ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

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Arum
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Arum »

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Klaus Fricke hat geschrieben:
Zur beabsichtigten Willkür der Freierbestrafung und zur grundgesetzwidriger Verminderjährigung erwachsener Frauen sag ich hier mal nichts weiter. Den Vertreter_innen des Primates der Repression müssen solche Artikel orgiastische Kompensation verschaffen.
Es ist schon sehr bedauerlich, dass der Deutsche Bundesrat, wenigstens nach meiner Einschätzung, weniger politisch unabhängig ist als in den Niederlanden die Eerste Kamer, der Senat. Die niederländischen Senatoren, wenn auch Parteimitglieder der gängigen Parteien, haben vor allem die Grundgesetzwidrigkeit von Gesetzesvorschlägen, die von der Tweede Kamer angenommen worden sind, zu überprüfen und gegebenenfalls zurückweisen. So sind bei uns dieses Jahr sowohl die Freierbestrafung als auch die Verminderjährigung erwachsener Frauen am Senat gescheitert. Heisst nicht, dass nicht jetzt einige absonderlichen Städte dies selber durchzusetzen versuchen, aber immerhin. Andererseits, vielleicht gibt es, wie schwarz ich da auch sehe, bei Euch auch noch welche Politiker, denen die Verfassung etwas bedeutet, sowie auch die Erkenntnis, dass die ganze Palette nun gerade zwangsläufig zu einem solchen Überwachungsstaat führt, den man in der NSA-Debatte zu bekämpfen vorgibt ... Sie sollten wenigstens dringlichst darauf hingewiesen werden.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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fraences
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Wernstedt: CDU-Fraktion betreibt haltlose Stimmungsmache beim Thema Prostitution

Die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Thela Wernstedt, wirft der CDU eine haltlose Stimmungsmache beim Thema Prostitution vor: "Die Ausweitung von Sperrgebietsverordnungen bei Wohnmobilprostitution führt weder zu besseren Arbeitsbedingungen für Prostituierte noch zu mehr Jugendschutz", erklärt Wernstedt zur Debatte im Niedersächsischen Landtag von heute, Donnerstag.

Thela Wernstedt kritisiert die Vorgaben der CDU-geführten Bundesregierung während der vergangenen Jahre. Das habe dazu geführt, dass die Bedingungen für Prosituierte sich auch in Niedersachsen weiter verschlechtert hätten. "Die Union hat in der Regierung das Prostitutionsgesetz durch eine ganze Legislaturperiode laufen lassen, obwohl eine Evaluation bereits im Jahr 2005 vorgelegen hat. Daraus ergibt sich dringender Nachbesserungsbedarf", betont die familienpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion.

Die CDU habe erst kurz vor der Bundestagswahl einen völlig unzureichenden Gesetzentwurf vorgelegt, den der Bundesrat völlig zu Recht in den Vermittlungsausschuss überwiesen habe. Thela Wernstedt: "Die CDU versucht Szenarien zur Wohnmobilprostitution zu suggerieren, die Experten für abwegig halten. Die Probleme rund um das Thema Prostitution müssen sorgfältig analysiert werden. Danach sind Lösungsansätze wichtig. Schnellschüsse dienen hier nur der Entlastung des eigenen moralischen Unbehagens bei der CDU", betont die SPD-Landtagsabgeordnete.

http://bundespresseportal.de/niedersach ... ution.html

(Das Video mit dem Überschrift, wäre eine gute Slogan für den Strassenstrich: "Mehr Sicherheit durch Sichtbarkeit")
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Jason
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Koalitionsverhandlungen: Prüfung für Zuhälter

Beitrag von Jason »

Union und SPD streben ein neues Gesetz gegen Zwangsprostitution an: Die Auflagen für Bordellbetreiber sollen deutlich verschärft werden.

Ein komplettes Verbot der Prostitution aber lehnen beide Seiten ab.



Von Stefan Braun, Berlin

Vieles in den Koalitionsverhandlungen von SPD und Union ist noch offen. Eines aber zeichnet sich jetzt schon ab: dass sich das mögliche Regierungsbündnis den Kampf gegen Zwangsprostitution und Frauenhandel auf die Fahnen schreiben wird.

Beide Seiten wollen die Auflagen für Bordellbetreiber deutlich verschärfen, um über Kontrollrechte auch die Möglichkeit für unangemeldete Überprüfungen zu bekommen.

Außerdem wollen die Familien- und Innenpolitiker von Union und SPD Zwangsprostituierten den Ausstieg erleichtern, indem sie ihnen ein Aufenthaltsrecht gewähren.

Damit reagieren beide Seiten auch auf Mängel eines ersten Prostitutionsgesetzes aus dem Jahre 2002. Dieses hatte die Prostitution grundsätzlich legalisiert, um Prostituierten den Weg in die Sozialversicherung zu ermöglichen.

Gleichzeitig aber hatte das Gesetz den Zuhältern ungewollt Schutz vor Kontrollen geboten.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig sagte am Montag: "Die brutale Ausbeutung von Prostituierten, die heute massenhaft in Deutschland stattfindet, muss beendet werden." Dies müsse auch in den Koalitionsverhandlungen deutlich werden.

Ähnlich äußerten sich Politiker der Union, darunter der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach.

Allerdings mag sich von ihnen niemand der Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer anschließen. Sie hat gerade erst mit zahlreichen Prominenten eine Kampagne zum kompletten Verbot der Prostitution gestartet.

Aufenthaltsrecht für Zwangsprostituierte

Nach den derzeitigen Plänen geht es vor allem darum, eine sogenannte Zuverlässigkeitsprüfung für Zuhälter zu schaffen. Andere in den Verhandlungen sprechen von einer "Erlaubnisprüfung" für Bordellbesitzer. Was ein bisschen lächerlich klingt, hat einen zentralen Kern: Sobald es eine Genehmigungspflicht und damit verbundene Kontrollmöglichkeiten gibt, können Ordnungsbehörden und Polizei auch unangemeldet Kontrollen durchführen. Genau das sei derzeit nicht möglich, sagen jedenfalls Innenexperten der Unionsfraktion. Sie beklagen, dass durch die Legalisierung gerade der Polizei die Möglichkeit genommen wurde, über einen Anfangsverdacht Kontrollen durchzuführen. "Mal eben eine Razzia machen - das geht seither nicht mehr", heißt es in der Union.

In der SPD wird das mittlerweile genauso gesehen. Die Vordenkerin für ein neues Gesetz, die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl, erhofft sich über eine Erlaubnispflicht nicht nur eine Definition, was Prostitution ist und was sie nicht sein soll.

Sie setzt auch darauf, dass die Hygiene und der Umgang mit Prostituierten immer wieder geprüft werden - und die Polizei ein Bordell bei Verstößen dicht machen kann.

Strittig ist, ob dafür das Gewerberecht geändert werden soll, was die SPD anstrebt...

...oder ob sich die Unionspolitiker mit dem Ruf nach einer Neufassung des Prostitutionsgesetzes durchsetzen. Letzteres hieße, dass die Innenpolitiker und das Bundesinnenministerium die Federführung hätten.

Der zweite zentrale Punkt soll die Schaffung eines Aufenthaltsrechts für Zwangsprostituierte sein. Dahinter steht die Hoffnung, dass sich Opfer unter einem verbesserten Schutz eher trauen, auszusteigen und über die Strukturen von Menschenhandel und Zwangsprostitution auszupacken.

