Protest gegen Alice Schwarzer in Berlin
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- Admina
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Protest gegen Alice Schwarzer in Berlin
Prostitution in Berlin
Alarm im Sperrbezirk
von Veronica Frenzel und Sandra Dassler
Bald nicht mehr erlaubt? Zumindest am Tag möchte Innensenator Frank Henkel die offene Prostitution beispielsweise an der Schöneberger Kurfürstenstraße verbieten.
Alice Schwarzer stellt ihr neues Buch vor, Berliner Huren protestieren dagegen und Innensenator Frank Henkel will die Prostitution zeitlich begrenzen.
"Hallo, ich bin Sexarbeiterin", die große junge Frau – platinblond gefärbte, kurze Haare, silberner Lidschatten – lächelt höflich. Sie steht inmitten von etwa 30 anderen Frauen und zwei Männern mit weinroten Schirmen: "Schön, dass Sie sich für das Thema Prostitution interessieren."
Kristina Marlen, die große Blonde, drückt der verdutzten Mittfünfzigerin, die gerade auf dem Weg in die Urania ist, einen rosa-weißen Flyer in die Hand. "Mein Beruf gehört mir", steht darauf, eine Anspielung auf die Kampagne "Mein Bauch gehört mir" für das Recht auf Abtreibung, die Alice Schwarzer anführte.
Der Slogan auf dem Flyer richtet sich gegen Schwarzer. Gegen ihre aktuelle Kampagne für die Abschaffung der Prostitution, die sie mit ihrem aktuellen Buch „Prostitution - ein deutscher Skandal" angestoßen hat, und die auch die Politik erreicht hat, die jetzt das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 diskutiert.
Schwarzer feiert an diesem Donnerstagabend in der Urania gleich ihre Buchpremiere, sie wird mit einem Kriminalhauptkommissar, einer ehemaligen Prostituierten und der Emma-Chefredakteurin diskutieren.
Kristina Marlen sagt: "Ich bin Feministin, natürlich sehe ich das Problem der Zwangsprostitution und ich bin empört über teilweise sehr schlimmen Arbeitsbedingungen. Aber das bedeutet nicht, dass ich Prostitution an sich schlecht finde."
Sie hat Sozial- und Kulturwissenschaften und Jura studiert und eine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht. Seit fünf Jahren arbeitet sie auch als Prostituierte.
"Manche von unseren Frauen sind aber wirklich wütend."
Kristina Marlen und die anderen haben Karten für die Podiumsdiskussion. Sie wollen nicht, dass die Debatte über sie ohne sie geführt wird. „Man muss nicht die Prostitution abschaffen, um Zwangsprostitution zu bekämpfen“, sagt sie.
"Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und Menschenhandel sind Straftatbestände. Dagegen gibt es Gesetze."
Bevor sie hinein geht, sagt sie noch: "Ich will aufklären, nicht die Veranstaltung stören. Manche von unseren Frauen sind aber wirklich wütend."
Kaum zwanzig Minute reden die Podiumsteilnehmer über Zwangsprostitution von Frauen aus Osteuropa. Da spannen 8 Frauen im Publikum weinrote Schirme auf, auch Kristina Marlen, eine ruft: "Ihr sprecht nicht über uns!"
Alice Schwarzer sagt: "Ich glaube es regnet nicht, sie können die Schirme wieder zuklappen." Die Zuschauer klatschen laut, ein paar lachen.
Dann erklärt Schwarzer: "Wenn wir hier ausgeredet haben, sprechen wir auch mit Ihnen."
Henkel denkt über zeitlich begrenzte Sperrbezirke nach
Unterdessen geht auch in der Berliner Politik der unter anderem von Alice Schwarzer ausgelöste Streit um ein Verbot der Prostitution weiter.
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) denkt gegenwärtig über zeitlich begrenzte Sperrbezirke nach.
Der Senator sei zwar gegen ein vollständiges Verbot der legalen Prostitution, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel, weil dies das Problem nur verdrängen und die Frauen kriminalisieren würde. Henkel könne sich aber durchaus vorstellen, beispielsweise für die Kurfürstenstraße „ein zeitliches Prostitutionsverbot von morgens bis in die frühen Abendstunden“ zu erlassen.
Der Senat kann als Berliner Landesregierung nach Artikel 297 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) www.sexworker.at/prostg - www.bit.ly/sperrgebiet aus Gründen des Jugendschutzes verbieten, in bestimmten Gebieten der Prostitution nachzugehen. Dieses Verbot kann per Verordnung auf bestimmte Tageszeiten beschränkt werden.
Dazu würde Henkel jetzt das Gespräch mit der Senatsverwaltung für Frauen und mit der für den Jugendschutz zuständigen Bildungsverwaltung suchen. Eine entsprechende Verordnung müsste zwischen den 3 Häusern abgestimmt und vom Senat beschlossen werden. Für die Durchsetzung der Sperrbezirke wären dann zunächst die Bezirke verantwortlich.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/prost ... 79344.html
viewtopic.php?p=136461#136461 SW only
3 Wochen später Gegenveranstaltung von Felicitas und Expert_innen
viewtopic.php?p=137404#137404
Alarm im Sperrbezirk
von Veronica Frenzel und Sandra Dassler
Bald nicht mehr erlaubt? Zumindest am Tag möchte Innensenator Frank Henkel die offene Prostitution beispielsweise an der Schöneberger Kurfürstenstraße verbieten.
Alice Schwarzer stellt ihr neues Buch vor, Berliner Huren protestieren dagegen und Innensenator Frank Henkel will die Prostitution zeitlich begrenzen.
"Hallo, ich bin Sexarbeiterin", die große junge Frau – platinblond gefärbte, kurze Haare, silberner Lidschatten – lächelt höflich. Sie steht inmitten von etwa 30 anderen Frauen und zwei Männern mit weinroten Schirmen: "Schön, dass Sie sich für das Thema Prostitution interessieren."
Kristina Marlen, die große Blonde, drückt der verdutzten Mittfünfzigerin, die gerade auf dem Weg in die Urania ist, einen rosa-weißen Flyer in die Hand. "Mein Beruf gehört mir", steht darauf, eine Anspielung auf die Kampagne "Mein Bauch gehört mir" für das Recht auf Abtreibung, die Alice Schwarzer anführte.
Der Slogan auf dem Flyer richtet sich gegen Schwarzer. Gegen ihre aktuelle Kampagne für die Abschaffung der Prostitution, die sie mit ihrem aktuellen Buch „Prostitution - ein deutscher Skandal" angestoßen hat, und die auch die Politik erreicht hat, die jetzt das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 diskutiert.
Schwarzer feiert an diesem Donnerstagabend in der Urania gleich ihre Buchpremiere, sie wird mit einem Kriminalhauptkommissar, einer ehemaligen Prostituierten und der Emma-Chefredakteurin diskutieren.
Kristina Marlen sagt: "Ich bin Feministin, natürlich sehe ich das Problem der Zwangsprostitution und ich bin empört über teilweise sehr schlimmen Arbeitsbedingungen. Aber das bedeutet nicht, dass ich Prostitution an sich schlecht finde."
Sie hat Sozial- und Kulturwissenschaften und Jura studiert und eine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht. Seit fünf Jahren arbeitet sie auch als Prostituierte.
"Manche von unseren Frauen sind aber wirklich wütend."
Kristina Marlen und die anderen haben Karten für die Podiumsdiskussion. Sie wollen nicht, dass die Debatte über sie ohne sie geführt wird. „Man muss nicht die Prostitution abschaffen, um Zwangsprostitution zu bekämpfen“, sagt sie.
"Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und Menschenhandel sind Straftatbestände. Dagegen gibt es Gesetze."
Bevor sie hinein geht, sagt sie noch: "Ich will aufklären, nicht die Veranstaltung stören. Manche von unseren Frauen sind aber wirklich wütend."
Kaum zwanzig Minute reden die Podiumsteilnehmer über Zwangsprostitution von Frauen aus Osteuropa. Da spannen 8 Frauen im Publikum weinrote Schirme auf, auch Kristina Marlen, eine ruft: "Ihr sprecht nicht über uns!"
Alice Schwarzer sagt: "Ich glaube es regnet nicht, sie können die Schirme wieder zuklappen." Die Zuschauer klatschen laut, ein paar lachen.
Dann erklärt Schwarzer: "Wenn wir hier ausgeredet haben, sprechen wir auch mit Ihnen."
