Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Abgesehen vom Fehlen der nötigen Hilfsinstitutionen für Sexworker findet hier auch alles Platz, was ihr an bestehenden Einrichtungen auszusetzen habt oder loben wollt
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Zwerg
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Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Beitrag von Zwerg »

Seit einigen Wochen gibt es in Österreich Gerüchte - gestreut durch MitarbeiterInnen der verschiedenen Finanzämter und in Folge von verunsicherten BetreiberInnen...

Zur Vorgeschichte: Entgegen den gesetzlichen Bestimmungen war es in Österreich über Jahre hinweg üblich, dass in manchen Bundesländern von SexarbeiterInnen durch BetreiberInnen monatlich Beträge einbehalten worden sind um diese dem Finanzamt zu überweisen. In den meisten Fällen erhielten die SexarbeiterInnen KEINE Bestätigung durch die BetreiberInnen und in manchen (!) Fällen (ich betone, dass dies keine globale Unterstellung sein soll, dass Alle so gehandelt haben) soll es vorgekommen sein, dass die Beträge nur teilweise abgeführt worden sind.....

Diese undurchsichtige und auch unseres Erachtens ungesetzliche Handlungsweise kritisieren wir seit Langem - und wurden diesbezüglich auch von allen Fachleuten mit welchen wir gesprochen haben, bestärkt. Ausnahmslos alle SteuerberaterInnen, die wir zu rate gezogen haben, waren der Meinung, dass die geschilderte Vorgehensweise auch von Seiten der Finanzämter nicht gedeckt war.

Nun gut: Voriges Jahr gab es ein Urteil des VwGG, der unsere Vermutung bestätigte - Es ist nicht möglich, somit auch nicht gesetzlich, über diese Vorgehensweise irgendwelche Abzugssteuern von SexarbeiterInnen in Österreich zu kassieren. Im Urteil wurde auch vermerkt, dass es aus der Sichtweise der Finanz kein Problem darstellt "UNSELBSTSTÄNDIGE SexarbeiterInnen" als Beschäftigte im Wirtschaftsbetrieb einzugliedern - sie also anzustellen....

Dies mag zwar so sein, nur steht dem das Strafrecht gegenüber: Wer eine SexarbeiterIn anstellt - der hätte dann eine weisungsgebundene SexarbeiterIn in seinem/ihren Betrieb und könnte dann gleich die Staatsanwaltschaft informieren, dass er/sie als Zuhälter unterwegs ist (die Einschränkung der Weisungsgebundenheit, wie wir sie in D im Prostitutionsgesetz verankert kennen, gibt es in AT nicht). Mit anderen Worten: Es ist UNMÖGLICH eine SexarbeiterIn anzustellen, ohne mit dem Strafrecht in Konflikt zu kommen.... Davon abgesehen, ist nach allen Definitionen die wir kennen Sexarbeit nur auf selbstständiger Basis möglich - Es liegt in der Natur der Sexarbeit, dass die Ausübende ausschließlich selbst entscheidet, was und wann sie etwas ausübt! Sexarbeit muss selbstbestimmt ausgeführt werden!

Das Bundesministerium für Finanzen sieht dies jedoch nicht so - mit anderen Worten: Unterläuft die Selbstbestimmtheit von SexarbeiterInnen und treibt BetreiberInnen in die Illegalität, wie aus folgenden "Informationsblättern" ersichtlich ist:

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Heißt im Klartext: Sucht Euch als BetreiberInnen aus, welches Gesetz ihr lieber brechen möchtet.... Ein rechtlicher Supergau, der noch durch die Aussagen mancher Finanzbeamter gesteigert wird.

Mindestens 2 BetreiberInnen die wir kennen haben uns berichtet, dass sie folgende Anweisungen bekommen haben: Ab 1.4. könne man nicht mehr nach dem "alten Modell" abrechnen - und statt Dessen müsse der/die BetreiberIn 1000,- Euro monatlich an Lohnsteuervorauszahlungen pro SexarbeiterIn einbehalten und überweisen.....


christian knappik
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Angelique
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Beitrag von Angelique »

Wie kann das Finanzamt etwas regeln, das verboten ist?
Soweit ich weiß ist Wohnungsprostitution in Österreich verboten, und Sexworkerinnen dürfen nur selbständig tätig sein. In der Liste sind auch unselbständige SW erwähnt.
Weiß da ein Amt nicht, was das andere macht?


???

Klaus Fricke
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RE: Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Beitrag von Klaus Fricke »

unglaublich.

Wenn man in D die Bestrebungen sieht, das eingeschränkte Weisungsrecht laut ProstG zu einem völligen Verbot der Weisungsbefugnis durch eine_n eventuellen Arbeitgeber_in zu wandeln und die Überlegungen zur Scheinselbständigkeit mit einbezieht, wären wir in D in einer ähnlich prekären Lage. Der Status der Selbständigkeit wäre SW steuerrechtlich genommen und jegliche betriebliche Vereinbarung zwischen Betreibenden und zwangsunselbständigen SW wäre ausbeuterische Zuhälterei. Zwangsprostitution wäre so definitorisch allgegenwärtig und alle Kund_innen im Sinne der light Version des schwedischen sex-purchase-laws potentielle Kriminelle.

Politisch befürchte ich, ist nicht ausreichend Druck da, um Veränderungen bewirken zu können. So die Fragen:

Gibt es noch Rechtsmittel gegen diese Entwicklung?
Was können wir
(alle, Lara, Klaus und Mieterinnen) zur Unterstützung eventuell klagebereiter SW und Betreibender tun?

Grüße aus Bremen

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Beitrag von Zwerg »

@Klaus

Rechtsmittel kann man, laut Auskunft der Finanzämter, erst gegen etwaige Bescheide ergreifen. Den BetreiberInnen bleibt zur Zeit nur der Weg des Ignorierens, um nicht mit dem Strafrecht in Konflikt zu kommen (kleines Detail am Rande: Die Mindeststrafe beim Tatbestand der Zuhälterei wurde erst vor Kurzem in AT angehoben, mit der Begründung "das die Polizei jetzt abhören dürfe")

Mit Grausen bekomme ich Rückmeldungen, dass einige BetreiberInnen bereits mit Anwälten Modelle austüfteln um die "Anmeldung" zu umgehen - und dies eindeutig zu Lasten der SexarbeiterInnen.

