ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Melanie_NRW
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Beitrag von Melanie_NRW »

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Kasharius hat geschrieben: oder (Selbst)Zerfleischung zu betreiben.
Was hat eine Fehleranalyse mit Zerfleischung zu tun?

Wenn wir nicht hinterfragen dürfen, ob die Mittel der Wahl richtig oder falsch waren, dann können keine Verbesserungsprozesse stattfinden.

So kommt man doch nicht weiter... und schon gar nicht in der Politik.

Sowas ist doch ein ganz normaler Prozess.
Ich nehme mir etwas vor, erreiche es aber nicht.
Anschließend hinterfrage ich mich selbst: Was hättest du besser machen können? Was hättest du anders machen sollen? Was hast du vergessen? Was sollte ich das nächste mal besser sein lassen?

Nicht umsonst ziehen Unternehmen für sowas externe Berater hinzu, die soetwas unvoreingenommen analysieren.

Aber gut.. lassen wir es so wie es seit vielen Jahren läuft, nur damit sich alle weiter lieb haben.
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friederike
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von friederike »

Was ich meinte ist etwas anderes.

- Welches ist unsere Herausforderung heute?
- Was hat die Vergangenheit uns gezeigt, das wir in der Zukunft benötigen?
- Welche Argumentation müssen wir bringen? Welche Zielgruppen ansprechen? Welche Koalitionen sollten wir anstreben? Welche Organisation ist dafür geeignet?
.... usw.

Ist etwas anderes als rückwärtsgewandte "Selbstkritik" (realiter: "Du hast alles verbockt und Du ..."

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Melanie_NRW
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Melanie_NRW »

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friederike hat geschrieben: Ist etwas anderes als rückwärtsgewandte "Selbstkritik" (realiter: "Du hast alles verbockt und Du ..."
Naja das ist das was man da gerne reininterpretiert. Würde ich sowas wollen, würde ich hier noch ganz andere Dinge schreiben.


Und um noch mal Klaus seine Fragen zu beantworten:

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Klaus Fricke hat geschrieben:Erstarrung - Depression - Verantwortung



Wo bleiben die selbstkritischen Einlassungen der wesentlichen Beteiligten, insbesondere des BesD, der sich 2013 in Frankfurt auf den Weg machte, die neue Spitze einer Deutschen Hurenbewegung zu sein? War nicht mehr drin? Was sind die Lehren? Wer trägt welche Verantwortung?

Die Verantwortung tragen letztenendes alle.
Die, die sich nicht dafür interessiert haben.
Die, die zu wenig getan haben.
Die, die zuviel getan haben.
Die, die nichts tun wollten,
Die, die lieber andere machen lassen.
Die, die nur in Foren schreiben.
Die, die immer nur mosern und meckern.
Die, die alles nicht ernst genug genommen haben.

Aber allen voran die, die dieses Gesetz zu verantworten haben und sich die ganze Zeit weigerten, sich wirklich dem Problem zu stellen, sich mit vielen Menschen aus verschiedenen Bereichen der Sexarbeit an einen Tisch zu setzen.
Die, die entgegen aller Experten-Meinungen (und jetzt meine ich echte Experten und keine zwangsgestörten Gynäkologen oder dergleichen) am 7. Juli für dieses Gesetz gestimmt haben oder durch ihre Abwesenheit glänzten.

Man kann nur hoffen, das jetzt nicht das gleiche passiert wir damals, als das ProstG in Kraft trat, und alles irgendwie im Sande verlief.

Wir haben nach wie vor unsere Forderungen auf gleiche Rechte, Entkriminalisierung und Entstigmatisierung.
Jetzt kommt noch ein großer Packen hinzu. Arbeitsplätze sind gefährdet, unsere Leben in der Gesellschaft steht auf dem Spiel.

Also hoffe ich, das viele eine Lehre aus den vergangen Jahren ziehen werden:
Es bringt nichts abzuwarten... darauf zu warten das irgendwer die Karre schon aus dem Dreck ziehen wird.
Werdet selbst tätig, engagiert euch für eure Rechte. Raise your Voice and break the silence!
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von friederike »

Ja, damit hast Du einfach recht.

Es ist meistens schwer, die große Gruppe zu mobilisieren. Frustrierend. Ich habe mich oft gefragt, was Politiker wie Weinberg antreibt. Wahrscheinlich glaubt er, hier ein "einfaches" Feld gefunden zu haben, wo er in seiner Klientel punkten kann ohne jemandem wehzutun, auf dessen Stimme er zählt.

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fraences
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

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Melanie_NRW hat geschrieben:    


Man kann nur hoffen, das jetzt nicht das gleiche passiert wir damals, als das ProstG in Kraft trat, und alles irgendwie im Sande verlief.
Aber genau das ist meine starke Befürchtung, das alles im Sande verlaufen wird.

Es werden dann so Aussagen komme,: Naja, es ist halt so und damit müsst ihr jetzt klar kommen.

Es wird Jahre, wenn nicht jahrzehnte dauern, bis überhaupt wieder auf der politisch Agenda steht.

Wenn man bedenkt, wie lange die Prostitutionsgegner gebraucht haben in diversen Gremien ihre Anti-Prostitutions Forderungen durchzusetzen gebraucht habe. Und die sind ganz anders aufgestellt , wie wir Sexworker Aktivisten. Da darf ich garnicht drüber nachdenken.

Wenn die Branche durch das Umsetzen des Gesetzes "gesäubert" ist, wer soll da noch lautstark seine Stimme erheben!!

Die Menschen , die weiter Sexarbeit ausüben, werden durch die Repressionen ihre Kraft um ihren Existenz aufbrauchen müssen.

Man wird Begreifen, das es ein Kampf gegen die Prostitution ist mit dem versteckten Ziel, dadurch Frauen außerhalb der Prostitution ihre sexual Verhalten zu massregeln. Hierfür hat immer die Sanktionen von Prostitution als Negativfolie hinhalten müssen.
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von lust4fun »

- Wie denkt die Bevölkerung?
- Mit wem haben wir es zu tun?
- Warum ließ sich das Gesetz nicht aufhalten?

Dein (@Klaus) starker Bezug auf die Umfrage: Meinst du, Johanna hätte den genannten Zahlen widersprechen sollen? Ich finde ihren unaufgeregten Ton und ihre Haltung, davon zu reden, was sie selbst wichtig findet, angenehm und beeindruckend.

Die angeblich klare Mehrheit für ein Prostitutionsverbot darf bezweifelt werden. Die Umfrage ist im Netz nicht zu finden.
Dagegen kommt eine im Netz auffindbare Enid-Umfrage vom Februar auf gänzlich andere Zahlen. In der Altersstufe bis 29 sind es 21 Prozent, im 30er-Alter 11 Prozent Befürworter eines Verbots. Für die Beibehaltung der Legalität gibt es in jeder Altersgruppe eine Mehrheit.
http://static.evangelisch.de/get/?daid= ... d=download
Hier kommentiert:
https://chrismon.evangelisch.de/umfrage ... iben-32112

Die Art der Umfrage: Ich bekomme immer wieder Anrufe von Demoskopieinstituten und habe aufgehört, mich befragen zu lassen. Die Fragen passen oft nicht zu meinem Denken. Wenn solche Typen wie ich nicht erfasst werden, dann gibt es aber bestimmt viele, die nur darauf warten, wie auf Twitter eine "starke" Meinung abzusetzen, die mit minimal wenigen Zeichen auskommt, aber keinen Begriff von Abwägung, Begründung, Dialektik, Kontext und Folgenbewusstsein hat. Viele Engländer sind auch erst nach ihrer Abstimmung aufgewacht...

