Menschen sind soziale Wesen (Teil eines größeren Ganzen),
d.h. sie sind grundsätzlich von Gemeinschaft 'abhängig'.
Das geht dann sogar so weit, dass 70% dem Druck von Meinungsführer, Mehrheitsmeinung oder Gruppenmythos folgen und dafür sogar die eigene Wahrheit opfern.
Zwei Arten der Anpassung (Adaption):
- rein öffentliches Bekenntnis (vordergründiger Mitläufer um nicht als Außenseiter dazustehen)
- tatsächliche Meinungsveränderung (eigene Meinung/Erinnerung wird ausgelöscht. Dabei sind Amygdala und Hyppocampus beteiligt, was auf Tomographieaufnahmen sichtbar wird.)
Hippocampus (Rot im Bild) = seepferdchen-förmige Struktur mit Amygdala (= Mandelkern) im limbischen (= saum-förmigen) System um die evolutionär sehr alte Hirnregion der Basalganglien des Stammhirns.
Das erklärt auch warum polarisierte kampfbereite Gruppen bei ideologischen Thema wie Prostitution, Sexualität und sexuelle Orientierung... entstehen.
Neue Studie vergleicht Aktienhändler mit Psychopathen
Warum verzocken Aktienhändler wie der vor zwei Wochen aufgeflogene Londoner UBS-Händler Kweku Adoboli, 31 Jahre aus Ghana bisweilen 2,3 Milliarden (bei 10 Mrd Handelsvolumen)? [Ich glaube das hat Prinzip und ist letztlich so gewollt und organisiert (vgl. Boni-Systeme). Anm.] Was läuft da schief in den Banken, aber vielleicht auch bei den jungen Profis? [Die sind selbst Opfer der Gewinnerzielungsmachinerie des globalen Kasinokapitalismus und ihres Testosterons. Sie brennen nach wenigen Jahren aus. Also auch ein "Jugendberuf" wie Sexwork?! Anm.]
Banking-Trader verhalten sich noch rücksichtsloser und manipulativer als Psychopathen - zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Universität St. Gallen.
Untersucht wurden Kooperationsbereitschaft und Egoismus von 28 Profi-Tradern aus Schweizer Banken, Hedge-Fonds und Rohstoffbörsen. Die Probanden mussten Computersimulationen durchspielen und sich Intelligenztests unterziehen. Das Ergebnis übertraf die Erwartungen des Teams um Pascal Scherrer und Thomas Noll, Forensiker und Vollzugsleiter des Schweizer Gefängnisses Pöschwies nördlich von Zürich.
"Natürlich kann man die Händler nicht als geistesgestört bezeichnen", sagt Noll, "aber sie verhielten sich zum Beispiel noch egoistischer und risikobereiter als eine Gruppe von Psychopathen, die den gleichen Test absolvierten."
Besonders schockierend für Noll: Insgesamt erzielten die Banker gar nicht mehr Gewinn als die Vergleichsgruppen. Statt sachlich und nüchtern auf den höchsten Profit hinzuarbeiten, "ging es den Händlern vor allem dar um, mehr zu bekommen als ihr Gegenspieler. Und sie brachten viel Energie auf, diesen zu schädigen". Es sei in etwa so gewesen, als hätte der Nachbar das gleiche Auto, "und man geht mit dem Baseballschläger darauf los, um selbst besser dazustehen". Erklären können die Wissenschaftler diesen Hang zur Zerstörung nicht. www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,788185,00.html www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/aktue ... 41170.html
Demgegenüber gelten wir Sexworker gerne als Mißbrauchsopfer und sozialschädlich...
Aber dieser US-Forscherin, auf die sich die Prostitutionsegner weltweit berufen, wird schon seit langem von vielen Seiten wissenschaftliches Fehlverhalten und Manipulation vorgeworfen: Dr. Melissa Farley, USA: www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=104394#104394
Dabei ist es mit der psychologischen Gesundheit der Allgemeinbevölkerung auch nicht besonders weit her: 32-38%, 1/3 oder 164,8 Millionen Europäer haben psychischen Störungen. Oder mindestens eine psychische Störungen pro Jahr und Einwohner: www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=104060#104060
Wir Sexworker arbeiten mit Sex für Geld und das sind beides extrem starke irdische und für manche sogar teuflische Qualitäten.
Daher braucht es besondere geschulte/trainierte Umgangsformen mit diesen Energien und mit sich selbst, weil sonst SWBO drohen kann.
Das fernöstliche Konzept des irdischen Verhaftet-Seins (Attachment)
und wie man sich mit spiritueller Übung (Meditation) davon lösen kann...
Ich bin nicht meine Gedanken, Sehnsüchte und Gefühle
Da gibt es einen "Denker", "Antreiber", "Fühler", "Kritiker"... in mir,
sie gilt es zu erkennen,
dann kann man sie in ihre Schranken weisen
und gelangt zu größerer Freiheit...
“I Am Not My Thoughts, Desires, Emotions,”
from Ken Wilber
“I have emotions, but I am not my emotions. I can feel and sense my emotions, and what can be felt and sensed is not the true Feeler. Emotions pass through me, but they do not affect my inward I. I have emotions but I am not emotions.
I have thoughts, but I am not my thoughts. I can know and intuit my thoughts, and what can be known is not the true Knower. Thoughts come to me and thoughts leave me, but they do not affect my inward I. I have thoughts but I am not my thoughts.
This done—perhaps several times—one then affirms as concretely as possible: I am what remains, a pure center of awareness, an unmoved witness of all these thoughts, emotions, feelings, and desires.