Da das Finanzamt explizit im Schreiben darauf hinweist, dass Selbstständigkeit vorliegen würde, wenn die SexarbeiterInnen "Alles" vom Gast kassieren, also auch Getränke (in Bars), scheinen manche in diese Richtung gehen zu wollen.... Was wieder zusätzliche Problemstellungen aufwirft. In dem Augenblick würden sämtliche Steuern (auch Alkoholsteuer, Umsatzsteuer vom Gesamtumsatz und Dergleichen) zu Lasten der SexarbeiterInnen gehen. Davon abgesehen, dass es einer eigenen Konzession bedarf, um Alkohol ausschenken zu dürfen...

Es geschieht das in Folge, was mit dem Wr. Prostitutionsgesetz bereits begonnen wurde - die BetreiberInnen, welche die Rechte der SexarbeiterInnen missachten, haben leichteres Spiel wie vorher - und die Jenigen, die sehr wohl Achtung vor der Tätigkeit der SexarbeiterInnen haben, können voraussichtlich zusperren um nicht automatisch kriminalisiert zu werden.

christian

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Beitrag von Zwerg »

Lohnsteuer für Prostituierte macht Bordellchefs automatisch zu Zuhältern

Die Finanz will, dass Rotlicht-Manager die Steuer einbehalten. Damit können sie sich aber strafbar machen.

Christoph Lielacher erzählt oft, er sei "atypisch" für das Gewerbe. Dann schildert er seinen Weg – vom bürgerlichen Job als Werber ins Rotlicht. "Ich bin ursprünglich gekommen, um den Betrieb zu sanieren", erzählt er. Der Wiener Betrieb ist Österreichs größtes Bordell, der "Funpalast". 50 Prostituierte arbeiten hier.

Derzeit sitzt Lielacher in der Zwickmühle. Betreibt er seinen Club weiter, ist eine Gesetzesübertretung vorprogrammiert – entweder Schwarzarbeit oder Zuhälterei. So geht es nicht nur Lielacher.Viele Lokal-Betreiber erhielten kürzlich Post von der Finanz. Ab 1. April, so steht es geschrieben, werden Prostituierte in Bordellen, Saunaclubs und Massagesalons nicht mehr als Selbstständige, sondern als Angestellte gesehen. Die Finanz schielt dabei auf die Lohnsteuer – und hat vermutlich auf eine Besonderheit des Gewerbes vergessen. Wenn Bordellchefs die Lohnsteuer so wie anderen Unternehmer einbehalten, könnten sie sich strafbar machen – nämlich der Zuhälterei (§ 216, Strafgesetzbuch, Strafausmaß zwei Jahre Haft).

Wer im Rotlicht tätig ist, weiß das. Lielacher sowieso: "Ich spiele sicher nicht für die Finanz den Zuhälter." Weder dürfe noch wolle er Geld einheben. In seinem Club würden die Sexarbeiterinnen und die Freier Eintritt zahlen. "Der Rest ist Sache der Frauen."

Die Finanz selbst bezeichnete die bisherige Praxis als "uneinheitlich". Dies hätte laut dem Schrieb "immer wieder zu Berufungsverfahren" geführt. Den Ausgang eines solchen Prozesses will der Fiskus nun nutzen, um klare Regeln umzusetzen.

In dem Verfahren ging es um einen Bordellchef, der bis vor den Verwaltungsgerichtshof zog, um die Lohnsteuerpflicht einer Prostituierten anzufechten. Mit seiner Beschwerde blitzte er auch in letzter Instanz ab.
Kriterien-Katalog

Ab wann sind Sexarbeiterinnen Angestellte und wann Selbstständige? Die Finanz hat sich hierfür einen Kriterien-Katalog zurechtgelegt. Es geht darin um die Preisgestaltung, das Inkasso, vorgegebene Öffnungszeiten und anderes. Entscheidet darüber die Prostituierte, ist sie selbstständig, andernfalls angestellt. Überdies, heißt es auf KURIER-Anfrage, sei das Einbehalten der Lohnsteuer nicht an sich schon Zuhälterei: Die Lohnsteuerpflicht könne erfüllt sein, " ohne dass ein Konflikt mit § 216 StGB entsteht".

Nicht nur Bordell-Betreibern bereitet der Erlass Kopfzerbrechen. Christian Knappik, Sprecher der Plattform "sexworker.at", befürchtet, dass der Betreiber nun "auch rechtlich die Stellung eines Chefs" hat. Frauen wären damit weisungsgebunden, müssten tun, was der Chef verlangt. "Für uns ist eine weisungsgebundene Prostitution der größte Graus." Diese neue Praxis sei auch nicht durchdacht: Weder die Sozialversicherung noch die betroffenen Frauen seien informiert.

In Oberösterreich regt sich gegen die Lohnsteuerpflicht Widerstand. Mehrere Bordellbetreiber schlossen sich zusammen und engagierten einen Anwalt. Eine Handhabe haben sie erst, wenn der erste Bescheid eintrudelt.

Lielacher setzt lieber auf Gespräche mit den Verantwortlichen: "Dieser Erlass widerspricht derzeit dem Strafgesetz."

http://kurier.at/chronik/wien/lohnsteue ... 53.164.783

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RE: Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Beitrag von Zwerg »

Angst vor "Chaos in Bordellen"

SN Print | 28.02.2014

Kriminalisiert? Das Finanzministerium will Prostituierte teilweise als Angestellte einstufen. Nun fürchten Bordellbetreiber, sich kollektiv wegen Zuhälterei strafbar zu machen.

Wien (SN-resch, schli). Muss das Arbeitsmarktservice künftig Sexarbeiterinnen vermitteln und wäre das dann Zuführung zur Prostitution? Werden Bordellbetreiber künftig durch das Steuerrecht dazu gezwungen, den Tatbestand der Zuhälterei zu erfüllen?