Das Interessante an der Umfrage ist die Abhängigkeit vom Alter. Ob die Unterschiede unter den Altersstufen bedeuten, dass es eine typische intrapersonale Entwicklung im Denken gibt, ist nicht sicher. Es könnte so sein. Oder es spiegelt die verschiedenen Klimata in den vergangenen Jahrzehnten wider, in denen jeweils eine Generation ihre Haltung herausgebildet hat, die sich vielleicht nur noch wenig ändert. Die Frage ist auf der Basis dieser Umfragen nicht entscheidbar. Aber man kann Interpretationen versuchen.

Wenn man von einer intrapersonalen Entwicklung ausgeht:
Die Lebensphase von 20 bis 30 ist geprägt von der Suche nach einem idealen Lebensentwurf und nach einem idealen Lebenspartner. Die Lebensphase von 30 bis 40 hat Desillusionierungen und Enttäuschungen zum Thema, die Einsicht in Brüche und Widersprüchlichkeiten. Ab 40 wachsen wieder Bedrohungsgefühle durch Konkurrenz, Trennung etc. So könnte man die Umfragezahlen einordnen (und so tut es Johanna im Video).

Wenn man die generationstypischen Klimata in den Blick nimmt:
Die junge Generation wächst in großer Freiheit auf, aber die Nachdenklichen sehen oft auch eine gnadenlose Vereinnahmung, Vermarktung, Verfügbarkeit und Verrohung in ihren Lebensumständen. Ich verstehe den Impuls, sich selbst schützen zu wollen; die feministische Wahrnehmung, dass man in einer sexualisierten Welt als von Männern verfügbar betrachtet wird. Möglicherweise verstärkt sich diese Wahrnehmung zurzeit. Das ist etwas anderes als die paternalistische Haltung, andere gegen ihren Willen schützen zu wollen. Ich schätze, dass uns in den folgenden Jahren die skandinavische Diskussion erst so richtig erreichen wird.

Es ist die Kombination von dieser jungen Erscheinung und dem alten "ewiggestrigen" (friederike) Opfer-Rettungs-Paternalismus, die uns beschäftigen wird. Ich glaube, dass es wichtig ist, diese Motive politisch zu unterscheiden. Aber es wird eine Debatte sein, die lange nicht entschieden wird (ich stimme @fraences zu).

Warum ist es nicht gelungen, das Gesetz aufzuhalten? Zwei Gedanken dazu:

Es ist in den öffentlichkeitswirksamen Debatten nicht gelungen, die Folgenabschätzung ins Bewusstsein zu heben. Die Wahrnehmung blieb eine Ein-Argument-Angelegenheit: Weil das Gesetz behaupten konnte, SW nicht grundsätzlich anzutasten, konnte es einseitig vorteilhaft erscheinen, etwas lediglich zu "regulieren". Was wir dagegen sehen, nämlich dass die Folgen - gewollt oder nicht - ganz andere sind, ist bei den Kommentatoren nicht durchgedrungen - oder es wurde nicht als wichtig genug betrachtet. Diese Nichtwahrnehmung kann man dem Bundestag nicht attestieren. So dürftig die Debatten um "nebensächliche" Gesetze sind, die wesentlichen Gesichtspunkte wurden von Linke und Grüne ausgesprochen.

Die stellvertretende Sprecherrolle der Aktiven für die SW-Basis wurde in der Öffentlichkeit nicht akzeptiert. Man muss das nicht den Aktiven anlasten. Sie haben nichts falsch gemacht. Die Basis selbst wurde einfach nicht sichtbar. Vielleicht ändert sich das erst dann, wenn die Folgen überall konkret greifen. Oder auch nicht, und die Vertretergruppen kämpfen ewig damit, ob sie als Fürsprecher wahrgenommen werden. Und die Basis wird gleichzeitig immer unsichtbarer...

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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Lycisca »

fraences hat geschrieben:  Man wird Begreifen, das es ein Kampf gegen die Prostitution ist mit dem versteckten Ziel, dadurch Frauen außerhalb der Prostitution ihre sexual Verhalten zu massregeln. Hierfür hat immer die Sanktionen von Prostitution als Negativfolie hinhalten müssen.
Dies ist gleichzeitig unsere Chance, wenn auch nur sehr langfristig (20-30 Jahre): Es gibt genug Frauen mit einem unkonventionellen Lebensstil (Swingerclubs etc.), denen dieser Zusammenhang momentan überhaupt nicht bewusst ist (viele würden einen solchen Zusammenhang empört zurückweisen). Die Exekution des ProstSchG wird jedoch fast zwangsläufig überschießend sein und auch diese Frauen treffen und kann erneut zu einer öffentlichen Debatte führen.

Wem dies zu vage und langfristig ist, wird in den sauren Apfel beißen und bereit sein müssen, das Gesetz auf eigene Kosten (5 bis 30 tausend Euro) am Rechtsweg zu bekämpfen; also zunächst durch alle Instanzen bis zum Verfassungsgericht und dann eine internationale Menschenrechts-Beschwerde (EGMR oder CEDAW). Der Zeit-Horizont dafür sind 10 Jahre.

Eine Chance, das Gesetz schon jetzt zu verhindern, hätte es nur gegeben, wenn ein Großteil der deutschen Sexarbeiterinnen aus ihrer Anonymität herausgetreten wären und sie gleichzeitig für mehrere Monate auf ihr Einkommen verzichtet hätten, um als unbezahltem fulltime job in der Öffentlichkeit, bei Demonstrationen bis hin zu Interventionen bei jedem einzelnen Politiker massiv gegen das Gesetz zu agitieren. Das wäre aus vielen Gründen illusorisch gewesen! Außerdem hätten die Sexarbeiterinnen dann erst Waffengleichheit mit den Prostitutionsgegnern erreicht ... die ganze Mühe und das Outing hätten noch immer mit hoher Wahrscheinlichkeit vergeblich sein können.

Ich möchte mich daher bei jenen bedanken, die es mit ihrem Einsatz wenigstens versucht haben, dieses Gesetz zu verhindern.

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Tilopa
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Tilopa »

Bei der Jungen Welt gibt es heute ein Interview mit Lilo Wanders. Am Rande kommen sie auch auf das sexual- und gesellschaftspolitische Rollback zu sprechen.
Die Erklärungsansätze decken sich im Großen und Ganzen mit dem bei uns geführten Diskurs - insofern ist nichts wirklich Neues dabei, aber ich poste hier mal diesen Teil des Interviews...



Junge Welt, Ausgabe vom 23.07.2016, Seite 1 (Beilage) / Wochenendbeilage
»So etwas wie "Normalität" gibt es gar nicht«
Gespräch mit Lilo Wanders. Über ihre Arbeit als »Sexpertin« im Fernsehen, Liebe, Kommerz und den rechten Zeitgeist
Interview: Markus Bernhardt


[...]