Henkel denkt über zeitlich begrenzte Sperrbezirke nach
Unterdessen geht auch in der Berliner Politik der unter anderem von Alice Schwarzer ausgelöste Streit um ein Verbot der Prostitution weiter.
Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) denkt gegenwärtig über zeitlich begrenzte Sperrbezirke nach.
Der Senator sei zwar gegen ein vollständiges Verbot der legalen Prostitution, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel, weil dies das Problem nur verdrängen und die Frauen kriminalisieren würde. Henkel könne sich aber durchaus vorstellen, beispielsweise für die Kurfürstenstraße „ein zeitliches Prostitutionsverbot von morgens bis in die frühen Abendstunden“ zu erlassen.
Der Senat kann als Berliner Landesregierung nach Artikel 297 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) www.sexworker.at/prostg - www.bit.ly/sperrgebiet aus Gründen des Jugendschutzes verbieten, in bestimmten Gebieten der Prostitution nachzugehen. Dieses Verbot kann per Verordnung auf bestimmte Tageszeiten beschränkt werden.
Dazu würde Henkel jetzt das Gespräch mit der Senatsverwaltung für Frauen und mit der für den Jugendschutz zuständigen Bildungsverwaltung suchen. Eine entsprechende Verordnung müsste zwischen den 3 Häusern abgestimmt und vom Senat beschlossen werden. Für die Durchsetzung der Sperrbezirke wären dann zunächst die Bezirke verantwortlich.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/prost ... 79344.html
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Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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- Admina
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Interview mit Marlene Cat zur Demo gegen Alice Schwarzer auf Radio-b2
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friederike hat geschrieben:Die Schwarzer führt sich wirklich widerlich arrogant auf. Was ... nicht in ihr Weltbild passt, wird einfach ignoriert.
"ehemaliger User" hat geschrieben:Weder bei Ersterem, noch bei Letzterem hat sie da allerdings ein Alleinstellungsmerkmal, leider ...
Wie darf ich das verstehen?
Wen meinst du damit genau?
lG Tanja
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RE: Protest gegen Alice Schwarzer in Berlin
Anti-Prostitutionsdebatte: Brüllen und blitzen gegen Alice
Von Hannah Pilarczyk
Es gab Zwischenrufe und einen nackten Unterleib: Begleitet von Protesten hat Alice Schwarzer ihr Buch "Prostitution - Ein deutscher Skandal" vorgestellt. Bei der emotionsgeladenen Diskussion erstritten sich auch Sexworker und Freier das Wort, doch gut kam dabei keiner weg.
Kaum war auf dem Podium zum zweiten Statement des Abends angesetzt, rollten Sexarbeiterinnen auch schon ein Transparent mit der Parole "Mein Beruf gehört mir!" aus. Parallel sprangen im Publikum mehr als ein Dutzend roter Regenschirme auf, die zum Symbol der Pro-Prostitutions-Kampagne geworden sind. Schon vor der Tür hatte eine Aktivistin ein Plakat hochgehalten: "Halt die Klappe, Alice" war darauf zu lesen.
Die "Emma" hatte am Donnerstagabend in Berlin zur Vorstellung von Alice Schwarzers vieldiskutiertem Sammelband "Prostitution - Ein deutscher Skandal" eingeladen. Auf dem Podium saßen, neben Schwarzer selbst, die Sozialarbeiterin Sabine Constabel, der Kriminalhauptkommissar Helmut Sporer, die Ex-Prostituierte Marie sowie "Emma"-Redakteurin Chantal Louis - allesamt mehr oder minder direkt an dem Buch beteiligt. "Hier oben sitzt, wer Prostitution generell für ein Übel hält", fasste Schwarzer die Runde zusammen.
In den vergangenen Jahren war die "Emma"-Chefin gegen Kopftuchträgerinnen zu Felde gezogen, hatte mit der "Bild"-Zeitung gekungelt. Da hätte man sich mitunter tatsächlich gewünscht, dass sie einmal die Klappe hält. Aber bei ihrem jetzt ausgerufenen Kampf gegen Prostitution und für die Reform des Prostitutionsgesetzes? Da ist die Sache kompliziert - und wurde durch die erhitzte Debatte in der Urania sogar noch komplizierter.
"Wo habt ihr eure Zahlen her?"
Das begann schon mit der Frage, um was für eine Veranstaltung es sich denn handelte: Buchvorstellung oder Podiumsdiskussion? Als letzteres hatten die Veranstalter den Abend beworben, doch die einseitige Besetzung des Podiums lieferte den Protestierenden nur noch mehr Gründe, ihre Empörung lauthals und mit nackter Haut an die Runde heranzutragen. Da der Protest schon einsetzte, bevor die strittigen Argumente überhaupt vorgetragen waren, wirkte er stark reflexhaft. Aber wahrscheinlich kann man gegen die mediale Dampfwalze Alice Schwarzer gar nicht mehr anders ankommen, als sich mit Händen, Füßen und nacktem Unterleib, wie ihn eine Aktivistin zum Schluss auf der Bühne präsentierte, zu wehren.
Je weiter der Abend fortschritt, desto verstockter und desinteressierter zeigte sich Schwarzer. Dabei hatte sie zunächst starke Argumente und bedächtige Stimmen auf ihrer Seite: Die Ex-Prostituierte Marie erzählte, wie sie sich mit Anfang 40 bewusst für die Prostitution entschieden hatte, um Hartz IV zu entkommen. Aber selbst bei einem Stundenlohn von 150 Euro hielt sie es nur zwei Jahre im Beruf aus - auch ihr Status als Edelhure hatte sie nicht vor Vergewaltigungen und Freiern, die beim Sex plötzlich das Kondom abstreifen und ihr, wie sie es angemessen drastisch ausdrückte, "in den Hintern abspritzen", geschützt.
Die Stuttgarter Sozialarbeiterin Constabel berichtete hingegen von einer Flut junger Osteuropäerinnen, die im vergangenen Jahrzehnt nach Deutschland gekommen seien und hier nun für den Dumpingpreis von 30 Euro Geschlechts- und Oralverkehr ohne Kondom anbieten. Gerade der Andrang von Osteuropäerinnen und ihr prekärer Status irgendwo zwischen Armuts- und Zwangsprostitution wurde von den anwesenden Sexworkerinnen und Freiern lauthals angezweifelt. "Wo habt ihr eure Zahlen her?", war der wohl häufigste Zwischenruf.
Da es keine Meldepflicht für Prostituierte gibt, sind stichhaltige Daten tatsächlich nur schwer zu liefern. Constabel konnte jedoch einige nennen, da die Polizei in Stuttgart über eine eigene Einheit verfügt, die Prostituierte und die Objekte, in denen der Prostitution nachgegangen wird, zählt und überwacht.
Stuttgart:
Rund 3000 Prostituierte, die ihre Dienste mindestens einmal im Jahr angeboten hätten, habe man 2012 gezählt. Rund 500 bis 600 würden dem Geschäft täglich nachgehen, von ihnen stammten circa 80% aus Osteuropa.
Kein Ausweg aus dem Talkshow-Modus
"Sind mir in meinen 10 Jahren als Freier noch nicht begegnet", "Das gibt es in Berlin so nicht" waren die Gegenargumente, die die Prostitutionsbefürworterinnen anführten. Immer wieder setzten sie Schwarzers Systemkritik persönliche Erfahrungen entgegen und betonten individuelle Spielräume. Doch für genau solche einzelnen, mal wütenden, mal betroffenen Stimmen hatte Schwarzer kein Ohr. Kaum hatte sie die Podiumsdiskussion für Fragen aus dem Publikum geöffnet, fiel sie den ersten Rednerinnen auch schon ungeduldig ins Wort und wischte selbst nachdenkliche Beiträge mit den Worten "Das war jetzt eher ein Statement als eine Frage" beiseite.
Ganz dem Talkshow-Modus verfallen, der nur das aggressive Wiederholen einer Handvoll von Kernbotschaften duldet, machte Schwarzer so eine denkbar schlechte Figur als vermeintliches Sprachrohr von Marginalisierten. Zuhören, innehalten, Tonlage ändern, Position überdenken - all das scheint bei ihren öffentlichen Auftritten nicht mehr möglich zu sein.
Selbst einem gelähmten Rollstuhlfahrer, den es aufgrund seiner Schwerstbehinderung hörbar anstrengte, sein Statement zu Ende zu formulieren, gönnte sie keine Sekunde mehr Zeit.