Allerdings ist noch umstritten, ob Zwangsprostituierte dieses Recht auch bekommen sollen, ohne dass sie vor Gericht aussagen. Die SPD würde das bevorzugen und verweist dabei auf Erfahrungen aus den USA, wonach Opfer erst dann aussagen, wenn sie sicher sein können, dass sie bleiben dürfen und beschützt werden.

In der Union wird dies anders gesehen. Hier befürchten die Innenpolitiker, dass jede Prostituierte automatisch ein Aufenthaltsrecht erhalten könnte - auch wenn sie gar nichts zur Aufdeckung von Verbrechen beitragen sollte. Einige treibt die Sorge um, manche Frau könne ein Aufenthaltsrecht beantragen, ohne überhaupt wirklich verfolgt oder zwangsprostituiert zu sein.

Vorsichtige Unterstützung von den Grünen

Mit den neuen Plänen zieht insbesondere die SPD Lehren aus einem Gesetz aus dem Jahr 2002. Die damalige rot-grüne Bundesregierung hatte eine Legalisierung der Prostitution beschlossen, um den Prostituierten einen Weg in die Sozialversicherungen zu ermöglichen und Zwangsprostituierte gegenüber Zuhältern zu stärken.

Der CDU-Politiker Bosbach erkennt den guten Willen an, beklagt aber die Folgen. "Die Pläne sollten Gutes bewirken, aber sie waren weit weg von der Realität."

Die SPD-Politikerin Högl räumt ein, dass es nicht leicht gewesen sei, sich hier zu korrigieren: "Wenn man mal ein Gesetz gemacht hat, tut man sich natürlich schwer, es zu revidieren. Zumal, wenn die damaligen Annahmen der Wirklichkeit leider nicht stand gehalten haben." Umso mehr sei sie froh, dass der Schritt jetzt gemacht werde.

Vorsichtige Unterstützung für die Reform-Pläne kommt von den Grünen. Deren parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann sagte aber, Ziel der Veränderungen müsse "eine Stärkung der Prostituierten sein und keine Kriminalisierung".

Ein komplettes Verbot, wie es Alice Schwarzer fordert, lehnen Union, SPD und Grünen bislang ab.

Högl sagt nein, weil dann alles in einen "dunklen Bereich" verlagert werde, da man Prostitution nie ganz verhindern könne.

Und der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl ergänzt, ein Staat solle nur Dinge versprechen, die er auch einhalten könne. Prostitution per Gesetz aus der Welt zu schaffen, sei aber unmöglich. Sollte er es trotzdem versuchen, liefe er nur Gefahr, sich unglaubwürdig und lächerlich zu machen.



Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/koal ... -1.1810596

[Hervorhebungen Marc]
> ich lernte Frauen zu lieben und zu hassen, aber nie sie zu verstehen <

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Marc of Frankfurt
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Wege zur neuen Sexworker-Interessenvertretung & -Politik

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Was sich also abzeichnet ist, dass es ein neues strengeres Gesetz geben wird, vmtl. ähnlich dem gescheiterten Entwurf.

Prostitution wird zwar nicht verboten werden, aber strenger reguliert, so daß prostitutionsfeindliche Instanzen vor Ort die Arbeit und das Leben der Sexworker, wie wir es bisher gewohnt sind, stark stören können. Dieser Strukturwandel mag mancherorts sehr unangenehm abgehen, aber wir werden uns darauf einstellen müssen und die Prostitution als ganzes hat das bisher auch immer prächtig gemeistert (unkaputtbar;-)

Dieses Gesetz ist für die Politik enorm wichtig oder praktisch, da Regierungspolitiker aller Coleur sich hier relativ einfach und kostengünstig als starke Macher vor dem Wahlvolk beweisen können und auch die Mehrheit der veröffentlichten Meinung hinter sich haben. Das Thema ist also herrvorragend für Politiker-PR, Kampagnen-Medien und Stammtische geeignet. Deswegen ist alles so wie es ist.

Das ist das eigentlich tragische bei der ganzen Fortentwicklung der Prostitutionsregulierung, dass wir es auch heute im 21. Jahrhundert noch mit von Emotionen-getriebener Interessen-Machtpolitik zu tun haben. Also weder die Erotik selbst, noch die Politik lassen sich soweit rational professionalisieren, dass sie völlig emotionslos-sachlich-kultiviert und schwesterlich versöhnt in Sachen Sexwork daherkommen können.





Was wir jetzt also brauchen ist eine Neujustierung unserer Positionsbestimmungen Prostitution:

- Auch wir Sexworker wollen selbstverständlich und immer schon, dass Mißbrauch in der Prostitution verhindert wird (angefangen von Grenzüberschreitungen in der sexuell-erotischen Mikrokommunikation im Geschäftsvorfall, über Arbeitsausbeutung bis hin zu schwerstem sexualisiert-sklavereiähnlichem Mißbrauch sog. Zwangsprostitution oder Menschenhandel wie das in der globalisierten Welt heute strafrechtlich heißt). Wir nehmen jedoch wahr, dass mit einem mächtig medial aufgeblasenen Feindbild (gespeist aus selektiver Wahrnehmung und wenig evidenzbasiert-wissenschaftlich-haltbare Analyse) die Prostitution drangsaliert wird, was einem moralischen Feldzug gleich kommt.
www.bit.ly/sexworkfacts

Die Prostitution wird ganz konform mit der uralten Theorie der Ventilsitte (Augustinus) lediglich als ein (politisches) Ventil hergenommen, um wenigstens hier einen Bereich scharf zu regulieren, wo man auf anderen wesentlichen Politikfeldern kaum wirklich vorangekommen ist: Klima, Energie, Datenschutz, Weltfinanzsystem (Bankenregulierung)...

- Wer wirklich den Mißbrauch wie erklärt bekämpfen will, wird sich die Sexworker als Verbündete suchen müssen. Dann wird er erkennen können, wo im Detail die Probleme der Sexarbeit liegen: bei Tabu, Stigma bis hin zu strukturellen Ungleichheiten und Kriminalisierung. Er wird erkennen, dass mit stärkerer Regulierung auch mehr Anerkennung und Entstigmatisierung einhergehen müssen, wenn es funktionieren soll (no taxation without representation; Akzeptanzkampagnen). Kein Mensch will sich kontrollieren und registrieren lassen als etwas was allgemein und in vielen Alltagssituationen (Medienberichte, Gerichtsurteile, Behördenhandeln) als sozialschädlich, kriminell, tabu oder Schweinkram ... gewertet wird und als stehendes Schimpfwort herhalten muß (sprachlicher Mißbrauch durch Schimpfwortgebrauch Prostitution). Wenn die Gesellschaft und Institutionen das angebliche "Problem Prostitution" angehen oder gar lösen wollen, müssen sie sich gleichzeitig den eigenen Urteilen, Vorurteilen, Ängsten und Projektionen stellen. Andernfalls wird jede gutgemeinte strengere Regulierung (Erlaubnisprüfung/Zuhälterzuverlässigkeitsprüfung) nur den illegalen/privaten/clandestinen Markt der "Nachbarschaftshilfe", "Freundschaftsdienste" oder "Hobbyhurerei" befördern.

- Wir Sexworker und alle anderen Stakeholder (Prostitutionskunden, Drittparteien) müssen einen aktiven Beitrag leisten, die faire Sexarbeit von Mißbrauchsformen zu trennen. Dafür müssen wir Öffentlichkeitsarbeit, Selbstorganisationsarbeit, Aufklärungsarbeit und Professionalisierungsanstrengungen leisten.