Heutzutage, mehr als zehn Jahre nach dem Aus von »Wa(h)re Liebe«, wirkt es, als erlebten wir ein sexual- und gesellschaftspolitisches Rollback. Der Konsum von Pornos und auch Sexualität an sich gilt zwar nicht mehr als tabubesetzt, von freier Sexualität kann jedoch auch nicht gesprochen werden. Welchen Umgang mit Sexualität wünschten Sie sich persönlich?

Ich habe meinen eigenen Weg gefunden, wie ich damit umgehe. Der muss aber nicht für jeden der richtige sein. Was für mich gilt, muss nicht allgemeingültig sein. Für mich führt totale Aufrichtigkeit, Reden mit dem Partner, zu einer erfüllenden Sexualität. Offenheit, um dann beim Sex die Seelen miteinander schwingen zu lassen. Das ist vielleicht nicht allen Menschen gegeben. Sexualität ist oft angst- und/oder schambesetzt.

Derzeit haben wir es mit Massenaufmärschen »Besorgter Eltern« zu tun, die etwa gegen die Gleichstellung von Schwulen, Lesben, Bi-, Trans- und Intersexuellen und gegen HIV-Prävention mobilmachen. Auch die »Alternative für Deutschland«, AfD, wettert gegen sexuelle Minderheiten. Worin liegen die Gründe für diese mittelalterlich anmutende Propaganda?

Angst. Angst vor all dem, was erschüttert und damit dazu führt, sich selbst und das eigene Umfeld in Frage zu stellen. Diese Menschen sind klein und eng, und sie haben Angst davor, eine andere Bewusstseinsstufe zu erreichen.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum sich selbst Schwule und Lesben in einem entsprechenden Arbeitskreis der AfD zusammengeschlossen haben und für die Rechtspopulisten stark machen?

Selbsthass vielleicht? Wahrscheinlich erzeugt durch Repression, durch schwarze Pädagogik in früher Kindheit. Und möglicherweise ein sehr niedriger Horizont, um nicht zu sagen: Dumpf- und Dummheit. Man kann intelligent und trotzdem sehr dumm sein, wenn man nicht zur Selbstreflexion fähig ist.

Wie wäre dem Gezeter der Rechten beizukommen?

Indem die anderen sich endlich aufraffen und eine klare Gegenposition formulieren und vertreten.

Wäre eine deutliche antifaschistische Positionierung der schwul-lesbischen Community hier nicht längst überfällig?

Ja, bestimmt, aber wer führt sie an? Es muss immer charismatische Personen geben, die den Anstoß geben. Vielleicht eine Aufgabe für Gregor Gysi.

Hätten Sie es denn für möglich gehalten, dass es nach Jahren der Liberalisierung und Aufklärung in Sachen Sexualität zu einem derartigen gesellschaftspolitischen Rollback kommen könnte?

Nein, ich bin entsetzt. Ich dachte, die Entwicklung der Menschen würde voranschreiten. Im Grunde bin ich ratlos.

Sie bieten seit Jahren Kieztouren auf St. Pauli an und führen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der Großen Freiheit zu einem Klub, der früher ein Transenpuff war, in dem sogar Wladimir Putin und Rolling Stone Ron Wood zu Gast gewesen sein sollen. Auf der anderen Seite wird der Ruf nach einem Verbot von Prostitution immer lauter. Wird daran nicht die Doppelmoral der Gesellschaft in Sachen Sexualität besonders deutlich?

Natürlich. Aber das ist ein so großes Thema, das würde den Rahmen dieses Gesprächs sprengen.

Glauben Sie, dass ein pauschales Prostitutionsverbot die Situation der betroffenen Frauen und Männer tatsächlich verbessern könnte?

Ganz und gar nicht. Während der Prohibition in Amerika wurde mehr gesoffen als zu den Zeiten, als Alkohol erlaubt war. Natürlich gibt es Ausbeutung, aber es gibt inzwischen gesetzliche Regelungen, die Prostituierten zumindest auf dem Papier Rechte geben.

Jüngst wurde eine Studie der Universität Leipzig veröffentlicht, die den Titel »Die enthemmte Mitte« trägt. Für diese Erhebung wurden im Frühjahr 2016 insgesamt 2.420 repräsentativ ausgewählte Personen in Deutschland befragt. Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Rechtsruck auf. Nicht nur Muslime, Flüchtlinge und Sinti und Roma stoßen wieder zunehmend auf Vorbehalte, Ablehnung und Hass der Mehrheitsgesellschaft, sondern auch Lesben und Schwule. So finden es satte 40 Prozent »ekelhaft«, wenn sich gleichgeschlechtliche Paare in der Öffentlichkeit küssen. Ein Viertel der Befragten gab außerdem an, Homosexualität als unmoralisch zu empfinden. Hätten Sie mit derlei Ergebnissen gerechnet?

Das Ergebnis überrascht schon, und man muss sich fragen, ob die vorher vermutete liberalere Haltung ein Trugschluss war oder ob die Gesellschaft generell kälter und restriktiver wird. Andererseits – die Mehrheit, nämlich 60 Prozent, findet es nicht »ekelhaft«. So kann man diese Befragung auch interpretieren. Was als moralisch in Ordnung oder als unmoralisch empfunden wird, hat ja immer mit dem individuellen Verständnis der Welt zu tun. Nach meiner Erfahrung gibt es so was wie »Normalität« gar nicht, und mancher, der sich entrüstet, hat genau in der Abteilung ein Geheimnis. Ethik hat mit »gesundem Volksempfinden« nichts zu tun.

Aber wie erklären Sie sich diese besorgniserregende Entwicklung?

Es gibt viele bewaffnete Konflikte und Kriege, und wir leben in einer Zeit rasanter technischer Entwicklungen. Durch die Vernetzung kommt uns die Welt näher, und das kann Angst bereiten. Eigentlich sollte man erwarten, dass der Horizont durch Information erweitert wird. Aber der Mensch neigt dazu, sich in seiner Furcht einzuigeln und seine eigene Idylle hochzuhalten. Und so wird das Unbekannte zur Bedrohung und bekämpft.

Bei einem Angriff auf den schwul-lesbischen Klub »Pulse« in der US-Stadt Orlando wurden am 12. Juni 49 Menschen ermordet. Nicht wenige Lesben und Schwule fühlen sich aufgrund des ansteigenden Hasses und auch der Gewalt wieder zunehmend bedroht und eingeschüchtert. Was empfehlen Sie den Betroffenen angesichts dieser Situation? Auf die Straße, jetzt erst recht? Oder besser: geordneter Rückzug aus der Öffentlichkeit aus Gründen der eigenen Sicherheit?

Ich kann die Empörung über das lange Schweigen von Bundeskanzlerin Angela Merkel gut verstehen und den Versuch der Community, die »Wohlwollenden« der heterosexuellen Mitbürger dazu zu bringen, Flagge zu zeigen. Innerhalb der Bewegung sollte das Bewusstsein gestärkt werden, dass die CSD-Veranstaltungen eben nicht ein Karneval im Sommer sind, sondern dass der Kampf um eine komplette Akzeptanz und Gleichstellung noch nicht zu Ende ist.