If you persist at such an exercise, the understanding contained in it will quicken and you might begin to notice fundamental changes in your sense of “self.” For example, you might begin intuiting a deep inward sense of freedom, lightness, release, stability. This source, this “center of the cyclone,” will retain its lucid stillness even amid the raging winds of anxiety and suffering that might swirl around its center”
Excerpt From: Wilber, Ken. “The Pocket Ken Wilber.” Shambhala Publications. iBooks.
Dies ist keine Einzelstudie, sondern eine Meta-Studie, das heißt,
eine Analyse von 150 Studien über das Thema. So bekommt man
offensichtlich viel mehr Material zusammen, und hat als
Ergebnis eine gültige Aussage.
Der Inhalt kurz zusammen gefasst: Unsere Gene aktivieren
unterschiedliche Systeme im Leib, ob wir unter Stress stehen, oder
ob wir uns wohlfühlen, ob wir eigene Wünschen nachgehen,
oder ob wir anderen Menschen gutes tun.
Das überraschende Ergebnis:
wer egoistischen Wünschen nachgeht, aktiviert die gleichen
Gene, wie Personen in Stress ! Und das, obwohl die Person
von sich denkt "glücklich" zu sein!
Auf der anderen Seite, wer altruistische Handlungen ausführt,
aktiviert ein Defensivsystem das gegen Bakterien und Viren
schützt, welche in engem Sozialkontakt unvermeidlich sind!
Ob die Person sich dabei "glücklich" fühlt oder nicht, hat darauf
wenig/kein Einfluss. Wichtig ist, dass man das Gefühl hat,
für die Gesellschaft als ganzes, und/oder für die einzelnen
Personen in der Gesellschaft eine sozial wichtige Handlung auszuführen.
Für die Sexarbeit hat dies als Konsequenz, dass wir unser
Immunsystem stärken können, wenn wir uns überzeugen, eine
sozial wichtige Rolle im Staat und in der Kultur einzunehmen, in
der wir uns gerade befinden.
Nun, das ist ja sowieso der Fall. Aber es ist schon interessant
dass das Bewusstsein darüber einen so tiefgehenden Einfluss
auf unsere Gesundheit hat!
Nicole
(P.S. wer englisch kann, dem kann ich empfehlen die Atlantic-Links
zu abonieren, es kostet nichts, und die Artikel gehören zum Besten was das Web zu bieten hat ! =
Harlotry: I’m Depressed–And Not Because Of Sex Work
"My position as a healer and a therapist becomes more apparent and also dearer to me when I’m most depressed. It’s cheesy, but doing these weird little good deeds for others really does make me feel better."
"Sex work may not be a substitute for therapy, but for me it is certainly very therapeutic. I’m nourishing myself. I see, in a very real way, that there is good in the world and that I’m capable of creating that good."
"Sex work has taught me so much about myself, it’s taught me about the world, and lately it’s been teaching me how beautiful the world can really be. Before you buy the myth of the damaged whore, think of the work she does for others..."
Hier die Lebensgeschichte von Domina, Aktivistin und Prostitutionsgegnerin Ellen Templin
Sie wird auch in EMMA oft als Kronzeugin genannt wird.
Ihr Leben in Form des Nachrufs von Terre des Femmes, die für das ProstG gekämpft haben:
Nachruf für streitbare Frauenrechtlerin Ellen Templin
Am 20.12.2010 verstarb völlig unerwartet Ellen Templin. Wir sind sehr erschüttert. Aber es ist für uns ein Trost, dass eine würdige Beisetzung im "Garten der Frauen" auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg geplant ist, am 25.02.2011 um 11 Uhr.
Wir von TERRE DES FEMMES lernten Ellen Templin im Januar 2010 kennen. Bei einem Treffen der ehrenamtlichen Arbeitsgruppe "Frauenhandel und Migration" berichtet sie von ihrer Tätigkeit in ihrem Domina-Studio.
Wie viele Prostituierte, so war auch Ellen als Kind schwer sexuell missbraucht worden; in ihrem Leben setzte sich dieses negative Lebensmuster in dem destruktiven Dasein einer Prostituierten fort.
Stark und erfolgreich als Domina, blieb Ellen dennoch unglücklich. Das sei nichts Besonderes, sagte sie, im Gegenteil - doch ungewöhnlich war ihr Umgang damit: sie trank nicht, nahm keine Drogen und lebte bewusst so gesund als möglich. Sie machte Psychotherapien und bildete sich fort;
Psychologie und Politik waren ihre Schwerpunktthemen. Von jeder Partei wusste sie in jedem Jahr jede Position zur Prostitution... mit wissenschaftlicher Gründlichkeit wies sie auf massive Verschlechterungen für Prostituierte hin und wurde scheinbar nie müde, nachdrücklich darauf hinzuweisen. Sie musste sich immer wieder aus resignativen Zuständen dazu aufraffen.
Ihre Motivation war, dass sie glasklar die psychischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge bezüglich Prostitution durchschaute. Im Lauf der Zeit forderte sie alle Stellen auf, die irgendwie mit Prostitution zu tun haben, ihrer Verantwortung für Prostituierte gerecht zu werden. Meist stieß sie auf Ignoranz oder Ablehnung, auch Diskriminierung und plumpe Anmache waren an der Tagesordnung.
