GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Buchtips für Sexworker oder von Sexworkern
Benutzeravatar
nicole6
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 2333
Registriert: 11.09.2009, 13:01
Wohnort: München
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von nicole6 »

GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit.
Von Steven Pinker, Fischer Verlag, 1212 Seiten
Originaltitel: "the better angels of our Nature. Why the violence declined",
In Viking Press, New York, 2011.

Es war nicht einfach, sich durch das über tausend Seiten dicke Buch durchzuwühlen!
Nicht wegen der Seitenzahl an sich, sondern wegen dem emotional aufwühlenden Inhalt.
Die Tatsachen an sich sind ja bekannt, aber sie so dicht aufgelistet zu sehen,
und dann noch mit den dazu passenden Grafiken, dass braucht Zeit zur Verarbeitung!

Steven Pinker ist berühmt in seinem Fach als einer der besten Linguisten der Welt.
(empfehlenswert sein Buch : der Sprachinstinkt, Kindler Verlag, 560 Seiten)
Er untersucht in diesem Buch die Geschichte der Gewalt der Männer,
denn wenn man von Gewalt spricht, dann sind die handelnden Personen in
99,999999 Prozent Männer. Die vielen Milliarden Personen, welche in den vergangenen
3000 Jahren ermordet, abgeschlachtet, verstümmelt, gekreuzigt, gequält und
gefoltert wurden, hatten als Täter Männer.

Pinker liefert zu diesen Taten unzählige Tabellen und Quellen.
Nimmt man die absoluten Zahlen, so haben sich die Gewalttaten der Männer
im letzten Jahrhundert stark erhöht. Nimmt man aber als Bezugssystem eine
Bevölkerungsgruppe von 100.000 Personen, so hat sich die relarive Zahl an Männergewalt
verringert ! Das mag im Angesicht der beiden Weltkriege unwahrscheinlich erscheinen.
Die Realität sieht aber anders aus!

Im 2. Weltkrieg schlachteten Männer 55.000.000 Personen ab. Rechnet man diese
Zahl auf den damaligen Bevölkerungsstand um, so kommt der 2. Weltkrieg in einer
Liste der 20 schlimmsten Schlachten der vergangenen 2000 Jahre Männergewalt
"nur" auf Platz 9 !
Auf Platz 1 steht der An-Lushan-Aufstand im 8.Jh. mit 36.000.000 Toten,
gefolgt vom Mongolenkrieg im 13. Jh. mit 40.000.000 Toten,
und auf dem 3. Platz findet man des Sklavenhandel im Nahen Osten (7.-19.Jh)
mit 19.000.000 Toten.

Pinker untersucht die Männergewalt von allen ihm zugänglichen Seiten.
Er benutzt soziologische Studien, philosophische, anthropologische, medizinische,
biologische Fakten, und Ergebnisse der kognitiven Forschung.
Diese werden in anschaulichen Grafiken verständlich gemacht.

Nach der Aufzählung historischer Fakten versucht Pinker auch einen Lösungsansatz
zur Verminderung, Abschwächung, oder sogar Abschaffung der brutalen
Gewaltausübung der Männer vorzuschlagen. Dazu nimmt er einige Studien her,
welche die relativ starke Abnahme in abgegrenzten westlichen Gesellschaftsbereichen
in den letzten 50 Jahren nachweisen kann.
Diese sind:
# Zunahme an Schulbildung, insbesondere von Mädchen,
# vermehrte Verwendung von Bildungsinhalten welche abstraktes Denken fördern
und erfordern (Vorraussetzung, sich in die Situation einer anderen Person zu versetzen!)
# Zunahme an lesen von Romanen die Empathie einfordern (!)
# wachsender Anteil von Frauen an politischen Prozessen und Entscheidungen.
# erhöhter Anteil an Frauen in allen Gesellschaftsgruppen.
# Abnahme des Einflusses von dogmatischen Religionsgruppen.
mit wenigen Worten: eine Verweiblichung der Gesellschaft als Ganzes !
Dazu zitiert Pinker den einzigen Mann, der beide Atombomben der Amerikaner
auf Hiroshima und Nagasaki überlebte, Tsutomo Yamaguchi. Dieser meinte, dass
über den Einsatz von Kriegsgerät nur stillende Mütter entscheiden sollten! (Seite 1016).

Dabei gilt zu beachten, dass das, was bisher als "weiblich" gilt, nicht von Frauen
definiert wurde, sondern von Männern, welche immer noch die Definitionsmacht
in der Hand haben, und dieses Instrument zu ihren Legitimierungsstrategien verwenden.

Ein wichtiger Hinweis auf Gründe zur Abnahme der Gewalt durch Männer
in gewissen Gesellschaften, gibt der sogenannte Flynn-Effekt.
Er sagt aus, dass in den letzten Jahrzehnten der IQ der Bevölkerung im Mittel
um etwa 17 Punkte zugenommen hat, im Bereich Muster- und Formerkennung
sogar um 25 Prozent! Das heißt, dass jemand, der in den 50er Jahren einen IQ
von hundert hatte, heute damit nur noch auf maximal 83 käme !
Mustererkennung ist ein abstrakter kognitiver Prozess zur Abstraktionsfähigkeit,
welcher als "Nebeneffekt" die Personen ermächtigt, sich in andere Personen
hinein zu versetzen, was wiederum die Tendenz zu Gewalttaten verringert.

Bild
hier eine Grafik zum Flynn-Effekt.
Man sieht, dass die mathematischen Fähigkeiten praktisch
konstant blieben, das visuell-abstrakte Vorstellungsvermögen
aber außerordentlich zunahm!
Die wichtige Aussage ist nun: wo der Flynn-Effekt nachzuweisen ist,
hat die Gewaltbereitschaft der Männer abgenommen, und zwar fast umgekehrt proportional!