Die Rotlichtszene versucht derzeit in einer PR-Kampagne gegen neue Vorschriften der Finanzverwaltung zu mobilisieren. Von „Katastrophe“ ist die Rede und davon, dass die bisher „geordnete“ Prostitution in den Bordellen in die Illegalität abrutschen würde.

Grund der Aufregung: Die Finanzverwaltung versendet Mitteilungen an Bordellbetreiber, wonach ab 1. April die Einkünfte aus der Tätigkeit von Sexdienstleisterinnen „gemäß den tatsächlichen Verhältnissen“ zu besteuern sind. Die Betreiber einschlägiger Lokale befürchten deshalb, dass künftig alle Sexdienstleisterinnen als Angestellte angemeldet werden müssen, da auch ein klarer Kriterienkatalog der Finanz existiert, der Sexarbeit in Bordellen, Animierlokalen und Saunaclubs als nicht selbstständige, angestellte Tätigkeit charakterisiert.

Warum das so problematisch ist? Aus Sicht von Betreibern und auch Sexarbeiter-Beratungsstellen macht sich automatisch strafbar, wer eine Prostituierte anstellt. Denn das ist Zuhälterei – und die ist in Österreich verboten. Das ist auch der Grund, warum Prostituierte bisher alle eine offiziell selbstständige Tätigkeit ausübten. So sieht es auch Christian Knappik, Sprecher des Vereins Sexworkerforum, so sieht man es bei der Salzburger Prostituiertenberatung PIA, so sieht es Richard Schweiger, Geschäftsleiter einer der größten heimischen Bordellketten. Unisono sprechen sie von einem „absurden Vorgehen“ der Finanz, welches „Chaos in den Bordellen“ auslösen würde.

Konkret teilten die Finanzbeamten jetzt schriftlich mit, dass etwa das Vorhandensein einer Bar für eine unselbstständige Tätigkeit spreche, ebenso einheitliche Preise in einem Bordell, oder der Umstand, dass die Frauen ihre Arbeitszeiten an den Öffnungszeiten des Hauses orientierten.

Für ein Angestelltenverhältnis spreche demnach auch, wenn der Sexualkontakt an der Bar angebahnt werde. Alles Merkmale, die freilich auf praktisch jeden Vergnügungsbetrieb der Rotlichtbranche zutreffen, Laufhäuser vielleicht teils ausgenommen.

Eine Sprecherin des Finanzministeriums betonte, es gebe eine steuerrechtliche Definition der Nichtselbstständigkeit und eine arbeitsrechtliche. „Wir beurteilen nur die steuerrechtliche.“ Diese steuerrechtliche Beurteilung „zwingt keine Sexdienstleisterinnen in ein arbeitsrechtliches Dienstverhältnis, sondern zielt ausschließlich darauf ab, nach den tatsächlichen Verhältnissen in einem Bordellbetrieb zu besteuern“ Die Rechtsmeinung des Finanzministeriums ist aber jedenfalls: Man kann unselbstständig in einem Bordell arbeiten – der Betreiber fällt deshalb noch nicht zwangsläufig unter den Zuhälterei-Paragrafen. Im Hintergrund des Vorgehens der Finanz steht eine Entscheidung des VwGH, vor dem ein Bordellbetreiber mit der Anfechtung der Lohnsteuerpflicht einer Prostituierten abblitzte.

Eine Vermittlung von Sexarbeiterinnen durch das AMS wird es jedenfalls nicht geben. Eine Sprecherin des AMS erklärte den SN, dass dies schon von der Frage der Zumutbarkeit der offenen Stellen abhänge. Die Tätigkeit dürfte nicht sittenwidrig, gesundheitsgefährdend oder gesundheitsschädlich sein und müsse kollektivvertraglich entlohnt werden. Schon aufgrund der Sittenwidrigkeit könne und werde es keine Vermittlung von Sexdienstleisterinnen durch das AMS geben.

http://search.salzburg.com/display/sn01 ... 1-51442228

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Jetzt ist dann Alles klar..... Besonders klar ist, dass das die Aufhebung der Sittenwidrigkeit von sexuellen Dienstleistungen noch nicht bis in allen Orten Österreichs durchgedrungen ist....

Irgendwie muss man sich das auf der Zunge zergehen lassen: Das Finanzamt meint, dass eine Versteuerung als Nichtselbstständige von "Neuen Selbstständigen" durchaus vereinbar ist, also mit Jemand den man nicht soziailversicherungstechnisch anmelden kann.... Das die Betroffenen dann im Niemandsland angesiedelt sind (oder vielleicht dann doppelt Steuern abführen müssen) dürfte Niemand interessieren. Das damit auch jede sozailversicherungsrechtliche Absicherung den Bach runter gehen würde, ist auch nur ein Nebengeräusch.

Wenn man sich dann zum Thema bei der Arbeiterkammer schlau machen möchte, so fällt einem gleich beim ersten Satz "ArbeitnehmerInnen erhalten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Diese Einkünfte unterliegen der Lohnsteuer (Einkommensteuer). Der Arbeitgeber hebt die Lohnsteuer ein und führt sie direkt an das Finanzamt ab." folgende Frage ein.... Wer ist der Arbeitgeber einer SexarbeiterIn??? Wieso soll Lohnsteuer fällig sein, für Jemand, der keinen Lohn (schon gar nicht vom Betreiber) erhält??? Kassiert jetzt eine SexarbeiterIn im Namen und Auftrag des Arbeitsgebers von KundInnen den "Lohn" - oder doch nicht im Auftrag? Müsste dann nicht der Kunde??? Sie muss einen Teil Ihres erzielten Umsatzes an den Betreiber abliefern? Und ist aber nicht weisungsgebunden? Denn dann wäre es ja wieder Zuhälterei.... Und wer entscheidet über die Höhe des abzuführenden Betrages? Geht es dann Phi mal Daumen....? Denn die Lohnsteuer wird verdienstabhängig berechnet... (Freigrenzen nicht vergessen!)