Wahrscheinlich weil er sich zuvor als Freier zu erkennen gegeben hatte, der schon lange die Dienste von Prostituierten in Anspruch nimmt, dabei aber auch immer wieder abgelehnt wurde, mithin also Erfahrungen mit selbstbestimmten Prostituierten gemacht hatte.
Nach zwei emotionsgeladenen Stunden erklärte Schwarzer die Veranstaltung für beendet. Im Geschrei der Leute, die in den langen Schlangen vor den Saalmikros nicht zu Wort gekommen waren, war schließlich noch die Forderung zu vernehmen "Prostitution nicht abschaffen, sondern die Bedingungen verbessern!"
"Ein gutes Schlusswort", befand Schwarzer, "darauf können wir uns doch einigen."
Erschreckend, dass das das Ergebnis der Diskussion war, statt ihre Grundlage zu bilden, auf der man verschiedene Positionen und Strategien hätte entwickeln können. So erreichte die Veranstaltung letztlich nur den Erkenntniswert einer "Günther Jauch"-Sendung, bei der die vorgefertigten Meinungen einfach nur lauter vorgetragen worden waren. Wahrscheinlich schien Schwarzer aber gerade deshalb so zufrieden mit dem Abend zu sein. Begleitet von Personenschützern war sie später mit einer bunten Perlenkette im Haar zu sehen, die sie scheinbar zur Königin des Abends krönte.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 33715.html
[Hervorhebungen Marc]
Von Hannah Pilarczyk
Es gab Zwischenrufe und einen nackten Unterleib: Begleitet von Protesten hat Alice Schwarzer ihr Buch "Prostitution - Ein deutscher Skandal" vorgestellt. Bei der emotionsgeladenen Diskussion erstritten sich auch Sexworker und Freier das Wort, doch gut kam dabei keiner weg.
Kaum war auf dem Podium zum zweiten Statement des Abends angesetzt, rollten Sexarbeiterinnen auch schon ein Transparent mit der Parole "Mein Beruf gehört mir!" aus. Parallel sprangen im Publikum mehr als ein Dutzend roter Regenschirme auf, die zum Symbol der Pro-Prostitutions-Kampagne geworden sind. Schon vor der Tür hatte eine Aktivistin ein Plakat hochgehalten: "Halt die Klappe, Alice" war darauf zu lesen.
Die "Emma" hatte am Donnerstagabend in Berlin zur Vorstellung von Alice Schwarzers vieldiskutiertem Sammelband "Prostitution - Ein deutscher Skandal" eingeladen. Auf dem Podium saßen, neben Schwarzer selbst, die Sozialarbeiterin Sabine Constabel, der Kriminalhauptkommissar Helmut Sporer, die Ex-Prostituierte Marie sowie "Emma"-Redakteurin Chantal Louis - allesamt mehr oder minder direkt an dem Buch beteiligt. "Hier oben sitzt, wer Prostitution generell für ein Übel hält", fasste Schwarzer die Runde zusammen.
In den vergangenen Jahren war die "Emma"-Chefin gegen Kopftuchträgerinnen zu Felde gezogen, hatte mit der "Bild"-Zeitung gekungelt. Da hätte man sich mitunter tatsächlich gewünscht, dass sie einmal die Klappe hält. Aber bei ihrem jetzt ausgerufenen Kampf gegen Prostitution und für die Reform des Prostitutionsgesetzes? Da ist die Sache kompliziert - und wurde durch die erhitzte Debatte in der Urania sogar noch komplizierter.
"Wo habt ihr eure Zahlen her?"
Das begann schon mit der Frage, um was für eine Veranstaltung es sich denn handelte: Buchvorstellung oder Podiumsdiskussion? Als letzteres hatten die Veranstalter den Abend beworben, doch die einseitige Besetzung des Podiums lieferte den Protestierenden nur noch mehr Gründe, ihre Empörung lauthals und mit nackter Haut an die Runde heranzutragen. Da der Protest schon einsetzte, bevor die strittigen Argumente überhaupt vorgetragen waren, wirkte er stark reflexhaft. Aber wahrscheinlich kann man gegen die mediale Dampfwalze Alice Schwarzer gar nicht mehr anders ankommen, als sich mit Händen, Füßen und nacktem Unterleib, wie ihn eine Aktivistin zum Schluss auf der Bühne präsentierte, zu wehren.
Je weiter der Abend fortschritt, desto verstockter und desinteressierter zeigte sich Schwarzer. Dabei hatte sie zunächst starke Argumente und bedächtige Stimmen auf ihrer Seite: Die Ex-Prostituierte Marie erzählte, wie sie sich mit Anfang 40 bewusst für die Prostitution entschieden hatte, um Hartz IV zu entkommen. Aber selbst bei einem Stundenlohn von 150 Euro hielt sie es nur zwei Jahre im Beruf aus - auch ihr Status als Edelhure hatte sie nicht vor Vergewaltigungen und Freiern, die beim Sex plötzlich das Kondom abstreifen und ihr, wie sie es angemessen drastisch ausdrückte, "in den Hintern abspritzen", geschützt.
Die Stuttgarter Sozialarbeiterin Constabel berichtete hingegen von einer Flut junger Osteuropäerinnen, die im vergangenen Jahrzehnt nach Deutschland gekommen seien und hier nun für den Dumpingpreis von 30 Euro Geschlechts- und Oralverkehr ohne Kondom anbieten. Gerade der Andrang von Osteuropäerinnen und ihr prekärer Status irgendwo zwischen Armuts- und Zwangsprostitution wurde von den anwesenden Sexworkerinnen und Freiern lauthals angezweifelt. "Wo habt ihr eure Zahlen her?", war der wohl häufigste Zwischenruf.
Da es keine Meldepflicht für Prostituierte gibt, sind stichhaltige Daten tatsächlich nur schwer zu liefern. Constabel konnte jedoch einige nennen, da die Polizei in Stuttgart über eine eigene Einheit verfügt, die Prostituierte und die Objekte, in denen der Prostitution nachgegangen wird, zählt und überwacht.
Stuttgart:
Rund 3000 Prostituierte, die ihre Dienste mindestens einmal im Jahr angeboten hätten, habe man 2012 gezählt. Rund 500 bis 600 würden dem Geschäft täglich nachgehen, von ihnen stammten circa 80% aus Osteuropa.
Kein Ausweg aus dem Talkshow-Modus
"Sind mir in meinen 10 Jahren als Freier noch nicht begegnet", "Das gibt es in Berlin so nicht" waren die Gegenargumente, die die Prostitutionsbefürworterinnen anführten. Immer wieder setzten sie Schwarzers Systemkritik persönliche Erfahrungen entgegen und betonten individuelle Spielräume. Doch für genau solche einzelnen, mal wütenden, mal betroffenen Stimmen hatte Schwarzer kein Ohr. Kaum hatte sie die Podiumsdiskussion für Fragen aus dem Publikum geöffnet, fiel sie den ersten Rednerinnen auch schon ungeduldig ins Wort und wischte selbst nachdenkliche Beiträge mit den Worten "Das war jetzt eher ein Statement als eine Frage" beiseite.
Ganz dem Talkshow-Modus verfallen, der nur das aggressive Wiederholen einer Handvoll von Kernbotschaften duldet, machte Schwarzer so eine denkbar schlechte Figur als vermeintliches Sprachrohr von Marginalisierten. Zuhören, innehalten, Tonlage ändern, Position überdenken - all das scheint bei ihren öffentlichen Auftritten nicht mehr möglich zu sein.
Selbst einem gelähmten Rollstuhlfahrer, den es aufgrund seiner Schwerstbehinderung hörbar anstrengte, sein Statement zu Ende zu formulieren, gönnte sie keine Sekunde mehr Zeit.
Wahrscheinlich weil er sich zuvor als Freier zu erkennen gegeben hatte, der schon lange die Dienste von Prostituierten in Anspruch nimmt, dabei aber auch immer wieder abgelehnt wurde, mithin also Erfahrungen mit selbstbestimmten Prostituierten gemacht hatte.
Nach zwei emotionsgeladenen Stunden erklärte Schwarzer die Veranstaltung für beendet. Im Geschrei der Leute, die in den langen Schlangen vor den Saalmikros nicht zu Wort gekommen waren, war schließlich noch die Forderung zu vernehmen "Prostitution nicht abschaffen, sondern die Bedingungen verbessern!"
"Ein gutes Schlusswort", befand Schwarzer, "darauf können wir uns doch einigen."