Pinker bringt auch Daten die eine Korrelation von Dummheitsgrad der Politiker
und Kriegsbereitschaft zeigen. Allgemein gilt weltweit: rechte Politiker sind
dümmer als liberal eingestellte, und rechte Politiker sind Kriegsbereiter.
Der letzte Präsident der USA, Bush, gehört zu den 3 dümmsten Präsidenten
der Geschichte Amerikas. Es gibt eine direkte Korrelation von Präsidenten-IQ
und Kriegstoten: Je dümmer der Präsident, um so mehr Kriegstote,
und zwar 13.440 Tote pro 1 IQ-Grad ! (Seite 955).
Als Beispiel zum Schwachsinn der Politiker zitiert Pinker die Rede des
Vertreters von Texas 1917 im Repräsentantenhauses, gegen die Einführung des
Frauenwahlrechtes:
"in dem großen Lone Stare State, aus dem ich 58 Kreise zu repräsentieren
die Ehre habe, einem Staat, welcher der größte in dieser Union ist,
darf jede Person im Alter von über 21 Jahren wählen, außer verurteilte Verbrecher,
Geistesgestörte und Frauen. Ich will nicht, dass Frauen im Lone Star State
in die gleiche Klasse und Kategorie eingeordnet werden wie verurteilte Verbrecher
und Geistesgestörte." (Seite 991)

Pinker versuchte "objektiv" die Situation darzustellen. Das ist ihm aber nicht
immer gelungen. Immerhin ist ihm hoch anzurechnen, dass er als Mann versucht
hat, die unerträgliche Gewaltbereitschaft seiner Gendergruppe zu analysieren!
Doch in mehreren Stellen im Buch stellt er "den Menschen" mit "dem Mann" gleich;
Und schließt damit Frauen als Mitglieder des Menschengeschlechts aus,
wie es auch die männlichen Erfinder der Bibel, des Korans, und des Talmuds taten.

Hier eines von vielen Beispielen dazu:
"... Vergewaltigung ist eine der beliebtesten Gräueltaten im Verhaltensrepertoire
des Menschen..." (Seite 584)
oder; "...Wie Brown feststellt, ist Vergewaltigung zwar eine allgemeine Verhaltensweise
der Menschen,...."

Pinker hätte den wesentlichen Inhalt auf etwa 300 Seiten fassen können, oder noch weniger.
Der Rest sind Zitate und Berichte, sowie Belege von wissenschaftlichen Experimenten
und Untersuchungen, mit denen er seine Aussagen belegt.
Das macht das Lesen oft mühsam.
Wer es trotzdem versuchen will, dem rate ich, zuerst das letzte Kapitel, ab Seite 846 zu lesen.
In diesem ist alles Vorhergehende verständlich zusammen gefasst.
Es bleiben dann immer noch 300 Seiten Inhalt!
Auf den vorhergehenden 800 Seiten sind aber die Grafiken interessant,
deren Aussagen man sonst nirgends her bekommt!

Nicole

ehemaliger User
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 338
Registriert: 29.06.2011, 10:11
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger User »

Dann versuche ich mich mal als "Männerbeauftragter" ;o)).

Ich finde, dass es wichtig ist, das Thema Gewalt zu analysieren, aber weniger unter Geschlechtergesichtspunkten. Denn das birgt den Keim für genau das, was - geschlechterbezogen - kritisiert wird.

Empathie wird gerne auch beworben. Ist m.E. zu kurz gesprungen. Empathie ist eine der besonderen Eigenschaften des "erfolgreichen" Folterknechts oder Sadisten. Empathie wird m.E. erst dann "sozialverträglich", wenn selbige mit Achtung des Gegenüber verbunden ist.

Klar sind Kriege von Männern geführt worden. Es ist aber auch nicht von der Hand zu weisen, dass viele Frauen solche kriegerischen Aktivitäten unterstützt haben und quasi mit leuchtenden Augen ihre Männer in den Krieg geschickt haben. Anzunehmen, dass alle diese Frauen aufgrund partiarchalischer Prägung "verwirrte Schäfchen" sind, würde ihnen jegliche eigene Verantwortungsfähigkeit absprechen, was m.E. unangemessen und verbiege ich mal einen Begriff "maternalistisch" wäre ;o)).

Frauen sind keineswegs eine gewaltlose Spezies und deren Gewalt kommt auch oft nicht aus "Hilflosigkeit", was im Übrigen auch kein Exkulpationsgrund wäre. Das behaupte nicht einfach so, sondern weiss ich aus eigener Anschauung. Ohne deswegen allerdings eine generelle Ablehnung gegen Frauen entwickelt zu haben (oder gar eigene Gewaltbereitschaft, ganz im Gegenteil, es war ein sehr effektives Negativvorbild).

Viele Rechtsradikale, beispielsweise, sind ausgesprochen intelligent. Zu vermuten diese wären allesamt "dumm" ist m.E. ein geradezu gemeingefährlicher Trugschluss. Ganz abgesehen davon, dass der klassische IQ nicht im Geringsten für die Bewertung sozialer Intelligenz (im Guten, wie im Bösen) geeignet ist. Auch manifeste Vorurteile finden sich verblüffenderweise bei überdurchschnittlich intelligenten Menschen, bei denen sind sie sogar noch manifester und kaum zu beseitigen, als bei den weniger Intelligenten, so jedenfalls meine Beobachtung.

Was Forderungen, wie bessere Bildung und stärkere Einbindung von Frauen in Politik und Wirtschaft angeht, sehe ich auch so, ohne Einschränkungen. Was aber leider auch zu beobachten ist, dass Frauen oft der nötige Ehrgeiz - trotz vorhandener excellenter Qualifikation - zu fehlen scheint, bis zur Spitze vorzudringen (die Existenz von "Pyramiden" ist ja wohl an sich ein geschlechtsunabhängiges Phänomen). Das ist dann aber ein Problem der Frauen, und nicht der Männer ....

Gewalt gehört, als Idealziel, ausgerottet. Dazu gehört allerdings auch, von jeglichen "Feindbildern" zunächst einmal Abstand zu nehmen und das Thema auf Individuen und deren Antriebe herunter zu brechen. Einschließlich dem Feindbild Mann. Der Kampf gegen Gewalt muss m.E. geschlechtsübergreifend geführt werden.

Was mich allerdings bis heute ratlos läßt, wie begegnet man Gewalt mit gewaltlosen Mitteln? Ghandi ist ja schön und gut, aber ist Indien heute denn "gewaltfreier" (schwachsinniger Komparativ, aber ich denke es ist klar, was ich meine) als vor 40 Jahren? Einer Gewaltdrohung kann man/frau mit Antizipation und psychologischem Geschick begegnen. Wird die Gewalt dennoch ausgeübt, ja dann nutzt - gewaltfrei - eigentlich nur schneller rennen zu können ...