Bei der Geschichte wäre wirklich einiges zu klären - Vor Allem gehört geklärt, wann die Jenigen, die es betrifft (die zahlen sollen!!!) dann endlich informiert werden. Bisher sind keine entsprechenden Informationen an die SexarbeiterInnen raus gegangen. Speziell darüber informiert, dass sie ihre Steuernummer zurückgeben sollten und eigentlich doch nicht als Selbstständig gelten.....

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RE: Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Beitrag von Zwerg »

Es wird noch spannender...

Finanzämter schicken an BetreiberInnen Schreiben, in welchen sie aufgefordert werden, sich zu deklarieren, wo die Lohnkonten geführt werden würden.... Und dann ist in den Schreiben auch noch von "Lohnzetteln" die Rede....

Muss man sich dann wirklich auf der Zunge zergehen lassen - Jemand der keinen Lohn zahlt, ja nicht einmal die Einnahmen in irgendeiner Weise kontrollieren kann bzw. darf (denn dann würde er eine Prostituierte überwachen)....

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RE: Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Beitrag von Jupiter »

Es würde mich kaum noch wundern, wenn der Amtsschimmel jetzt noch besondere Formulare gestaltet.

Es bleibt mir nur noch ein ungläubiges Kopfschütteln.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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RE: Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Beitrag von Zoolook »

Als Laie denkt man sich, dass Gesetze die sich scheinbar derart diametral widersprechen (Steuerrecht vs Prost_G) von der Verfassung her schon nicht erlaubt sind ??

Also eine Seite wird hier wohl nachgeben müssen. Entweder fällt das mit der Angestellten-Idee, oder eine Anstellung erfüllt nicht mehr den Tatbestand der Zuhälterei. Aber zwei Gesetze die einen Betroffenen dadurch derart in die Zwickmühle befördern können ja unmöglich den Grundsätzen einer Verfassung entsprechen, oder?

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RE: Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Beitrag von Melanie_NRW »

Naja, mich wundert da gar nichts mehr.

So müssen hier in Deutschland ja auch Menschenhändler, die nachweislich dazu Frauen gezwungen haben, ihr "Einkommen" versteuern.

Oder in Schweden müssen die Sexarbeiter auch Steuern zahlen, obwohl ihre Einkünfte ja sogesehen von einer Straftat stammen, denn der Sexkauf selbst gilt dort als solche.

Insofern wird es sie wohl wenig interessieren, wenn sich die Betreiber in dem Moment strafbar machen. Hauptsache das Staatssäckl ist gefüllt. Beim Geld endet halt die Moral.

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RE: Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Beitrag von Zwerg »

Immer mehr BetreiberInnen melden sich bei uns mit nahezu gleich lautenden Anfragen.

In den meisten Fällen wird uns mitgeteilt, dass BetreiberInnen, die am Finanzamt wegen der obenstehenden Infoblätter nachfragen, unmissverständlich zur Antwort bekommen: "Wenn Sie nicht wollen, oder glauben Sie können nicht, so geht es auch Anders.... " und dann geht es sinngemäß in Richtung "wir haben die rechtlichen Mitteln um das Umzusetzen. Prüfung... direkte Nachfrage... wiederholte Nachschau im Lokal...." - So wie es uns erzählt wird, klingt es fast wie Drohungen, die da im Raum stehen.

Ich persönlich kann jeden Betreiber nur raten derartige Gespräche entsprechend zu protokollieren (zumindest ein Gedächtnisprotokoll zu verfassen) und sich direkt an das Bundesministerium für Finanzen mit einer Beschwerde zu wenden. Ebenso könnte man bei der Arbeiterkammer Unterstützung erbitten.

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Ich finde es völlig absurd, dass der Spruch des unabhängigen Finanzsenates "dass eine Versteuerung aus Vereinfachungsgründen nach §99 EStG dem Gesetz fremd ist" so verstanden werden kann, dass eine "Versteuerung aus Vereinfachungsgründen unter einem anderen Namen rechtens wäre" - Insbesondere deshalb, da die Finanzämter scheinbar schon wieder Fixbeträge monatlich überwiesen haben möchten.... (unabhängig von Höhe des Einkommens usw...) - unabhängig davon, dass der/die Jenige welche die "Lohnsteuer" überweisen soll, gar keinen Lohn bezahlt.... eigentlich überhaupt nichts bezahlt, sondern, im Gegenteil, von der SexarbeiterIn für seine Dienstleistung bezahlt wird.

Die Summen die genannt werden, scheinen aus dem Reich der Mythen und Legenden zu stammen... von bis zu € 1000,- pro Monat pro SexarbeiterIn ist die Rede. Das es gerade bei der Lohnsteuer Freibeträge gibt - und das der Steuersatz je nach Einkommen gestaffelt wäre, scheint Niemand von Seiten der Finanz zu interessieren.

Meines Erachtens wäre eines äußerst wichtig: Wir brauchen eine rechtliche Klärung! Wir brauchen keine Einzelvereinbarungen mit den Finanzämtern zu Ungunsten der SexarbeiterInnen und über deren Köpfe hinweg! Wir brauchen keine BetreiberInnen, die in irgendeiner Form als "Chef" wahrgenommen werden könnten!

christian

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Beitrag von Zwerg »

Es wird immer absurder....

Gestern kam ein Bericht von einer verifizierten SexarbeiterIn herein, der uns darauf hinwies, dass eine BetreiberIn in Wien 50,- pro Tag einkassieren versuchte.... Und das bei SexarbeiterInnen deren Umsatz zum Teil unter dieser Summe lag. Als Begründung gab die BetreiberIn an, sie müsse dies laut Finanzamt so halten....

Ein weiterer Bericht über eine BetreiberIn geht in Richtung "wir müssen jetzt Euren Umsatz schätzen und täglich Listen führen, damit die Lohnsteuer dann errechnet werden kann... Aber mehr wie 800,- oder 900,- im Monat beträgt die Lohnsteuer sicher nicht...."