# Öffentlichkeitsarbeit leisten wir im Schwarm vernetzt seit Entstehen der Hurenbewegung in den 70ern. Zentrale Plattformen sind heute die Netzwerke um das Sexworker Forum seit 2005 den Bundesverband sexuelle & erotische Dienste 2013 und die Beratungsstellenbewegung bufas.net 2008 mit ihren Fachtagungen... Aber wir brauchen für Medienarbeit mehr Institutionalisierung/Professionalisierung, d.h. Sexworker und Ex-Sexworker, die von einer (Neben-)Tätigkeit auch leben können bzw. Zukunftsperspektiven entwickeln können. Bisher sind Sexworker systematisch benachteiligt bzw. ausgeschlossen bei ihren Beratungsstellen Karriere nach der Sexarbeit machen zu können. Akademisches Personal hatte bisher die Interessenvertretung für und anstelle von Sexworkern weitgehend an sich gezogen. Sexworker in Not sind nach wie vor häufig regelrecht gezwungen sich bei den im Markt dominierenden kirchlichen (d.h. prostitutionsfeindlichen) Beratungsstellen oder erklärten Prostitutionsgegnern helfen lassen zu müssen. Wenn das nicht mal traumatisierende Rahmenbedingungen sind, die sich die Not die es angeblich zu bekämpfen gilt quasi selbst erschafft.

# Institutionalisierte und repräsentativ-organisierte Sexworker Interessenvertretung ist öffentlich laut einzufordern, damit wir gesetzgeberische Unterstützung für den weiteren Aufbau bekommen, ohne den es nicht zu schaffen sein wird und auch die Arbeiterbewegung nicht geschafft hat den Manchesterkapitalismus zur sozialen Marktwirtschaft zu transformieren. Also soll z.B. die Politik vorschreiben, dass Sexworker und Neusexworker Mitglied im Sexworker-Verband werden (inklusive der neuzuschaffenden Sexworkerkünstler-Sozialversicherung), statt dass lediglich gefordert wird dass Sexworker sich bei der Polizei zwangsweise registrieren müssen vor Arbeitsantritt, was einer Stigmatisierung bis Kriminalisierung gleichkommt (Vorverurteilung?).

# Jede gute Agentur und Bordell wird einen Sexworker-Betriebsrat bekommen müssen, festgelegt in den Statuten. Dergleichen braucht es für jedes Rotlichtviertel, Bezirk oder alle Gemeinden mit Sexarbeitsstätten. Auch auf Landes- und Bundesebene fehlen derzeit 10 Jahre nach dem ProstG immer noch repräsentativ-bevollmächtigte Gremien der Sexworker als Ansprechpartner in eigenen Belangen für Behörden und Politik. Wenn der Gesetzgeber hier Sexworker bisher nicht ermächtigen wollte, warum sollen wir oder die Öffentlichkeit dann jetzt glauben Menschenhandelsbekämpfung und Opferhilfe seien mehr als nur Lippenbekenntnisse symbolischer Politik?!





Der Strukturwandel von kriminalisierter Prostitution hin zu anerkannter Sexarbeit wird solange nicht wirklich zum grundsätzlichen Erfolgsmodell werden können, solange Sexworker mehr zahlen müssen für professionelles, legales, steuerehrliches, selbstbewußtes, hauptberufliches, qualitätsvolles, engagiertes, selbstbewußtes Arbeiten (inklusive versteckter Langzeitfolgen, Zwangsregistrierung, öffentliches Outing, Ausstiegshürden-Kosten, fehlende institutionelle Versorgung, versteckte Risiken, SWBO...) d.h. Extrakosten für professionelle Sexarbeit, im Vergleich zu kurzzeitig, vorübergehend, nebenberuflich, heimlich, schwarz oder illegal organisierter Prostitution (Geheimprostitution, Sex4something, Shugardaddyverhältnis, Versorgungsehe). Der Institutenkonnex von den sozialen Institutionen der Prostitution und Ehe/Partnerschaft gilt es sich erneut ins Gedächtnis zu rufen.

Erst wenn wir alle und die Politik/Öffentlichkeit die Prostitution und Grenzbereiche wirklich verstanden haben, als höchstsensibler Austausch sexueller Energien auf der Grenze von privater Intimsphäre und öffentlich-geschäftlicher Absprachen, und wenn die Politik darauf angemessene, gestaffelte Schutzinstitutionen aufgebaut haben wird, dann werden sich die Verhältnisse für die Sexarbeiter_innen merklich entspannen können. Dann wird sich das humane Potential einer auch mit Sexdienstleistungen im Bedarfsfall versorgten Gesellschaft vielfach auszahlen.

Von uns wird derweil verlangt, diese in einem gordischen Knoten eingeklemmten Zusammenhänge im gemeinsamen Ringen mit Politik und Öffentlichkeit genauer herauszuarbeiten und für alle sichtbar und begreifbar werden zu lassen. Nur dann können diffuse Ängste, noch ungeklärte Graubereiche, bestehende Scheinheiligkeiten und tradierte moralische Empörung weichen zugunsten von wachsendem Erkenntnisgewinn, Akzeptanz und gesellschaftlicher Harmonie.

Laßt uns also kraftvoll fortfahren öffentlich und faktenbasiert aufzuklären -sine ira et studio- was angeblich schmutziger sein soll, Politik oder Sexarbeit.





Die kommenden Fachtagungen in Köln und Frankfurt bieten Chancen ein gemeinsames Vorgehen neu zu justieren.
K www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=136141#136141
F www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=133596#133596

Die Online-Medien sind unsere begleitenden permanenten Fachtagungen - erreichbar für alle, niederschwellig, jederzeit und von überall.
www.sexworker.at
www.facebook.com/groups/sexworker.at/
www.sexwork-deutschland.de
www.facebook.com/pages/Sexwork-Interess ... 1471404121
...
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Prüfung für Zuhälter

Union und SPD wollen alte Fehler korrigieren

Union und SPD streben ein neues Gesetz gegen Zwangsprostitution an: Die Auflagen für Bordellbetreiber sollen deutlich verschärft werden. Ein komplettes Verbot der Prostitution aber lehnen beide Seiten ab.

Von Stefan Braun, Berlin

Vieles in den Koalitionsverhandlungen von SPD und Union ist noch offen. Eines aber zeichnet sich jetzt schon ab: dass sich das mögliche Regierungsbündnis den Kampf gegen Zwangsprostitution und Frauenhandel auf die Fahnen schreiben wird. Beide Seiten wollen die Auflagen für Bordellbetreiber deutlich verschärfen, um über Kontrollrechte auch die Möglichkeit für unangemeldete Überprüfungen zu bekommen.

Außerdem wollen die Familien- und Innenpolitiker von Union und SPD Zwangsprostituierten den Ausstieg erleichtern, indem sie ihnen ein Aufenthaltsrecht gewähren. Damit reagieren beide Seiten auch auf Mängel eines ersten Prostitutionsgesetzes aus dem Jahre 2002. Dieses hatte die Prostitution grundsätzlich legalisiert, um Prostituierten den Weg in die Sozialversicherung zu ermöglichen. Gleichzeitig aber hatte das Gesetz den Zuhältern ungewollt Schutz vor Kontrollen geboten.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig sagte am Montag: "Die brutale Ausbeutung von Prostituierten, die heute massenhaft in Deutschland stattfindet, muss beendet werden." Dies müsse auch in den Koalitionsverhandlungen deutlich werden. Ähnlich äußerten sich Politiker der Union, darunter der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach. Allerdings mag sich von ihnen niemand der Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer anschließen. Sie hat gerade erst mit zahlreichen Prominenten eine Kampagne zum kompletten Verbot der Prostitution gestartet.