[...]

Ganzer Text: https://www.jungewelt.de/2016/07-23/001.php

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Tilopa »

Ich musste noch ein bisschen über die Beiträge der letzten Tage in diesem Thread nachdenken.

Bemerkenswert finde ich, dass das beschlossene ProstSchG in seiner Tragweite medial bisher nirgendwo auch nur Ansatzweise zur Kenntnis genommen wurde -- außer kurzer, auf reine Informationsschnipsel beschränkte Presseberichte habe ich seit dem Bundestagsbeschluss dazu praktisch nichts gelesen (hätte mir z.B. wenigstens im oben verlinkten Interview etwas dazu erhofft...). Das ganze wurde natürlich auch geschickt im Schutze des Sommerlochs durchgewinkt und das böse Erwachen wird somit nur nach und nach passieren.

Ich stimme mit Lyciscas Einschätzung überein, dass auch nur eine Waffengleichheit der Betroffenen aus dem Feld der Prostitution gegen diese unheilvolle Allianz aus Politik, Konzernmedien, autoritärer gesellschaftlicher Mitte und radikaler Lobbygruppen einen solch massiven Kraftakt (Outing, Einkommensverzicht) erfordert hätte, dass darauf von vornherein nur sehr bedingt zu hoffen war. Wir sind sexuelle Minderheit und gesellschaftliche Randgruppe und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich im Zweifel kaum jemand für unsere Rechte interessiert.

Aber deshalb verzagen? Niemals! Wie Lycisca sehe ich in dieser Situation auch einen Funken Hoffnung:
Die positiven und negativen Freiheiten von Sexarbeiter/innen (Freiheit zur sexuellen und beruflichen Selbstbestimmung, Freiheit von Diskriminierung und Ausbeutung) sind zwar nicht Kernfrage, sie stehen aber sozusagen im "Auge des Orkans" größerer Fragen und gesellschaftlicher Dynamiken unserer Zeit. Ich versuche mich mal an einer Inventur von Gruppen, bei denen ich das Potential für Anknüpfungspunkte sehe -- blicken wir also nach vorne: Wir sind progressiver Teil der Menschheit und wenn diese Entwicklung auch nicht ohne Rückschläge und Brüche verlaufen wird, so glaube ich doch stoisch daran, dass sie sich auf lange Frist durchsetzen wird. :-)

* Bürgerrechtler (Amnesty International, Piraten, etc.)
* Queere / LGBT-Szene
* Aufgeklärte Feministen und Männerrechtler
* Humanistisch orientierte Linke und Kommunisten
* Klassische Liberale
* Reste der alten Sozialdemokratie (Integer gebliebene Menschen bei SPD, Grünen, Linkspartei und Gewerkschaften, moderate Christen und Kirchenleute)
* Liberale Juristen, Sozialwissenschaftler, Sozialarbeiter
* Behindertenbewegung
* Swinger- , Fetischszene

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Beitrag von Kasharius »

@all

nein wir werden nicht verzagen, sondern das Gesetz so gut es eben geht kritisch begleiten, oder wer es radikaler mag, bekämpfen. Und wir werden neue Bündnisse schließen (müssen) egal wie lange es dauert.

@Melanie

wie es @Friedericke schon postete : Selbstkritik so wie von Dir beschrieben, hat natürlich nicht mit Selbstzerfleischung zu tun. Ich meinte gegenseitige Schuldvorwürfe nur um ihrer selbst willen.

Ich finde: Alle SW und alle Anderen, die sich aktiv gegen das Gesetz engagiert haben, verdienen Hochachtung und Anerkennung.

Kasharius grüßt

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

INTERVIEW
Heilmann "für eine scharfe Regulierung" von Bordellen
Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) über das neue Prostitutionsgesetz, den Kampf gegen Großbordelle und den Wahlkampf.



Das Prostitutionsgesetz soll verschärft werden. Der deutsche Bundestag hat den Gesetzesentwurf beschlossen, nun muss dieser noch durch den Bundesrat. Das neue Gesetz sieht höhere Auflagen für Bordellbetreiber in Deutschland vor und soll es künftig ermöglichen, konsequent gegen Zwangsprostitution vorzugehen. Was konkret geplant ist und welche Auswirkungen das Prostitutionsgesetz auf Berlin hat, darüber sprachen wir mit Justizsenator Thomas Heilmann (CDU).

Herr Senator, es heißt, in Deutschland sei es heute schwieriger, eine Imbissbude zu eröffnen als ein Bordell. Trifft das zu?

Thomas Heilmann: Ja, das ist so – leider.

Woran liegt das?

Am rot-grünen Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2001. Ein Imbissbudenbesitzer braucht eine Erlaubnis, ein Bordellbetreiber nicht. Er benötigt sie erst dann, wenn er auch Getränke ausschenkt, wie in einer Gaststätte. Er braucht also weder eine Gewerbeanmeldung, noch eine Zuverlässigkeitsbescheinigung – gar nichts. Die Liberalisierung des Prostitutionsgesetzes hat nicht den Frauen geholfen, sondern für eine Marktausweitung und Gewinn­maximierung bei Bordellbetreibern und Zuhältern gesorgt.

Nun soll das Prostitutionsgesetz wieder geändert und auch verschärft werden. Der Gesetzentwurf, den der Deutsche Bundestag beschlossen hat, sieht die Einführung einer Erlaubnispflicht für Bordellbetreiber vor. Was heißt das konkret?

Die Idee des neuen Prostitutionsgesetzes ist, dass ein Bordell künftig nur dann betrieben werden darf, wenn dort ausschließlich Prostituierte arbeiten, die sich zuvor bei der zuständigen Behörde angemeldet haben. Der Bordellbetreiber hat die Pflicht, dafür zu sorgen, dass sich die Frauen anmelden. Wenn er eine Frau beschäftigt, die nicht angemeldet ist, kann gegen ihn ein Bußgeld verhängt werden. Kommt das öfter vor, kann das Bordell geschlossen werden. Welche Behörde zuständig sein wird, müssen die Länder regeln. Außerdem müssen sich die Prostituierten regelmäßig bei den Gesundheitsbehörden beraten lassen. Dass soll natürlich im Rahmen eines vertraulichen Gesprächs passieren – allein, also vor allem ohne Zuhälter. Haben die Mitarbeiterinnen in den Gesundheitsbehörden dann den Verdacht, dass die Frau sich möglicherweise nicht freiwillig prostituiert, können sie eingreifen. Erst recht natürlich, wenn sich die Frau ihnen anvertraut. Das ist ja das Ziel dieser Beratungspflicht, und das alles können wir heute nicht. Regelmäßig heißt: Einmal im Jahr, Prostituierte, die jünger sind als 21, alle sechs Monate.

Was muss der Bordellbetreiber in Zukunft denn konkret tun, um eine Erlaubnis zu bekommen?