Ihr großes Herz, ihre hohe Intelligenz und ein wachsendes Verantwortungsgefühl machten Ellen das Leben zunehmend schwerer: "Mein Lebensziel ist eigentlich, die Prostitution abzuschaffen", sagte sie, "aber das ist ein zu hohes Ziel: wenn ich wenigstens noch erlebe, dass die Kondompflicht eingeführt wird, zum Schutz der Frauen vor den schlimmen Krankheiten...".
Jahrelang hat Ellen Templin in die Rentenversicherung eingezahlt und lebte auf diese ruhige Zeit zu, von der sie noch über 3 Jahre entfernt war, als sie starb.
Ellen Templins Todesursache waren Bluthochdruck und insulinpflichtige Diabetes als Folge von Traumatisierungen und Stress.
Wir von TERRE DES FEMMES sind froh, Ellen Templin noch persönlich kennen gelernt zu haben und werden ihr Anliegen weiter tragen: auf die frauenverachtenden Hintergründe der Prostitution hinzuweisen.
Warum ist das Dasein destruktiv?
Weil viele Prostituierte isoliert sind, wegen Tabu, Stigma bis hin zu teilweiser Kriminalisierung.
Sexworker sind also mehr oder weniger ganz auf sich allein gestellt und isolieren sich daher auch selbst, weil sie z.B. beruflich grundsätzlich auf ihre sexuelle Kraft angewiesen sind und nur mit Geld entschädigt werden. Es gibt so gut wie keine gesellschaftliche Anerkennung zu erwarten (soziales Kapital), es gibt nur defizitäre Einbindung in soziale Organisationen. Infrastruktur für die Berufsgruppe Sexworker ist prekarisiert oder nicht existent (Sexworker College, Sexwork Branchenforschungsinstitut, Sexwork Berufsverband, Sexworker Bank, Sexworker-Künstler-Sozialkasse, Sexworker Partei, Sexworker Krankenhaus, Sexworker Kurheim, Sexworker Altenheim...). All das auf ein ganzes Berufsleben oder Menschenleben gewichtet reicht einfach nicht aus für eine mehrheitlich gelingende Lebensführung.
Ferner fehlt der statistische wissenschaftlich fundierte Beweis, ob es wirklich für die meisten Sexworker destruktiv ist. Denn nur die gescheiterten Sexworker werden sichtbar und gezählt. Aufgrund des Stigmas sind die geglückten Sexworker-Karrieren meist unsichtbar und können nicht beforscht werden. Ihr Erfolgswissen bleibt nachfolgenden Sexworker-Generationen i.A. versperrt. Unsere orale, uralte Kulturtradition bricht jedesmal ab. Das Drama jeder Randguppe und sozio-sexuellen Minderheit.
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INTERVIEW Prostitutions-Forscherin: «Dass Frauen ihren Körper gegen Geld zur Verfügung stellen, irritiert uns mehr, als dass Männer Sex kaufen»
Frauen brauchen Gefühle, Männer befriedigen bloss ihren Trieb: Stereotype Vorstellungen von Sexualität führten dazu, dass Prostituierte verachtet würden, sagt die Historikerin Sarah Baumann. Sie forscht zu Prostitution in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg.
Regula Freuler
29.01.2020, 17.22 Uhr
NZZ am Sonntag: Warum prostituieren sich Frauen?
Sarah Baumann: Einer der wichtigsten Gründe ist sicher das Geld. Frauen ohne Ausbildung oder mit nur geringen beruflichen Qualifikationen haben es auf dem regulären Arbeitsmarkt schwer. Auf dem Sexmarkt hingegen ist die Nachfrage gross. Viele Frauen arbeiten in der Prostitution, weil sie in ihrem Herkunftsland keine Stelle finden. Weil sie finanziell eine Familie unterstützen müssen. Weil sie drogenabhängig sind. Es gibt aber auch Frauen, welche die Unabhängigkeit und Selbständigkeit dieser Arbeit schätzen oder den Beruf gerne machen.
Gibt es darum nicht mehr viele Schweizerinnen auf dem Sexmarkt?
Der Hauptgrund dafür ist die internationale ökonomische Ungleichheit. Frauen migrieren in die Länder, in denen sie Chancen auf ein Einkommen haben. Prostituierte migrieren – früher wie heute – aber auch wegen des gesellschaftlichen Stigmas: Arbeiten sie im Ausland, können sie die Arbeit vor ihrem näheren Umfeld geheim halten.
Zur Person
Sarah Baumann studierte Zeitgeschichte und Philosophie an den Universitäten in Freiburg und Berlin. Sie ist Doktorandin und Lehrbeauftragte im Bereich Zeitgeschichte der Universität Freiburg und promoviert über weibliche Prostitution in den Schweizer Städten ab den 1950er bis Mitte der 1980er Jahre.
Sarah Baumann studierte Zeitgeschichte und Philosophie an den Universitäten in Freiburg und Berlin. Sie ist Doktorandin und Lehrbeauftragte im Bereich Zeitgeschichte der Universität Freiburg und promoviert über weibliche Prostitution in den Schweizer Städten ab den 1950er bis Mitte der 1980er Jahre.
Sowohl Dora Koster wie auch Frau Mercedes, zwei bekannte ehemalige Schweizer Prostituierte, berichten von einem früheren Leben in Saus und Braus. Beide wurden zu Sozialfällen. Trügt der Traum vom schnellen Geld für Prostituierte?
In den goldenen Nachkriegsjahrzehnten konnte eine Frau mit Prostitution viel verdienen. Oft war das verdiente Geld aber auch schnell wieder weg, weil am Verkauf von Sex nicht nur die Frauen verdienten. Mit ihrem Einkommen finanzierten sie Kinder, Eltern, Ehemänner, Freunde und Geliebte.