Erschreckend, dass das das Ergebnis der Diskussion war, statt ihre Grundlage zu bilden, auf der man verschiedene Positionen und Strategien hätte entwickeln können. So erreichte die Veranstaltung letztlich nur den Erkenntniswert einer "Günther Jauch"-Sendung, bei der die vorgefertigten Meinungen einfach nur lauter vorgetragen worden waren. Wahrscheinlich schien Schwarzer aber gerade deshalb so zufrieden mit dem Abend zu sein. Begleitet von Personenschützern war sie später mit einer bunten Perlenkette im Haar zu sehen, die sie scheinbar zur Königin des Abends krönte.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 33715.html
[Hervorhebungen Marc]
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Info- und Protest vor Urania Berlin
Protestaktion vor der Veranstaltung
Mein Beruf gehört mir

[Der Spiegel]
Prozess von Dona Carmen gegen Schwarzers Falschaussagen im Buch
viewtopic.php?p=136572#136572
Presseerklärung von Hydra Berlin
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Mein Beruf gehört mir

[Der Spiegel]
Prozess von Dona Carmen gegen Schwarzers Falschaussagen im Buch
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Presseerklärung von Hydra Berlin
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RE: Protest gegen Alice Schwarzer in Berlin
Freitag, 15. November 2013
Eine Feministin auf Abwegen
"Halt die Klappe, Alice!"
Von Julian Vetten und Diana Sierpinski
Prostitution ist Menschenhandel und Huren sind Opfer - das behauptet Alice Schwarzer in ihrem neuesten Werk. Die Sexarbeiterinnen selbst sehen das ganz anders, sprengen kurzerhand die Buchvorstellung und führen die Feministin nach allen Regeln der Kunst vor.
Die drei jungen Frauen mit dem uniformen Kurzhaarschnitt verstehen die Welt nicht mehr. "Aber wir wollen euch doch nur helfen", sagt eine von ihnen – sichtlich erschüttert – zu der großgewachsenen Blondine, die ihr soeben einen Flyer in die Hand gedrückt hat. "Mein Beruf gehört mir", heißt es da, "Prostitution ist kein Menschenhandel" und "Sprecht mit uns, nicht über uns!" Das passt so überhaupt nicht zum Bild der unterdrückten Hure, die von den edlen Streiterinnen des Feminismus aus dem Joch ihrer Knechtschaft befreit werden muss, mit dem die drei Frauen wohl angereist sind. Das ironische Lächeln, das um die Lippen der Blonden spielt, hat dann auch fast schon etwas Mitleidiges: "Schätzchen, das ist ja rührend – aber wir wissen uns ganz gut selbst zu helfen."
Es sind teils absurde Szenen, die sich an diesem kalten Donnerstagabend vor und in der Berliner Urania abspielen: Eigentlich will Alice Schwarzer hier ihr neues Buch vorstellen – aber zunächst mal stehlen ihr genau die Huren die Show, die sie in "Prostitution - ein deutscher Skandal" so undifferenziert und ausnahmslos zu Opfern stilisiert. Wer an diesem Abend zur angekündigten Podiumsdiskussion mit der Gallionsfigur des Feminismus will, muss erst einmal einen Spießrutenlauf durch die lange Reihe von Frauen absolvieren, die vor dem Eingang Spalier stehen – und selbst das Weltbild der eingefleischtesten Prostitutionsgegnerin sollte an deren Ende Risse bekommen haben.
Neben den Huren aus verschiedensten Ländern haben auch Sozialarbeiterinnen und Mitarbeiter von Organisationen wie der "Deutschen AIDS-Hilfe" oder der "Beratungsstelle gegen Menschenhandel" vor der Urania Position bezogen - wie ein Opfer verhält sich keine von ihnen. "Ich arbeite seit mehr als 25 Jahren als Sozialarbeiterin für das Gesundheitsamt", sagt Wiltraud Schenk und fährt fort: "Noch nie war die Situation für Prostituierte so gut wie heute. Wenn ich an die Zeit vor dem Gesetz zurückdenke, schüttelt es mich: So viele sinnlose Restriktionen, die die Mädels nur in die Illegalität gedrängt haben!"
Schenk spricht vom Prostitutionsgesetz, das unter der Rot-Grünen Bundesregierung 2002 entstand und das Gewerbe aus ebenjener Illegalität holen und entkriminalisieren sollte. Huren dürfen seitdem vorenthaltene Freier-Löhne einklagen, haben Zugang zur Sozialversicherung, die Vermietung von Arbeitsräumen wird nicht mehr als "Förderung der Prostitution" rechtlich verfolgt. Das Gesetz habe seine Schwächen, eine Nachbesserung wäre wünschenswert, aber "ich kenne keine Sexarbeiterin, die dafür nicht dankbar gewesen wäre", sagt Schenk.
Die schwarzersche Meinung mit der überschweren Moralkeule
Der Auftritt der "#PROstitution"-Aktivistinnen hat bei den Diskussions-Teilnehmern sichtlich Eindruck gemacht, kurz vor Schwarzers Auftritt geht es im halbvollen Saal zu wie in einem aufgescheuchten Bienennest. Als die 70-Jährige schließlich mit fast halbstündiger Verspätung das Podium betritt und dabei mit den Händen schon mal pro forma das Victory-Zeichen in die Luft sticht, ist das Gegröle groß. Trotz der Misstöne am Eingang wird klar: Die Verehrung der "Emma"-Herausgeberin hat unter den fast ausschließlich weiblichen Besuchern fast schon kultische Züge. Dass die Stimmung im Verlauf der Diskussion so drastisch kippen wird, kann Schwarzer ja noch nicht ahnen – und so freut sie sich über die hemmungslose Sympathiebekundung: "Das ist ja die richtige Stimmung, um den Dingen mal auf den Grund zu gehen."
Doch schon bei der Vorstellung der Gäste wird klar, dass das so nicht stimmen kann, denn: "Hier oben sitzt, wer Prostitution generell für ein Übel hält." Den Einwand einer Besucherin, dass das mit einer Podiumsdiskussion – wie im Programm der Urania angekündigt – nichts zu tun hat, wischt Schwarzer mit einer ärgerlichen Handbewegung weg. Von Beginn an ist klar: Hier soll nichts erörtert werden, es zählt nur die Schwarzersche Meinung. Und die wird mit der überschweren Moralkeule an die Frau gebracht.
Da ist zum Beispiel die Sozialarbeiterin Sabine Constabel, die von ihren Erfahrungen mit osteuropäischen Huren spricht. "Ein überwiegender Teil dieser Frauen macht es für 30 Euro, und dann auch noch ohne Kondom – dazu würde sich eine deutsche Frau nie herablassen." Belege liefert sie dafür keine, der Satz bleibt einfach so im Raum stehen. Und das ist das Schwierige daran: Denn zweifelsohne gibt es diese Form von fürchterlicher Ausbeutung, sei es aus Unwissenheit oder aus Zwang. Aber die komplette Branche über einen Kamm zu scheren, jede Sexarbeiterin als fremdbestimmtes Opfer zu stigmatisieren und letztlich eine Abschaffung der Prostitution zu fordern, kann schwerlich die Lösung sein. Ausbeutung und schwarze Schafe gibt es in jedem Gewerbe – aber niemand würde auf die Idee kommen, die Gastronomie abzuschaffen, bloß weil einige Restaurants ihre Studenten zu Hungerlöhnen beschäftigen.
"Jetzt haltet doch mal die Klappe!"
Immerhin: Nach den anfänglichen Aufregergeschichten bemühen sich Schwarzers Gesprächspartner bisweilen, das Gesagte zu relativieren. Das passt der medialen Dampfwalze natürlich überhaupt nicht ins Konzept, regelmäßig unterbricht sie die Redner mit einem bunten Sammelsurium an Horrorgeschichten. "Ich habe von schwangeren Prostituierten gehört, die ihr Kind nach der Geburt an ihre Zuhälter abgeben müssen, damit das auch sofort in die Sexindustrie kommt." Ein Raunen geht durch den Saal, das hat gesessen. Dumm nur, dass Constabel irritiert die Augen verdreht, an ihrer Bluse herumnestelt und dann nach längerem Schweigen einfach wieder da weitermacht, wo sie kurz zuvor unterbrochen wurde – ohne auf Schwarzers Einwurf einzugehen, die die Einzige zu sein scheint, die davon gehört hat.
