Prostituiertenschutzgesetz auf der Kippe "Jede Pommesbude hat mehr Regeln als ein Bordell"
Dass die Situation der Prostituierten in Deutschland schlecht ist - darüber ist sich die Koalition einig. Doch bei der Frage der Reformen sind Union und SPD unterschiedlicher Meinung. Das könnte am Ende das ganze Prostituiertenschutzgesetz gefährden.
Von Julia Barth
Bundestag. Fraktionsebene. Diese Woche. Nadine Schön und Marcus Weinberg, in der Union zuständig für Frauen und Familienpolitik, haben die Presse eingeladen um ihrem Ärger Luft zu machen: "Das ist kein Schutz, das ist ein Schlag in das Gesicht derer, die dringend unsere Unterstützung brauchen", so Weinberg.
Eine gute Woche ist es her, dass die SPD-Ministerin für Familie und Frauen, Manuela Schwesig, so ziemlich alles über den Haufen geworfen hat, was der Union im Entwurf eines Prostituiertenschutzgesetzes am Herzen lag. Ohne Vorwarnung. Ohne Absprache. Und auch das ärgert Weinberg und seine Kollegin Schön: "Dass man jetzt einseitig so massiv das Gesetz ändert, ist schon was, was viele in der Union, aber auch viele, die sich vor Ort für die Prostituierten einsetzen, massiv ärgert. Das muss man schon genau so sagen."
"Situation von Frauen in der Prostitution ist katastrophal"
Und dabei waren sich Union und SPD eigentlich mal einig. Am Anfang zumindest. "Die Situation von Frauen in der Prostitution ist katastrophal in Deutschland", findet nicht nur Schwesig, sondern auch der Koalitionspartner CDU/CSU. Einig ist sich die Union mit der SPD-Ministerin auch darüber, dass sich diese Situation ändern soll. "Jede Pommesbude hat mehr Regeln als ein Bordell."
Grund genug für die große Koalition, ein Gesetz auszuarbeiten, das Prostituierte besser schützt als bisher. Danach brauchen Betreiber von Prostitutionsstätten künftig eine Genehmigung - müssen Sexarbeiterinnen anmelden. Und wer eine Vorstrafe hat, bekommt keine Betriebserlaubnis. So weit, so konsensfähig.
Doch bei der Prostitution außerhalb des Bordells liegen die Vorstellungen weit auseinander. Deshalb ist die Tinte unter dem Koalitionsvertrag zwar schon zwei Jahre trocken, das Prostituiertenschutzgesetz aber längst noch nicht fertig. Immerhin: Nach nächtelangen Sitzungen und heftigem Ringen konnten Union und SPD sich vor einigen Monaten auf einen Kompromiss einigen. Die Union setzte durch, dass Sexarbeiterinnen sich alle zwei Jahre und an jedem Dienstort anmelden müssen und dass sie verpflichtet werden, sich einmal im Jahr gesundheitlich beraten zu lassen, unter 21-Jährige doppelt so häufig.
Eine Prostituierte | Bildquelle: dapd
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"Wir machen da keine taktischen Spielchen", verspricht die Politik. Wie die Verbesserungen für die Prostituierten am Ende konkret aussehen, steht aber immer noch nicht fest.
Inhalte wurden verändert - im Sinne der SPD
Die SPD setzte durch, dass diese Gesundheitsberatungen keine Untersuchungen sind. Und dass Prostitution auch unter 21 Jahren legal bleibt. So wurde der Gesetzentwurf verschickt. "Und wir haben gerade von den Ländern, aber auch von den Kommunen die Rückmeldung bekommen, dass der Entwurf zu kompliziert ist, eine zu große bürokratische Belastung darstellt, zu umständlich ist in der konkreten Ausgestaltung", erklärt Schwesigs Staatssekretär Ralf Kleindiek, warum der Entwurf jetzt deutlich entschärft ist - ganz im Sinne der SPD.
Eine Anmeldung ist Stand jetzt nur noch alle vier Jahre nötig und kann auch online verlängert werden. Die regelmäßige Gesundheitsberatung soll wegfallen - Prostituierte müssen nur noch einmal, vor der ersten Anmeldung beim Gesundheitsamt vorstellig werden: "Nein, wir machen da keine taktischen Spielchen", verspricht Kleindiek. Allein in der Union will man das nicht so recht glauben. Den gewünschten Schutz der Prostituierten kann Weinberg jetzt auf jeden Fall nicht mehr erkennen. Und Schön wirft der Ministerin vor, jetzt schon Wahlkampf zu betreiben. Und das, wo Union und SPD doch noch zwei Jahre miteinander klarkommen müssen." Da kann ich dem Koalitionspartner nur raten, konstruktiv zu agieren. Das heißt vor allem in diesem Gesetz auf die Basis zurückzukehren, die Status Quo vor zwei Wochen war", betont Schön.
Gesetz ist mehr als unwahrscheinlich
Vom alten Status Quo aber will die zuständige Ministerin nichts mehr wissen. Und nur den unstrittigen Teil des Gesetzes zu verabschieden, kann sich wiederum die Union nicht vorstellen: "Wir wollen ein Gesetz haben, und das war immer auch zwischen SPD, CDU und CSU so abgestimmt. Wir wollen nicht irgendwelche Teile herausbrechen, weil dann Mechanismen nicht wirken, die wirken müssten", erläutert Weinberg.
Zwar geben sich die CDU-Politiker in vielen anderen Fragen kompromissbereit und alle beteuern, wie dringend es ein Prostituiertenschutzgesetz braucht. Dass es zustande kommt, ist inzwischen trotzdem mehr als unwahrscheinlich. Denn mit diesen denkbar verhärteten Fronten ist eine Einigung weiter weg denn je.
https://www.tagesschau.de/inland/prosti ... z-101.html