ZG11042104 - 21.04.2011
Permalink:
http://www.zenit.org/article-22985?l=german
Prostitution: Erfahrungen einzelner Länder
Legalisierung ist keine Lösung
Von Pater John Flynn LC
ROM, Donnerstag, 21. April 2011 (Zenit.org). - Ob Prostitution legalisiert werden sollte ist eine Frage, die in den letzten Jahren häufig gestellt wurde. Befürworter der Legalisierung argumentieren, dass sie so besser zu überwachen sei und somit sicherer gemacht und Missbräuchen entgegengewirkt werden könne. Ein Ansatz, den man als Schadensminimierung bezeichnen könnte.
Dennoch ist die Legalisierung bei weitem nicht die perfekte Lösung, wie aus Ereignissen im Gebiet der Hauptstadt Australiens, Canberra, dem „Australian Capital Territory" (ACT) - ersichtlich wird. Prostitution ist im ACT seit 1992 legalisiert worden. Besonders seit dem Tod der 17-jährigen Prostituierten Janine Cameron, die im Jahr 2008 aufgrund einer Überdosis von Drogen gestorben ist, gibt es Bedenken, inwiefern ein solches Vorgehen wirklich funktioniert.
Die gesetzgebende Versammlung des ACT führt derzeit eine öffentliche Untersuchung durch. Momentan sind knapp 50 schriftliche Beiträge eingegangen und Anhörungen im Gange.
„Man kann nicht Sex mit 10 bis 15 verschiedenen Männern pro Tag haben, ohne dass es einen Einfluss auf einen selbst bzw. auf das eigene Selbstwertgefühl hat, oder darauf, wie man den Geschlechtsakt bewertet und eine Vertrautheit zu einer anderen Person aufbauen kann", sagte Julie (Pseudonym) in der Untersuchung.
Nach einem Bericht von ABC News vom 8. April war Julie 17 Jahre alt, als sie in einem Bordell zu arbeiten begann. Nach 18 Monaten kam sie heraus, aber sie sagte, es sei nicht leicht gewesen, wenn man in eine Branche verwickelt ist, in der es viel Korruption und Kriminalität gibt. Für sie habe es harte Kämpfe bedeutet, wieder ein normales Leben führen zu können. „Es war sehr schwer, weiterzumachen und eine normale intime Beziehung zu einer einzigen Person zu haben", sagte sie.
Verletzung
In ihrem zu der Untersuchung eingesandten Beitrag erklärte die katholische Erzdiözese von Canberra und Goulburn, dass die Kirche Prostitution grundsätzlich als eine Verletzung der Menschenwürde betrachte. Die Prostituierten verletzten ihre eigene Würde, weil sie auf ein Instrument der sexuellen Lust reduziert würden, während diejenigen, die für diese Dienstleistungen bezahlten, eine schwere Schuld auf sich lüden.
Unter anderem zählte der Bericht eine Reihe von Argumenten bezüglich der durch die Prostitution verursachten Schäden auf:
- Prostituierte sind eine leichte Zielgruppe für Gewaltdelikte und dem Risiko körperlicher Schäden durch Kunden und Zuhälter ausgesetzt.
- Eine wohlbekannte Tatsache ist, dass viele Frauen in der Prostitution tätig sind, weil sie sich damit den Konsum von Drogen finanzieren oder Geld für andere Bedürfnisse verdienen wollen.
- Die Verwendung von sadomasochistischen Sexualpraktiken einschließlich der Gewalt gegen Frauen, die mit Peitschen, Stöcken und Folter durchgeführt wird, ist für Frauen besonders erniedrigend.
- Prostitution führt zu einer deutlichen Zunahme ernsthafter Gesundheitsrisiken für Frauen, insbesondere durch die Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV, Herpes und Hepatitis C.
- Prostitution ist untrennbar mit Sklaverei und Sexhandel von Frauen verbunden.
- Durch die Legalisierung oder Entkriminalisierung der Prostitution wird eine Kultur der Prostitution geschaffen, die schädliche Auswirkungen nicht nur auf das Leben der Prostituierten, sondern auf alle Frauen innerhalb der jeweiligen Kultur hat.
- Prostitution schadet heterosexuellen Beziehungen und Familien. Die Frau oder Freundin eines Mannes, der sexuelle Dienste in Anspruch nimmt, wird davon deutlich in Mitleidenschaft gezogen. Die Geheimhaltung der Nutzung von Prostitutionsdiensten von Seiten des Mannes verletzt das grundlegende Vertrauen und die Ehrlichkeit in ihrer Beziehung. Die Aufdeckung der Prostitution kann zur Auflösung der Beziehung führen.
- Das Bestehen einer Prostitutions-Industrie zerstört das Ideal der gleichberechtigten Beziehungen zwischen Mann und Frau und hat damit einen generell negativen Einfluss auf die Familie und das Leben in der Gesellschaft.
- Prostitution kann nicht von der Frage des Status und der Würde der Frau getrennt werden. Eine Legalisierung der Prostitutions-Industrie würde bedeuten, dass die Regierung und die Gesellschaft grundsätzlich dazu bereit sind, eine Entmenschlichung und Verdinglichung der Frau zu billigen.
Schweden
Eine der Empfehlungen im Beitrag der Katholischen Kirche war die Einführung des schwedischen Modells. Im Jahr 1998 führte die Gesetzgebung in Schweden die Kriminalisierung des Kaufs, nicht jedoch des Verkaufs sexueller Dienstleistungen ein. Die Frauen und Kinder, die Opfer von Prostitution sind, geraten somit nicht in die Gefahr rechtlicher Sanktionen, der Kauf dieser Dienste wird dagegen als Straftat geahndet.