Er muss ein Betriebskonzept vorlegen. Dabei sind bestimmte Dinge verboten, etwa sogenannter Flatrate-Sex. Verboten ist es auch, für Geschlechtsverkehr ohne Kondom zu werben. Die Behörde hat zudem eine Handhabe, die Einhaltung des Konzepts zu kontrollieren, etwa durch unangemeldete Kontrollen oder Testkunden. Bei Nichteinhaltung kann sie Auflagen bis hin zur Schließung zu verfügen. In Deutschland ist noch vieles erlaubt, was in anderen Ländern längst verboten ist. Deswegen gibt es zum Beispiel Großbordelle in der Nähe der Grenze zu Dänemark oder zu Frankreich.

Sie haben also die Möglichkeit, mehr zu kontrollieren?

Wir haben mehr Kontroll- und mehr Einwirkungsmöglichkeiten. Die zum Teil krass rechtswidrigen Zustände in Bordellen sind in Zukunft leichter nachweisbar, dann können wir auch besser reagieren. Heute muss die Behörde Verstöße nachweisen – und das in einem Milieu, in dem es viel Kriminalität gibt und meistens alle schweigen. Künftig müssen die Betreiber von Bordellen nachweisen, dass sie die Bestimmungen einhalten.

Die Kontrollen der Bordellbetriebe müssten aber stark intensiviert werden. Wer soll das tun?

Das Gesetz ist ein Kompromiss zwischen SPD und CDU. Viele Entscheidungen bleiben den Kommunen und Ländern überlassen. Wie gut das Gesetz wirkt, wird sehr stark davon abhängen, wie diese das Gesetz umsetzen und welche Durchführungsvorschriften sie erlassen. Die Union ist klar für eine scharfe Regulierung. Schon die Möglichkeit der Kontrollen erhöht für die Betreiber das Entdeckungsrisiko und erschwert damit das Gewerbe.

Mal angenommen, die CDU bleibt auch nach der Abgeordnetenhauswahl am 18. September in der Berliner Landesregierung und Sie bleiben in den nächsten fünf Jahren Justizsenator. Was würden Sie dann gegen Prostitution tun?

Das ist eine ressortübergreifende Aufgabe für den Senat, mindestens für Innen- und Justizbehörde sowie für die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen. Ich persönlich bin sehr für eine ganz klare Handhabe zum besseren Schutz der betroffenen Frauen. Im nächsten Doppelhaushalt müssen den Bezirken für diese Aufgabe dann auch ausreichende Personalmittel zur Verfügung gestellt werden.

Mehr Stellen für die Bezirke, okay. Aber sind die Kontrollen nicht auch Aufgabe der Polizei?

Die bezirkliche Gewerbeaufsicht ist zuständig. Die Kollegen können sich aber jederzeit Amtshilfe bei der Polizei holen und sich etwa bei Begehungen begleiten lassen.

Im April diesen Jahres ist unter großem öffentlichen Interesse das Großbordell Artemis in Halensee durchsucht worden, 900 Beamte von Polizei und Zoll waren im Einsatz. Was wäre anders gelaufen, wenn das neue Gesetz schon in Kraft wäre?

Da ging es um Abgabenhinterziehung in zweistelliger Millionenhöhe. Das allein wird auch in Zukunft nicht ausreichen, ein Bordell zu schließen. Die Beschäftigung von Zwangsprostituierten schon, mindestens im Wiederholungsfall. Das müssen, wenn das Gesetz beschlossen ist, die Durchführungsbestimmungen zeigen.

Sie meinen also, dass mit dem neuen Gesetz Zwangsprostitution in Deutschland deutlich und vor allem auch endlich, eingedämmt werden kann?

Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt. Das Gesetz wird nicht dazu führen, dass sie verschwindet. Das war auch nicht das Ziel. Wir haben aber mit dem neuen Gesetz künftig eine wesentlich effizientere Handhabe, um Organisierte Kriminalität auch in diesem Bereich und vor allem die Verschleppung von Frauen als Zwangsprostituierte nach Deutschland zu bekämpfen. Es ist unerträglich, dass wir dagegen im Moment so wenig tun können. Jedes Mädchen, jede Frau, die wir daraus befreien können, ist die Gesetzesänderung wert. Uns wird das in etlichen Fällen gelingen, davon bin ich überzeugt.

Wie viele Zwangsprostituierte gibt es in Berlin?

Das ist schwer zu beziffern, es gibt ein großes Dunkelfeld. Mir sind eher Befürchtungen als Schätzungen bekannt, aber ich gehe von einer höheren dreistelligen Zahl aus.

Das neue Gesetz sieht darüber hinaus auch eine Kondompflicht vor. Wer wird denn bei einem Verstoß bestraft? Die Prostituierte, der Freier, der Bordellbetreiber?

Alle drei können belangt werden.

Ist das neue Gesetz Ihrer Ansicht nach gut? Oder fehlt etwas?

Die Experten unserer Staatsanwaltschaft erhoffen sich große Fortschritte beim Kampf gegen Zwangsprostitution. Ich hätte mir noch härtere Bestimmungen gewünscht, etwa ein Werbeverbot als Sanktionsmöglichkeit beim Verstoß gegen Auflagen. Und ich hätte mir die Möglichkeit einer automatischen Schließung gewünscht und eines Verbots, den Betrieb weiterzuverkaufen, wenn dort Zwangsprostituierte entdeckt werden – unabhängig davon, ob der Bordellbetreiber wusste, dass es sich um Zwangsprostituierte handelt. Aber das war mit der SPD im Bund leider nicht zu machen.

Wie geht es mit dem Gesetzentwurf nun weiter?

Es gab zwei Lesungen im Bundestag, nun muss der Entwurf noch durch den Bundesrat. Das Gesetz könnte zum Beginn des nächsten Jahres in Kraft treten.

Sollte der Kampf gegen Bordelle in Berlin in der nächsten Legislaturperiode verstärkt werden?

Ja, gegen die Organisierte Kriminalität in diesem Bereich sollte mit aller Härte vorgegangen werden.

Was ist Ihnen persönlich denn eher ein Dorn im Auge? Großbordelle wie das Artemis in Halensee oder kleine Wohnungsbordelle im Kiez?

Mir ist es egal, ob ein Bordell groß oder klein ist. Ich möchte ein anderes, ein besseres Schutzniveau zugunsten der Frauen erreichen. Ihre Ausbeutung muss beendet werden, ganz gleich, wo sie stattfindet.

Eine ganz andere Frage zum Abschluss unseres Gesprächs: Innensenator Frank Henkel ist in der Sondersitzung des Innenausschusses zur Rigaer Straße auch von SPD-Abgeordneten hart kritisiert worden. Offenbar ist die CDU nun als möglicher Koalitionspartner von allen anderen Parteien im Abgeordnetenhaus isoliert. In knapp zwei Monaten wird gewählt. Was bedeutet das für den Wahlkampf der Union und wie gehen Sie als Wahlkampfmanager damit um?

Zunächst einmal: Man sollte die von ordentlich Wahlkampfgeklingel gefärbte Debatte um die Rigaer Straße nicht verallgemeinern. Und dann muss auch nicht zwangsläufig schlecht sein, wenn es klare Unterschiede zwischen den Parteien gibt. Wer CDU wählt, wählt mehr Investitionen in die Sicherheit, wählt ein klares Ja zu den Gymnasien, und diese Liste lässt sich ja fortsetzen. Klare Positionen sind aus Sicht eines Wahlkampfmanagers nicht das Schlechteste.

http://www.morgenpost.de/berlin/article ... ellen.html
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Beitrag von Kasharius »

Na ja, Wahlk(r)ampf eben. Justizsenator Heilmann ist der Wahlkampfmanager der CDU. Wichtigste Erkenntnis: Das Gesetz muss noch durch den Bundesrat.

