Horrorgeschichte berichtet via Hilfsorganisation:
Nadja aus Georgien
Verkauft für 1000 Dollar
Für viele Frauen erfüllt sich der Traum vom besseren Leben im Westen nicht.
Es herrscht Rauchverbot im Büro der Hilfsorganisation World Vision, Standort Batumi, Georgien, Stadt am Schwarzen Meer. Doch an diesem Tag wird eine Ausnahme gemacht. Der dunkelhaarigen Frau, die hier Zeugnis ihrer Geschichte ablegen, die Einzelheiten einer Zwangsprostitution erzählen will, zittern die Hände und werden nur ruhiger, wenn sie zu den langen, weißen Zigaretten greifen.
Die Frau heißt in dieser Geschichte Nadja, in Wirklichkeit heißt sie anders, doch sie soll anonym bleiben. Sie ist Georgierin, und man muss ihr versichern, dass ihre Geschichte nicht in Georgien veröffentlicht wird.
Ausgerechnet die Schulfreundin
Sie ist 31 Jahre alt.
Mit 14 Jahren wurde sie verheiratet, ging nicht mehr zur Schule, mit 18 hatte sie zwei Kinder, mit 20 ließ sie sich scheiden, und nicht lange danach kam ihr Ex-Mann, der Vater ihrer Kinder, bei einem Autounfall um. Von da an war niemand mehr da, der für Mutter und Kinder zahlte. Nadja hatte keine Arbeit, die Eltern konnten nicht helfen, und dann kam eine alte Schulfreundin und bot ihr einen Job in der Türkei an. In einem Casino. Mit gutem Gehalt und viel Trinkgeld.
Man weiß, wie solche Geschichten enden, wenn sie mit wirtschaftlicher Not beginnen. Man weiß, was aus naiven hübschen Frauen, unbehüteten Mädchen oder davongelaufenen wird, wenn sie an jemanden geraten, der ihre Träume und Hoffnungen ausnutzt.
Die wenigsten dieser Geschichten sind erzählt. Doch jene, die erzählt sind, von Elenas aus Russland, Tanjas aus Moldawien, Irinas aus Albanien und Viktorias aus der Ukraine, reichen, um sich zu fragen, warum Frauen so gutgläubig sind, Männer in Bordelle gehen und keine Fragen stellen, sich auch prominente Verantwortungsträger aus Wirtschaft, Medien und Politik gleich gruppenweise aufs Hotelzimmer bringen lassen, ohne jeden Skrupel, ohne jede Scham.
Diese Geschichten, die erzählt sind, reichen, um sich zu ärgern über die Selbstverständlichkeit, mit der junge Frauen zu Europa- und Weltmeisterschaften gebracht werden, als Ware für die Horden von Fußballfans [
Propaganda von Aufklärungsresistenten Journalisten, die das heute immer noch zitieren? Wurde doch längst widerlegt. >> Thema: WM06 und EM08. Anm. MoF]. Sie reichen auch, um sich bei jeder auffallend geschminkten Ostschönheit, die einem auf der Straße entgegenkommt, zu fragen: Ist sie freiwillig hier?
Jung, verarmt und ungebildet
Nadja, verarmt, zu jung und zu ungebildet, um viel von der Welt zu wissen, in einem Land lebend, in dem es keine Absicherung für jene gibt, die durch das Netz des Broterwerbs fallen, alleinerziehende Mutter ohne Zukunftsaussichten, landete in einem
türkischen Bordell. Für 1000 Dollar war sie verkauft worden: Von einer Frau, die sie seit Jahren kannte, die man im Dorf kannte, deren Familie mit ihrer Familie verkehrte. In Westeuropa will das nichts heißen, in Georgien bedeutet das viel. Die Gemeinschaft eines Dorfes basiert dort, wo die Traditionen noch gewahrt sind, auf den ethischen Grundsätzen eines Familienverbands.
Nadja kann das nicht stringent erzählen, man muss viel nachfragen, die Teile umschieben, anders ineinanderfügen, bevor sie ein Ganzes ergeben. Es sind keine schönen Fragen, es sind keine schönen Antworten. Man weiß von den Horden von Freiern, die an einem Tag über die Mädchen herfallen, davon, dass den Mädchen der Pass abgenommen wird, sie hilflos in einem Land sind, dessen Geografie sie nicht kennen, dessen Sprache sie nicht beherrschen.