Aufenthaltsrecht für Zwangsprostituierte


Nach den derzeitigen Plänen geht es vor allem darum, eine sogenannte Zuverlässigkeitsprüfung für Zuhälter zu schaffen. Andere in den Verhandlungen sprechen von einer "Erlaubnisprüfung" für Bordellbesitzer. Was ein bisschen lächerlich klingt, hat einen zentralen Kern: Sobald es eine Genehmigungspflicht und damit verbundene Kontrollmöglichkeiten gibt, können Ordnungsbehörden und Polizei auch unangemeldet Kontrollen durchführen. Genau das sei derzeit nicht möglich, sagen jedenfalls Innenexperten der Unionsfraktion. Sie beklagen, dass durch die Legalisierung gerade der Polizei die Möglichkeit genommen wurde, über einen Anfangsverdacht Kontrollen durchzuführen. "Mal eben eine Razzia machen - das geht seither nicht mehr", heißt es in der Union.

In der SPD wird das mittlerweile genauso gesehen. Die Vordenkerin für ein neues Gesetz, die SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl, erhofft sich über eine Erlaubnispflicht nicht nur eine Definition, was Prostitution ist und was sie nicht sein soll. Sie setzt auch darauf, dass die Hygiene und der Umgang mit Prostituierten immer wieder geprüft werden - und die Polizei ein Bordell bei Verstößen dicht machen kann. Strittig ist, ob dafür das Gewerberecht geändert werden soll, was die SPD anstrebt - oder ob sich die Unionspolitiker mit dem Ruf nach einer Neufassung des Prostitutionsgesetzes durchsetzen. Letzteres hieße, dass die Innenpolitiker und das Bundesinnenministerium die Federführung hätten.

Der zweite zentrale Punkt soll die Schaffung eines Aufenthaltsrechts für Zwangsprostituierte sein. Dahinter steht die Hoffnung, dass sich Opfer unter einem verbesserten Schutz eher trauen, auszusteigen und über die Strukturen von Menschenhandel und Zwangsprostitution auszupacken. Allerdings ist noch umstritten, ob Zwangsprostituierte dieses Recht auch bekommen sollen, ohne dass sie vor Gericht aussagen. Die SPD würde das bevorzugen und verweist dabei auf Erfahrungen aus den USA, wonach Opfer erst dann aussagen, wenn sie sicher sein können, dass sie bleiben dürfen und beschützt werden.

In der Union wird dies anders gesehen. Hier befürchten die Innenpolitiker, dass jede Prostituierte automatisch ein Aufenthaltsrecht erhalten könnte - auch wenn sie gar nichts zur Aufdeckung von Verbrechen beitragen sollte. Einige treibt die Sorge um, manche Frau könne ein Aufenthaltsrecht beantragen, ohne überhaupt wirklich verfolgt oder zwangsprostituiert zu sein.

Vorsichtige Unterstützung von den Grünen
Mit den neuen Plänen zieht insbesondere die SPD Lehren aus einem Gesetz aus dem Jahr 2002. Die damalige rot-grüne Bundesregierung hatte eine Legalisierung der Prostitution beschlossen, um den Prostituierten einen Weg in die Sozialversicherungen zu ermöglichen und Zwangsprostituierte gegenüber Zuhältern zu stärken. Der CDU-Politiker Bosbach erkennt den guten Willen an, beklagt aber die Folgen. "Die Pläne sollten Gutes bewirken, aber sie waren weit weg von der Realität."

Die SPD-Politikerin Högl räumt ein, dass es nicht leicht gewesen sei, sich hier zu korrigieren: "Wenn man mal ein Gesetz gemacht hat, tut man sich natürlich schwer, es zu revidieren. Zumal, wenn die damaligen Annahmen der Wirklichkeit leider nicht stand gehalten haben." Umso mehr sei sie froh, dass der Schritt jetzt gemacht werde.

Vorsichtige Unterstützung für die Reform-Pläne kommt von den Grünen. Deren parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann sagte aber, Ziel der Veränderungen müsse "eine Stärkung der Prostituierten sein und keine Kriminalisierung". Ein komplettes Verbot, wie es Alice Schwarzer fordert, lehnen Union, SPD und Grünen bislang ab. Högl sagt nein, weil dann alles in einen "dunklen Bereich" verlagert werde, da man Prostitution nie ganz verhindern könne. Und der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl ergänzt, ein Staat solle nur Dinge versprechen, die er auch einhalten könne. Prostitution per Gesetz aus der Welt zu schaffen, sei aber unmöglich. Sollte er es trotzdem versuchen, liefe er nur Gefahr, sich unglaubwürdig und lächerlich zu machen.


www.sueddeutsche.de/politik/koalitionsv ... -1.1810596
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von lust4fun »

Danke @Marc für den Beitrag!
Einschätzung der Lage, Klärung der Fragestellungen und Streitpunkte, Aufgaben... auch sehr hilfreiche Formulierungen... überzeugt mich sehr!

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Beitrag von ehemaliger_User »

ob es dann auch einen Ausbildungsberuf "Staatlich geprüfter Wirtschafter" geben wird? Oder einen "Bachelor of Science" bzw. "Master of Science" of Sexwork?
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Jupiter »

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fraences hat geschrieben:Beide Seiten wollen die Auflagen für Bordellbetreiber deutlich verschärfen, um über Kontrollrechte auch die Möglichkeit für unangemeldete Überprüfungen zu bekommen.
Da dies immer wieder in den verschiedenen Meldungen steht, frag ich mich mittlerweile, was ist wirklich aktuell.

Ständig lesen wir von Kontrollen und Razzien, um z. B. im Ruhrgebiet die Kunden zu vergraulen. Begründet werden diese mit dem allgemeinen Polizeigesetz. Stehen diese Kontrollen z. Zt. auf "Wacklingen" Füßen oder wird ein Anlaß einfach konstruiert. Ich habe den Eindruck, daß es in Wirklichkeit um weitere Rechte geht, damit der Grundsatz der "Unverletzlichkeit der Wohnung" ausgehebelt werden kann. Also "Tor auf" für die anlaßunabhängige Kontrolle von Arbeitswohnungen auch bei Einzelpersonen. Darf dann auch ein Hotelzimmer kontrolliert werden?
Ich habe in der erten Fassung der Änderungsvorlage schon meine Bedenken mit dem Begriff "Prostitiutionstätte" genannt.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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Beitrag von fraences »

Ja, so sehe ich das auch, weil die Gewerbeordnung nur Gewerbebetriebe erfassen und nicht die Wohnungsprostitution und Escortbereich. Die sind geschützt Art,13 GG.

Zum Hotelbesuche habe ich bei den Gesetzesentwürfe nichts konkretes gefunden. Da es keine gesetzliche Definition für Prostitutionsstätte.