Benutzeravatar
Aoife
Senior Admin
Senior Admin
Beiträge: 7067
Registriert: 20.09.2008, 21:37
Wohnort: Ludwigshafen am Rhein
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von Aoife »

          Bild
"ehemaliger User" hat geschrieben:Was Forderungen, wie bessere Bildung und stärkere Einbindung von Frauen in Politik und Wirtschaft angeht, sehe ich auch so, ohne Einschränkungen. Was aber leider auch zu beobachten ist, dass Frauen oft der nötige Ehrgeiz - trotz vorhandener excellenter Qualifikation - zu fehlen scheint, bis zur Spitze vorzudringen (die Existenz von "Pyramiden" ist ja wohl an sich ein geschlechtsunabhängiges Phänomen). Das ist dann aber ein Problem der Frauen, und nicht der Männer ....
Das sehe ich grundsätzlich anders :017

Das Problem scheint mir zu sein, dass ein Buch das nur die letzten 3000 Jahre behandelt den notwendigen Überblick vermissen lässt ... bezüglich Gewaltbereitschaft des Menschen ist das ungefähr so, als wollte man die letzten 100 Jahre zum Beweis heranziehen dass es Luftkriege schon immer gab :002

Letztlich ist gerade die Pyramidenbildung das Charakteristikum des sogenannten Patriarchats ... und deshalb ist patriarchalisches Verhalten auch immer wieder bei biologischen Frauen zu beobachten, es geht IMHO nicht um einen Geschlechterkampf, sondern um Hierarchie versus Holarchie (im Sinn von "Hologramm", das Ganze erzeugt selbstorganisatorisch seine Strukturen und damit das Gesamtbild) als Grundannahme der Gesellschaftsbildung. Frauen in die Hierarchie einzubinden kann somit nur ein Lösungsversuch sein, der das Problem verschärft.

Gehen wir statt der 3000 Jahre das zwei- bis dreifache in der Zeit zurück, so scheinen wir einen Punkt zu erreichen (sicherlich auch regional unterschiedlich), vor dem es weder Hierarchie noch die daraus entstehende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft gab .... und der vor diesem Zeitpunkt liegende Teil der Menschheitsgeschichte ist deutlich größer als der später folgende. Gewaltbereitschaft ist Folge eines Psychotraumas, und Hierarchien sind so konstruiert, dass sie traumatisieren und somit diese der eigentlichen menschlichen Natur fremde Gewaltbereitschaft erzeugen.

C.G. Jung hat formuliert dass wenn die Menschen psychisch gesund würden Staaten und Regierungen sich ganz von alleine auflösen würden - eben weil diese Organisationen nur auf dem Irrglauben beruhen, dass Gewalt zumindest in manchen Fällen eine legitime Lösung wäre. Und ein Volk dessen Angehörige solche organisierte Gewalt in ihrem Innersten tolerierieren kann nicht anders als auch andere (nach sozial konstruierten Normen als "schlecht" definierte) Gewaltformen hervorzubringen. Wobei die in dem von Nicole vorgestellten Buch erwähnten Kriege nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Selbst noch im 20. Jahrhundert wurden nach R. Rummel (Death by Government) weit mehr Menschen von ihrer eigenen Regierung getötet als "Feinde" im Krieg.

In sofern gebe ich die Recht, "ehemaliger User", Intelligenz kann nicht von der traumabedingten Massenpsychose schützen dass Hierarchie eine Notwendigkeit sei. Intelligenz ist eben eine ganz andere Dimension, insbesondere wenn Intelligenztests *innerhalb* eines hierarchischen Systems wie der derzeitigen Leitkultur entwickelt wurden.

Dass Gewalt ausgerottet gehört kann ich aber gerade darum nicht unterschreiben - "ausrotten" ist eine so gewalttätige Vorstellung, dass eine solche Handlungsweise gerade um so mehr an die unerwünschte Gewalt bindet ... Gewalt gehört vergessen. Wenn es uns gelingt uns von der Vorstellung zu befreien, dass Gewalt in machen Formen, beispielsweise als angeblich "schützende" Staatsgewalt, gut oder zumindest unerlässlich wäre, dann haben wir eine echte Chance dass der Aberglaube an notwendige (und subjektiv ist sie dieses ja auch in nicht durch sogenannte Gestze gedeckten Fällen) Gewalt ganz gewaltfrei ausstirbt.

Liebe Grüße, Aoife
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
Misspellings are *very special effects* of me keyboard

Benutzeravatar
nicole6
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 2333
Registriert: 11.09.2009, 13:01
Wohnort: München
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von nicole6 »

Was Aoife schreibt, ist richtig. Die brutale Gewaltherrschaft der Männer
gibt es historisch erst seit etwa 5000 Jahren.
Projiziert man die Evolution der Menschen auf einen Tag, so
gibt es das Patriarchat erst seit ein paar Sekunden.
In den sehr fundierte Untersuchungen der prähistorischen Anthropologie
lässt sich das leicht nachweisen.
Nun, Pinker hat mit seinem Buch nicht das Ziel zu belegen, dass
Gewalt schon immer herrschte. Er weiß, dass dies nicht so ist,
und er schreibt das auch im Buch.
Ich kann in der kompakten Inhaltsangabe nicht alle Details
eines Buches mit 1200 Seiten aufzählen!

Pinker sucht den Mechanismus, warum die Männergewalt in
gewissen abgezirkelten Regionen der Welt in relativ sehr
kurzer Zeit so stark relativ abgenommen hat.
Mit "relativ" ist gemeint, auf eine Gruppe von 100.000 Personen bezogen.
Im Originaltitel kommt seine Absicht besser zur Geltung!
("the better angels of our Nature. Why the violence declined")
Und die Belege, Experimente und Statistiken die er vorlegt,
unterstützen seine Absicht durchaus!

Zu "ehemaliger User":
Frauen müssen leider noch in patriarchalen Systemen leben,
und sich weitgehend deren Bedingungen unterwerfen, wenn sie
überleben wollen.
Es ist pervers, dies den Frauen vorzuwerfen!
Frauen haben heute im "zivilisierten" Deutschland weniger Rechte
als z.B. Juden ! Was würde geschehen, wenn Firmen Anhänger
des hebräischen Glaubens 25% - 30% weniger zahlen als Männern?
Aber bei Frauen wird das noch akzeptiert!