Kasharius grüßt

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von friederike »

Das hat mich jetzt auch überrascht. Die Pressemeldung des Schwesig-Ministeriums klang ganz anders.

Andererseits weiß man hier auch nicht recht, ob dieser Senator sich wirklich in diesem Gesetz auskennt. Ich kann zum Beispiel nicht erkennen, wieso dieses Gesetz für das Entsenden von "Testkunden" eine neue Rechtsgrundlage schafft. Oder wie man eine "automatische Schließung" eines Bordells und ein "Verbot des Weiterverkaufs" bei Entdeckung der ominösen Zwangsprostituierten in unsere Rechtsordnung bewerkstelligen wollte.

Und sowas ist Justizsenator. Im 16. Jahrhundert haben die Menschen geglaubt, es sei eine Strafe für ihre Sünden, wenn die Pest in ihre Stadt gekommen war. Was haben die Berliner angestellt, dass sie diese Politiker haben?

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Kasharius
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Beitrag von Kasharius »

@friederike

jeder kriegt das, was er wählt. Die CDU war ja jahrzehnte lang ein garant für DEmokr.....ach ne, für Filz und Kurruption; genau wir die Sozialdemokraten. Ich sage nur: Antes-Skandal, Bankenskandal (CDU) oder Garski-Affäre, Tempodrom-Affäre (SPD) und immr hatten die jeweiligen Parteien komfortable Mehrheiten oder waren an REgierungen beteiligt.

Was die Aussagen zum Gesetz betrifft, spricht hier eher der Wahlkampfmanager und weniger der kundige (?) Jurist.

Kasharius grüßt

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Lucille
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Beitrag von Lucille »

BTW ... angesichts solcherlei rechtlich unfundierter 'Sachkenntnis' eines immerhin Justizsenators der Bundeshauptstadt dürfte sich niemand mehr über den Berliner Flughafenbau wundern können ...

Armutszeugnis ala Trump etc. :-(

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Tanja_Regensburg
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Tanja_Regensburg »

Ich hab länger darüber nachgedacht und antworte hier als Tanja_Regensburg, und nicht als Vorstand des BesD.

Wir diskutieren natürlich intern darüber und hinterfragen uns. Das werden wir auch auf unserer Mitgliederversammlung nochmals tun.

Trotzdem habe ich meine Meinung dazu. Die kann man mögen, teilen oder auch ablehnen. Damit kann ich leben, denn ich habe sehr viel ehrenamtlich gearbeitet, wie alle meine Kolleginnen auch.

Im Gegensatz zu dem staatlich- und organisationsfinanzierten
Abolutionisten.




Zitiat:

Opportunismus

Ich stimme der Position von Dona Carmen zu, dass eine fundamentale Opposition gegen die abolitionistische Auffassungen in Politik und Gesellschaft erforderlich ist und ein Taktieren mit den liberalen Kräften der Grünen und der SPD etc zur Abmilderung der Gesetzesvorhaben nicht zielführend ist. Zitatende

Das sehe ich anders, ich bin für Dialog und Unterstützung durch verschiedene Gruppierungen sowohl politisch wie auch gesellschaftlich oder öffentlich.

Aber ich habe kein Problem damit, wenn es verschiedene Sexwork-Gruppierungen gibt, die unterschiedliche Wege gehen.

Fundamentale Opposition ist genauso ein berechtigter Weg wie Dialog und Lobbybildung.

Zitat:
Auch die Kritik, dass es dies nie war, die Dona Carmen äussert, ist zulässig. Ich wage aber nicht zu beurteilen, ob sie richtig ist. Zitatende

Das sehe ich jetzt weniger, zumidest nicht in der Art und Weise wie das Frau Henning und Herr Walentowitz tun, aber das liegt wahrscheinlich daran dass ich Beide des öfteren in ihrer Art als sehr übergriffig empfinde.
Ich lasse mir ungern vorschreiben, was ich, wie, zu tun habe.
Auch nicht von einer Beratungsstelle!,
Nach dem Motto "Entweder so wie wir das vorgeben, oder wir sind gegen euch" Zumindest empfinde ich das so... und das mag ich nicht.

Trotzdem habe ich Aktionen von DC immer unterstützt und bin auch auf eigene Kosten angereist, wie übrigens noch weitere Kolleginnen des BesD, um unsere Unterstützung zu zeigen.

Die fundamentale Kritik aus dem Diskurs ausschließen zu wollen, wie es akklamativ auf dem 2. Kongress des BesD geschah, ist, so meine Meinung, angesichts der Entwicklung, ein Fehler der deutschen Hurenbewegung gewesen. Zitatende

Auch da bin ich anderer Meinung.
Aber auch hier hat jeder das Recht es anders zu sehen.
Es ging nicht um die Kritik, sondern wie immer um das Auftreten des Vertreters von DC.

Wenn ich mich auf einer Veranstaltung von DC so verhalten würde, dann fährt mir dort aber ganz schnell jemand über den Mund, das passiert auch, wenn ich anderer Meinung bin.

Das ist deren gutes Recht und ich nehme deshalb auch nur noch sehr selten an Veranstaltungen teil.

Ich akzeptiere, dass wir keinen Konsens finden. sondern verschiedene Wege gehen, mit dem gleichen Ziel.

Das ist vollkommen legitim und ich würde DC nie öffentlich angreifen oder ihr Tun in Frage stellen, wie ich das auch bei anderen Sexworker-Vertretungen nicht tue.
Wir haben gemeinsame Ziele und es ist unsinnig die Kraft in den Kampf gegen Mitstreiter zu investieren, anstatt in den Kampf gegen unsere "Gegner".


Zitat:
Die Hurenbewegung hat sich damit keinen Dienst erwiesen. Die Diskursbereitschft und -fähigkeit sollte ausgeprägter sein.
Zitatende

Ich sehe den BesD sehrwohl als diskursbereit und diskursfähig.

Wie schon oben angemerkt, macht es meiner Meinung nach aber keinen Sinn gegen Mitstreiter, die die selben Ziele verfolgen zu kämpfen, auch wenn wir keinen Konsens haben im Weg.

Ich unterstütze soweit ich kann gerne, aber ich erlaube mir meinen eigenen Weg zu gehen, wenn ich anderer Meinung bin über das Wie.


Zitat

Der abolitionistische Diskurs um den Menschenhandel, der zentrale Grundlage der Diffamierung der SW als kriminogen ist, der SW und die in ihr Aktiven der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit unterwirft, der die Hurophobie als menschenrechtlich begründet konstruiert, ist, jenseits der Diskussion um einzelne Gesetzesvorhaben, zurückzuweisen. Alle, die den Diskurs um den Menschenhandel als einen um die SW führen, kommen als Bündniskräfte für die SW nicht in Frage.