Liebe Grüße, Fraences
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PROstitutionsforschung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

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Videovortrag:
Das Prostitutions­gesetz und seine Umsetzung


von Dr. Ina Hunecke
Dozentin FH Altenholz
über ihre Dissertation an der Uni Kiel bei Prof. Frommel


Video Vortragspräsentation
60 min
http://fms.rz.uni-kiel.de/gender/wise12 ... 113rv.html




___
DE www.bit.ly/sexworkgeschichte
EN www.bit.ly/sexworkhistory
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 28.11.2013, 00:01, insgesamt 1-mal geändert.

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RA von Galen, Berlin

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Reform des Prostitutionsgesetzes
"Ein gefundenes Fressen für Moralapostel"

Interview mit Dr. Margarete Gräfin von Galen



08.11.2013
Dr. Margarete Gräfin von Galen ist Anwältin in Berlin und vorwiegend als Strafverteidigerin tätig. 2004 erschien ihr Buch "Rechtsfragen der Prostitution. Das Prostitutionsgesetz und seine Auswirkungen".

Das älteste Gewerbe der Welt macht derzeit wieder Schlagzeilen. Alice Schwarzer ruft in der Emma zum Kampf gegen die "moderne Sklaverei" auf. Derweil hofft die Union, zusammen mit der SPD schärfere Gesetze verabschieden zu können. Doch viele Vorschläge gehen am Problem vorbei und sind Ausdruck einer paternalistischen und verlogenen Politik, findet Margarete Gräfin von Galen.
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LTO: Frau Dr. Gräfin von Galen, bevor wir in die Debatte einsteigen zunächst ein kleiner historischer Rückblick. Das Prostitutionsgesetz gibt es seit Ende 2001. Welche Ziele hat der Gesetzgeber damals verfolgt?

von Galen: Das Gesetz sollte die Prostitution insgesamt aus dem kriminellen Milieu herausholen. Der Vertrag eines Freiers mit einer Prostituierten galt vorher als sittenwidriges Rechtsgeschäft, Prostituierte konnten ihren vereinbarten Lohn also auch nach erbrachter Leistung nicht einklagen – das hat sich geändert. Außerdem sollte die Arbeit der Prostituierten in einem Bordell in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen ermöglicht werden und der Straftatbestand der Förderung der Prostitution wurde abgeschafft.

LTO: Und haben diese Änderungen den gewünschten Erfolg erzielt?

von Galen: Teilweise. Der Lohn kann jetzt tatsächlich eingeklagt werden. Besonders häufig wird das nicht nötig, aber es hat ja auch einen bedeutenden symbolischen Wert, ob die Rechtsordnung einer Prostituierten vermittelt, dass ihre Arbeit nichts wert und per se verwerflich ist, oder nicht.

Die Abschaffung der Förderung der Prostitution war überfällig und hat ganz konkrete, bedeutsame Auswirkungen mit sich gebracht. Vorher hat sich praktisch jeder Bordellbetreiber nach dieser Norm strafbar gemacht. Der Tatbestand hatte wohlgemerkt mit Zwangsprostitution, Menschenhandel usw. überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil: Je angenehmer und ansprechender die Betreiber die Arbeitsbedingungen gestaltet haben, zum Beispiel durch Bereitstellen von Kondomen oder flexible Arbeitszeiten, desto eher haben sie die Prostitution gefördert. Das war völlig absurd, gewissermaßen wie Anstiftung oder Beihilfe zu einem nichtexistenten Straftatbestand, da man Prostitution an sich ja durchaus nicht verbieten wollte. Indem die Norm weggefallen ist, sind viele Personen als Bordellbetreiber auf den Markt gedrängt, für die das vorher nicht in Frage kam, weil sie sich nicht strafbar machen wollten. Das sind natürlich nicht gerade Mitarbeiter im Finanzministerium, aber zum Beispiel Bar- oder Discothekenbetreiber.


"Soziale Ächtung trägt zu Verschleierung von Arbeitsverhältnissen bei"

LTO: Und wie steht es um die Schaffung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse?

von Galen: In diesem Punkt ist das Gesetz weitestgehend gescheitert. Woran das liegt, ist unklar. Zum Teil wohl am Selbstverständnis der Prostituierten, die ihr Geschäft eher als freie Arbeit denn als Angestelltenverhältnis betrachten, zum Teil auch an dem Wunsch, diesen sozial nach wie vor schlecht angesehen Beruf nicht gegenüber Arbeitsagentur und Rentenversicherungsträger anzugeben.

Sie müssen sehen, dass es in den meisten gesellschaftlichen Schichten nach wie vor schwer bis unmöglich ist, offen zuzugeben, dass man als Prostituierte arbeitet, ohne geächtet zu werden. Das bedeutet für die Frauen einen unheimlichen sozialen Druck. Viele von ihnen leben ein Doppelleben und wollen an so wenigen Stellen wie möglich angeben, wie sie ihr Geld verdienen. Die aktuelle Diskussion verbessert die soziale Stellung der Prostituierten leider herzlich wenig.

LTO: Hat es seit dem Erlass 2001 Änderungen am Prostitutionsgesetz gegeben?

von Galen: Nein. Ein Entwurf von CDU und FDP, der unter anderem vorsah, Bordelle zu überwachungsbedürftigen Gewerben zu machen, hatte zwar den Bundestag passiert, wurde aber in der letzten Sitzung des Bundesrates gekippt.

LTO: Nach den Wahlen sind die Karten neu gemischt. Die Union will die Gesetze verschärfen und es ist gut möglich, dass die SPD mitzieht. Ein maßgebliches Argument ist dabei der Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution. Aber wissen wir eigentlich, wie groß diese Probleme wirklich sind?

von Galen: Verlässliche Zahlen gibt es dazu praktisch nicht. Mein Eindruck nach Gesprächen mit den Beratungsstellen ist, dass es sich nur um einen relativ kleinen Prozentsatz aller Prostituierten handelt, aber natürlich ist jeder Einzelfall einer zu viel. Außerdem scheint es in der Tat so zu sein, dass durch die EU-Osterweiterung die Armutsprostitution insbesondere aus Rumänien und Bulgarien in Deutschland zugenommen hat.


"Wegen einzelner Missstände ein ganzes Gewerbe zu stigmatisieren, ist absurd"

LTO: Also wäre eine strengere Kontrolle sinnvoll?

von Galen: Das kommt drauf an. Ein Vorgehen gegen Menschenhandel ist natürlich sinnvoll, aber nicht in Form eines repressiven Vorgehens gegen Prostitution schlechthin. Wenn Sie zum Beispiel hören, dass in den Vereinigten Arabischen Emiraten Bauarbeiter schlecht behandelt werden und sogar wegen der schlechten Arbeitsbedingungen sterben, dann denken Sie darüber nach, wie man die Arbeitsbedingungen verbessern könnte – aber bestimmt nicht über ein grundsätzliches Verbot oder eine Beschränkung von Bauarbeiten.

Im Falle der Prostitution gibt es eine konservative, moralisierende Schicht, die das Gewerbe tatsächlich am liebsten ganz verbieten würde und den Schutz vor Menschenhandel vor ihren Karren spannt. Das ist kontraproduktiv, weil das Problem so nicht verbessert, sondern eher verschlimmert wird. In Schweden zum Beispiel, wo Prostitution illegal ist, geht es den natürlich trotzdem vorhandenen Prostituierten eher schlechter als besser.