Was die Aussage über "Dummheit" angeht, so rate ich dir, dass
du dich zuerst einmal über die Methoden des Messens informierst,
bevor du etwas darüber schreibst !
Anhänger rechter Ideen sind nachweislich dümmer als Liberale.
Wenn du es nicht glaubst, dann lies mal einfach die entsprechende
Literatur darüber! Ich muss da keinen Kommentar abgeben.
Mit "dümmer" ist die Summe aller Intelligenztypen gemeint!
(mentale-, soziale-, gefühlsmäßige-, sexuelle Intelligenz).

Wenn du schreibst, dass Frauen angeblich der "Ehrgeiz fehlt",
dann weisst du nicht von was du schreibst! Du bist keine Frau
und hast nie gegen das chauvinistische Verhalten von Männergruppen
in Universitäten und Firmen kämpfen müssen!
Das, was Männer als "Ehrgeiz" benennen, ist fast immer ein
brutal rücksichtsloses und menschenverachtendes Verhalten,
bei dem "gewinnen" und "Erster sein" wichtiger ist, als die
formal vorgegebenen Ziel zu erreichen !
Wenn Männer vor der Wahl stehen, "gewinnen" zu können,
oder einem gemeinsamen Ziel sich zu widmen, dann wählen
sie den ersten Weg! Und das, obwohl diese Wahl dazu führen
kann ein gestecktes Ziel NICHT zu erreichen!
Männer denken und handeln allgemein kurzsichtig und mit
kurzfristigen Gewinnzielen.

Wie man Gewalt begegnet, ist ja gerade das Ziel der Untersuchung von Pinker !
Und die vorgeschlagenen Wege sind durchaus logisch und haben
empirische Fundamente!

Nicole

Benutzeravatar
Aoife
Senior Admin
Senior Admin
Beiträge: 7067
Registriert: 20.09.2008, 21:37
Wohnort: Ludwigshafen am Rhein
Ich bin: Keine Angabe

Re: RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von Aoife »

          Bild
nicole6 hat geschrieben:Nun, Pinker hat mit seinem Buch nicht das Ziel zu belegen, dass
Gewalt schon immer herrschte. Er weiß, dass dies nicht so ist,
und er schreibt das auch im Buch.
Ich kann in der kompakten Inhaltsangabe nicht alle Details
eines Buches mit 1200 Seiten aufzählen!
Ganz klar Nicole, das war auch nicht als Vorwurf gemeint, weder gegen das Buch noch gegen deine Zusammenfassung.

Nur zeigt mir die Reaktion, dass ohne diesen größeren, über die beschriebenen 3000 Jahre deutlich hinausgehenden Rahmen, wenn die "letzten Sekunden der Evolution" wie du es formulierst auf "das war schon immer so" extrapoliert werden, dass dann eben auch Lösungsvorschläge gemacht werden, die dem Wesen des Menschen nicht entsprechen, und somit auch keine echten Lösungen sind, wenn wir höhere Anforderungen als das Erfüllen irgendwelcher ideologisch festgelegten Quoten stellen.

Wenn es uns um das Wohlbefinden der Menschen geht, dann hilft es wenig, den "Fehler im System" zu verorten in der (IMHO recht gesunden) Abneigung eines Großteils der Frauen sich an dem pathologischen/pathogenen System aus allen Kräften einzubringen. EIne auf dieser Basis entwickelte"Lösung" befindet sich auf der gleichen Ebene auf der das Problem überhaupt erst geschaffen wurde, und ist somit nach Einstein nicht funtionsfähig.

Jedoch denke ich wenn wir nicht das Patriarchat, sondern die Psychose in den Vordergrund stellen haben wir bessere Chancen auch Männer für eine menschengemäßere Welt zu gewinnen. Und wenn das auch zugegebenrmassen zunächst einmal eine finale Argumentation ist, so ist auch die kausale Begründung zumindest für mich einleuchtender als die klassische Patriarchatstheorie. Denn bei dieser Herangehensweise brauchen wir nicht anzunehmen dass Männer aus unerfindlichen Gründen antisozial und "böse" seien, aus nicht nachvollziehbaren Gründen trotz evolutionärem Nachteil von der Natur so geschaffen wurden, dass sie sich widernatürlich benehmen, sondern es macht dann alles auch logisch Sinn.

Bei dieser Betrechtungsweise steht das Trauma im Vordergrund. Die zentrale Problematik von Psychotrauma ist Dissoziation: Unerträgliche Anteile der Realität werden abgespalten. Ein weiterer, gruppendynamischer Aspekt des Traumas ist hierarchisches Denken. Hierarchie ist dem Menschen nicht grundsätzlich eigen, jedoch kann er als Gruppe in Notsituationen darauf zurückgreifen um das Überleben der Gruppe zu sichern. Nachdem die Gefah vorbei ist sollte Alles zum Alten zurückkehren - und hier liegt IMHO die Wurzel des Patriarchats: Einzelne, und das müssen nicht einmal nur Männer sein, wünschen den Ausnahmezustand aufrecht zu erhalten. Das traumabedingt psychotisch-dissoziierte Denken erlaubt es Ideologien einzuführen, da der Realität momentan ihre heilsame Kraft fehlt. Nun ist es so, dass Frauen (als biologische Gruppe, nicht in jedem Einzelfall) die Realität, die Natur die den Menschen hervorgebracht hat, mehr repräsentieren als Männer das tun ... während die Menschheit nicht ausstirbt wenn Männer nach dem Orgasmus eingebildete moralische Skrupel entwickeln und so tun als wäre nichts gewesen, stellen Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit augenscheinliche Beweise für die Natürlichkeit des Menschen dar. Ideologien die die Rückkehr vom Ausnahmezustand zum Normalzustand verhindern sollen müssen deshalb als erstes die natürliche Frau entwerten - das ist wie noch heutzutage beispielsweise an einer Frau Ackermann zu beobachten ist keineswegs eine männliche Domäne, jedoch werden durch diesen Vorgang Männer bevorzugt, einfach weil sie durch ihre geringere Beteiligung am natürlichen Fortpflanzungsvorgang anfälliger sind für die Realitätsverkennung dass der Mensch im grundsätzlichen Gegensatz zur Natur steht.

Bei den ursprünglichen traumatischen Naturkatastrophen empfindet sicherlich jeder so, Frauen werden dem Tsunami beispielsweise nichts freundlicheres abgewinnen können als Männer, wenn aber die Dinge sich beruhigen und der psychische Ausnahmezustand trotzdem aufrecht erhalten werden soll, so sind Männer dafür etwas anfälliger, jedoch nur in geringem Maß, so dass Frauen entwertet werden müssen, um nicht alleine durch ihre Anwesenheit die Dinge wieder in's Lot zu bringen.