Das die Überwachung der Dienstleistung einer Prostituierten und deren Verdienst von RichterInnen im Falle einer Strafanzeige als Zuhälterei gewertet werden kann (und auch bereits oft genug gewertet worden ist), sollte klar sein. Und das es dann nicht wirklich helfen wird, wenn man sagt "der nette Herr vom Finanzamt hat mir das aufgetragen, schriftlich habe ich es aber nicht", sollte ins Bewusstsein vordringen.

Ich kann nur jeder BetreiberIn raten: Lasst Euch nicht mit Sonderabmachungen den Sicht auf die Realität verklären. Es ist schon klar, dass da Druck gemacht wird - nur vor Gericht sind diese Vereinbarungen kein Schutz vor etwaigen Anklagen wegen Verletzung der Selbstbestimmtheit einer SexarbeiterIn!

Als Kuriosität am Rande... Scheinbar haben einige Finanzämter die bisher "üblichen" - und unseres Erachtens nicht dem Gesetz entsprechenden (auch das OGH sieht das so) - Pauschalzahlungen als KFZ-Steuer deklariert verbucht.... Zumindest 3 bestätigte Berichte hierüber liegen uns vor... Es fällt bei derartigem Vorgehen nicht leicht, Worte wie "illegal" oder auch "Amtsmissbrauch" nicht in die Tastatur zu hämmern!

christian knappik

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Beitrag von Zwerg »

Zur Info:

Die Webseite http://www.nicht-so.at/ hat absolut nichts mit uns zu tun - Wir wurden weder gefragt, noch ging diese Initiative von uns aus.

Die Klarstellung erscheint mir notwendig, da auf der dortigen Startseite ein Zitat von mir (ohne Quellenangabe) veröffentlicht wurde und unmittelbar im nächsten Absatz von .... aber manchmal ist es unumgänglich zusammenzurücken und ein GEMEINSAMES ZIEL zu verfolgen.... gesprochen wird.

Dazu: Wir rücken nicht zusammen, ohne Jemand zu kennen. Die Vielzahl der österreichischen BetreiberInnen sehen wir völlig wertfrei - mit Einigen haben wir sogar ein relativ gutes distanziertes aber respektvolles Verhältnis. Andere jedoch genießen nicht unser Ansehen, da sie unseren Grundsätzen im Bezug auf die Rechte und Selbstbestimmtheit von SexarbeiterInnen zuwiderhandeln - Schon alleine deshalb müssen wir uns von derartigen "Gemeinschaften" distanzieren, da wir keines Falls mit Jemand zusammen arbeiten können/wollen/werden, der uns nicht bekannt ist und genau deshalb BetreiberInnen darunter sein könnten, die wir nicht unterstützen wollen.

christian knappik
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Beitrag von Zwerg »

Ein klein wenig tut sich was....

Ich möchte alle BetreiberInnen, die von den Vorgängen, von welchen in diesem Thread die Rede ist, betroffen sein könnten, raten (obwohl dies nicht die Aufgabe von sexworker.at ist) weitere Informationen abzuwarten!

Keines Falls erscheint es mir empfehlenswert jetzt, bzw. zum 01.04. dieses Jahres irgendwelche Änderungen durchzuführen!!! Natürlich hat dieses Posting nicht den Charakter einer steuerlichen Beratung! Es handelt sich lediglich um meine persönliche Einschätzung der Lage - und ist keines Falls in irgendeiner Form mit einer "Rechtssicherheit" verbunden! Wie immer gilt: Jede/r ist eigenverantwortlich - hat also sämtliche Risiken selbst abzuwägen und die entsprechenden Folgen zu tragen.

Keines Falls ist die Sache vom Tisch - es ist nur die Unsicherheit bis zum Unerträglichen ausgedehnt.

Vielleicht macht es Sinn, wenn man die Absender der oben verlinkten Infoblätter entsprechend kontaktiert.... Schließlich sollte man auch (oder sogar) in einem Land wie Österreich das Recht haben, Auskunft zu erlangen, wie und in welcher Form man etwas tun muss, um den gesetzlich vorgegebenen Rahmen einzuhalten.....

christian knappik
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Beitrag von Zwerg »

Die Geschichte ist auf den 01,07. dieses Jahres verschoben worden. Dies geht aus heute (!!!) versandten Schreiben des Finanzministeriums an SteuervertreterInnen hervor.....

christian Knappik

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Beitrag von Zwerg »

Unglaublich.....

Ein Finanzamt in einer Landeshauptstadt erhält Besuch von einer BetreiberIn - diese bringt die Monatsabrechnung, mit den Geldern, entsprechend dem bisher geltenden (gesetzlich nicht gedeckten) System der Einheitssteuer für SexarbeiterInnen, die bei ihr tätig sind. Es entwickelt sich ein Dialog, während dessen die FinanzbeamtIn darauf hinweist, dass ja ab nächstem Monat die Lohnsteuer zu bezahlen wäre... und zwar in Höhe von 1000,- Euro (!!!) pro SexarbeiterIn...... Die BetreiberIn sagt, dass sich dies nicht mit ihren Erkenntnissen decken würde, dass diese Geschichte, wenn sie denn überhaupt kommen würde, erst in 3 Monaten schlagend wird.

Die FinanzbeamtIn dementiert und besteht darauf, dass man ab 1. April "Lohnsteuer" abführen muss... Mehrere KollegInnen der FinanzbeamtIn kommen hinzu und pflichten dem bei. Erst nach dem dezenten Hinweis der BetreiberIn, man möge sich doch in Wien schlau machen, bevor man derartige Behauptungen aufstellt, hat man nach mehreren Telefonaten bestätigt, dass doch keine Lohnsteuer zu zahlen wäre....

Jetzt frage ich mich/wir uns - wie oft wurden schon widerrechtlich falsche Auskünfte erteilt? Weisungen ausgegeben? Wie viele Finanzämter haben vor entsprechende Zahlungen anzunehmen? Ist man wirklich nicht informiert, oder ignoriert man das Problem? Und wenn man nicht informiert ist, warum eigentlich?