Es ist diese Art von Polemik, mit der Schwarzer gerne den Rest des Abends füllen würde und mit der sie sich nicht erst seit ihrer verstörenden Kampagne gegen Kopftuchträgerinnen oder der irritierenden Allianz mit der "Bild"-Zeitung peu a peu ins Abseits manövriert.
Einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen Schwarzer schließlich genau die, für die sie vorgibt, einzutreten. Nach knapp zwanzig Minuten versucht eine Reihe von jungen Frauen mit einem Transparent die Bühne zu stürmen: "Mein Beruf gehört mir" ist darauf zu lesen – angelehnt an Schwarzers Abtreibungskampagne "Mein Bauch gehört mir". Sie werden rüde abgedrängt und hinauskomplimentiert. Zeitgleich spannen knapp zwanzig über den Saal verteilte Aktivistinnen rote Schirme auf, rufen "Alles Lügen" und "Warum sprechen Sie nicht mal mit uns?" Schwarzers realitätsverweigernde Antwort: "Jetzt haltet doch mal die Klappe, wir sprechen hier über die Realität!"
"Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!"
Je weiter der Abend voranschreitet, desto bärbeißiger gebärdet sich Schwarzer. 95 Prozent aller Huren würden zu ihrer Arbeit gezwungen, befindet sie und hat für das vielstimmige "Wo haben Sie Ihre Zahlen her?" nur ein verächtliches Zischen übrig. Sie spricht sich für das Schwedische Modell aus, bei dem Freier für die Inanspruchnahme sexueller Dienste sogar ins Gefängnis müssen und würgt den von ihr eingeladenen Augsburger Kommissar Helmut Sporer ab, der "Freierbestrafung für keine Lösung" hält. Sie schneidet einem Querschnittsgelähmten das Wort ab, der von seinen Erfahrungen als Freier erzählt und widerlegen möchte, dass "Huren heutzutage jeden nehmen müssen, der kommt". Und zu guter Letzt melden sich auch noch die ominösen bulgarischen Sexarbeiterinnen zu Wort, die laut Schwarzer allesamt unterdrückt werden – und fragen auf unverschämt selbstbewusste Art und Weise, "wo Sie nur alle diese Frauen treffen, von denen Sie sprechen?"
Schwarzer kocht: Dass die Minderheiten, als deren Retterin sie sich so gerne aufspielen würde, so widerspenstig sind, ist für sie eine Impertinenz sondersgleichen. Wäre das Thema nicht so ernst, es wäre beinahe schon spaßig, mitanzusehen, wie sich Schwarzer selbst demaskiert – frei nach dem Motto: "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!"
So bleibt allerdings ein fader Nachgeschmack. Denn die Schockgeschichten, die Schwarzer zurzeit mithilfe ihres Buches in die Republik herausposaunt, nimmt der unbedarfte Leser zunächst mit einem "Oh Gott, wie schlimm" zur Kenntnis – und läuft dabei Gefahr zu vergessen, dass es auch noch eine andere Seite der Medaille gibt. Denn obwohl ein Dialog über die zweifelsohne bestehenden Probleme in der Prostitution dringend nötig wäre, ist mit Holzhammer-Demagogie niemandem geholfen.
Zum Schluss der Veranstaltung und unter dem konstanten Gegenwind der Aktivistinnen hat das nicht nur ein Großteil der Besucher kapiert – der Beifall für die kritischen Stimmen wurde zum Ende hin immer lauter – auch unter erklärten Feministinnen hat Schwarzer an Zuspruch verloren. Draußen vor der Urania steht Wiltraud Schenk und sagt resigniert: "Ich war immer ein Fan von Alice, sie hat viel für uns Frauen getan. Aber jetzt muss ich sagen: ‚Halt die Klappe, Alice, davon hast Du keine Ahnung‘!" Und genau das steht auch auf ihrem Plakat.
http://www.n-tv.de/panorama/Halt-die-Kl ... 36506.html
Eine Feministin auf Abwegen
"Halt die Klappe, Alice!"
Von Julian Vetten und Diana Sierpinski
Prostitution ist Menschenhandel und Huren sind Opfer - das behauptet Alice Schwarzer in ihrem neuesten Werk. Die Sexarbeiterinnen selbst sehen das ganz anders, sprengen kurzerhand die Buchvorstellung und führen die Feministin nach allen Regeln der Kunst vor.
Die drei jungen Frauen mit dem uniformen Kurzhaarschnitt verstehen die Welt nicht mehr. "Aber wir wollen euch doch nur helfen", sagt eine von ihnen – sichtlich erschüttert – zu der großgewachsenen Blondine, die ihr soeben einen Flyer in die Hand gedrückt hat. "Mein Beruf gehört mir", heißt es da, "Prostitution ist kein Menschenhandel" und "Sprecht mit uns, nicht über uns!" Das passt so überhaupt nicht zum Bild der unterdrückten Hure, die von den edlen Streiterinnen des Feminismus aus dem Joch ihrer Knechtschaft befreit werden muss, mit dem die drei Frauen wohl angereist sind. Das ironische Lächeln, das um die Lippen der Blonden spielt, hat dann auch fast schon etwas Mitleidiges: "Schätzchen, das ist ja rührend – aber wir wissen uns ganz gut selbst zu helfen."
Es sind teils absurde Szenen, die sich an diesem kalten Donnerstagabend vor und in der Berliner Urania abspielen: Eigentlich will Alice Schwarzer hier ihr neues Buch vorstellen – aber zunächst mal stehlen ihr genau die Huren die Show, die sie in "Prostitution - ein deutscher Skandal" so undifferenziert und ausnahmslos zu Opfern stilisiert. Wer an diesem Abend zur angekündigten Podiumsdiskussion mit der Gallionsfigur des Feminismus will, muss erst einmal einen Spießrutenlauf durch die lange Reihe von Frauen absolvieren, die vor dem Eingang Spalier stehen – und selbst das Weltbild der eingefleischtesten Prostitutionsgegnerin sollte an deren Ende Risse bekommen haben.
Neben den Huren aus verschiedensten Ländern haben auch Sozialarbeiterinnen und Mitarbeiter von Organisationen wie der "Deutschen AIDS-Hilfe" oder der "Beratungsstelle gegen Menschenhandel" vor der Urania Position bezogen - wie ein Opfer verhält sich keine von ihnen. "Ich arbeite seit mehr als 25 Jahren als Sozialarbeiterin für das Gesundheitsamt", sagt Wiltraud Schenk und fährt fort: "Noch nie war die Situation für Prostituierte so gut wie heute. Wenn ich an die Zeit vor dem Gesetz zurückdenke, schüttelt es mich: So viele sinnlose Restriktionen, die die Mädels nur in die Illegalität gedrängt haben!"
Schenk spricht vom Prostitutionsgesetz, das unter der Rot-Grünen Bundesregierung 2002 entstand und das Gewerbe aus ebenjener Illegalität holen und entkriminalisieren sollte. Huren dürfen seitdem vorenthaltene Freier-Löhne einklagen, haben Zugang zur Sozialversicherung, die Vermietung von Arbeitsräumen wird nicht mehr als "Förderung der Prostitution" rechtlich verfolgt. Das Gesetz habe seine Schwächen, eine Nachbesserung wäre wünschenswert, aber "ich kenne keine Sexarbeiterin, die dafür nicht dankbar gewesen wäre", sagt Schenk.
Die schwarzersche Meinung mit der überschweren Moralkeule
Der Auftritt der "#PROstitution"-Aktivistinnen hat bei den Diskussions-Teilnehmern sichtlich Eindruck gemacht, kurz vor Schwarzers Auftritt geht es im halbvollen Saal zu wie in einem aufgescheuchten Bienennest. Als die 70-Jährige schließlich mit fast halbstündiger Verspätung das Podium betritt und dabei mit den Händen schon mal pro forma das Victory-Zeichen in die Luft sticht, ist das Gegröle groß. Trotz der Misstöne am Eingang wird klar: Die Verehrung der "Emma"-Herausgeberin hat unter den fast ausschließlich weiblichen Besuchern fast schon kultische Züge. Dass die Stimmung im Verlauf der Diskussion so drastisch kippen wird, kann Schwarzer ja noch nicht ahnen – und so freut sie sich über die hemmungslose Sympathiebekundung: "Das ist ja die richtige Stimmung, um den Dingen mal auf den Grund zu gehen."