Es gibt doch auch viele Männer, die wenig verdienen und eine Familie ernähren.
Man muss sehen: Mit dem Einkommen stieg auch der Lebensstandard der Frauen. Ein Pelzmantel, ein teures Auto, auswärts essen und reisen gehörten in den 1960er Jahren zum Lebensstil einer Berufsprostituierten. Aber auch die Arbeitsmontur und die Zimmermiete beziehungsweise Salon-Nutzung kosteten. Hausbesitzer verlangten von Prostituierten Wuchermieten, im Wissen, dass die Frauen auf einen Arbeitsort und Verschwiegenheit angewiesen waren. Das ist heute auch oft noch der Fall.
Ein häufiges Argument für Prostitution lautet, dass die meisten Frauen – und Männer – diese Arbeit freiwillig machten und der Anteil an Menschenhandel relativ gering sei.
Die Unterscheidung zwischen selbstbestimmter Sexarbeit und Zwangsprostitution ist zentral. Der freiwillige Verkauf von Sex ist für erwachsene Menschen eine legale Erwerbstätigkeit. Zwangsprostitution und Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung sind kriminelle Handlungen, die strafrechtlich verfolgt werden müssen. Gleichzeitig muss man sich fragen, was genau «freiwillig» heisst. «Freiwilligkeit» heisst, dass Menschen sich aus verschiedenen Möglichkeiten für eine entscheiden können. Strukturelle Ungleichheiten wie das Nord-Süd-Gefälle, die Wirtschaftslage in Ost- und Südeuropa, Kapitalismus und Sexismus schränken die Auswahlmöglichkeiten von Frauen entscheidend ein. Arbeiten sie selbstbestimmt in der Prostitution, haben sie sich zwar für diesen Beruf entschieden, allerdings aus einem sehr viel kleineren Auswahlspektrum als andere Menschen.
«Solange man bei einer Bewerbung im Lebenslauf nicht schreiben kann, dass man im Bordell gearbeitet hat und jetzt in eine Anwaltskanzlei wechseln möchte, besteht ein moralisches Gefälle.»
Warum wird in manchen Kreisen so heftig darüber gestritten, dass man Prostitution «Sexarbeit» nennt?
Weil die Sprache über Prostitution die Sichtweise auf die Menschen bestimmt, die darin arbeiten. In den späten 1970er Jahren prägte eine Aktivistin der internationalen Hurenbewegung den Begriff «sex work». Damit setzte sie dem Begriff der «Sexindustrie» eine positive und weniger wertende Bezeichnung entgegen und betonte, dass es sich bei Prostitution um Arbeit im Sinne einer Dienstleistung handle. Der Begriff der Sexarbeit grenzt sich deutlich gegenüber einer abolitionistisch-feministischen Sichtweise ab, die Prostitution per se als ausbeuterisch und unfreiwillig betrachtet. In der Prostitution tätige Frauen als Sexarbeiterinnen zu bezeichnen, heisst auch, sie nicht pauschal als abhängige Opfer zu betrachten, sondern als selbstbestimmte, erwerbstätige Personen ernst zu nehmen. Aber längst nicht alle Frauen fühlen sich durch den Begriff repräsentiert oder verwenden ihn für sich. In den Quellen, mit denen ich arbeite, bezeichneten sich die Frauen selber als «Prostituierte» oder «Hure» oder sie verwendeten gar keine Selbstbezeichnung und sagten, sie «gehen anschaffen», «pickeln», «auf den Waggel» oder «machen die Strasse».
Welchen Begriff verwenden Sie?
Ich verwende den Begriff «Sexarbeit» als Quellenbegriff, als historischen Diskurs der Hurenbewegung, die wiederum Teil der neuen Frauenbewegungen war. Ich selber schreibe von «sexueller Arbeit», das ist analytisch sinnvoller.
Wie meinen Sie das?
Der Begriff «sexuelle Arbeit» macht die Verflechtung von Sexualität und Arbeit sichtbar und bettet Prostitution in das breite Feld der Arbeit ein. Er ist aber nicht aus einer bestimmten sozial-politischen Bewegung heraus entstanden wie der Begriff «Sexarbeit».
Stützt der Begriff «Sexarbeit» nicht einfach die Auffassung, dass Prostitution eine Erwerbstätigkeit wie jede andere sei?
Prostitution ist eine Erwerbstätigkeit. Menschen verdienen mit dieser Tätigkeit ihren Lebensunterhalt. Was genau eine Erwerbstätigkeit «wie jede andere» ist, bleibt für mich eine offene Frage. Prostitution als Sexarbeit anzuerkennen, heisst nicht, die Augen vor Ausbeutung und Gewalt zu verschliessen. Im Gegenteil. Sexarbeit zu entstigmatisieren, heisst, die Sexarbeiterinnen darin zu stärken, ihre Rechte wahrzunehmen.
Mit welchen Folgen?
Wenn sie keine Angst vor Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung haben, trauen sie sich eher, schlechte Arbeitsbedingungen zu kritisieren oder gewalttätige Freier anzuzeigen. Letztlich ist die Entstigmatisierung gerade auch für die Frauen wichtig, die aussteigen wollen. Solange man bei einer Bewerbung im Lebenslauf nicht schreiben kann, dass man im Bordell gearbeitet hat und jetzt in eine Anwaltskanzlei wechseln möchte, besteht ein moralisches Gefälle, das Frauen den Arbeitswechsel mit erschwert.