LTO: Was wären denn sinnvolle Maßnahmen?

von Galen: Ein Ausbau des Beratungsangebots und ein proaktiver Umgang mit Prostituierten. Auf der Ebene der Beratungsangebote werden nicht genügend Kapazitäten bereit gestellt, um mit den Frauen zu arbeiten, sich in sie hineinzuversetzen, soziale Besuche zu machen und so in problematischen Situationen intervenieren zu können. Diese Arbeit kann auch nicht die Polizei übernehmen, die immer ein repressives Element hat und zu den Frauen nie den gleichen Zugang finden wird. Außerdem sollten Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, nicht nur für die Dauer der Ermittlungen ein Aufenthaltsrecht erhalten; das entsprechende Abkommen des Europarats hat Deutschland zwar ratifiziert, ist aber über das nötige Mindestmaß in Sachen Opferschutz nicht hinausgegangen.

Ein weiterer Punkt ist die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen. Im Zuge der angesprochenen EU-Osterweiterung wurde aus Sorge vor einer Flut von Billiglohnkräften eine erst Ende 2013 auslaufende, abgestufte Regelung geschaffen, wonach rumänische und bulgarische Bürger eine Arbeitserlaubnis benötigen. Die erhalten sie als Prostituierte aber nicht, und ob den EU-Bürgern Hartz IV zusteht, war ja bis vor kurzem auch offen und ist immer noch nicht endgültig geklärt. Wenn der Staat hier mehr auf die Frauen zuginge, ihnen womöglich sogar die Adressen seriöser Bordelle vermitteln würde, wäre damit ein wichtiger Schritt getan. Stattdessen ignoriert er sie, schafft Sperrgebiete, um sie auch räumlich auszugrenzen und sieht zu, wie sie mit der Hilfe zwielichtiger Gestalten in Deutschland ihr Glück suchen.

LTO: Jemanden zur Prostitution zu zwingen, ist natürlich auch heute schon illegal. Was hindert die Betroffenen eigentlich, zur Polizei zu gehen?

von Galen: Das ist leichter gesagt als getan. Sicherlich stehen teilweise Bedrohungen der Zuhälter im Raum. Einige Frauen kommen auch aus Ländern und Lebensumständen, die ohnehin katastrophal sind und sind es kaum besser gewöhnt. Das aufgeklärte und selbstbestimmte Frauenbild Deutschlands ist nicht in allen Teilen der Welt – oder auch nur Europas – so anzutreffen. Diese Frauen haben weder den Mut, das Selbstverständnis noch die Beratung und die Mittel, um sich rechtlich durchzusetzen.


"Eine gewerberechtliche Kontrolle wäre sinnvoll, wenn sie gut umgesetzt wird"

LTO: Ein konkreter Vorschlag, der in der Diskussion ist, ist eine gewerberechtliche Anzeige- oder Erlaubnispflicht für Bordelle. Was halten Sie davon?

von Galen: Ich fände das grundsätzlich nicht problematisch und potentiell nützlich – allerdings nur, wenn es auch sinnvoll umgesetzt wird. Derzeit erkennen 5 Bundesländer Bordelle überhaupt nicht als Gewerbe an, sie könnten sich dort also nicht mal anmelden, wenn sie wollten. In anderen Ländern wird den Betreibern von den Behörden teilweise geraten, sich lieber als Zimmervermietung oder ähnliches zu registrieren. Wenn nun gleich eine Erlaubnispflicht eingeführt würde, habe ich die Sorge, dass die Behörden darauf nicht ausreichend vorbereitet wären und uneinheitliche, teilweise unsinnige Standards an die Frage der Erlaubnisfähigkeit anlegen würden. Eine bundesweit einheitliche Anzeigepflicht, verbunden mit der Möglichkeit, zum Beispiel bei erheblichen Vorstrafen des Betreibers das Gewerbe zu untersagen, fände ich allerdings sinnvoll.


Bild
5 Bundesländer von 18 d.h. 27% oder knapp 1/3 der Länder erkennen den Betrieb von Sexarbeitsstätten nicht als Gewerbe an !!!

Jetzt nur noch 4: Thüringen, Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=136347#136347


LTO: Es gibt auch den Vorschlag, Freier zu bestrafen, die mit Zwangsprostituierten verkehren. Was halten Sie davon?

von Galen: Im Einzelfall gibt es da sicher Situationen, die strafwürdig sind. Häufig dürfte es aber schwierig werden, zu beweisen, dass der Freier die Zwangslage der Prostituierten kannte. Insgesamt halte ich es nicht für sinnvoll, weitere Akteure im Bereich der Prostitution zu kriminalisieren. Dort, wo Sanktionen notwendig sind, sollte man das Problem an der Wurzel packen, also weder bei den Prostituierten noch bei den Freiern, sondern bei den Vermittlern und Menschenhändlern.


"Was Frau Schwarzer tut, ist frauenfeindlich"

LTO: Zum Abschluss eine unjuristische Frage: Frau Schwarzer ruft aktuell in der Emma zu einer radikalen Zurückdrängung bis hin zu einem Verbot der Prostitution auf. Zahlreiche Prominente haben sich ihrem offenen Brief angeschlossen. Was halten Sie davon?

von Galen: Meines Erachtens kann man Frau Schwarzers Haltung in dieser Frage nur als klar frauenfeindlich bezeichnen. Sie will ihre persönlichen Maßstäbe von richtig und falsch zur verbindlichen Vorgabe für jede Frau machen. Es ist aber unbestreitbar, dass viele Frauen, die in diesem Gewerbe arbeiten, dies gern und freiwillig tun. Diese Frauen leiden nicht unter der Prostitution an sich, sondern unter der sozialen Stigmatisierung, zu der Frau Schwarzer maßgeblich beiträgt.

Dass es daneben in der Tat auch Missbrauch gibt, ist unbestritten, aber da kann ich nur zu meinem Bauarbeiter-Beispiel zurückkommen: Missstände im Einzelfall rechtfertigen nicht das generelle Verbot eines ganzen Gewerbes.


LTO: Frau Dr. Gräfin von Galen, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Constantin Baron van Lijnden.
http://www.lto.de/recht/hintergruende/h ... nispflicht
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 10.11.2013, 17:22, insgesamt 3-mal geändert.

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Arbeitsgruppe Frauen und Familien Menschenhandel

Beitrag von fraences »

Zwischenbericht der Koalitionsverhandlungen:
Arbeitsgruppe Frauenpolitik zur Prostitution


Ein sehr kurzer aber informationsdichter Nachrichtenclip


Zusammenfassung der Interviews:

Nicole - Sexarbeiterin seit 5 Jahren am Essener Straßenstrich
"Niedrige Preise alles unter 30 Euro. Stressige Arbeit. Probleme interessieren die Männer nicht. Schneller Sex für wenig Geld. Das Privatleben geht die Freier doch gar nichts an."

Bilder von Pussy-Club und Groß-Razzia

Patrizia Chudalla - Solwodi
Vom Idealbild der selbstbestimmten Sexarbeiterin sei nichts geblieben.
Sie betreue Mädchen aus Bordellen im Ruhrgebiet. Manche sind erst 14 Jahre
"Frauen berichten dass sie unter Zwang quasi arbeiten.
Dass sie länger auch nicht die Preise bestimmen können, dass die Preise vorgegeben werden.
Das auch vorgegeben wird welche Dienstleistungen sie anzubieten haben. Auch das können sie zum Teil nicht selber entscheiden."