Es gibt einfach Menschen (möglicherweise die am stärksten traumatisierten, die jede Hoffnung auf Normalität verloren haben?), die sich Vorteile davon versprechen wenn (auch) ihre Mitmenschen traumatisiert bleiben, und egal ob es sich bei diesen "Herrschern" um Männer oder Frauen handelt, sie müssen das Patriarchat erfinden oder fortführen um die natürliche Heilungstendenz ihrer Mitmenschen auszuschalten.

Liebe Grüße, Aoife
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
Misspellings are *very special effects* of me keyboard

Benutzeravatar
Marc of Frankfurt
SW Analyst
SW Analyst
Beiträge: 14095
Registriert: 01.08.2006, 14:30
Ich bin: Keine Angabe

Gewalt vs. Gewaltexzess

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Eine Theorie der Gewaltentstehung ist der Klimawandel und die Knappheit


Die Saharasia-These von Dr. James DeMeo (Schüler von C G Jung)

www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=61907#61907
Ist sie in seinem Buch erwähnt?
Mich würde interessieren, was die modernere Forschung dazu neues herausgefunden hat.



Männer sind oft gewaltsam, weil sie um die Frauen im Wettbewerb stehen und um deren Anerkennung buhlen und ferner als starker Macho oder wehrhafter Verteidiger der eigenen Brut und Familie mehr Chancen haben eine Partnerin uns sexuelle Befriedigung zu erlangen...

Prostitution ist so verschrien, weil es diese archaischen Konkurrenzregeln unter Männern hintergeht.

Männer, das zweite zusätzlich ausdifferenzierte Geschlecht, haben ihre Spezialisierung auf die Außenwelt. Sie sind als nichtgebärende Erzeuger die äußere Schale des Sexualitäts- oder Familiensystems.

In der Außenwelt ist Distanzkommunikation erforderlich und das äußert sich vielfach als Gewalt.

Frauen dominieren traditionell den intimen Bereich, wo Kontrolle und Gewalt sich anders präsentieren.
Die Waffe des Mannes ist das Messer...
die der Frau das Gift...





Gewalt ist nichtwertend formuliert eine Ordnungskraft und mithin strukturbildend. Sie gehört zum Leben wie Geburt und Tod und wird auch in selbstorganisierten, ausbeutungsarmen/herrschaftsfreien/anarchistischen Gesellschaften ihren Platz haben.

Wenn es aber zu Massenmorden kommt, liegt eine Entartung oder Systemversagen vor (chaotisches oder asymptotisches Verhalten, Singularität...). So wie Menschenhandel eine Entartung bei Migration und Prostitution ist.


Aufgrund der prinzipiellen Offenheit der Zeit und Zukunft aber der Begrenztheit vieler materiellen Ressourcen (peak everything) gibt es immer Verteilungskämpfe und somit Gewalt und Gewaltexzesse. Gewalt ist somit die Dialektik zwischen Zeit und Materie zwischen Leben und Tod.

Bisher hat die Friedens- und Konfliktforschung und die praktische Machtpolitik uns noch keine entgültig befriedigenden Lösungen für die Lebens- und Wachstumgsprobleme geben können. Das geht auch nicht. Es wäre das Ende aller Geschichte, der Zeit und dem Leben.




zum Buch
http://www.fischerverlage.de/buch/Gewalt/9783100616043
http://de.wikipedia.org/wiki/Gewalt:_Ei ... Menschheit


Benutzeravatar
nicole6
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 2333
Registriert: 11.09.2009, 13:01
Wohnort: München
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von nicole6 »

Das Literaturverzeichnis erstreckt sich über 60 Seiten,
aber von der "saharasia-These" fand ich nichts.
Über das Thema Patriarchat gibt es Tausende von Veröffentlichungen.
Pinker verwendete daraus diejenigen,
welche seiner Absicht dienten,
die Verringerung der Gewalt erklären zu können.

Ja, natürlich geht Pinker auf psychologische Zusammenhänge ein!

Ich wiederhole nochmals, ich kann und will hier nicht das ganze Buch mit über 1200 Seiten erklären!
Wen es interessiert, der kann es ja lesen.

Ich fand es interessant genug, es im Forum vorzustellen,
da wir ja in der Sexarbeit mit dieser Spezies von Personen jeden Tag zu tun haben!

Nicole

Benutzeravatar
Aoife
Senior Admin
Senior Admin
Beiträge: 7067
Registriert: 20.09.2008, 21:37
Wohnort: Ludwigshafen am Rhein
Ich bin: Keine Angabe

RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von Aoife »

Nun, ich bezweifele dass die Knappheitsthesen mehr als Rationalisierungen sind ... sonst müsste ja nicht gleichzeitig auch Gewalt dazu dienen die angebliche Knappheit zu erzeugen.

Auch die Begründungen warum Männer gewaltsamer sind scheinen sich nur auf die "letzten Sekunden der Evolution" zu beziehen, haben also wohl keine zwingende Ursache im natürlichen Wesen des Mannes, und Gift als Waffe der Frau ist eindeutig eine Erfindung des Patriarchats.

Dass es Gewalt auch unter natürlichen Bedingungen gibt steht außer Zweifel, ebenso dass man diese unter patriarchalischem Blickwinkel als "Ordnungskraft" beschreiben könnte - bei den Gewaltexzessen der geschichtlichen Zeit handelt es sich aber keineswegs um Systemversagen sondern um die logische Folge eines Systems das gar nicht anders funktionieren kann als eben so ... falsche Ideologien führen zwangsläufig zu solchen Ereignissen, da versagt nicht etwa ein an sich gutes System.

Jedoch halte ich den Hinweis auf natürlich vorkommende Gewalt für sehr hilfreich, denn gerade das durch diese ausgelöste Trauma führt ja zu den oben beschriebenen Abläufen, die sich durch den Wahn erklären, nach Ausschaltung der natürlichen Weiblichkeit durch "männliche", sich im Gegensatz zur Natur stehende Ideologien das utopische Ziel erreichen zu können auch natürliche Gewalt ausschalten zu können. "Männer als Beschützer der Familie", vor wem eigentlich? Den Tsunami können sie so wenig verhindern wie den Buschbrand - aber ja, vor den Männern der anderen Familie können sie beschützen ... wenn sie zufälligerweise stärker sind als diese :002

Der Flynn-Effekt könnte hier tatsächlich etwas erklären: Wenn Muster und Formenerkennung sich verbessern so zeigt das, dass Gesamtzusammenhänge besser erkannt werden und somit die Anfälligkeit für Hierarchiedenken und Ideologien abnimmt - ein Effekt der absolut vereinbar ist mit der Abnahme von Gewalt, denn Gewalt kann ja nur dem gerechtfertigt erscheinen der sie mit angsterfülltem Tunnelblick als utopische Hoffnung sieht ohne die realen Auswirkungen wahrnehmen zu können, ohne den erhofften Vorteilen die tatsächlich auftretenden Kollateralschäden zur Seite zu stellen - eben demjenigen, der durch Trauma ver-rückt gemacht wurde.