Drogenstrich am Letten in Zürich im Jahr 1993.
Warum gibt es kaum wissenschaftliche Forschung zu Sexkäufern?
Prostitutionsforschung war lange Zeit vor allem Prostituiertenforschung. Wo Sozialwissenschafter die Ursachen des Phänomens Prostitution zu erforschen suchten, suchten sie in der Psyche, im Körper, im familiären Umfeld und in der Erziehung der Prostituierten nach möglichen Antworten. Wer Prostitution verstehen wollte, musste – so die Meinung – vor allem die Prostituierte durchleuchten. Die männliche Nachfrage wurde jeweils nur am Rande thematisiert.
«Dass Frauen ihre Sexualität und ihren Körper gegen Geld zur Verfügung stellen, bewegt und irritiert mehr, als dass Männer Sex kaufen.»
Wie sieht Prostituiertenforschung heute aus?
In der jüngsten Zeit kamen neue Perspektiven hinzu. Prostituierte werden weniger unter dem Aspekt der Devianz, also des von der Norm abweichenden Verhaltens, und häufiger als handlungsmächtige Akteurinnen thematisiert. Der wissenschaftliche Fokus liegt aber nach wie vor auf den Prostituierten.
Weshalb?
Letztlich zeigt sich in diesem Gefälle, dass Kauf und Verkauf von Sex gesellschaftlich ganz unterschiedlich wahrgenommen werden. Der Kauf gilt als ein temporärer Akt, der Verkauf als eine soziale Position. Der Freier wird als ein Mann gesehen, der für Sex bezahlt, mit Prostitution sonst aber wenig zu tun hat. Die Frau wiederum, die Sex verkauft, wird in fast allen Bereichen ihres Lebens über ihre Tätigkeit als Prostituierte definiert. In dieser Sichtweise spiegeln sich auch unterschiedliche Vorstellungen von männlicher und weiblicher Sexualität wider.
Und wie sehen die aus?
Die wenig phantasievolle Vorstellung, dass Männer eine biologisch-triebhafte Sexualität hätten, ist nach wie vor präsent. Der Gang zur Prostituierten wird stillschweigend als ein Weg toleriert, diesen angeblichen Trieb zu befriedigen. Die Sexualität der Frau gilt hingegen als gefühlsgebundener, intimer und verletzlicher. Dass Frauen ihre Sexualität und ihren Körper gegen Geld zur Verfügung stellen, bewegt und irritiert mehr, als dass Männer Sex kaufen, was sich auch in einem grösseren Forschungsinteresse niederschlägt.
Für einen Artikel über Prostitution in der Schweiz haben wir versucht, ehemalige und aktive Prostituierte zu finden, die mit uns über ihre Tätigkeit sprechen. Das war sehr viel schwieriger, als Sexkäufer zu finden, die mit uns über ihre Motivation sprachen. Woran liegt das?
Das soziale Stigma für Prostituierte ist enorm. Prostituierte werden sozial verachtet und als störend empfunden. Und wo sie sich öffentlich äussern, werden ihre Erfahrungen infrage gestellt oder als Einzelperspektive delegitimiert. Sich in so einem skeptischen Klima öffentlich zu äussern, braucht viel Mut und Selbstvertrauen.
Warum begrenzen Sie Ihre Forschungsarbeit auf den Zeitraum von den 1950er bis Mitte der 1980er Jahre?
Diese Jahre waren gesellschaftlich eine sehr dynamische Zeit. Wirtschaft und Konsum blühten. Der Umgang mit verschiedenen Formen des Sexuellen wurde liberaler. Sexualität vor und ausserhalb der Ehe war kein Tabu mehr, und die Diskriminierung von homosexuellen Menschen oder auch von sexuell arbeitenden Menschen wurde öffentlich kritisiert. Gleichzeitig wurde Sexualität wie nie zuvor kommerzialisiert und medial verbreitet. Mich interessiert, wie sich das Phänomen Prostitution in dieser dynamischen Zeit gestaltete und veränderte.
Und warum bis Mitte der 1980er Jahre?
Das Sexgewerbe hat sich dann nochmals stark verändert. Die Migration von Frauen aus asiatischen, afrikanischen, lateinamerikanischen und osteuropäischen Ländern nahm deutlich zu. Zudem liberalisierte eine umfassende Reform des Sexualstrafrechts den rechtlichen Umgang mit Prostitution. Delikte wie Kuppelei oder Zuhälterei wurden gestrichen und Bordelle – nach einem fast hundertjährigen Verbot – wieder erlaubt.
Mit welchen Quellen arbeiten Sie?
Mein Quellenkorpus umfasst Polizei- und Gerichtsakten, sozialwissenschaftliche Studien, politische Eingaben und Parlamentsprotokolle, Bestände von Frauen- und Prostituiertenvereinen sowie Berichte und Autobiografien von ehemaligen Prostituierten. Die Quellen eröffnen ganz unterschiedliche Sichtweisen auf Prostitution. Gerichtsakten zum Beispiel ermöglichen es, ein soziales Profil von in der Prostitution tätigen Frauen zu skizzieren. Polizisten und Bezirksanwälte befragten die Frauen zu Herkunft, Alter, Wohnort, aber auch dazu, an welchen Orten sie arbeiteten und wie viel sie mit der Prostitution verdienten. In Zeitungsartikeln wiederum erfährt man viel über gesellschaftliche Debatten und den medialen Umgang mit Prostitution.