Ohne Jemand beleidigen zu wollen: Ein derart unvermögendes Auftreten ist eine Schande für die Republik Österreich! Leute die im Namen des Staates Gelder einheben sollten entsprechend geschult, informiert und wissend sein!

Gibt es denn wirklich keine PolitikerIn und keine Partei die diesbezügliche Anfragen im Parlament stellen möchte?

christian knappik

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RE: Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Beitrag von Zwerg »

Besteuerung von Prostitution wird vereinheitlicht

Die Besteuerung von Prostitution wird ab Juli vereinheitlicht. Von den Beratungsstellen für Sexarbeiter hagelt es Kritik am am Begutachtungsentwurf des Finanzministeriums.

Viel Aufregung hat es in den vergangenen Wochen und Monaten um die Besteuerung von Sexdienstleistungen gegeben. Aufgrund höchstgerichtlicher Judikatur musste das Finanzministerium rechtliche Klarheit schaffen.

Am Dienstag wurde der Entwurf des Erlasses veröffentlicht: Das sogenannten Abzugsmodell, eine Pauschallösung, kann nicht mehr in Anspruch genommen werden, es gilt die Einzelfallbesteuerung.

Dieses Modell war ebenfalls schon bisher in Verwendung, wie Daniela Kinz, Sprecherin des Finanzministeriums erläuterte. Die Einzelfallbesteuerung erfolgt nach den tatsächlichen Verhältnissen des Sexdienstleisters, also ob sie oder er selbstständig arbeitet oder nicht. Dabei ist der Ort der Arbeit kein Kriterium. Ob ein Sexarbeiter in einem Bordell oder einem Laufhaus oder an einem anderen Ort arbeitet, spielt keine Rolle.

Entscheidend für die Beurteilung als selbstständig oder nicht selbstständig sind daher die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in seine betriebliche Organisation. Das betrifft zum Beispiel die Frage, ob sich der Sexdienstleister an Arbeitszeit und -ort halten muss oder ob die Dauer der Anwesenheit vorgegeben ist.

Gerade die Frage der Weisungsgebundenheit entfachte die Besorgnis von Bordellbetreibern, die befürchteten, durch die Begründung eines steuerlichen Dienstverhältnisses könnten Weisungen gefordert werden, die den Straftatbestand des Paragrafen 216 Strafgesetzbuch, nämlich der Zuhälterei, erfüllen würden. Dazu das Finanzministerium: Es geht nur um rechtlich zulässige Weisungen des Arbeitgebers, wie zum Beispiel, dass sich die Prostituierte zu einem Amtsarzt begeben muss, bevor sie den Dienst antritt.

Gleichzeitig stellte das Finanzministerium fest, dass es bei der Abgrenzung zwischen selbstständiger und nicht selbstständiger Tätigkeit ausschließlich um die ertragssteuerliche Definition eines Dienstverhältnisses geht. Dies sei unabhängig vom Arbeitsrecht, vom Sozialversicherungsrecht und anderen juristischen Gebieten.

Grundsätzlich sei die Lohnsteuer für nicht selbstständige Sexarbeiter von den dem Arbeitgeber bekannten Einnahmen zu berechnen, so das Ressort. Wenn es objektiv nicht möglich ist, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, müssen sie realitätsnah geschätzt werden.

Kinz erklärte, dass mit dem Erlass die Betroffenen informiert würden, dass "das sogenannte Abzugsmodell mit Juli nicht mehr in Anspruch genommen werden kann, sondern ausschließlich nur mehr das bereits bestehende 'Besteuerungsmodell' der Einzelfallbeurteilung gesetzeskonform ist". Dieses werde bereits jetzt von den meisten betroffenen Steuerpflichtigen genutzt, ergänzte die Sprecherin des Finanzministeriums.

Kritik von Beratungsstellen

Die Beratungsstellen für Sexarbeiter und die Plattform sexworker.at haben am Mittwoch Kritik am Begutachtungsentwurf geübt. Die Besteuerungspraxis sei "ein aktuelles Beispiel dafür, wie die gesellschaftliche und gesetzliche Doppelmoral sich in der Reglementierung von Sexarbeit manifestiert".

Die Plattform sexworker.at und die Vereine LEFÖ (Wien), maiz (Linz), SXA-Info (Graz), PiA (Salzburg) und iBUS (Innsbruck) forderten die Entscheidungsträger auf, "einen politischen Ansatz zu verfolgen, der Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen nicht nur in die Pflichten nimmt, sondern ihnen auch tatsächliche Rechte zugesteht und rechtlichen Schutz garantiert". Neben einer Entkriminalisierung des Bereichs Sexarbeit müsse eine Entstigmatisierung und eine gleichzeitige Beteiligung und Einbindung in politische Entscheidungsprozesse dieser im Zentrum stehen.

"Wir befürchten, dass sich durch die Regelung die bereits beschränkte Anzahl an legalen Arbeitsplätzen sowie die Vielfalt der Arbeitsorte und Wahlmöglichkeiten für Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen noch weiter reduzieren wird und Sexdienstleister und Sexdienstleisterinnen vermehrt im illegalisierten und unsichtbaren Bereich arbeiten müssen", hieß es in der Stellungnahme. Zudem sei eine schlichte steuerrechtliche Anpassung an ein Dienstverhältnis ohne einhergehende arbeitsrechtliche Veränderungen, welche die rechtliche Gleichstellung und Anerkennung von Sexarbeit mit anderen Berufen ermöglicht, nicht zielführend. "Den politischen Verantwortlichen geht es nicht um eine Verbesserung der Situation von Sexdienstleistern und Sexdienstleisterinnen, sondern ausschließlich um die Besteuerung ihres Verdienstes", hieß es.