Liebe Grüße, Aoife
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
Misspellings are *very special effects* of me keyboard

Benutzeravatar
nicole6
ModeratorIn
ModeratorIn
Beiträge: 2333
Registriert: 11.09.2009, 13:01
Wohnort: München
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von nicole6 »

"...Wenn Muster und Formenerkennung sich verbessern so zeigt
das, dass Gesamtzusammenhänge besser erkannt werden und
somit die Anfälligkeit für Hierarchiedenken und Ideologien abnimmt ..."
genau das zeigen die vielen Experimente und statistischen Daten
die Pinker hier vorstellt.

"..."Männer als Beschützer der Familie", vor wem eigentlich?..."
Auch das kommt zur Sprache bei Pinker. Aber dieser Unsinn
kann ja nur von Männern erfunden sein, so wie: "die Mafia
als Beschützer der Gesellschaft", oder: "die Kirche als Beschützer
der Gläubigen", oder: "die Banken als Schützer deines Geldes";
oder "die Versicherungen als Schützer deiner Sicherheit.

"...bei den Gewaltexzessen der geschichtlichen Zeit handelt es
sich aber keineswegs um Systemversagen sondern um die
logische Folge eines Systems das gar nicht anders funktionieren
kann als eben so ... falsche Ideologien führen zwangsläufig zu
solchen Ereignissen, da versagt nicht etwa ein an sich gutes System..."
Auch das kommt genau so im Buch zur Sprache. Dazu gibt es
ja seit Jahrzehnten schon tausende von Schriften dazu.
In Realität schon seit Jahrhunderten, wie z.B. die von
Steward Mill (1865): "on liberty", eine heute immer noch sehr
aktuelle Analyse. Oder Charles Fourier (1772-1834) mit:
"aus der neuen Liebeswelt", was inhaltlich noch enger an den
Beruf Sexarbeit angelehnt ist.

Aber um all das geht es Pinker nicht prinzipiell. Er will ja nicht
als weltbekannter Wissenschaftler etwas veröffentlichen was
Forschern seit Jahrhunderten bekannt ist. Das interessante,
und contra-intuitive ist ja, dass die Daten zeigen, dass trotz einem
allgemeinen Eindruck einer Zunahme an Männergewalt, in
gewissen Bereichen der Weltgesellschaft eine starke Abnahme erfolgte (Europa im Besonderen).

Wie ich schon schrieb, kann man in wenigen Worten den Buchinhalt
so zusammen fassen: Handlungsmuster, wie Männer sie für
Frauen definiert und vorgeschrieben haben, führen zu einer
friedlicheren Gesellschaft.
Das ist ja auch die Essenz von Lao Tse im Tao te King !
Kurz: eine Femminisierung der Gesellschaft.

Carl von Clausewitz definiert in seinem Buch "Vom Kriege"
den "Frieden" als ein Resultat eines gewonnen Krieges.
Daher kommt auch der Name "Siegfried" !
Er schreibt ja, dass Krieg "eine Erweiterung des Zweikampfes" sei,
bei dem es gilt, dem anderen seine eigenen Ziele aufzuzwingen:
Das kann durch entwaffnen gelingen, oder durch Vernichtung.
Frauen haben ja eine etwas andere Erwartung von Frieden!
Unter Bedingungen leben zu müssen, bei denen Männer uns
ihre Vorstellungen aufpressen, wird von uns nicht als "Frieden" empfunden! (Zumindest von mir nicht!)

Nicole

ehemaliger User
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 338
Registriert: 29.06.2011, 10:11
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger User »

Ich finde Männer trotzdem nicht generell scheisse ;o)). Ich kenne sogar ganz feine Exemplare :o)).

P.S.: Gegen eine "Feminisierung" (was auch immer das sein mag) der Gesellschaft hab ich rein gar nix, im Gegenteil. Ich würde eher diesbezüglich beklagen, dass die Frauen damit nicht zu Potte kommen und vielmehr manche lieber den Weg gehen, Männer pauschal zu diskriminieren. Der "Kampf der Geschlechter"- Weg ist m.E. die schlechteste aller Optionen. Es gibt ja auch Soziofiction-Szenarien, wo die Probleme schlichtweg durch strikte Trennung der Geschlechter voneinander gelöst sind. Gegenüber dem Kampf der Geschlechter dann vielleicht vorzuziehen. Dann freue ich mich aber, nicht in der Zukunft zu leben.

Benutzeravatar
La Marfa
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 177
Registriert: 25.08.2010, 18:57
Ich bin: Keine Angabe

RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von La Marfa »

Ich sehe nicht das Konstrukt eines im Grunde heilen, gesunden, ganzen Menschen mit der grundlegenden innewohnenden Fähigkeit und dem innewohnenden Wunsch nach ganzheitlicher Selbstorganisation der Gattung "Mensch" mit altruistischen Zügen zum gleichen Wohle aller Mit-Menschen und schon gar nicht im gerechten Einklang mit Flora und Fauna, welches (das Konstrukt) nur durch Traumata aufgrund menschenspezifischer Hierarchien zerstört ist.

Wieso ich das nicht sehe? Weil neben allen anderen Tieren besonders auch die nächsten Verwandten des Menschen in Gestalt bestimmter Menschenaffen in ihren Clans Hierarchien bilden, und weil auch Tiere gegeneinander kämpfen und besonders bestimmten Affenarten sogar Kriege gegeneinander nachgewiesen wurden.