[ Solwodi muß offensichtlich herhalten, um die medial gutverkäuflichen Horrorszenarios auszubreiten. Das ist sowohl im Interesse der Medienberichterstattungs-Eigengesetzlichkeiten (sex & crime) als auch im Interesse politisch konservativer Kreise, die den Aufbau von solchen Helfervereinen fördern, damit ihnen solche Argumente dann geliefert werden können für eine moralisch-symbolische Politik von Law&Order. Alles was sie berichtet sind eindeutige Straftaten, gegen die auch vorgegangen wird. Andererseits sind die Preise auch vom Markt bestimmt (Marktgleichgewicht) also "vorgegeben" (Nachfragermarkt) und es haben sich in den Betrieben gewiss auch schlechte Konventionen herausgebildet (ohne Kondom... also negative "Anpassungsleistungen" der Branche). Anm. Marc]


Koalitionsgespräche, Arbeitsgruppe Familien- und Frauenpolitik:

Manuela Schwesig SPD-Verhandlungsführerin
"Erlaubnispflicht zum Betrieb von Prostitutionsstätten soll ausbeuterische Praktiken wie Flatrate Sex und anderes verbieten"

Annette Widmann-Mauz CDU/CSU-Verhandlungsführerin
"Aufenthaltsrecht unabhängig von Prozessaussage für Opfer von Menschenhandel"


Sebastian Fiedler - Bund Deutscher Krimnalbeamter
"Betretungs- und Kontrollrechte müssten durch Spezialgesetz ermöglicht werden wie in Gaststätten"

Johanna Weber - Sexwork Interessenverbund Deutschland
"Sexarbeit und Menschenhandel muß unterschieden werden. Es hilft den betroffenen Frauen auch nicht, wenn eine ganze Branche per se kriminalisiert wird."


Bericht Alexander Roettig
2 Minuten
www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/ ... htes-Image

[Text ergänzt Marc]



Bericht der ARD
[youtube][/youtube]
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"Reform" des ProstG: Aktueller Stand

Beitrag von Snickerman »

Große Koalition: Union und SPD wollen härter gegen Zwangsprostitution vorgehen

Die Behörden haben bisher wenig Möglichkeiten, gegen Zwangsprostitution vorzugehen. Das wollen Union und SPD in einer Großen Koalition ändern. Die Parteien einigten sich darauf, die Opfer sexueller Ausbeutung besser zu schützen. Auch bei anderen Themen verständigten sich die Unterhändler - ein Überblick.

Berlin - Union und SPD haben sich darauf verständigt, Zwangsprostitution und Menschenhandel in Deutschland besser zu bekämpfen. Das Prostitutionsgesetz soll umfassend reformiert werden. Das gaben die Arbeitsgruppen Innenpolitik sowie Familie und Frauen am Freitag bekannt.

Der SPD-Vorsitzende der Innenpolitik-Arbeitsgruppe, Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, sagte: "Wir wollen die Opfer schützen." Betroffene Frauen sollten etwa eine Möglichkeit bekommen, in Deutschland zu bleiben und nicht abgeschoben zu werden.

Der geschäftsführende Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der die Gruppe mit Oppermann leitet, sagte: "Wir können und dürfen die sexuelle Ausbeutung von Menschen in diesem Lande nicht akzeptieren." Bisher hätten die Behörden kaum Handhabe, um gegen Zwangsprostitution vorzugehen. Das solle sich ändern.

Flatrate-Sex künftig verboten

Geplant seien beispielsweise mehr Kontrollmöglichkeiten in Bordellen. Union und SPD seien in dieser Frage sehr weit gekommen - in Übereinstimmung mit der Arbeitsgruppe zur Frauenpolitik. Ausbeuterische Praktiken wie Flatrate-Sex sollen künftig verboten werden. Freier sollen belangt werden können, wenn sie willentlich und wissentlich die Zwangslagen von Frauen ausnutzen. Details stehen noch nicht fest.

"Es muss Schluss sein damit, dass Zwangsprostitution und Menschenhandel in Deutschland an der Tagesordnung sind. Und es muss Schluss sein damit, dass Frauen in der legalen Prostitution ausgebeutet werden", sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig.

Die bisherige schwarz-gelbe Koalition hatte in den vergangenen Monaten bereits Gesetzespläne gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel auf den Weg gebracht. Bordelle sollten demnach der Gewerbeaufsicht unterstellt werden. Der rot-rot-grün dominierte Bundesrat hatte das Vorhaben im September jedoch als unzureichend kritisiert und gestoppt.

http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 32593.html
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ZDF login | Sex gegen Geld verbieten?"

Beitrag von lemon »

[youtube][/youtube]

Unsere Diskussion zur Sendung
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=136204#136204



Anmerkung an die Administratoren: Falls das Video nicht dargestellt wird, bitte entsprechend korrigieren.

Der youtube tag geht nur mit http nicht https und nur mit youtube.com nicht youtu.be
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »

Ich stelle das Dokument einmal in diesem Zusammenhang auf sexworker.at. Falls es an einem anderen Ort besser aufgehoben sein sollte, bitte ich die Moderator_innen den Beitrag zu verschieben. Es handelts sich um die:

Position der DSTIG zur Sexarbeit

Warum ein Statement der DSTIG zur gesetzlichen Regelung der Prostitution?


Auch wenn in der letzten Legislaturperiode des Bundestages das "Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten", nicht mehr verabschiedet wurde, geht die politische und gesellschaftliche Diskussion zum Thema Prostitution weiter. Neue Gesetzesvorhaben, z.B. zur Regelung des Betriebes von Prostitutionsstätten, sind zu erwarten.

Die DSTIG ist eine Fachgesellschaft, in der sich Fachleute aller relevanten Disziplinen der Praxis, Forschung und Wissenschaft der Förderung der sexuellen Gesundheit widmen.

Die vielfältige interdisziplinäre Expertise der DSTIG bringt gesundheitspolitische Aspekte in die Debatte ein und kann dazu beitragen, diese zu versachlichen.


Position


Anlässlich ihres Fachtages zur sexuellen Gesundheit am 8. und 9. November 2013 in Köln erklärt die Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG):

Um die sexuelle Gesundheit zu fördern, brauchen Menschen in der Sexarbeit in Deutschland
- rechtliche Sicherheit sowie
- gesellschaftliche Akzeptanz

Aus Sicht der DSTIG mangelt es bislang an der praktischen Umsetzung der für Sexarbeit relevanten Gesetze: des Infektionsschutzgesetzes und des Prostitutionsgesetzes.

Beide Gesetze bieten die Voraussetzungen für ganzheitliche und sowohl infektions-epidemiologisch als auch strafrechtlich zeitgemäße Angebote, die die sexuelle Gesundheit imZusammenhang mit Sexarbeit fördern. Ihre Umsetzung muss dem heutigen Stand der fachlichen Erkenntnisse folgen. Sie darf nicht alle in den lokalen politischen Schwerpunkten oder den finanziellen Möglichkeiten einzelner Kommunen überlassen bleiben.

Strafbarkeit von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung und Vergewaltigung gilt in der Sexarbeit ebenso wie in jedem anderen gesellschaftlichen Zusammenhang. Hier bedarf es keiner weiteren gesetzlichen Regelung für die Sexarbeit.

Die DSTIG betont:

Um die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz sowie die soziale Gleichstellung von Sexarbeiter_innen zu erreichen, sind auch im gesundheitlichen Bereich spezifische Angebote erforderlich.

