinker ist berühmt in seinem Fach als einer der besten Linguisten der Welt.
(empfehlenswert sein Buch : der Sprachinstinkt, Kindler Verlag, 560 Seiten)
Er untersucht in diesem Buch die Geschichte der Gewalt der Männer,
denn wenn man von Gewalt spricht, dann sind die handelnden Personen in
99,999999 Prozent Männer. Die vielen Milliarden Personen, welche in den vergangenen
3000 Jahren ermordet, abgeschlachtet, verstümmelt, gekreuzigt, gequält und
gefoltert wurden, hatten als Täter Männer.
Pinker liefert zu diesen Taten unzählige Tabellen und Quellen.
Nimmt man die absoluten Zahlen, so haben sich die Gewalttaten der Männer
im letzten Jahrhundert stark erhöht. Nimmt man aber als Bezugssystem eine
Bevölkerungsgruppe von 100.000 Personen, so hat sich die relarive Zahl an Männergewalt
verringert ! Das mag im Angesicht der beiden Weltkriege unwahrscheinlich erscheinen.
Die Realität sieht aber anders aus!
Im 2. Weltkrieg schlachteten Männer 55.000.000 Personen ab. Rechnet man diese
Zahl auf den damaligen Bevölkerungsstand um, so kommt der 2. Weltkrieg in einer
Liste der 20 schlimmsten Schlachten der vergangenen 2000 Jahre Männergewalt
"nur" auf Platz 9 !
Auf Platz 1 steht der An-Lushan-Aufstand im 8.Jh. mit 36.000.000 Toten,
gefolgt vom Mongolenkrieg im 13. Jh. mit 40.000.000 Toten,
und auf dem 3. Platz findet man des Sklavenhandel im Nahen Osten (7.-19.Jh)
mit 19.000.000 Toten.
Pinker untersucht die Männergewalt von allen ihm zugänglichen Seiten.
Er benutzt soziologische Studien, philosophische, anthropologische, medizinische,
biologische Fakten, und Ergebnisse der kognitiven Forschung.
Diese werden in anschaulichen Grafiken verständlich gemacht.
Nach der Aufzählung historischer Fakten versucht Pinker auch einen Lösungsansatz
zur Verminderung, Abschwächung, oder sogar Abschaffung der brutalen
Gewaltausübung der Männer vorzuschlagen. Dazu nimmt er einige Studien her,
welche die relativ starke Abnahme in abgegrenzten westlichen Gesellschaftsbereichen
in den letzten 50 Jahren nachweisen kann.
Diese sind:
# Zunahme an Schulbildung, insbesondere von Mädchen,
# vermehrte Verwendung von Bildungsinhalten welche abstraktes Denken fördern
und erfordern (Vorraussetzung, sich in die Situation einer anderen Person zu versetzen!)
# Zunahme an lesen von Romanen die Empathie einfordern (!)
# wachsender Anteil von Frauen an politischen Prozessen und Entscheidungen.
# erhöhter Anteil an Frauen in allen Gesellschaftsgruppen.
# Abnahme des Einflusses von dogmatischen Religionsgruppen.
mit wenigen Worten: eine Verweiblichung der Gesellschaft als Ganzes !
Dazu zitiert Pinker den einzigen Mann, der beide Atombomben der Amerikaner
auf Hiroshima und Nagasaki überlebte, Tsutomo Yamaguchi. Dieser meinte, dass
über den Einsatz von Kriegsgerät nur stillende Mütter entscheiden sollten! (Seite 1016).
Dabei gilt zu beachten, dass das, was bisher als "weiblich" gilt, nicht von Frauen
definiert wurde, sondern von Männern, welche immer noch die Definitionsmacht
in der Hand haben, und dieses Instrument zu ihren Legitimierungsstrategien verwenden.
Ein wichtiger Hinweis auf Gründe zur Abnahme der Gewalt durch Männer
in gewissen Gesellschaften, gibt der sogenannte Flynn-Effekt.