Ich sehe da eher dadurch eine Lösung, dass sich der Mensch eben genau auf sein Mensch-Sein besinnt, was seine Fähigkeit zum Denken und zur Affektkontrolle (*haben will*) angeht und sich in dieser Richtung weiterentwickelt, und geschlechterspezifisch gesehen schrieb @ Marc:
"Männer sind (oft) gewaltsam [...] um sexuelle Befriedigung zu erlangen" muss folglich auch Ziel sein, um Gewalt als gesellschaftliches Phänomen zu überwinden und hinter sich zu lassen, diese Verknüpung aufzubrechen resp. diesen Zweck in seiner Wichtigkeit unterzuordnen und nicht (mehr) über alles zu stellen.

La Marfa

ehemaliger User
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 338
Registriert: 29.06.2011, 10:11
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger User »

Dass im Wege der Gewalt (seitens mancher Männern) sexuelle Befriedigung erreicht wird, glaube ich (aus subjektivem Empfinden) eher nicht. Das ist m.E. eher eine Machtsache und eine Ejakulation (ich weigere mich, bereits das als "Orgasmus" zu bezeichnen), falls es überhaupt dazu kommt, ein "Beiprodukt".

Befriedigende Sexualität ist m.E. eine "Vereinigung" in engen Wortsinne, körperlich und auch (mehr oder weniger) mental. Gegen das Gegenüber geht das kaum. Wobei es im Grunde wurscht ist, wer gerade in wem "eingestöpselt" ist. Wer den Akt der "Penetration" (ein Wort, wo sich bei mir schon jegliche Lust verabschiedet) als aggressiven (Herrschafts-) Akt empfindet, tut mir leid. Ich neige eher dazu es als innigst mögliche Umarmung wahrzunehmen. Vielleicht auch deswegen meine Bewunderung für Frauen, die das im P6 zu gewähren bereit sind.

Wer den sexuellen Akt als Machtausübung empfindet, ist m.E. schlichtweg ein Unterdrücker (als mildestmöglichen Ausdruck angebracht). Wobei auch Frauen durchaus so agieren/empfinden können ...

P.S.: SM-Szenarien fallen übrigens m.E. NICHT unter den hier von mir diskutierten Machtzusammenhang, das ist ganz was anderes, nämlich "Herrschaftsverhältnisse auf Zeit und Wunsch", vor allem aber eben beiderseitig und somit eben keine "Gewalt", sondern vielmehr ein Konsens.

Benutzeravatar
Aoife
Senior Admin
Senior Admin
Beiträge: 7067
Registriert: 20.09.2008, 21:37
Wohnort: Ludwigshafen am Rhein
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von Aoife »

          Bild
"ehemaliger User" hat geschrieben:Ich finde Männer trotzdem nicht generell scheisse ;o)). Ich kenne sogar ganz feine Exemplare :o)).
Absolut - und gerade darum ist es mir ja so wichtig die Ursache für "modernes" antisoziales männliches Verhalten eben nicht im Mann-Sein an sich zu sehen, sondern mit der höheren Anfälligkeit von Männern für ein Denken, das zu diesen Ergebnissen führt. Das betrifft keineswegs alle Männer, und auch Frauen sind nicht grundsätzlich immun - aber wenn ein Menschenbild das im Gegensatz zur Natur (von der real gesehen der Mensch ja nur *eine* von vielen möglichen Ausprägungen ist) steht konstruiert werden soll, dann muss dieses Menschenbild den Mann als eigentliches Idealbild des Menschen hochstilisieren ... mit den bekannten Folgen.

@La Marfa: Julian Jaynes hat in "The Origin of Consciousness in the Breakdown of the Bicameral Mind" sehr schlüssig nachgewiesen, wie das Ego im Freud'schen Sinn (Persona bei Jung) sich vor wenigen tausend Jahren aus einer akuten Massenpsychose entwickelt hat, die inzwischen nicht mehr produktiv ist (heutzutage hören wir nicht mehr regelmäßig die Götter sprechen) sondern in einen chronischen Zustand übergegangen ist. Du kannst das natürlich wie Jaynes selbst auch als "Evolution" deuten, während ich bei dieser Faktenlage eher von einer Verschlechterung ausgehe. Solche Bewertungen und Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Bewertung können jedoch nichts daran ändern, dass es vor dem Auftreten dieser Psychose anders war - Rückschlüsse vom Verhalten heutiger Affen auf den früheren Menschen sind ohnehin recht fraglich, dort wo das Verhalten des früheren Menschen bekannt ist sind sie jedoch obsolet.

Liebe Grüße, Aoife
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
Misspellings are *very special effects* of me keyboard

ehemaliger User
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 338
Registriert: 29.06.2011, 10:11
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger User »

Genau so sehe ich es im Kern auch, Aoife. Auch oder gerade die Männer müssen sich aus überkommenen (und falschen) Rollenverständnissen lösen. Zumal diese nicht selten auch eine Last sein können, übrigens ...

Frauen sind dabei allerdings nicht immer hilfreich, vor allem, wenn sie das eigene tradierte (m.E. ebenso falsche, weil, ich weiss nicht, wie ich es besser sagen kann, "submissive") Rollenverständnis im Umgang mit Männern pflegen, aus welchen Gründen auch immer ;o).

Wenn dann gesagt wird, das liege aber wiederum an den Männern bzw. deren Verhalten, dann ist das irgendwie ein Zirkelschluss, und zwar ohne Ausgang/Ausweg. Und DAS (der fehlende Ausweg) ist nach meiner festen Überzeugung falsch. Und dieser Ausweg besteht m.E. nicht allein in der "Anklage".

Benutzeravatar
La Marfa
verifizierte UserIn
verifizierte UserIn
Beiträge: 177
Registriert: 25.08.2010, 18:57
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von La Marfa »

          Bild
"ehemaliger User" hat geschrieben:Genau so sehe ich es im Kern auch, Aoife. Auch oder gerade die Männer müssen sich aus überkommenen (und falschen) Rollenverständnissen lösen. Zumal diese nicht selten auch eine Last sein können, übrigens ...
Danke!! Das ist (auch) meine seit langem vertretene These, die jedoch zumeist gelinde gesagt zurückgewiesen, wenn nicht sogar verspottet wird.

La Marfa

ehemaliger User
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 338
Registriert: 29.06.2011, 10:11
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger User »

          Bild
La Marfa hat geschrieben:          BildDanke!! Das ist (auch) meine seit langem vertretene These, die jedoch zumeist gelinde gesagt zurückgewiesen, wenn nicht sogar verspottet wird.

