NWZ Göppinger Kreisnachrichten 27.12.2008
Bordell läuft auch ohne Messe
Keine Anfragen von neuen Investoren - Das Geschäft auf den Fildern scheint "gesättigt"
"Die Messe?", fragt Michael Beretin gedehnt, der Pressesprecher des FKK- und Saunaclubs "Paradise" in Echterdingen macht im gleichen Atemzug eine wegwerfende Handbewegung: Sie spielt keine Rolle.
ANNEGRET JACOBS
Stuttgart "Wir haben gedacht, die Messe würde hier einen Riesenknall machen", sagt der 42-jährige Michael Berentin vom Bordellclub "Paradise" in Echterdingen. Schließlich hatte die Politik den neuen Handelsplatz mit viel Getöse angekündigt. In Frankfurt hat Jürgen Rudloff, der Betreiber des Clubs, mit Messestandorten bisher sehr gute Erfahrungen gemacht. Dort betreibt er seit 2003 einen Club mit ähnlichem Konzept. "Da füllen uns die Messebesucher den Laden", sagt er. Ein guter Grund also, über 9,5 Millionen Euro für die Immobilie und deren Umbau im Echterdinger Gewerbegebiet zu investieren.
Vor knapp einem Jahr hat das "Paradise" dort in der Dieselstraße seine Pforten geöffnet. Doch recht schnell habe sich herausgestellt, dass unter dem Stuttgarter Messepublikum eher wenige Klienten für das "Paradise" sind. Zu klein sei die Neue Messe, die im Oktober 2007 vor den Toren Leinfelden-Echterdingens eröffnet hat, sagt Beretin. Zu unbedeutend für den nach eigenen Angaben größten Saunaclub Europas mit einer Gesamtfläche von über 5500 Quadratmetern, in dem im Durchschnitt zwischen 40 bis 70 Prostituierte allabendlich ihre Dienste anbieten.
"Zu wenige Industriemessen, die meisten Ausstellungen in Stuttgart sind Endverbrauchermessen", bilanziert Beretin. Spitzenbesucherzeiten auf der Messe seien die Wochenenden zur Mittagszeit, dann kämen viele Familien mit Kindern. Der Unternehmenssprecher quittiert das Besucherprofil der Messe mit einem Achselzucken. Zumindest in dieser Konstellation sei es uninteressant für die Geschäfte des "Paradise".
Über mangelnde Auslastung des Sauna-Clubs könne sich Betreiber Jürgen Rudloff dennoch nicht beklagen, so Beretin. Denn trotz des fehlenden Besucherschubs von der Messe brumme das Geschäft - nach Angaben des Sprechers vom ersten Tag an kostendeckend. "Wir haben Stammkunden aus einem Umkreis von bis zu 400 Kilometern", sagt Beretin. Aus München kämen viele, aus Frankfurt, sogar Geschäftsreisende aus dem Ausland zählten zu den regelmäßigen Besuchern. Nicht zu vergessen die Kunden aus dem Stuttgarter Ballungsraum. "Seit der Eröffnung in Echterdingen hat die Zahl der Besucher aus Stuttgart in unserem Frankfurter Club rapide abgenommen", sagt Beretin. Woher er so genau über seine Kunden Bescheid wisse?
Diese Frage verwundert ihn: "Wir sind ein mittelständisches Unternehmen", setzt er zur Erklärung an. Man betreibe Marktforschung, verfolge, wie oft die Internetwerbung angeklickt werde - man kenne seine Gäste. "Unsere Gäste wünschen, dass wir auf sie eingehen", sagt Beretin und lehnt sich in seinem Stuhl zurück.