Eine verantwortungsvolle Politik, die eine tatsächliche Gleichstellung sowie eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeitern anstrebe, müsse diese in ihrer Selbstbestimmung stärken und dürfe nicht ermöglichen, dass "die Selbstständigkeit von Sexarbeitern durch finanzamtliche Praxen, Willkür von Behörden und Betreibern gefährdet und korrumpiert werden kann", erklärten die Vereine. Den Sexdienstleistern würden so "wieder Pflichten aufgezwungen, ohne dass Rechte damit einhergehen". Es brauche eine arbeitsrechtliche Gleichstellung, die Kompetenzen einräume, um sich gegen Ausbeutung und Gewalt zu wehren.


http://www.format.at/articles/1422/930/ ... ostitution

Jetzt ist die Frage, wie die Einzelfallbeurteilung denn aussehen wird - ranghohe Polizisten verkünden ja bereits, dass sie die Steuerbehörde bei ihren Besuchen in den Etablissements (um die Selbstständigkeit überprüfen zu können) begleiten werden.... (was da die uniformierte Polizei damit zu tun hat, verstehe ich zwar nicht wirklich, aber wahrscheinlich ist dies einfacher...)

Erzählt wird: 600 Steuerbeamte (Finanzpolizei?!) schwärmen aus (da ja seit 1.1. dieses Jahres auf Grund der Freizügigkeit innerhalb der EU weniger zu tun ist, muss man ja der ehemaligen KIAB (Kontrollbehörde illegale Ausländerbeschäftigung) was zu tun geben) und kontrollieren in Zusammenarbeit mit Polizisten die Selbstständigkeit mittels eines Fragenkatalogs (der natürlich wieder streng geheim bleibt) - wobei die Frage der Übersetzung (es handelt sich bei SexarbeiterInnen die in der sichtbaren Prostitution tätig sind zumeist um Personen mit migrantischer Herkunft) nicht geklärt ist.

Die Absicht - und die damit verbundene Hinleitung - sollte von Seiten des Finanzamtes klar sein. Man wird sich bemühen "Selbstständigkeit" nicht vorliegen zu lassen - da dann der/die BetreiberIn in die Pflicht genommen werden kann - UND da im Falle der Nichtselbstständigkeit auch der gesamte (!) Umsatz dem/der BetreiberIn zugerechnet werden wird (dies haben wir bereits mehrfach von Seiten der Finanzämter angedeutet bekommen) - und somit die MWSt vom Gesamtjob (also auch vom Anteil der einzelnen SexarbeiterIn) eingefordert werden kann.

Damit umgeht man, dass wie im Falle der Selbstständigkeit die einzelnen SexarbeiterInnen mit ihrem (!) Umsatz unter der MWSt-Pflicht bleiben... Dem Umsatz Jemand zurechnen zu wollen (dem/der BetreiberIn) der/die ihn nicht erzielt (ja nicht einmal in Händen hält) um Gewinnmaximierung von Seiten des Staates zu betreiben ist wieder einmal eine Ungeheuerlichkeit, die typisch österreichisch ist.....

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RE: Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Beitrag von Zwerg »

Soeben haben wir mehr Informationen erhalten, wie der Entwurf eines Erlasses des Finanzministeriums zur ertragssteuerlichen Erfassung von SexarbeiterInnen aussehen könnte....

Und es zeigt sich, dass man von Seiten der Finanzbehörde nach wie vor "eine angestellte bzw. lohnsteuerpflichtige SexarbeiterIn" sehen will!

Nur einer von vielen Punkten (man zitiert einen Entscheid des VwGH der ein Lokal betroffen hat):

Sinngemäß steht dort, dass eine Eingliederung als "NICHT selbstständige Tätigkeit" schon alleine durch die Tatsache gegeben wäre, das der Betrieb (Bordell) ohne die Anwesenheit von SexarbeiterInnen gar nicht als Solcher zu führen wäre.....

Es wird auch darauf hingewiesen, dass eine Weisungsgebundenheit die normaler Weise notwendig wäre um als unselbstständig zu gelten, gesetzlich nicht erlaubt wäre (strafbar bzw. sittenwidrig) man sich aber deshalb entschließt, diesen Punkt bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen!!! Also wenn es uns nicht passt, dann ignorieren wir es halt.....

Als weiteres Beispiel: Wenn ein Betreiber der SexarbeiterIn eine "Weisung" erteilt, sie müsse zum Amtsarzt gehen (um den vorgeschriebenen Untersuchungen nachzukommen) so ist dies ein Hinweis auf Unselbstständigkeit. Jedoch: In Salzburg zum Beispiel ist es gar nicht anders möglich, da dort der Betreiber den Termin vereinbart.... und in Wien werden BetreiberInnen bestraft - und mit dem Entzug der Konzession bedroht - wenn eine SexarbeiterIn ohne gültige Stempel oder Karte im Lokal angetroffen wird.

Man kann nur betonen: Der uns vorliegende Entwurf kann nur als SUPERGAU für Sexarbeit in jeglicher Form bewertet werden! Unfassbar ignorant den tatsächlichen Gegebenheiten gegenüber! Ein Rückschritt für die Selbstbestimmtheit der SexarbeiterInnen und in keiner Art und Weise zu rechtfertigen.

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Vielleicht noch ein Wort zu den Herren BetreiberInnen, die da über die Köpfe der SexarbeiterInnen hinweg, Verhandlungen mit dem Finanzministerium geführt haben: Ob das so gescheit war, wie ihr vielleicht glaubt, wird sich zeigen - unserer Einschätzung nach, habt Ihr bei diesem Kuckucksei kräftig mit geholfen!

Es ist nicht nur unfassbar, wer da als VerhandlungspartnerIn von der Finanz (für die Steuer die SexarbeiterInnen bezahlen müssen) akzeptiert wurde, sondern zeigt auf, wer da in welchem Namen wessen Interessen vertritt! Das genau diese BetreiberInnen vorgeben (Verein) die Belange von SexarbeiterInnen hoch zu halten ist schon jenseits des Erträglichen!