Und die Berichte von Frauen über ihre Erfahrungen als Prostituierte?
Sie vermitteln eine persönliche Innensicht. Diese ist facettenreicher als die stereotypen Bilder, die sich Menschen von Prostituierten machen. Grisélidis Réal oder die inzwischen verstorbene Dora Koster schildern in ihren autobiografischen Büchern Erfahrungen von Prekarität und Ausgrenzung, aber auch von Stärke und Selbstbestimmung. Zudem geben sie einen unverblümten Einblick in die sexuelle Arbeit und bringen zur Sprache, worüber alle anderen Quellen schweigen: die sexuellen Phantasien und Vorlieben der Männer, die für den Sex mit ihnen bezahlten.
Dora Koster präsentierte 1981 ihren Gedichtband «Sanft und gefährlich».
Keystone
Grisélidis Réal war eine Vorkämpferin der Prostituiertenbewegung. Ihr umfangreiches Archiv wurde dieses Jahr geöffnet. Nutzen Sie es für Ihre Arbeit?
Ja, die Bestände des Centre Grisélidis Réal sind für meine Forschung zentral. Die Bestände sind thematisch sehr vielfältig und spiegeln die internationale Vernetzung von Grisélidis Réal wider. Sie umfassen Dokumente zu Sexarbeit in der Schweiz, in Europa und Amerika, zum internationalen Abolitionismus, zu Hurenkongressen, aber auch zu Freiern, Gewalterfahrungen, HIV beziehungsweise Aids. Für mich besonders interessant sind die Unterlagen von Aspasie, dem schweizweit ersten Verein, der sich seit 1982 für die Rechte von Prostituierten einsetzt und von Prostituierten, unter ihnen auch Grisélidis Réal, mitgegründet wurde. Als ich mit meiner Forschung zur Geschichte der Prostitution begann, stapelten sich im Centre Grisélidis Réal haufenweise Bananenkisten mit ungeordneten Dokumenten darin. Es ist grossartig, dass diese Bestände nun geordnet, katalogisiert und für die Öffentlichkeit zugänglich sind.
Die Westschweizerin Grisélidis Réal (1929–2005) gilt als eine Pionierin der Prostituiertenbewegung.
PD
Woher stammen die Prostituierten in Ihrem Forschungsprojekt?
Grösstenteils aus der Schweiz. Grundsätzlich ist es aber bei der historischen Arbeit schwierig, ein soziales Profil von Prostituierten zu rekonstruieren.
Weshalb?
Die vorhandenen Daten lassen keine repräsentativen Aussagen zu. In meinem Untersuchungszeitraum wurden keine umfassenden sozialstatistischen Erhebungen zu Prostituierten gemacht. Die städtische Sittenpolizei hat Frauen, die als Prostituierte arbeiteten, zwar registriert. Ins Register kamen aber nur die Frauen, die von der Polizei kontrolliert worden waren, was wiederum vor allem Strassenprostituierte waren.
Woher stammten sie?
Aus einem Sample von Gerichtsakten des Bezirksgerichts Zürich lässt sich in Bezug auf Prostitution in der Stadt Zürich sagen: Die Mehrheit der registrierten Frauen waren gebürtige Schweizerinnen. Ein Drittel war in der Stadt Zürich geboren worden, zwei Drittel kamen aus der Zürcher Agglomeration und aus Dörfern und Kleinstädten der umliegenden Kantone. Migration war also auch damals schon ein wichtiger Faktor, wobei es sich vorwiegend um innerschweizerische Migration handelte.
Und die ausländischen Prostituierten?
Die wenigen Frauen ohne Schweizer Bürgerrecht kamen aus Deutschland und Österreich. In den 1980er Jahren tauchten in den Akten vermehrt Frauen zentralafrikanischer Herkunft auf, die in Frankreich lebten und mit dem Zug von Paris nach Zürich pendelten. Dass sich in den von mir konsultierten Akten vor allem Binnenmigrantinnen finden, hat aber auch stark mit der Quellengattung zu tun. Als selbständige Erwerbstätigkeit ist Prostitution für Schweizerinnen seit 1942 schweizweit legal. Für Frauen ohne Aufenthaltsbewilligung war und ist Prostitution hingegen verboten. Die Akten der Fremdenpolizei dürften das soziale Profil von Prostituierten gerade mit Blick auf die nationale Herkunft also noch weiter auffächern.
«In der Textilindustrie verdiente eine Arbeiterin 1974 knapp 7 Franken die Stunde, als Prostituierte 50 bis 100 Franken pro Freier. Eine Kellnerin verdiente um die 600 Franken im Monat; eine Frau, die an vier Abenden die Woche vier Freier bediente, über 7000 Franken.»
Wie sieht es heute aus?
Heute sind Frauen ausländischer Herkunft im Schweizer Sexgewerbe deutlich übervertreten. Sie kommen vor allem aus Lateinamerika, russischsprachigen Ländern, Nord- und Ostafrika, Thailand und Osteuropa. Schweizerinnen sind stark untervertreten. Seit der Abschaffung des Tänzerinnen-Statuts im Jahr 2016 dürfen Angehörige aus Drittstaaten auch im Sexgewerbe nicht mehr tätig sein. Der Bundesrat geht in einem Bericht von 2015 davon aus, dass die Mehrheit der ausländischen Prostituierten eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung hat und legal der Prostitution nachgeht.
Wie sieht es mit illegaler Prostitution aus?
Die Zahl von Prostituierten ohne Aufenthaltsbewilligung wird schweizweit auf 250 bis 600 geschätzt.