Doch schon bei der Vorstellung der Gäste wird klar, dass das so nicht stimmen kann, denn: "Hier oben sitzt, wer Prostitution generell für ein Übel hält." Den Einwand einer Besucherin, dass das mit einer Podiumsdiskussion – wie im Programm der Urania angekündigt – nichts zu tun hat, wischt Schwarzer mit einer ärgerlichen Handbewegung weg. Von Beginn an ist klar: Hier soll nichts erörtert werden, es zählt nur die Schwarzersche Meinung. Und die wird mit der überschweren Moralkeule an die Frau gebracht.
Da ist zum Beispiel die Sozialarbeiterin Sabine Constabel, die von ihren Erfahrungen mit osteuropäischen Huren spricht. "Ein überwiegender Teil dieser Frauen macht es für 30 Euro, und dann auch noch ohne Kondom – dazu würde sich eine deutsche Frau nie herablassen." Belege liefert sie dafür keine, der Satz bleibt einfach so im Raum stehen. Und das ist das Schwierige daran: Denn zweifelsohne gibt es diese Form von fürchterlicher Ausbeutung, sei es aus Unwissenheit oder aus Zwang. Aber die komplette Branche über einen Kamm zu scheren, jede Sexarbeiterin als fremdbestimmtes Opfer zu stigmatisieren und letztlich eine Abschaffung der Prostitution zu fordern, kann schwerlich die Lösung sein. Ausbeutung und schwarze Schafe gibt es in jedem Gewerbe – aber niemand würde auf die Idee kommen, die Gastronomie abzuschaffen, bloß weil einige Restaurants ihre Studenten zu Hungerlöhnen beschäftigen.
"Jetzt haltet doch mal die Klappe!"
Immerhin: Nach den anfänglichen Aufregergeschichten bemühen sich Schwarzers Gesprächspartner bisweilen, das Gesagte zu relativieren. Das passt der medialen Dampfwalze natürlich überhaupt nicht ins Konzept, regelmäßig unterbricht sie die Redner mit einem bunten Sammelsurium an Horrorgeschichten. "Ich habe von schwangeren Prostituierten gehört, die ihr Kind nach der Geburt an ihre Zuhälter abgeben müssen, damit das auch sofort in die Sexindustrie kommt." Ein Raunen geht durch den Saal, das hat gesessen. Dumm nur, dass Constabel irritiert die Augen verdreht, an ihrer Bluse herumnestelt und dann nach längerem Schweigen einfach wieder da weitermacht, wo sie kurz zuvor unterbrochen wurde – ohne auf Schwarzers Einwurf einzugehen, die die Einzige zu sein scheint, die davon gehört hat.
Es ist diese Art von Polemik, mit der Schwarzer gerne den Rest des Abends füllen würde und mit der sie sich nicht erst seit ihrer verstörenden Kampagne gegen Kopftuchträgerinnen oder der irritierenden Allianz mit der "Bild"-Zeitung peu a peu ins Abseits manövriert.
Einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen Schwarzer schließlich genau die, für die sie vorgibt, einzutreten. Nach knapp zwanzig Minuten versucht eine Reihe von jungen Frauen mit einem Transparent die Bühne zu stürmen: "Mein Beruf gehört mir" ist darauf zu lesen – angelehnt an Schwarzers Abtreibungskampagne "Mein Bauch gehört mir". Sie werden rüde abgedrängt und hinauskomplimentiert. Zeitgleich spannen knapp zwanzig über den Saal verteilte Aktivistinnen rote Schirme auf, rufen "Alles Lügen" und "Warum sprechen Sie nicht mal mit uns?" Schwarzers realitätsverweigernde Antwort: "Jetzt haltet doch mal die Klappe, wir sprechen hier über die Realität!"
"Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!"
Je weiter der Abend voranschreitet, desto bärbeißiger gebärdet sich Schwarzer. 95 Prozent aller Huren würden zu ihrer Arbeit gezwungen, befindet sie und hat für das vielstimmige "Wo haben Sie Ihre Zahlen her?" nur ein verächtliches Zischen übrig. Sie spricht sich für das Schwedische Modell aus, bei dem Freier für die Inanspruchnahme sexueller Dienste sogar ins Gefängnis müssen und würgt den von ihr eingeladenen Augsburger Kommissar Helmut Sporer ab, der "Freierbestrafung für keine Lösung" hält. Sie schneidet einem Querschnittsgelähmten das Wort ab, der von seinen Erfahrungen als Freier erzählt und widerlegen möchte, dass "Huren heutzutage jeden nehmen müssen, der kommt". Und zu guter Letzt melden sich auch noch die ominösen bulgarischen Sexarbeiterinnen zu Wort, die laut Schwarzer allesamt unterdrückt werden – und fragen auf unverschämt selbstbewusste Art und Weise, "wo Sie nur alle diese Frauen treffen, von denen Sie sprechen?"
Schwarzer kocht: Dass die Minderheiten, als deren Retterin sie sich so gerne aufspielen würde, so widerspenstig sind, ist für sie eine Impertinenz sondersgleichen. Wäre das Thema nicht so ernst, es wäre beinahe schon spaßig, mitanzusehen, wie sich Schwarzer selbst demaskiert – frei nach dem Motto: "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!"
So bleibt allerdings ein fader Nachgeschmack. Denn die Schockgeschichten, die Schwarzer zurzeit mithilfe ihres Buches in die Republik herausposaunt, nimmt der unbedarfte Leser zunächst mit einem "Oh Gott, wie schlimm" zur Kenntnis – und läuft dabei Gefahr zu vergessen, dass es auch noch eine andere Seite der Medaille gibt. Denn obwohl ein Dialog über die zweifelsohne bestehenden Probleme in der Prostitution dringend nötig wäre, ist mit Holzhammer-Demagogie niemandem geholfen.
Zum Schluss der Veranstaltung und unter dem konstanten Gegenwind der Aktivistinnen hat das nicht nur ein Großteil der Besucher kapiert – der Beifall für die kritischen Stimmen wurde zum Ende hin immer lauter – auch unter erklärten Feministinnen hat Schwarzer an Zuspruch verloren. Draußen vor der Urania steht Wiltraud Schenk und sagt resigniert: "Ich war immer ein Fan von Alice, sie hat viel für uns Frauen getan. Aber jetzt muss ich sagen: ‚Halt die Klappe, Alice, davon hast Du keine Ahnung‘!" Und genau das steht auch auf ihrem Plakat.
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RE: Protest gegen Alice Schwarzer in Berlin
Melanie war schneller...... 

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Diskussion um Prostitution
„Mein Beruf gehört mir!“
Von Heide Oestereich
Alice Schwarzer hat eine Art Sexkrieg entfacht. Ist Prostitution eine Menschenrechtsverletzung oder ein Spezialberuf? Huren protestieren.
Die junge Hure stürmt das Podium, auf dem Alice Schwarzer ihre Anti-Prostitutionsthesen schwingt. Sie zieht die Hose herunter, präsentiert ihr Geschlecht von vorne und von hinten und schreit: „Mein Beruf gehört mir! Mein Beruf gehört mir!“ Das Publikum johlt. Sie wird heruntergebeten. Und Alice Schwarzer sagt: „So. Will noch jemand den Po zeigen?“
Erst kommt die rhetorische Aufrüstung, dann der Krieg. Alice Schwarzer stellt ihr Buch „Prostitution – ein deutscher Skandal“ in Berlin unter Polizeischutz vor.
Vor dem Veranstaltungsort „Urania“, in der sie mit ihren Gästen sitzt, stehen Polizisten vor etwa 20 Sex- und Sozialarbeiterinnen. Sie signalisieren mit roten Regenschirmen internationale Hurensolidarität und tragen Plakate mit der Aufschrift: „Mein Beruf gehört mir“. Ein Schild wird etwas expliziter: „Halt die Klappe, Alice“.
Es ist eine Art Prostitutionskrieg im Gange. Auf der einen Seite Alice Schwarzer, mit ihr verbundene Sozialarbeiterinnen und Ex-Huren, die Prostitution für ein Verbrechen halten, das die Würde von Männern und Frauen zerstört. Sie propagieren die Prohibition. Auf der anderen Seite die Huren, die ihre Arbeit als Dienstleistung begreifen und sich durch die Verbotsforderungen persönlich stigmatisiert und in ihrer Berufsausübung gehindert sehen. An diesem Donnerstag prallen sie aufeinander.