Alle die den Diskurs um Ausbeutung, gegen die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich und gegen die moralische Bevormundung mit einem Ideal des besseren Menschen zum Ausgangspunkt ihres Handelns machen, könnten Bündniskräfte sein. Kräfte bei den Linken, die moralischen Strömungen in den Reihen der Linken gegen Sexarbeit aufgreifen - wie dies leider auch die Nachdenkseiten machen, die sonst kritisch alternative Positionen bündelnd zur Verfügung stellen - welche Ausbeutung in der Sexarbeit unter Vernachlässigung der strukturellen Gewalt kapitalistischer Verhältnisse in den Mittelpunkt ihrer Systemkritik stellen, sind reaktionäre Kräfte, die der Kategorie Links/Rechts Querfront ihre Begründung geben. Sie haben die Lehren aus den Zeiten des autoritären Sozialimperialsmus nicht gezogen, sind bestenfalls Verfechtende des Paternalismus im Gewand feministischer Rhetorik, sind Protagonisten eines linken Neofaschismus.

Sicher gibt es in einem System globaler Ausbeutung die Erscheinung, das Arbeitskraft transnational nachgefragt und aufgrund der unterschiedlichen Reproduktionskosten der Ware Arbeitskraft in verschiedenen Regionen der Welt unverhältnismässig ausgebeutet wird. Alle, die die Ausbeutung in den Mittelpunkt stellen und Verhältnisse anstreben, in denen Ausbeutung, in denen die Spaltung in Arm und Reich, in denen Ideologien des neuen Menschen, der Masstab des Richtigen sein soll, überwunden werden, mögen Bündniskräfte von SW sein. Die Kräfte, die vom Menschenhandel sprechen, und damit den Diskurs gegen das Recht auf SW führen, ist durch die fundamentale Dekonstruktion ihres moralischen Menschenhandelsbegriffes als faschistoide Gesinnung zu begegnen.
Zitatende

Vielleicht schaffst du es ja mal in einem Deutsch zu schreiben, das ich als jemand, der kein Sozialstudium hat, auch auf Anhieb verstehen kann und nicht mindestens 3 mal lesen muss....

Das neue Prostituiertenschutzgesetz ist ein rasisstisches Antimigrationsgesetz und ein Prostitutionseindämmungsgesetz, das auf starkes Betreiben der CDU/CSU so formuliert und verabschiedet wurde.

Eine Chance das sich da groß etwas ändert gab es nie, denn ich musste erstaunt feststellen, dass wir schon lange nicht mehr in einer Demokratie leben sondern, dass die überstarke Mehrheit einer einzelnen Partei durchaus diktatorische Wege erlaubt.

Die SPD hat schon lange nichts mehr mit dem S im Parteinamen zu tun, sowie die C- Parteien diesen Buchstaben auch streichen sollten.
Siehe Harz4 Gesetze und Behindertenbeteiligungsgesetz....

Die seit 2006, mit viel Geld im Hintergrund, geführte Antiprostitutionskampagne, http://www.womenlobby.org/-together-for ... m-?lang=en die federführend die EWL leitet, die EU Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und The Brussels' Call 'Together for a Europe free from prostitution' ...

2015 wurde Deutschland angemahnt die Richtlinie endlich umzusetzen, da die Frist schon 2013 verstrichen war.

http://www.institut-fuer-menschenrechte ... inie-2011/

Die Regierungsparteien hatten schon 2014 einen Umsetzungsversuch geplant, der gescheitert ist.
2015 wurde die Umsetzung erweitert und die schon lange angedachte Eindämmung von Prostitution massiv mit in Angriff genommen, durch ein sehr repressives Prostitutionseindämmungs und Kontrollgesetz, welches man unter dem Deckmäntelchen Menschenhandelsbekämpfung vorangetrieben hat.

Die EU spricht ich in ihrer Entscheidung zur Honeyball-Resolution gegen Prostitution, auch freiwillige Prostitution aus und verweist auf das Schwedische Model.

Schon vor Jahren haben Ariane und ich auf diese Tendenz hingewiesen und aufgerufen uns zusammenzuschließen. Das wurde damals, gerade auch hier im Forum, mit der liberalen Haltung Deutschlands abelehnt.

Das brauchen wir nicht, das wollen wir nicht....

Ich war so froh, als sich 2013 endlich etwas getan hat und sich eine Sexworkervereinigung gegründet hat.

Wir haben meiner Meinung nach die letzten 3 Jahre gute Arbeit geleistet, auch wenn das Einige anders sehen.

Wir haben Experten aus den verschiedensten Bereichen erreicht, die uns unterstützen

Deutscher Frauenrat
Deutsche Aidshilfe
GS:SG
Deutsche STI Gesellschaft
Frau Zimmermann Schwartz Runder Tisch NRW
Deutscher Juristinnenbund
Diakonie Deutschland
Amnesty International- Deutschland
Gesundheitsämter
Ärzte im öffentlichen Dienst
Fachberatungsstellen
Die Grünen auf Bundesebene
Die Linken auf Bundesebene
KoK....


um nur einige zu nennen, die uns bei Anhörungen und mit Stellungnahmen unterstützt haben.

Auch wenn wir nicht in allem einer Meinung sind, finde ich die Dialogbereitschaft und Unterstützung gut.



Zitat:
Erstarrung - Depression - Verantwortung

Das ProstSchG inklusive der Prüfung auf die Handlungsfähigkeit der SW wurde, trotz des Widerstandes der Pro-SW-Aktiven verabschiedet. Eventuell können auf dem juristischen Weg noch Verbesserungen für die SW auf den Weg gebracht werden.

Die Bestrebungen, die Stellung der SW, ihre Anliegen, in den Gesetzgebungsprozess einzubringen, müssen als gescheitert betrachtet werden. Zitatende

Wir sind nicht wirklich gescheitert, da es überhaupt keine Einspruchsmöglichkeit gab, und diese auch nicht gewollt war.
Das Gesetz wurde von CDU/CSU diktatorisch so gestaltet, und die SPD wollte nur den Haken an die Koalitionsvereinbarung machen, da diese sonst gescheitert wäre.

Das ist sehr enttäuschend, aber scheinbar geht Macht über alles,...

Wie anders könnte man sonst erklären, dass alle Expertenmeinungen gehört wurden, aber die sich Pro-Sexwork äußernden Experten alle konsequent ignoriert wurden.




Zitat:
Glaubt man n24, Welt und Emnid sind bis zu 57 % der jungen Menschen für eine Abschaffung der Prostitution. Diese Aussage blieb seitens des BesD unwidersprochen, als sie in einem Interview Video mit Johanna Weber seitens einer n24 / Welt Redakteurin wiederholt geäussert wurde.

Ein bitteres Fazit. Das ProstSchG tritt unbeeinflusst durch die Pro-SW-Aktiven in Kraft und die Zustimmung zur SW sinkt, der BesD widerspricht dieser Darstellung nicht. Bei jungen Menschen, sinkt sie, so die passive Zustimmung des BesD, auf deutlich unter 50 %. Zitatende

Ich weiß ja nicht wen Emnid da befragt hat, aber ich sehe das anders.
Was soll das ändern, wenn wir Emnid oder n24 widersprechen?