Die Fakten sind das eine, und es ist etwas anderes, dieser zitternden jungen Frau gegenüber zu sitzen, deren Hände sich an den Zigaretten festhalten und die sich, um anderen eine Warnung zu sein, an Dinge erinnert, die qualvoll sind. Schmutzig, ekelhaft, beschämend. Einmal hat sie sich in der Toilette eingeschlossen, weil ein betrunkener Freier sie schlug und würgte, und selbst da wurde sie wieder herausgeholt und dem Mann vor die Füße geworfen. "Wie ein Tier, das einer besitzt und quälen darf."
Einer Studie der UN zufolge werden weltweit jährlich 700.000 Frauen zwangsverschleppt. Entweder um als Haussklaven zu arbeiten oder zur Prostitution. Sie landen in Westeuropa, in Dubai, in Saudi-Arabien. Nepalesische Kinder werden als Prostituierte nach Indien gebracht, und in Kambodscha, in Thailand, in Vietnam werden Minderjährige innerhalb des eigenen Landes in schmutzige Puffs gesteckt, um hauptsächlich Touristen zu dienen. Sieben bis 13 Milliarden Dollar Gewinn werden mit solchen Geschäften pro Jahr erzielt.
Trafficking heißt diese Verschleppung im Rechts- und Organisationsjargon. Wenn die Menschenhändler erwischt werden, wenn sich ihre Schuld beweisen lässt, erwarten sie bis zu zwei Jahre Haft. Zwei Jahre gegen das zerbrochene Leben von Frauen wie Nadja. Für Erniedrigung, Demütigung, Körperverletzung, für Verletzung von Menschenrecht.
2006 wurden laut Bundeskriminalamt in Deutschland 776 Fälle von Frauenhandel aufgedeckt, die Zahlen für die Jahre danach sind noch nicht veröffentlicht [
Falsch! hier die kommentierten Zahlen für 2007. Anm.]. Die Zahl der niemals aufgeklärten Fälle dürfte um ein Vielfaches höher sein. Schließlich geht die UN-Studie von 500.000 allein nach Westeuropa verschleppten Frauen aus.
Sie kommen zumeist aus der Ukraine (geschätzte 40.000), aus Bulgarien (geschätzte 10.000), Albanien (geschätzte 14.000) und Moldawien. Die Zahlen können übertrieben sein. Oder noch weit untertrieben. Eine Studie im Auftrag der ukrainischen Regierung ergab, dass 400.000 Ukrainerinnen Opfer von Menschenhandel waren und sind [
Fragwürdige Definition von Menschenhandel gemäß Palermo Protokoll. Anm.].
Dokumentiert sind nur wenige Geschichten. Aus Scham wagt sich nicht einmal ein Bruchteil der Frauen an die Öffentlichkeit. Groß ist die Furcht vor der gesellschaftlichen Ächtung, das Vertrauen in Polizei und Staatsanwaltschaft klein, selten können Frauen auf das Mitleid ihrer Familie oder Verwandten hoffen oder darauf, mit Hilfe staatlicher Stellen Gerechtigkeit für sich und Strafe für die Täter zu erlangen.
Die Opfer finden sich immer dort, wo Armut und Arbeitslosigkeit groß sind. Wo zerbrochene soziale Systeme Frauen allein zurücklassen, die Kinder ernähren müssen. Die Täter sind gesellschaftlich gedeckte Kriminelle. Hinter ihnen stehen korrupte Polizisten und Zollbeamte, Bordellbesitzer und die so genannten ehrbaren Männer, die sich nichts dabei denken, mit blaugeschlagenen und verängstigten Frauen Sex zu haben.
Interviews, die die deutsche Journalistin
Inge Bell in Mazedonien führte, beweisen, dass
deutsche Kfor-Soldaten bevorzugt minderjährige Zwangsprostituierte besuchten.
In Deutschland gibt es schätzungsweise
14 Hilfsorganisationen für verschleppte Frauen, etliche Journalistinnen haben Bücher über Frauenhandel geschrieben, doch die Gesetzeslage in den Ländern der europäischen Union lässt nur einen Schluss zu: Die Würde der Frau ist antastbar.
Nadja sollte acht Monate arbeiten, um die 1000 Dollar wert zu sein, die der Bordellbesitzer für sie gezahlt hatte. Mehrmals dachte sie daran, sich umzubringen. An Flucht dachte sie nicht. Zu jenen, die das Bordell regelmäßig besuchten, gehörte auch die örtliche Polizei. Razzien, sofern sie stattfanden, wurden zuvor angekündigt, gefunden haben die Polizisten nie etwas.