Von zentraler Bedeutung ist der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung für alleAkteur_innen in der Sexarbeit (Anbietende und Nachfragende). Dieser muss anonym und ggf. unabhängig vom Versicherungsschutz möglich sein, d.h. bei Bedarf auch steuerfinanziert. Für einige Bereiche der Sexarbeit muss dieser Zugang durch kontinuierliche aufsuchende Arbeit unterstützt werden.

Pflichtuntersuchungen

- dienen weder der Gesundheit des Individuums noch der Gesellschaft
- beeinträchtigen die Förderung der sexuellen Gesundheit
- sind grundgesetzwidrig und verletzen die Würde der Menschen
- erfüllen den Tatbestand der Körperverletzung
- verhindern weder Menschenhandel noch sexuelle Ausbeutung.

Die DSTIG weist darauf hin, dass die Erfahrungen mit dem Thema HIV den Weg für die Förderung sexueller Gesundheit auch in der Sexarbeit weisen.

Akzeptanz und Fachlichkeit

Sexarbeiter_innen benötigen Angebote zur Gesundheitsförderung, in denen Akzeptanz mit Fachlichkeit verbunden ist. Neben der medizinischen und der beraterischen Kompetenz muss spezifisches Know-how insbesondere zur Epidemiologie von STI und zu den vielfältigen Formen von Sexualität vorhanden sein. Um wirksam werden zu können, müssen Angebote außerdem die hohe Mobilität und die begrenzten Ressourcen vieler Sexarbeiter_innen berücksichtigen (z. B. durch Sprach- und Integrationsmittler_innen sowie durch kostenlose Angebote für nicht-versicherte Bedürftige).

Kooperation von ÖGD und NGOs

Public Health erwächst aus qualifizierten Strukturen. Strategien gegen STI und zur Förderung der sexuellen Gesundheit sind umso erfolgreicher, je enger sie in Kooperation von staatlichen Stellen mit den betroffenen oder bedrohten Menschen entwickelt werden. Die Ausstattung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) mit allen nötigen Ressourcen (finanziell, strukturell, personell) ist daher eben so erforderlich wie die Anerkennung der zivilgesellschaftlichen Organisationen (Nichtregierungsorganisationen – NGO), wie Fachberatungsstellen für Prostituierte in unterschiedlicher Trägerschaft und andere.

(Überarbeitung von Elfriede Steffan et al, Berlin,28.10. 2013 nach Auswertung aller Rückmeldungen zum ersten Entwurf aus der DSTIG)


http://www.dstig.de/images/Akteulles_Ne ... 1.2013.pdf
http://www.dstig.de/

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

er praktischen Umsetzung der für Sexarbeit relevanten Gesetze: des Infektionsschutzgesetzes und des Prostitutionsgesetzes.

Beide Gesetze bieten die Voraussetzungen für ganzheitliche und sowohl infektions-epidemiologisch als auch strafrechtlich zeitgemäße Angebote, die die sexuelle Gesundheit imZusammenhang mit Sexarbeit fördern


Verstehe den Satz jetzt nicht, wieso ist das Infektionsschutzgesetz und das Prostitutionsgesetz strafrechtlich??
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »

Als Nachtrag zum vorhergehenden Beitrag aber, da sachlich neuer Zusammenhang, hier noch ein paar Zitate aus der DSTIG Tagung:

Prof. Barbara Kavemann hat in ihrem Referat auf der Fachtagung der DSTIG (Deutschen Gesellschaft für sexuell übertragbare Infektionen) zur "STI Forschung im Austausch mit Sexarbeiterinnen, Kunden und Betreibenden", am 09.11.2013 festgehalten: "Kontrollen in Betrieben der Sexarbeit durch die Polizei (Razzien K.F.) sind kein geeignetes Mittel zur Erhebung von Straftaten aus dem Bereich des Menschenhandels, der dirigistischen Zuhälterei und der sexuellen Ausbeutung" (Aussage von Frau Prof. Kavemann bei der Tagung mitgeschrieben, K.F.)

Prof. Dr. med. Norbert H. Brockmeyer, Versitzender der DSTIG, nahm im Schlusswort Stellung zur derzeitigen Debatte zu Sexarbeit. Er stellte fest, dass in der Debatte eine Rückkehr zu einem repressiven Umgang mit der Sexarbeit bevorzugt wird. Bezugnehmend auf die o.g. Position der DSTIG sagte er: "Wir müssen wachsam sein. Bedenken sie, das der Schwulenparagraph 1928 bereits gekippt werden sollte und es dann beinahe 50 Jahre gedauert hat, dass er unter erneut demokratischen politischen Bedingungen in Deutschland tatsächlich abgeschafft worden ist." (Mitschrift der Aussage von Prof. Brockmeyer auf persönliche Nachfrage, K.F.)


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Beitrag von fraences »

Es erstaunt mich sehr, das die Fachwelt eine andere Sprache spricht, bzw. sie können nur eine Empfehlung aussprechen, die Realtität eine andere ist.

Gerade nach dem ProsSTG haben der Polizeikontrollwahn zugenommen.
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »

@ frances,

wie das genau gemeint ist, dazu müsste natürlich die DSTIG befragt werden. Aus dem Zusammenhang der Tagung 8./9. verstehe ich das mit Bezug auf den folgenden Satz des Positionspapieres: "Strafbarkeit von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung und Vergewaltigung gilt in der Sexarbeit ebenso wie in jedem anderen gesellschaftlichen Zusammenhang. Hier bedarf es keiner weiteren gesetzlichen Regelung für die Sexarbeit." so, dass die DSTIG der Auffassung ist, dass eine zusätzliche strafrechtliche Regulierung der Sexarbeit überflüssig ist, da es im Strafgesetzbuch bereits hinreichende Regelungen zum Schutz der persönlichen Unversehrtheit und der sexuellen Selbstbestimmung gibt.

Herzlich Klaus

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Diakonie will OHS

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Diakonie-Chefin Berlin-Brandenburg Susanne Kahl-Passoth


- Notwendig sei ein bundesweit gültiges Rahmenkonzept zur Umsetzung des Prostitutionsgesetzes sowie

- eine Erweiterung der Regeln über Hygienestandards und Arbeitsschutzmaßnahmen.

- "Das Betreiben eines Bordellbetriebes muss genehmigungspflichtig gemacht werden", so Kahl-Passoth weiter.

- Frauen, die in dem Bereich arbeiten, sollten im Übrigen mindestens 21 Jahre alt sein.

- Da Menschenhandel eine Straftat sei, müssten Kunden, die zu Opfern von Menschenhandel gehen, bestraft werden können. "Das muss rigoroser verfolgt werden", betonte die Berliner Diakonie-Chefin.

- sie fürchtet für die Region Berlin-Brandenburg bei einem Verbot eine Zunahme von Clubs und Bordellen entlang der Grenze auf polnischer Seite wo Frauen ungeschützter sind und leicht Opfer werden können.

- Prostitutionsverbot sei der falsche Weg. Gewinner eines Verbotes wären vor allem Zuhälter und Menschenhändler


http://aktuell.evangelisch.de/artikel/8 ... ionsverbot





Vorbild für Arbeitsschutz-Standards Sexwork:

OHS - occupational health and safety
Neuseeland wo Prostitution 2003 vollständig Entkriminalisiert wurde


http://www.business.govt.nz/healthandsa ... dustry.pdf