La Marfa
Das erstaunt mich wirklich! Zumal dies auch keineswegs zwangsläufig damit einhergeht, dass die Männer sich selbst "entmannen" im Sinne, dass sie für Frauen reizvolle EIgenschaften verlieren. Man(n) muss dazu nämlich nicht zwangsläufig in rosa Latzhose herumlaufen und nen Trommelkurs in der Toskana buchen *lach*.

Benutzeravatar
annainga
PlatinStern
PlatinStern
Beiträge: 3836
Registriert: 01.02.2007, 22:33
Wohnort: nrw
Ich bin: ehemalige SexarbeiterIn

RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von annainga »

doch, so ab und zu klang es hier schon einmal an, dass patriarchat nicht bedeutet, dass männer generell besser gestellt werden, sondern dass patriarchat bedeutet einige wenige männer besser zu stellen zu lasten der übrigen männer und frauen. wenn ich es richtig verstanden habe.

eure diskussion hier finde ich sehr interessant ..... danke @nicole für deine immer wieder tollen buchrezensionen.

lieben gruß, annainga

ps: ich habe auch an den vergleich mit affen gedacht und dass in der tierwelt aggression und gewalt teil des verhaltens ist. allerdings ein weit kleinerer teil als die tierfilme uns weismachen. denn auch dort gilt, dass ein film, mit spektakulären gewaltszenen als besser verkäuflich gilt als ein film in dem z.b. altruistisches verhalten gezeigt wird. ist es nicht so, dass selbst weit entfernte tiere wie regenwürmer einen großen gleichen anteil im erbut haben? und dass menschen eventuell gar nicht so nah mit affen verwandt sind?

ehemaliger User
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 338
Registriert: 29.06.2011, 10:11
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger User »

Natürlich gibt es (auch) altruistische Verhaltensweisen bei Tieren, allerdings nur innerhalb einer sozialen Struktur (Herde). Wenn beispielsweise Elefanten in der Mittagshitze unter einem wenig Schatten spendenden Baum stehen und ruhen, dann ist das faszinierend. So alle 15 Minuten kommt Bewegung in die dicht gedrängte Herde, allgemeines Gerummel und Geschiebe und nach ner Minute ist wieder Ruhe, nix bewegt sich. Warum? Beim Gerummel haben die sich alle so umgestellt, dass jetzt andere Tiere in den Genuss des Schattens kommen, usw. Mit Instinktverhalten hat das mit einiger Wahrscheinlichkeit nichts zu tun.

Benutzeravatar
Aoife
Senior Admin
Senior Admin
Beiträge: 7067
Registriert: 20.09.2008, 21:37
Wohnort: Ludwigshafen am Rhein
Ich bin: Keine Angabe

Re: RE: GEWALT. Eine neue Geschichte der Menschheit

Beitrag von Aoife »

          Bild
annainga hat geschrieben:doch, so ab und zu klang es hier schon einmal an, dass patriarchat nicht bedeutet, dass männer generell besser gestellt werden, sondern dass patriarchat bedeutet einige wenige männer besser zu stellen zu lasten der übrigen männer und frauen. wenn ich es richtig verstanden habe.
Ja, so sehe ich das auch ... und ich glaube es ist nicht zu bezweifeln, dass einige Frauen das Patriarchat für ihre Zwecke sehr geschickt ausnutzen, während einige Männer unter den Folgen nicht weniger leiden als Frauen.

Ich denke der Grund ist dass die Besserstellung der Männer nicht Ziel, sondern Folge des Patriarchats ist. Ziel ist es einen empfunden Abstand zu schaffen zwischen dem sich als zivilisiert empfindenden Menschen und der als bedrohlich erlebten Natur. Die Natur als bedrohlich empfinden, das können auch Frauen sehr gut, und so können auch Frauen für patriarchalische Interessen wie Prostitutionskontrolle kämpfen. Wie umgekehrt auch manche Männer sich damit abfinden können dass in der Natur manchmal schreckliche Dinge passieren und darauf verzichten können durch den Versuch alles zu kontrollieren sich ein Sicherheitsgefühl zu phantasieren.

Die Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Menschen macht also auf dieser oberflächlichen, ausgelebten Ebene des Patriarchats gar keinen Sinn. Es geht um die tiefere Ebene des inneren Erlebens: *Wenn* ich mich als Mensch als Kulturwesen und nicht als Teil der Natur (der Realität) empfinden will, dann muss ich "Mensch" als möglichst naturfern definieren. Sachlich gesehen ist das natürlich bezüglich Männern und Frauen gleichermaßen absurd, aber die Illusion dass der Mensch etwas grundsätzlich anderes sei als die Natur läßt sich einfacher aufrechterhalten wenn man Frauen vom typischen Menschenbild ausschließt.

Das erklärt auch die massiven Emotionen die das Thema Prostitution mit sich bringt. Wie kann es sein dass gute Christen und sogar Christinnen vor keiner Lüge zurückschrecken wenn es darum geht der Sexarbeit und Sexarbeiterinnen zu schaden? Wie kann es sein dass Menschen die es stört wenn NSA and MI6 in ihrer eigenen Privatsphäre herumschnüffeln genau diese Methoden fordern um Prostituierte aus der Gesellschaft auszuschließen? Das ist mit Vernunft nicht zu erklären, da zeigt sich massive, psychotische Angst die so kunstvoll ausgeschlossene Realität könnte wieder in das wahnhaft als "anders als natürlich" empfundene Leben der Betreffenden einbrechen.

Liebe Grüße, Aoife
It's not those who inflict the most, but those who endure the most, who will conquer. MP.Vol.Bobby Sands
'I know kung fu, karate, and 37 other dangerous words'
Misspellings are *very special effects* of me keyboard

ehemaliger User
Nicht mehr aktiv
Beiträge: 338
Registriert: 29.06.2011, 10:11
Ich bin: Keine Angabe

Beitrag von ehemaliger User »

Da muss was dran sein. Mich hat seit jeher und lange vor einer näheren Befassung mit dem Thema gewundert, wieso es "schlecht" sein soll, jemand Anderem (auch Unbekanntem) eine große Freude zu bereiten (nämlich durch Gabe von Sex und folglich auch mehr oder weniger Nähe). Erinnert mich auch einen Chat mit einer befreundeten Wohnungsdame, wo sie (ohne jegliche Werbungsmotivation) berichtete, der Kunde gerade sei auf "Wolke sieben davongeschwebt". Und sie auch zu Recht stolz darauf war.

Dabei bin ich allerdings weit davon entfernt, zu "romantisieren".