Kinder bei der Oma
Mehr als den Hof hinter dem Gebäude, in dem sie arbeitete, sah sie in der Zeit nicht, bis heute weiß sie nicht, wo in der Türkei sie sich aufhielt. Zudem hatte sie ihre Kinder bei der Oma zurückgelassen. Wenn ihr auch wenig klar war, dieses eine aber wohl: Die Drohungen für den Fall einer Flucht richteten sich nicht alleine gegen sie. Ihre Arbeitgeber wussten sehr gut, wo ihre Kinder zu finden waren.
"Das Spektrum der Formen von Bedrohung, Zwang und Gewalt wird auch gegenüber den zurückgelassenen Kindern angedroht", heißt es zusammenfassend in Untersuchungen verschiedener Aktionsbündnisse gegen Frauenhandel.
Nach sieben Monaten wurde Nadja krank, ihr Bauch schwoll, die Eierstöcke waren vereitert, die Gebärmutter entzündet. Selbst in diesem Zustand verschonte man sie nicht. Erst als sie fiebernd und bewusstlos war, brachte man sie ins Krankenhaus. Der dortige Arzt erkannte ihre Notlage, handelte aber nicht. Der Zuhälter nahm sie aus dem Krankenhaus wieder mit und brachte sie - ob aus Angst oder wegen eines Funkens Mitleid - an die georgische Grenze.
Dort hielt man sie, die wankte und sich krümmte, für eine Rauschgifthändlerin, der eine Tüte im Bauch geplatzt war. Erst als sie wirklich dem Tode nahe war, fand sich ein Mensch, der einfach nur half. Und sie rettete.
Natürlich ist das kein Happy End. Mehr als vier Jahre sind seitdem vergangen. Nadja hat keine Beziehung zu einem Mann mehr aufgebaut, selbst die zu ihren Kindern fällt ihr schwer. 48 Fälle von Frauenhandel wurden im vergangenen Jahr in Georgien vor Gericht gebracht, Nadjas gehörte nicht dazu. Ihre Schwester und deren Mann, die damals die falschen Versprechen der Schlepperin hörten und nun gegen sie aussagen könnten, wollen nicht als Zeugen auftreten. Sie haben Angst vor Rache.
Drei Jahre lang hat Nadja nicht über ihre Erlebnisse gesprochen. Ein halbes Jahr dauerte es, bis sie wieder gesund war, die Operation war nicht schwierig, aber vielleicht heilt der Körper eines sich für seinen Körper schämenden Menschen langsam.
Es geht aufwärts
Bis sie von dem Hilfsprogramm für Opfer von Frauenhandel der Organisation World Vision hörte, lebte Nadja ziellos vor sich hin, nun, nach einem halben Jahr psychologischer Betreuung, hat sie eine Ausbildung zur Friseurin begonnen. Das sei ihr Traum, sagt sie so ernsthaft, als sei es wirklich einer, und mit Blick auf die Zukunft zittern die weißen Lights in ihrer Hand schon weniger.
Die
Anti-Trafficking-Initiativen von Hilfsorganisationen wie World Vision in Georgien tragen der Erkenntnis Rechnung, dass Hilfsorganisationen nicht dauerhaft soziale Lücken füllen sollten. In welchem Ausmaß die Entwicklungs- und humanitäre Hilfe den Regierungen die Verantwortung für den Aufbau funktionierenden Zivilgesellschaften abnahm, dafür ist Georgien ein ungutes Beispiel.
Unter Ex-Präsident Eduard Schewardnadse tummelten sich im Land mehr Hilfsorganisationen als in manch bitterarmem afrikanischen Staat, und auch unter dem heutigen Präsidenten Michael Saakaschwili liegt die Sorge um die Schwächsten der Gesellschaft in den Händen der Hilfsorganisationen. Weniger Organisationen jedenfalls sind es auch nach der Rosenrevolution nicht geworden, die sich in der Hauptstadt Tiflis auf die Füße treten.
Geringer indes sind auch die sozialen Probleme nicht geworden. Einer durch kriminelle Strukturen in ihrem Aufstieg begünstigten Oberschicht steht eine immer größer werdende Unterschicht entgegen. Auf den Straßen der Hauptstadt Tiflis und in anderen Städten steigt die Anzahl der Straßenkindern, Aids ist auf dem Vormarsch. Frauenhandel ist nur eines der neuen Probleme, denen sich die georgische Gesellschaft stellen muss.