Zahlen zum Jahresumsatz will er nicht nennen. Nur soviel: In den nächsten zwei Jahren werde die Paradise GmbH mit zwei Saunaclubs, dem Echterdinger und einem, der gerade in Hamburg gebaut wird, an die Börse gehen. Einen Börsenprospekt gibt es noch nicht. Auch Angaben, wie das Unternehmen an der Börse gehandelt werden wird, will er noch nicht machen. Doch Beretin und sein Chef Rudloff drücken keine Sorgen, dass der Börsengang scheitern könnte. Auch wenn andere Unternehmen sich einen Börsengang in Zeiten einer heraufziehenden weltweiten Rezession noch einmal gut überlegen. "Unsere Branche ist krisensicher", argumentiert Beretin. Über den ersten Sommer, traditionell eine maue Zeit für Saunaeinrichtungen, habe der Paradise Club weiter an Gewinn zugelegt. Im September ging das Geschäft trotz der plötzlich hereinbrechenden Finanzkrise weiter bergauf. "Unsere heutigen Zeiten sind rau", erklärt er den Erfolg des Saunaclubs. "Da steigt bei vielen das Bedürfnis nach Zuwendung, nach Zärtlichkeit." Finanzkrisen treiben seiner Meinung nach das Geschäft eher noch an. Der Preis von 69 Euro für eine Tageskarte, in der zwar die Gebühr für Wellnessbereich und Büffet, nicht aber für die Liebesdienste eingerechnet ist, scheint also niemanden abzuschrecken. "Naja", sagt Beretin leichthin. "Rechnen Sie doch mal hoch, was eine Tageskarte in einer Wellnessoase inklusive Büffet woanders kostet." Der Unternehmenssprecher ist sich sicher, dass dem FKK-Club-Konzept die Zukunft im Erotikgewerbe gehört. "Das Billigbordell, das will niemand mehr", ist er sich sicher.
Nicht weit vom Paradise-Club hat im Stadtteil Stetten mit dem Eroscenter ebenfalls vor knapp einem Jahr ein weiteres Etablissement eröffnet. Konkurrenten seien der FKK-Club und das Eroscenter trotz der Nachbarschaft jedoch nicht. Das geben Beretin und auch ein Sprecher der Phoenix-GmbH, der Betreibergesellschaft des Eroscenters, unisono zu Protokoll. "Unser Laufhaus hat ein ganz anderes Konzept als ein FKK-Club", so der Unternehmenssprecher.
Doch auch für den FKK-Club, den die Phoenix-GmbH in der Marienstraße in der Stuttgarter Innenstadt betreibt, sei das Paradise keine Konkurrenz. "Dafür liegen sie zu weit auseinander", sagt der Sprecher der Phoenix-GmbH.
Die Bilanz nach einem Jahr Messe fällt im Eroscenter ähnlich aus wie im "Paradise", es sind weniger die Messebesucher, die den Laden füllen: "Es kommt sehr auf die jeweilige Messe an", sagt der Sprecher. Wichtiger sei die zentrale Lage an der A 8 und der B 27. Im Großen und Ganzen sei die Phoenix GmbH mit dem ersten Betriebsjahr zufrieden. "Es ist den Erwartungen entsprechend gelaufen", so der Unternehmenssprecher. "Zu Anfang fallen immer viele Investitionskosten an, deswegen ist es schwer abzuschätzen, wie hoch der Reingewinn ausfallen wird." Eine Prognose für das kommende Jahr will er nicht abgeben. "Das ist noch weit hin."
Die Stadt Leinfelden-Echterdingen hat sich nun zähneknirschend damit abgefunden, die Ansiedlung der Clubs nicht verhindern zu können. "Man muss jedoch fairerweise sagen, dass beide Betriebe völlig unauffällig sind", räumt Oberbürgermeister Roland Klenk ein.
Allerdings: Mit der Anfang des Jahres eingeführten Vergnügungssteuer spülen die beiden Etablissements laut Jochen May, Leiter der Steuerabteilung, ein "hübsches Sümmchen" in die Stadtkasse. Jeder Quadratmeter, der in den beiden Clubs für den Publikumsverkehr zugänglich ist, kostet die Einrichtungen im Monat acht Euro. Im "Paradise" sind den Besuchern mehr als 2000 Quadratmeter zugänglich, weswegen der Club eine Summe von schätzungsweise 200 000 Euro jährlich an Vergnügungssteuer abführen muss.
Dass beide Einrichtungen in den nächsten Jahren Konkurrenz bekommen könnten, glauben sie nicht. "Das Geschäft auf den Fildern ist gesättigt", sagt Beretin. Davon geht man auch bei der Phoenix-GmbH aus.
http://www.suedwest-aktiv.de/region/nwz ... 1d4fee0ac9
Ist doch der HAmmer: 200.000 EUR Vergnügungssteuer + Gewerbesteuer, was wollen die Menschen in einer Stadt mit 40.000 Einwohner mehr? Und dann wird das Gewerbe behondert wo es nur geht....