Wir haben bis jetzt nur von Frauen gesprochen. Wie sieht es mit männlichen Prostituierten aus?
Sexarbeit ist überwiegend weiblich, aber nicht nur. Geschätzt wird, dass allein in Zürich etwa 1300 Männer sexuelle Dienstleistungen anbieten. Die männlichen Prostituierten kommen vor allem aus Südostasien, Lateinamerika und Osteuropa. Von den Transgender-Prostituierten stammen die meisten aus Thailand.
Wie verlässlich sind Zahlen zur Prostitution?
Man muss vorsichtig umgehen damit. Eine Mitarbeiterin der Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen und -arbeiter Aspasie sagte mir: «Jede Statistik, die Sie sehen, ist falsch.» Genaue Zahlen zur Anzahl von Prostituierten in der Schweiz gibt es nicht. Zudem geben die vorhandenen Zahlen nur einen Ausschnitt aus dem Sexgewerbe wieder, da sie nur die Frauen erfassen, die polizeilich registriert sind. Hinzu kommt die hohe Fluktuation im Gewerbe. Für mich als Historikerin ergibt sich zudem die Schwierigkeit, dass im Zuge der Fichenaffäre viele Polizeiregistraturen, darunter auch sogenannte «Dirnenkarteien», vernichtet wurden.
Was lässt sich mit Sicherheit sagen?
Die absolute Zahl von Prostituierten nahm in den letzten Jahrzehnten zu. Mitte der 1950er Jahren gingen Beamte von schweizweit 3000 bis 4000 registrierten und nicht registrierten Prostituierten aus. Für 2013 ging die Aidshilfe Schweiz von 18 000 bis 22 000 Prostituierten aus, die übers ganze Jahr gerechnet legal der Prostitution nachgingen. Die meisten von ihnen in den Kantonen Zürich und Bern.
Wie sieht es mit dem Verdienst aus?
In den 1960er und 1970er Jahren war das Gefälle zwischen herkömmlichen Frauenlöhnen und dem, was eine Prostituierte verdienen konnte, enorm. In der Textilindustrie verdiente eine Arbeiterin 1974 knapp 7 Franken die Stunde, als Prostituierte 50 bis 100 Franken pro Freier. Eine Kellnerin verdiente um die 600 Franken im Monat; eine Frau, die an vier Abenden die Woche vier Freier bediente, über 7000 Franken.
Prostitution war früher also um ein Vielfaches lukrativer als heute?
Egal, welche Wahl die Frauen trafen: Ihre Situation blieb prekär. Entweder machten sie eine sogenannt «anständige» Arbeit für einen Lohn, der kaum ausreichte, um eine Familie durchzubringen. Oder sie arbeiteten als Prostituierte und fanden sich rasch am Rand der Gesellschaft wieder. Dieser Zusammenhang zwischen Prostitution und den Arbeitsbedingungen von Frauen wurde in der Zeit, die ich untersuche, aber nur am Rande diskutiert. Prostitutionsdebatten drehten sich in erster Linie um «die Prostituierte», um ihre Psyche, ihre Herkunft, ihre Sexualität. Auch Regulierungsmassnahmen zielten auf «die Prostituierte»: Sie wurde registriert, kontrolliert, ärztlich untersucht, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und auf bestimmte Plätze verwiesen. Dass Prostitution wenig mit der Person der Prostituierten und viel mehr mit Geschlechterhierarchien und wirtschaftlichen Alternativen zu tun hat, wurde ausgeblendet.
"Ich unterstütze meine Mutter und gute Freunde in Polen. Aber zurzeit habe ich selbst Geldprobleme, weil die Corona-Verbote mich daran hindern zu arbeiten": die Prostituierte Justyna aus Hannover. (Foto: privat)
Eine Prostituierte in Hannover über ihre Lebensumstände in Corona-Zeiten, ihre Kunden - und die Frage, ob Sexarbeit unwürdig ist.
Interview von Roland Preuß
Die große Mehrheit der Prostituierten in Deutschland kommt aus dem Ausland, vor allem aus Rumänien, Bulgarien, Polen oder auch Ungarn. Die Debatte darüber, wie das Gewerbe geregelt und ob es verboten werden soll, führen vor allem heimische Politikerinnen und Politiker, Experten und eloquente deutsche Prostituierte. Justyna aus Polen findet das nicht in Ordnung. Die 31-Jährige, die mit bürgerlichem Namen anders heißt, arbeitet seit zehn Jahren als Prostituierte in Deutschland.
SZ: Die meisten Prostituierten, vor allem aus dem Osten Europas und Afrika, machten nicht freiwillig Sexarbeit, sondern würden getäuscht, erpresst und bedroht, sagt eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten. Wie ist Ihre Erfahrung?
Prostitution
"Rotlicht an!"
Friseure und Masseure dürfen - "nur wir nicht": Sexarbeiter protestieren gegen das Arbeitsverbot wegen Corona. Von Christian Wernicke
Justyna: Ich mache das freiwillig. Die meisten Frauen arbeiten selbständig, da hat sich viel verändert. Für viele Frauen aus Rumänien und Bulgarien gilt das allerdings nicht. Die können meist kein Deutsch, haben Männer im Hintergrund, die in Spielhallen rumhängen und warten, bis die Frau Feierabend hat. Diese Frauen kennen die Gesetze hier nicht und meinen, diese Männer würden ihnen helfen.
SZ: Welche Rolle spielt wirtschaftlicher Druck bei Ihnen, wären Sie oder Ihre Familie sonst in Geldnot?