Alice Schwarzer moderiert sich selbstverständlich selbst. Das heißt, sie kann jedem ins Wort fallen, wie es ihr gefällt. Weil sie aber auch eine Rampensau ist, ist das natürlich auch vergnüglich. „So, Kinder, nun seid mal kurz ruhig mit euren süßen rosa Schirmchen. Jetzt reden wir erstmal und dann könnt ihr weiter schreien“, verniedlicht sie die Demonstrantinnen, die sich im Saal verteilt haben und immer wieder buhen und dazwischenrufen: „Weiblicher Machismo.“
Unternehmerinnen oder Opfer?
Beide Seiten nehmen jeweils für sich in Anspruch, für die vielen namenlosen Prostituierten zu sprechen, die sich nicht outen können, weil illegal, oder wollen, weil schwarzarbeitend und/oder stigmatisiert. Sind diese Massen erschöpfte Rumäninnen, die 40 Freier am Tag bedienen müssen, das Geld dem Zuhälter geben und den permanenten Angriff auf ihre Würde nur mit Drogen und Alkohol ertragen?
Oder sind sie Unternehmerinnen, die mangels Ausbildung und/oder Arbeit ein Chance im deutschen Sexbusiness sehen. Eine Chance, Geld für ihre Familien und Kinder zu verdienen, die Alice Schwarzer ihnen nun nehmen will? Bräuchten sie lediglich bessere Arbeitsbedingungen und den Schutz vor Ausbeutung?
Der Krieg ist im Gang. Schwarzer hat einen Appell veröffentlicht, nach dem Freier „wenn nötig“ bestraft werden sollen, zumindest aber „geächtet“ – unterstützt von einigen Promis. Auch einzelne CDU-Frauen stützen den Appell. Auf der anderen Seite formieren sich die Sexarbeiterinnen und Beratungsstellen, von Hydra über Kassandra bis Dona Carmen. Sie gründen einen „Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen“, veröffentlichen einen Gegenappell, in dem sie mehr statt weniger Rechte für Prostituierte fordern. Sie haben die Opposition auf ihrer Seite, Grüne, Linke und Piraten stehen hinter ihnen.
Vergleichszahlen aus Schweden fehlen
Ein Kriegsschauplatz sind die Zahlen. Der Menschenhandel habe zugenommen, seitdem die Prostitution legalisiert wurde, behauptet die Schwarzer-Fraktion. Sie beruft sich auf ein Diskussionspapier von der Uni Göttigen für die EU. Darin wird geschätzt, dass es in Deutschland 62-mal so viele Menschenhandelsopfer gibt wie in Schweden, obwohl die Bevölkerung weniger als 10-mal so groß sei. Könnte das auf das Sexkaufverbot in Schweden und die Legalisierung in Deutschland zurückzuführen sein?
Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht, wendet Dona Carmen in einer Stellungnahme ein. Denn es gibt aus Schweden keine Vergleichszahlen aus der Zeit vor dem Sexkaufverbot. Zudem, so heißt es auch in der Studie, gebe es immer viele Ursachen für Menschenhandel, man kann nicht eine allein verantwortlich machen. Die offiziellen Zahlen des BKA, das vermutete Menschenhandelsopfer in Deutschland zählt, die polizeibekannt wurden, sprechen ebenfalls gegen die These: Nach der Legalisierung im Jahr 2002 ist diese Zahl um 17 Prozent gesunken.
Hurenorganisationen sehen sich entmündigt
Um diese große Grauzone wird gerungen. Und ganz unten drunter rumort die Frage: Kann man Prostituierte sein ohne sich selbst zu schädigen? Alice Schwarzer ist gut darin, Kronzeuginnen zu sammeln, die sagen: Wir haben auch behauptet wir seien selbstbestimmt. Aber heute wissen wir es besser.
Die Hurenorganisationen Dona Carmen und der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen sehen sich dadurch entmündigt und protestieren: „Nicht nur deutsche Frauen, sondern auch Migrant_innen sind überwiegend freiwillig und selbstbestimmt in der Sexarbeit tätig. Prostituierte, egal welcher Herkunft, pauschal zu Opfern zu erklären, ist ein Akt der Diskriminierung“, postulieren sie in ihrem „Appell für Prostitution“. Schwarzer diffamiert nun die Organisationen in ihrem Buch, die klagen jetzt vor Gericht wegen Rufmord.
In seltsamem Kontrast zu diesem Krieg stehen übrigens die Vorhaben der Großen Koalition. Verbote? Ächtung? Keineswegs. Die Politik versucht vielmehr, Bordelle etwas stärker zu reglementieren und Menschenhandelsopfer besserzustellen. In der Politik ist der Prostitutionskrieg bisher nicht angekommen. Noch nicht.
http://www.taz.de/Diskussion-um-Prostitution/!127576/
„Mein Beruf gehört mir!“
Von Heide Oestereich
Alice Schwarzer hat eine Art Sexkrieg entfacht. Ist Prostitution eine Menschenrechtsverletzung oder ein Spezialberuf? Huren protestieren.
Die junge Hure stürmt das Podium, auf dem Alice Schwarzer ihre Anti-Prostitutionsthesen schwingt. Sie zieht die Hose herunter, präsentiert ihr Geschlecht von vorne und von hinten und schreit: „Mein Beruf gehört mir! Mein Beruf gehört mir!“ Das Publikum johlt. Sie wird heruntergebeten. Und Alice Schwarzer sagt: „So. Will noch jemand den Po zeigen?“
Erst kommt die rhetorische Aufrüstung, dann der Krieg. Alice Schwarzer stellt ihr Buch „Prostitution – ein deutscher Skandal“ in Berlin unter Polizeischutz vor.
Vor dem Veranstaltungsort „Urania“, in der sie mit ihren Gästen sitzt, stehen Polizisten vor etwa 20 Sex- und Sozialarbeiterinnen. Sie signalisieren mit roten Regenschirmen internationale Hurensolidarität und tragen Plakate mit der Aufschrift: „Mein Beruf gehört mir“. Ein Schild wird etwas expliziter: „Halt die Klappe, Alice“.
Es ist eine Art Prostitutionskrieg im Gange. Auf der einen Seite Alice Schwarzer, mit ihr verbundene Sozialarbeiterinnen und Ex-Huren, die Prostitution für ein Verbrechen halten, das die Würde von Männern und Frauen zerstört. Sie propagieren die Prohibition. Auf der anderen Seite die Huren, die ihre Arbeit als Dienstleistung begreifen und sich durch die Verbotsforderungen persönlich stigmatisiert und in ihrer Berufsausübung gehindert sehen. An diesem Donnerstag prallen sie aufeinander.
Alice Schwarzer moderiert sich selbstverständlich selbst. Das heißt, sie kann jedem ins Wort fallen, wie es ihr gefällt. Weil sie aber auch eine Rampensau ist, ist das natürlich auch vergnüglich. „So, Kinder, nun seid mal kurz ruhig mit euren süßen rosa Schirmchen. Jetzt reden wir erstmal und dann könnt ihr weiter schreien“, verniedlicht sie die Demonstrantinnen, die sich im Saal verteilt haben und immer wieder buhen und dazwischenrufen: „Weiblicher Machismo.“
Unternehmerinnen oder Opfer?
Beide Seiten nehmen jeweils für sich in Anspruch, für die vielen namenlosen Prostituierten zu sprechen, die sich nicht outen können, weil illegal, oder wollen, weil schwarzarbeitend und/oder stigmatisiert. Sind diese Massen erschöpfte Rumäninnen, die 40 Freier am Tag bedienen müssen, das Geld dem Zuhälter geben und den permanenten Angriff auf ihre Würde nur mit Drogen und Alkohol ertragen?
Oder sind sie Unternehmerinnen, die mangels Ausbildung und/oder Arbeit ein Chance im deutschen Sexbusiness sehen. Eine Chance, Geld für ihre Familien und Kinder zu verdienen, die Alice Schwarzer ihnen nun nehmen will? Bräuchten sie lediglich bessere Arbeitsbedingungen und den Schutz vor Ausbeutung?
Der Krieg ist im Gang. Schwarzer hat einen Appell veröffentlicht, nach dem Freier „wenn nötig“ bestraft werden sollen, zumindest aber „geächtet“ – unterstützt von einigen Promis. Auch einzelne CDU-Frauen stützen den Appell. Auf der anderen Seite formieren sich die Sexarbeiterinnen und Beratungsstellen, von Hydra über Kassandra bis Dona Carmen. Sie gründen einen „Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen“, veröffentlichen einen Gegenappell, in dem sie mehr statt weniger Rechte für Prostituierte fordern. Sie haben die Opposition auf ihrer Seite, Grüne, Linke und Piraten stehen hinter ihnen.