Für mich sind diese Aussagen nicht relevant, da ich ganz andere Erfahrungen gemacht habe ... gerade mit jungen Menschen. Veranstaltungen von Jusos, grüne Jugend, linke Jugend, Studenten, Arbeitskreise usw zeigen mir da eine andere Tendenz.
Ja ich war bei vielen dieser Veranstaltungen persönlich, auch wenn das für mich lange Wege waren, eben weil ich es wichtig finde. Auch meine Kolleginnen haben viele dieser Veranstaltungen besucht und dort das Wort ergreifen können.

Auch da kam Unterstützung, kann man an einigen Erklärungen der teils regionalen Gruppen nachlesen.


Zitat:
Zeit sich damit auseinanderzusetzen. Alles andere wäre Zeitverschwendung.
Zitatende

Haben wir in der vergangenen Zeit getan und tun das auch weiterhin.

Darf ich nochmal darauf hinweisen, dass wir alle ehrenamtlich verdammt viel Freizeit investieren in diese Arbeit, die nur sehr minimal aktiv von Sexdienstleisterinnen unterstützt wird.

Wer viel arbeitet, macht auch Fehler!
Wer nichts tut kann keine Fehler machen, außer nichts getan zu haben!

Große Masssen zu mobilisieren ist leider sehr schwer, wenn man dazu wenig Zeit hat, und viele Kolleginnen Angst haben sich zu outen oder geoutet zu werden.
Viele stecken auch gerne den Kopf in den Sand und meinen es betrifft sie nicht.

Gerade unsere migrantischen Kolleginnen sind da leider kaum motivierbar wie du selbst wissen solltest @ Klaus

Einige haben sich dem BesD angeschlossen, aber meist leider nur passiv.

Zitat:
Die verständliche posttraumatische Depression und Erstarrung der Pro-SW-Aktiven, ihre analytische Sprachlosigkeit zu diesem Desaster sollte schnellstens in einen Diskurs überführt werden, in dem die Bedingungsfaktoren, vor allem die der eigenen Unzulänglichkeiten betrachtet werden sollten.Zitatende

Diese Unterstellung verbitte ich mir!

Fang bitte bei dir an...

Was hast du gemacht und was hast du erreicht?
Wo sind denn die Betreiberverbände? Wo waren sie aktiv?

Dann solltest du die Orgas Pro Sexwork, die sich hauptamtlich betätigen und die es schon vor 2013 gab fragen
was sie gemacht, und was sie sie letzten Jahre erreicht haben.

Wir haben uns den Arsch aufgerissen, auch wenn du das nicht glauben magst. Und meiner Meinung nach haben wir in den letzten 3 Jahren, seit es uns gibt, schon einiges bewegt, auch wenn es das repressive Eindämmungsgesetz letztendlich nicht verhindern konnte.

Dazu hatten wir gar keine Chance, da es bereits seit dem Koalitionsvertrag feststand.

Mit dem Finger auf andere zeigen ist kein Diskurs.

Zitat:
Wo bleiben die selbstkritischen Einlassungen der wesentlichen Beteiligten, insbesondere des BesD, der sich 2013 in Frankfurt auf den Weg machte, die neue Spitze einer Deutschen Hurenbewegung zu sein? War nicht mehr drin? Was sind die Lehren? Wer trägt welche Verantwortung?

Die Verdrängung dieses Diskurses besorgt mich.Zitatende

Wie gesagt, wir tauschen uns dazu intern aus und werden auch bei unserem Mitgliedertreffen darüber diskutieren.
Vor allem werden wir nicht aufhören zu kämpfen und bereiten uns auch auf den Klageweg vor.

Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, die wir haben.

Ich bin seit 2007 Sexworkaktivistin und seitdem kämpfe ich unermüdlich an vielen Fronten, auch in den eigenen Reihen dafür, dass wir uns gemeinsam für unsere Rechte einsetzen.

Das werde ich auch weiter machen, weil es mir persönlich wichtig ist... so wichtig, dass ich auch persönliche Nachteile und Diffamierungen in kauf nehme.
Wenn ich dann Postings wie die zitierten lese, frag ich mich allerdings schon öfters mal, warum ich das tue. Aber auch das hält mich nicht davon ab gegen Unrecht zu kämpfen.
Von posttraumatische Depression und Erstarrung sowie analytische Sprachlosigkeit keine Spur.


Es wird meiner Meinung nach nie nur eine einzelne Vertretung für Sexdienstleisterinnen geben, von daher ist es legitim, wenn mehrere Gruppen gleichzeitig und über unterschiedliche Wege gemeinsam kämpfen.
Was ich aber für absolut kontraproduktiv halte ist sich gegenseitig anzugreifen und dort Kraft und Ressourcen zu verschwenden, die anderweitig sinnvoller eingesetzt werden können.

Mag sein, dass ich manchmal in etwas scharfem Ton geantwortet habe, aber ich ich bin leider ein emotionaler Mensch, der allergisch reagiert auf Unterstellungen, die ich als nicht gerechtfertigt sehe.
Kann auch sein, dass ich mich um Kopf und Kragen geschrieben habe, aber als Privatmensch kann ich das, genauso wie ich Grenzen setzen kann.

Zum Dialog bin ich gerne bereit, allerdings nicht dazu mich in Verteidigungsposition zu begeben.

Selbst wenn ich Fehler gemacht haben sollte, dann ist das so! Zumindest hab ich mit Herzblut und viel Einsatz gearbeitet und sehr viele Stunden meiner Freizeit dafür aufgewendet und auch Arbeitszeit unentgeltlich geleistet habe.

Liebe Grüße

Tanja
Zuletzt geändert von Tanja_Regensburg am 28.07.2016, 16:45, insgesamt 1-mal geändert.

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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Jupiter »

Danke Tanja.

Interessenvertretungen sind keine Parteien, die auf Grund ihrer politischen Vorstellungen, unterschiedlich sind.

Interessenvertretungen sind dafür da, einer bestimmten Personengruppe Gehör zu verschaffen.
Es war politisch gewollt, dieses Gesetz in dieser Richtung zu verabschieden, obwohl das federführende Ministerium, wusste, was eigentlich zu tun ist (eigene Evalationsstudie).

Ich hoffe, dass alle Aktivistinnen weiter machen, da mit den Ausführungsbestimmungen (jedes Bundesland für sich) noch genügend Arbeit kommt. Für NRW wünsche ich mir, dass hierzu Beispielhaft der "Runde Tisch" aktiviert wird.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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Beitrag von Tanja_Regensburg »

PS
zum Thema Verantwortung.

Die übernehme ich gerne, gerne auch für den BesD, denn ich kann nach wie vor in den Spiegel schauen und bin stolz auf unsere Arbeit.!
Sicher ist nicht alles optimal gelaufen und wir konnten das Gesetz, genausowenig wie andere Pro-Sexworkaktivisten, die sich eingebracht haben, verhindern.

Das heißt nicht dass wir jetzt aufgeben.

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Beitrag von Lucille »

@Tanja :Mel1 :notworthy

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Beitrag von Kasharius »

@Tanja

Respekt auch von mir. Eine Sternstunde des Forums Deine ausführliche Reflexion und ganz sicher keine Selbstzerfleischung.

Und ich finde auch, verloren ist noch Garnichts.

Kasharius grüßt