"Dass es Frauenhandel gibt, ist überhaupt nicht im Bewusstsein der Menschen. Wir sind zum einen ein Transitland. Zum anderen steigt die Nachfrage nach kaukasisch aussehenden Frauen. Wir müssen jetzt massiv Aufklärung und Vorbeugung betreiben, sonst geht es uns bald wie den osteuropäischen Ländern", sagt die Menschenrechtsexpertin von World Vision, Teona Kupunia.
Die von Hilfsorganisationen angelernten Sozialarbeiter und Psychologen werden nach ihrer Ausbildung in den Dienst der Regierung gestellt, und auch das
Reintegrationsprogramm für Frauen, die den Menschenhändlern entkommen und nach Georgien zurückkehren, soll demnächst der Regierung unterstehen. Das ist ein guter Ansatz. Die Verwirklichung steht auf einem anderen Blatt.
"Die Menschen haben das Gefühl, ihre grundlegenden demokratischen Rechte werden hier verletzt", sagt eine Mitarbeiterin der zivilen Anti-Korruptions-Organisation
Transparency International. "Und wenn schon die Rechte des so genannten Durchschnittsbürgers von der Regierung nicht geachtet werden, wie sollen dann die ganz Schwachen zu ihrem Recht kommen?"
So gibt es in Georgien wenig staatliche Unterstützung für alleinerziehende Mütter, Waisen und Witwen, Menschen ohne Einkommen, für Kranke. Georgiens schwächstes Glied aber sind die Scharen von Kindern, die von ihren Eltern aus wirtschaftlicher Not in Waisenheime gegeben wurden, in zumeist heruntergekommene Verwahranstalten.
Gute Schulbildung die Ausnahme
Nur in seltenen Fällen erhalten die Kinder eine gute Schulbildung, von psychologischer Betreuung nicht zu reden. Mit 18 müssen sie das Heim verlassen und sind auf sich selbst gestellt. Hilfsorganisationen bringen diese Jugendlichen in Wohngemeinschaften mit einem betreuenden "Elternpaar" unter, bis sie eine Ausbildung abgeschlossen haben.
"Genau diese hilflosen Jugendlichen sind jene, die den Menschenhändlern zum Opfer fallen. Noch haben wir die Möglichkeit, durch Präventivmaßnahmen zu verhindern, dass Scharen von Frauen in ausländischen Bordellen landen. Wenn wir den Jugendlichen rechtzeitig eine Chance bieten, müssen sie das Land nicht verlassen", glaubt Teona Kupunia.
In der georgischen Schwarzmeerstadt Batumi sitzen die jungen Frauen nach Feierabend im Café und halten sich etliche Stunden an einer Tasse Cappuccino fest. Auch Maja, Meiko und Janna, alle drei um die 20 Jahre, nippen an ihren Tassen. Die Augenbrauen haben sie zu kühlen Halbmonden gezupft, die Röcke sitzen eng, die Hacken der Schuhe sind hoch. Alle drei arbeiten schon und gehen nebenbei halbherzig zur Uni, nach ihren Lebenszielen befragt, wollen sie eine Familie, Kinder, einen Mann, der Geld verdient.
Von Trafficking haben sie schon mal gehört, alle drei kennen andere junge Frauen, die im Ausland arbeiten, als Kellnerin vermeintlich oder wirklich, das wissen sie nicht. Wären sie anfällig für falsche Versprechen? Im Ernstfall, wenn sie kein Geld mehr hätten, würden sie auch gehen. "Und wahrscheinlich jedem glauben", sagt Meiko. Wenn man keine Zukunft habe, dann klammere man sich an jeden Strohhalm.
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/ ... ollar.html
IOM Menschenhandelsbericht Osteuropäische Länder
Bericht der Internationalen Organisation für Migration:
Der Bericht stellt fest, daß 75 % des sog. Menschenhandels sich bezieht auf Ausbeutung bei Arbeit und Haushaltsdienste und der geringste Anteil verbunden ist mit sexueller Ausbeutung. Der festgestellte Zusammenhang zwischen Menschenhandel bedingt sich aus Arbeitskräfteausbeutung, wenn Menschen überlange Zeiten arbeiten müssen, eingesperrt sind und gar nicht oder nicht höher dafür entlohnt werden als es z.B. in der Sexbranche üblich ist.
0,2 bis 0,7 % der Befragten gaben an in ihrer Familie betroffen zu sein von einem Fall des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung [Seiten 6, 50]. Demgegenüber war das Gefährdungsbewußtsein extrem hoch bei über 95 % [S. 43].
http://sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=10853#10853 (Posting #1)
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