Vergleichszahlen aus Schweden fehlen
Ein Kriegsschauplatz sind die Zahlen. Der Menschenhandel habe zugenommen, seitdem die Prostitution legalisiert wurde, behauptet die Schwarzer-Fraktion. Sie beruft sich auf ein Diskussionspapier von der Uni Göttigen für die EU. Darin wird geschätzt, dass es in Deutschland 62-mal so viele Menschenhandelsopfer gibt wie in Schweden, obwohl die Bevölkerung weniger als 10-mal so groß sei. Könnte das auf das Sexkaufverbot in Schweden und die Legalisierung in Deutschland zurückzuführen sein?
Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht, wendet Dona Carmen in einer Stellungnahme ein. Denn es gibt aus Schweden keine Vergleichszahlen aus der Zeit vor dem Sexkaufverbot. Zudem, so heißt es auch in der Studie, gebe es immer viele Ursachen für Menschenhandel, man kann nicht eine allein verantwortlich machen. Die offiziellen Zahlen des BKA, das vermutete Menschenhandelsopfer in Deutschland zählt, die polizeibekannt wurden, sprechen ebenfalls gegen die These: Nach der Legalisierung im Jahr 2002 ist diese Zahl um 17 Prozent gesunken.
Hurenorganisationen sehen sich entmündigt
Um diese große Grauzone wird gerungen. Und ganz unten drunter rumort die Frage: Kann man Prostituierte sein ohne sich selbst zu schädigen? Alice Schwarzer ist gut darin, Kronzeuginnen zu sammeln, die sagen: Wir haben auch behauptet wir seien selbstbestimmt. Aber heute wissen wir es besser.
Die Hurenorganisationen Dona Carmen und der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen sehen sich dadurch entmündigt und protestieren: „Nicht nur deutsche Frauen, sondern auch Migrant_innen sind überwiegend freiwillig und selbstbestimmt in der Sexarbeit tätig. Prostituierte, egal welcher Herkunft, pauschal zu Opfern zu erklären, ist ein Akt der Diskriminierung“, postulieren sie in ihrem „Appell für Prostitution“. Schwarzer diffamiert nun die Organisationen in ihrem Buch, die klagen jetzt vor Gericht wegen Rufmord.
In seltsamem Kontrast zu diesem Krieg stehen übrigens die Vorhaben der Großen Koalition. Verbote? Ächtung? Keineswegs. Die Politik versucht vielmehr, Bordelle etwas stärker zu reglementieren und Menschenhandelsopfer besserzustellen. In der Politik ist der Prostitutionskrieg bisher nicht angekommen. Noch nicht.
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RE: Protest gegen Alice Schwarzer in Berlin
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ("FAS") hat heute einen sehr differenzierten und informativen Bericht von Antonia Baum über den Auftritt der Alice Schwarzer am 14.11.2013 in der Urania und unseren Protest (Feuilleton Seite 49, "Tun Sexarbeiterinnen ihre Arbeit gern?").
Frau Schwarzer hat mit ihrem diktatorischen Auftritt ihr Wesen plastisch vorgeführt. Paulita wird ausführlich und positiv dargestellt, und Antonia Baum macht die Leser nachdenklich. Eine elektronische Kopie ist hoffentlich bald verfügbar.
In derselben Ausgabe findet sich auf Seite 14 ein bizarrer Kommentar "Deadwood" von Volker Zastrow, einem übelgelaunten älteren Herrn, der die Schwarzer gutfindet. Hier wird den Frauen das recht abgesprochen, über ihre Würde selbst zu entscheiden, Freiwilligkeit spielt seiner Meinung nach eine Rolle, Sexarbeit wird charmanterweise und plakativ mit "Zwergenweitwurf" (!!!) verglichen ...
Bei Zastrow kommt wieder diese feministische Gedankenkonstruktion vom weiblichen Geschlecht als "Über-Ich" zutage: als Frau beschädige ich demnach mit Sexarbeit das weibliche Geschlecht insgesamt, weil ich Frauen als das "käufliche Geschlecht" darstelle. Eine typisch totalitäre Argumentation - die Freiheit des Individuums geht im offiziellen Gesamtkonzept auf.
Frau Schwarzer hat mit ihrem diktatorischen Auftritt ihr Wesen plastisch vorgeführt. Paulita wird ausführlich und positiv dargestellt, und Antonia Baum macht die Leser nachdenklich. Eine elektronische Kopie ist hoffentlich bald verfügbar.
In derselben Ausgabe findet sich auf Seite 14 ein bizarrer Kommentar "Deadwood" von Volker Zastrow, einem übelgelaunten älteren Herrn, der die Schwarzer gutfindet. Hier wird den Frauen das recht abgesprochen, über ihre Würde selbst zu entscheiden, Freiwilligkeit spielt seiner Meinung nach eine Rolle, Sexarbeit wird charmanterweise und plakativ mit "Zwergenweitwurf" (!!!) verglichen ...
Bei Zastrow kommt wieder diese feministische Gedankenkonstruktion vom weiblichen Geschlecht als "Über-Ich" zutage: als Frau beschädige ich demnach mit Sexarbeit das weibliche Geschlecht insgesamt, weil ich Frauen als das "käufliche Geschlecht" darstelle. Eine typisch totalitäre Argumentation - die Freiheit des Individuums geht im offiziellen Gesamtkonzept auf.
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Heute morgen war ich am Frankfurter Hbf und man verteilte dort kostenlos die FAZ. Hab den Artikel von Antonia Baum gelesen und empfand den sehr gut, mit ihre tiefgehende Fragestellung.
Sobald der online ist, können wir hier rein stellen.
Zum Glück habe ich die Seite 14 übersehen:)
Sobald der online ist, können wir hier rein stellen.
Zum Glück habe ich die Seite 14 übersehen:)
Zuletzt geändert von fraences am 17.11.2013, 18:11, insgesamt 1-mal geändert.
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)
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Hier ein link zu dem Artikel in der FAZ.
Tun Sexarbeiterinnen ihre Arbeit gern?
http://voice-of-escorts.com/FAS.pdf
Tun Sexarbeiterinnen ihre Arbeit gern?
http://voice-of-escorts.com/FAS.pdf
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Schön, dass diese Frau mal so richtig aus allen Ecken Kontra bekommt. Sie gebärdet sich genau so arrogant wie damals die alten Herren, als sie protestiert hat. Dass sie nicht merkt, dass sie selbst in dieser Lage ist? Merkt sie nicht, dass nun die Frauen genau so gegen sie protestieren, wie sie in den 70ern gegen die Paschas in unserer Gesellschaft? Hat nicht auch sie gegen die sexuelle Bevormundung der Frau protestiert? Und jetzt macht sie genau das gleiche, wofür sie vor 40 Jahren protestiert hat.
Sie ist eine verbissene alte Frau geworden, die alles erreicht hat und sich nun überflüssig fühlt und nun auf die blödesten Ideen kommt und ständig voll daneben liegt, so wie mit dem Kopftuch und der Zusammenarbeit mit der dunklen Seite der Macht (Bild).
Sie ist eine verbissene alte Frau geworden, die alles erreicht hat und sich nun überflüssig fühlt und nun auf die blödesten Ideen kommt und ständig voll daneben liegt, so wie mit dem Kopftuch und der Zusammenarbeit mit der dunklen Seite der Macht (Bild).
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RE: Protest gegen Alice Schwarzer in Berlin
Die hochangesehene britische Zeitschrift Economist hat einen sehr sachlichen Bericht über die Hysterie in Deutschland (und in Schweden):
http://www.economist.com/news/europe/21 ... 4f0f060a07
Auch das HANDELSBLATT hatte am 20.11.2013 einen Bericht, nach dem das Geschäft mit der Prostitution bei weitem nicht das ist, was Schwarzer et al. behaupten. Auch die Darstellungen des berüchtigten Prof. A. Dreher werden als das bezeichnet, was sie sind: herbeigezogen.
http://www.economist.com/news/europe/21 ... 4f0f060a07
Auch das HANDELSBLATT hatte am 20.11.2013 einen Bericht, nach dem das Geschäft mit der Prostitution bei weitem nicht das ist, was Schwarzer et al. behaupten. Auch die Darstellungen des berüchtigten Prof. A. Dreher werden als das bezeichnet, was sie sind: herbeigezogen.