Andere Beiträge zur Canberra Untersuchung empfahlen ebenso das schwedische Modell. Ihr Fall wurde durch einen am 2. Juli 2010 veröffentlichten offiziellen Bericht verstärkt, in dem diese Rechtsvorschriften von ihrem Beginn von 1999 bis 2008 ausgewertet wurden.
Die Untersuchung ergab, dass die Veränderungen ihre beabsichtigte Wirkung erzielt hatten, und dass die Kriminalisierung des Erwerbs von Sexualverkehr zur der Bekämpfung sowohl der Prostitution als auch des Menschenhandels für sexuelle Zwecke ein wirkungsvolles Instrument sei.
Die Untersuchung zeigte zudem, dass mit der Einführung des Verbots 1999 die Straßenprostitution in Schweden auf die Hälfte reduziert werden konnte. Vor den Veränderungen sei die Straßenprostitution in Schweden etwa in gleicher Weise verbreitet gewesen wie in den drei Hauptstädten von Norwegen, Dänemark und Schweden.
Seit 1999 habe sich die Straßenprostitution in Norwegen und Dänemark drastisch erhöht. Den Erklärungen des Berichts wurde bis zum Jahr 2008 die Zahl der Beteiligten in der Straßenprostitution in Norwegen und Dänemark dreimal höher geschätzt als in Schweden.
„Angesichts der großen wirtschaftlichen als auch sozialen Ähnlichkeiten zwischen diesen drei Ländern, ist es vernünftig anzunehmen, dass die Reduzierung der Straßenprostitution in Schweden eine direkte Folge ihrer Kriminalisierung ist", schloss der Bericht.
Darüber hinaus sei es nicht so, dass die Prostitution seit den Veränderungen in Schweden einfach ihren Standort geändert habe. Der Bericht stellte fest, dass Prostitution als Folge eines Internetkontakts in den Nachbarländern Schwedens stärker verbreitet sei. Das Verbot in Schweden führe jedoch nicht von der Straßenprostitution zum Internet.
Für eine Verstärkung der Prostitution in Massagesalons, Sex-Clubs, Restaurants oder Nachtclubs in den letzten Jahren gebe es dem Bericht zufolge keine Anzeichen. Auch gebe es keinen Beweis dafür, dass früher auf der Straße ausgebeutete Prostituierte nun an der Prostitution in den Häusern beteiligt seien. Gemäß dem Bericht der Nationalen Kriminalpolizei wirke das Verbot des Erwerbs sexueller Dienstleistungen als Hemmnis für Menschenhändler und Zuhälter in Schweden.
Die Untersuchung der schwedischen Erfahrung bekräftige ebenso die Aussagen zu diesem Thema und anderer Debatten über die Legalisierung strittiger Praktiken. Es wurde festgestellt, dass das Verbot des Erwerbs sexueller Dienstleistungen eine normative Wirkung gehabt und die Einführung der Rechtsvorschriften zu einer deutlichen Veränderung in der öffentlichen Haltung gegenüber dem Erwerb sexueller Dienstleistungen geführt habe. Dies sei eine wirksame Abschreckung für Sex-Käufer.
Unterdrückung
Ein weiterer Beitrag zur Canberra-Untersuchung kam von „Collective Shout" (Kollektiver Schrei), einer „Bewegung für Basiskampagnen", die sich „gegen die Verdinglichung von Frauen und Sexualisierung von Mädchen in Medien, Werbung und Popkultur" einsetzt.
Hier wurde festgestellt, dass in den 90er Jahren im Namen der Schadensminimierung einige Bereiche der Sexindustrie in Australien sowie in Ländern wie den Niederlanden und Deutschland legalisiert worden seien. Der gewünschte Effekt sei jedoch nicht erzielt worden. Außerdem bestätigte der Beitrag, dass es genügend Beweise sowohl akademischer als auch staatlicher Studien dafür gebe, dass dieser Ansatz einer Schadensbegrenzung grundsätzlich mangelhaft sei, wenn es um die Überwachung der Sex-Industrie geht.
Ein krasses Beispiel dafür ist der Einsatz von Minderjährigen in der Prostitutions-Industrie. Victoria war der erste australische Staat, der die Prostitution legalisierte. Eine Studie geprüfter Angaben von 471 staatlichen und nichtstaatlichen Agenturen in Australien, die mit Kindern arbeiten, fand heraus, dass mehr als 3.100 australische Kinder im Alter von 12-18 Jahren verkauften Geschlechtsverkehr hatten, um überleben zu können, Victoria hatte dabei mit 1.200 die höchste Quote im Land.
Die Studie zeigte auf, dass viele Prostituierte bereits in der Kindheit sexuellen Missbrauch, körperliche Misshandlungen, häusliche Gewalt und substantielle Abhängigkeit erfahren hatten.
„Das Schadensbegrenzungsmodell - oder die Legalisierung der Prostitutionsdienste - ermöglicht im Grunde die Ausbeutung der am meisten gefährdeten Menschen in der Gesellschaft. Es wird Zeit, endlich anzuerkennen, dass der ‚älteste Beruf der Welt‘ eigentlich die ‚älteste Unterdrückung der Welt‘ ist", so Collective Shout.