Er sagt aus, dass in den letzten Jahrzehnten der IQ der Bevölkerung im Mittel
um etwa 17 Punkte zugenommen hat, im Bereich Muster- und Formerkennung
sogar um 25 Prozent! Das heißt, dass jemand, der in den 50er Jahren einen IQ
von hundert hatte, heute damit nur noch auf maximal 83 käme !
Mustererkennung ist ein abstrakter kognitiver Prozess zur Abstraktionsfähigkeit,
welcher als "Nebeneffekt" die Personen ermächtigt, sich in andere Personen
hinein zu versetzen, was wiederum die Tendenz zu Gewalttaten verringert.

hier eine Grafik zum Flynn-Effekt.
Man sieht, dass die mathematischen Fähigkeiten praktisch
konstant blieben, das visuell-abstrakte Vorstellungsvermögen
aber außerordentlich zunahm!
Die wichtige Aussage ist nun: wo der Flynn-Effekt nachzuweisen ist,
hat die Gewaltbereitschaft der Männer abgenommen, und zwar fast umgekehrt proportional!
Pinker bringt auch Daten die eine Korrelation von Dummheitsgrad der Politiker
und Kriegsbereitschaft zeigen. Allgemein gilt weltweit: rechte Politiker sind
dümmer als liberal eingestellte, und rechte Politiker sind Kriegsbereiter.
Der letzte Präsident der USA, Bush, gehört zu den 3 dümmsten Präsidenten
der Geschichte Amerikas. Es gibt eine direkte Korrelation von Präsidenten-IQ
und Kriegstoten: Je dümmer der Präsident, um so mehr Kriegstote,
und zwar 13.440 Tote pro 1 IQ-Grad ! (Seite 955).
Als Beispiel zum Schwachsinn der Politiker zitiert Pinker die Rede des
Vertreters von Texas 1917 im Repräsentantenhauses, gegen die Einführung des
Frauenwahlrechtes:
"in dem großen Lone Stare State, aus dem ich 58 Kreise zu repräsentieren
die Ehre habe, einem Staat, welcher der größte in dieser Union ist,
darf jede Person im Alter von über 21 Jahren wählen, außer verurteilte Verbrecher,
Geistesgestörte und Frauen. Ich will nicht, dass Frauen im Lone Star State
in die gleiche Klasse und Kategorie eingeordnet werden wie verurteilte Verbrecher
und Geistesgestörte." (Seite 991)
Pinker versuchte "objektiv" die Situation darzustellen. Das ist ihm aber nicht
immer gelungen. Immerhin ist ihm hoch anzurechnen, dass er als Mann versucht
hat, die unerträgliche Gewaltbereitschaft seiner Gendergruppe zu analysieren!
Doch in mehreren Stellen im Buch stellt er "den Menschen" mit "dem Mann" gleich;
Und schließt damit Frauen als Mitglieder des Menschengeschlechts aus,
wie es auch die männlichen Erfinder der Bibel, des Korans, und des Talmuds taten.
Hier eines von vielen Beispielen dazu:
"... Vergewaltigung ist eine der beliebtesten Gräueltaten im Verhaltensrepertoire
des Menschen..." (Seite 584)
oder; "...Wie Brown feststellt, ist Vergewaltigung zwar eine allgemeine Verhaltensweise
der Menschen,...."
Pinker hätte den wesentlichen Inhalt auf etwa 300 Seiten fassen können, oder noch weniger.
Der Rest sind Zitate und Berichte, sowie Belege von wissenschaftlichen Experimenten
und Untersuchungen, mit denen er seine Aussagen belegt.
Das macht das Lesen oft mühsam.
Wer es trotzdem versuchen will, dem rate ich, zuerst das letzte Kapitel, ab Seite 846 zu lesen.
In diesem ist alles Vorhergehende verständlich zusammen gefasst.
Es bleiben dann immer noch 300 Seiten Inhalt!
Auf den vorhergehenden 800 Seiten sind aber die Grafiken interessant,
deren Aussagen man sonst nirgends her bekommt!
Nicole