Christian Knappik

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Re: RE: Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegal

Beitrag von Zwerg »

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Zwerg hat geschrieben:Als weiteres Beispiel: Wenn ein Betreiber der SexarbeiterIn eine "Weisung" erteilt, sie müsse zum Amtsarzt gehen (um den vorgeschriebenen Untersuchungen nachzukommen) so ist dies ein Hinweis auf Unselbstständigkeit. Jedoch: In Salzburg zum Beispiel ist es gar nicht anders möglich, da dort der Betreiber den Termin vereinbart.... und in Wien werden BetreiberInnen bestraft - und mit dem Entzug der Konzession bedroht - wenn eine SexarbeiterIn ohne gültige Stempel oder Karte im Lokal angetroffen wird.
Da ich mehrfach auf diese Passage angesprochen wurde: Hier der Ausschnitt eines Dokumentes entnommen einer "Niederschrift im Verwaltungsverfahrens" die mit einem Lokalbetreiber in Wien vor wenigen Monaten aufgenommen wurde.

Dieses Dokument ist aus 2 Gründen außergewöhnlich (rot und blau umrandet) - der rote Teil bezieht sich auf die oben getroffene Aussage, dass man von Seiten des Finanzamtes von der Polizei verlangte Tätigkeiten (Kontrolle der grünen Karte) als Hinweis auf Unselbstständigkeit der SexarbeiterIn sehen will. In dem konkreten Fall handelt es sich um den Betrieb eines 10-Eurohotels (der Betreiber kassiert lediglich 10 Euro vom Kunden und es findet kein Geldfluss zwischen SexarbeiterIn und Betreiber statt).

Bild

Der zweite Teil (blau) ist ein Hinweis darauf, dass es ohnehin egal zu sein scheint, was da geschrieben wird.... (bitte genau lesen, was da steht) - Natürlich würde hier jede Berufung Erfolg versprechen, nur - oft treffen solche Entscheidungen auch Personen migrantischer Herkunft, die nicht wirklich der deutschen Sprache mächtig sind. Und das was da steht, kann sehr leicht überlesen werden.....

Das in dem konkreten Fall eine Einstufung als "lohnsteuerpflichtig" das AUS für das Lokal bedeuten würde, brauche ich nicht extra zu betonen!

Ich betone ausdrücklich: Niemand von sexworker.at fordert eine Steuerbefreiung von SexarbeiterInnen! Nur fordern wir, dass die tatsächlichen Gegebenheiten - und die lautet: Eine SexarbeiterIn ist selbstständig - auch von der Finanzbehörde berücksichtigt werden!

christian knappik

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RE: Österreichisches FA zwingt BetreiberInnen in Illegalität

Beitrag von Zwerg »

Aus für Selbstständige Prostituierte

Ab Juli wird die Besteuerung von Prostituierten vereinheitlicht. Salzburger Bordellbertreiber und auch die Prostituierten selbst befürchten, dass eine verpflichtende Anstellung kommen wird. Sie bangen um ihr Geschäft und um die legale Prostitution.

Ein Erlass des Finanzministeriums sorgt zurzeit für erhebliche Unruhe in der Salzburger Sexbranche. Pauschale Versteuerung ist ab Juli nicht mehr möglich, die Steuerlast wird im Einzelfall berechnet. Und da dürfte für viele Frauen in Klubs und Bordellen mit fixen Arbeitszeiten Lohnsteuer fällig sein.

Richard Schweiger ist Manager der Babylon-Klubs in Wien, Klagenfurt und am Salzburger Walserberg. 160 Frauen, die bisher selbständig in seinen Häusern gearbeitet haben, muss er nun ab Juli anstellen.
Keine Frauen - kein Bordell

Für Schweiger bedeutet der Erlass des Finanzministeriums das Ende der legalen und kontrollierten Prostitution: „Es wird dann jede sofort ihre Koffer packen und sagen, dass sie das nicht bezahlen kann. Wenn eine Frau 3.000 Euro verdient hat und ihr dann abzüglich der Lohnsteuer nur mehr 1.500 Euro übrig bleiben, wird sie ihre Dienste für dieses Geld nicht weiterhin anbieten wollen. Die Frauen gehen dann lieber auf die Straße und die Bordelle können zusperren.“
Protest im Internet

Richard Schweiger ist aktiv geworden - mehr als 1.000 Prostituierte unterstützen seinen Protest im Internet gegen die neue Steuerregelung. Das Finanzministerium will sich zu dieser Kritik nicht äußern. Es müsse lediglich eine vom Höchstgericht vorgeschriebene Steuerregelung umgesetzt werden, sagt Daniele Kinz, die Sprecherin von Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP).

http://salzburg.orf.at/news/stories/2651631/

Das gerade Herr Schweiger sich ablehnend zu Wort meldet ist, ein wenig erstaunlich.... War es nicht gerade dieser Herr, der durch seine Abmachungen mit den Finanzämtern erst den Stein ins Rollen gebracht hat?

Und ist sein Beweggrund tatsächlich das Wohl der SexarbeiterInnen (wie sein Verein vorgibt)? Oder geht es eher um das Wohl des Herrn Schweiger, der jetzt seine einträglichste Quelle in Gefahr sieht.....

SexarbeiterInnen sind als selbstständig zu betrachten!! Daran führt kein Weg vorbei - Wir lehnen eine Vertretung der Steuerhoheit gegenüber SexarbeiterInnen durch Personen wie Herrn Schweiger ab!

Dabei geht es jedoch nicht um die Höhe der Abgaben - die sollen selbstverständlich für Jeden gleich sein. Nur sollen SexarbeiterInnen auch entsprechend gleich (mit anderen Selbstständigen) behandelt werden! Sonderabgaben oder auch Sondervereinbarungen mit BetreiberInnen sind abzulehnen!

Ebenso sind Vereine abzulehnen, deren Sinn und Zweck hauptsächlich darin besteht, durch SexarbeiterInnen Gelder zu vereinnahmen! Gerade in Salzburg ist hier die Politik aufgefordert Handlungen zu setzen! Handlungen, welche die Selbstbestimmtheit der SexarbeiterInnen unterstützt und nicht - wie jetzt - nachhaltig unterwandert. BetreiberInnen haben weder auf dem Gesundheitsamt, noch beim Finanzamt etwas verloren, wenn es um die Belange von SexarbeiterInnen geht! Und schon gar nicht dürfen BetreiberInnen von SexarbeiterInnen - im Namen des Staates - Gelder eintreiben!

christian knappik