Ich arbeite völlig freiwillig, unterstütze allerdings auch meine Mutter und gute Freunde in Polen. Aber zurzeit habe ich selbst Geldprobleme, weil die Corona-Verbote mich daran hindern zu arbeiten.
Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Prostituierten, die hierzulande unfreiwillig sexuelle Dienste anbieten?
Nach meiner Einschätzung würde ich etwa 15 bis 20 Prozent sagen, vor allem Rumäninnen und Bulgarinnen, die nicht lesen und schreiben können.
Befürworter eines Prostitutionsverbotes sagen, es seien weit mehr als die Hälfte. Das sehe ich anders. Diese Leute scheinen nur nach einer Gelegenheit zu suchen, Sexarbeit zu verbieten.
Haben Sie einen Mann im Hintergrund, der auf Sie aufpasst?
Nein, habe ich nicht. Ich arbeite legal in einer Privatwohnung in Hannover, aber auch in Hessen, und bin angemeldet.
Sich fremden Männern anbieten, die teilweise bizarre sexuelle Wünsche haben - Kritiker sagen, das ist menschenunwürdig und frauenfeindlich.
Ich bin erwachsen genug, um selbst zu entscheiden, was ich mache. Wenn ein Zuhälter Druck macht, dann ist das Zwang und menschenunwürdig. Ich bin mir aber immer dessen bewusst, was ich tue, ich trinke keinen Alkohol und nehme keine Drogen. Sexarbeit ist nicht unwürdig. Das muss doch jede Frau für sich entscheiden.
Ist Sexarbeit ein Job wie jeder andere?
Ja, ich bin angemeldet, zahle Steuern, Krankenversicherung, Gebühren für die IHK. Die Dienstleistung wird in Deutschland als so normal betrachtet wie zum Friseur gehen. Man braucht allerdings schon eine starke Persönlichkeit, damit man nicht mit Alkohol anfängt oder mit Drogen.
Wie viele Freier lehnen Sie ab?
Das kommt eher selten vor. Meist mache ich die Termine schriftlich ab, da kann ich schon aussortieren. Manche denken, sie bezahlen und können dann alles bekommen. Das lehne ich ab. Und ich arbeite nicht nachts oder Samstagabend, weil da kommt mehr unangenehme Kundschaft.
Was kommen da für Freier? Sind das viele gewaltbereite Typen oder Machos?
Vor allem kommen Männer, die in Beziehungen sind. Manche sagen: Ich liebe meine Frau, aber immer das gleiche schmeckt nicht. Viele sagen: Meine Frau hat keine Lust mehr, sie sucht ständig Ausreden. Das sind etwa 80 Prozent. Die restlichen 20 Prozent sind Männer, die nie eine Beziehung hatten, die schon lange alleine sind oder eine Persönlichkeitsstörung haben. Ich bediene die trotzdem. Dann kann es leider passieren, dass der Mann sich verliebt. Es sind übrigens viele selbständige Männer darunter, die können tagsüber leichter Pause machen. Machos kommen eher nicht. Gewaltbereit sind meine Kunden überhaupt nicht.
Haben Sie denn nie Freier-Gewalt erlebt?
Doch, ziemlich am Anfang. Ein Mann wollte Verkehr ohne Kondom, gegen meinen Willen. Er hat es mit Kraft versucht, ich habe mich gewehrt. Das war unangenehm, er war stärker, aber er hat dann aufgegeben. Ich bin ein sportlicher Typ.
Warum arbeiten Sie in Deutschland und nicht in Polen oder auch Italien?
Es gibt immer noch diese Legende in Polen, dass man in Deutschland gut leben kann und alles so einfach ist. Ich habe in Polen studiert und wollte nach Holland gehen, um in einem gewöhnlichen Beruf zu arbeiten. Aber das hat nicht funktioniert, ich konnte nicht viel Geld verdienen. Da habe ich mich dann für Sexarbeit in Deutschland entschieden, um mehr Geld zu verdienen.
Viele Bordelle in Deutschland sind weiterhin geschlossen, wenn es nach einer ganzen Reihe von Politikern und Aktivisten geht, dann soll das auch so bleiben - und Sexkauf generell verboten werden. Was würden Sie und Ihre Kolleginnen dann machen?
Vielen werden dann in die Illegalität gehen, so wie in Frankreich. Prostitution wird weiter stattfinden. Ein Teil würde wahrscheinlich abwandern in die Schweiz, Österreich oder Holland, aber die meisten würden wohl hierbleiben. Ich glaube nicht, dass die Frauen aufhören.
In der Debatte um Prostituierte in Deutschland werden Sexarbeiterinnen aus dem Ausland sehr oft als Opfer Krimineller gesehen. Nervt Sie das?
Ja, das nervt mich sehr. Einige Politiker stellen das so dar. Viele Frauen aber wollen Geld sparen, um später ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Nagelsalons oder Friseurstudios sind da sehr beliebt.
Ich weiß nicht so recht, ob der Artikel hier reinpasst.
Ich stelle ihn trotzdem hier mal ein.
Wer meint, es passe woanders besser rein (bitte Vorschläge), dann meldet Euch bitte und ich werde den Artikel dann dementsprechend woanders einstellen, was ich aber nur innerhalb von 12 Stunden machen kann.
Meine Anmerkung zum unten stehenden Artikel:
Der hohe Verdienst war vor 20 Jahren vielleicht im hochpreisigen Segment der Fall (zum Beispiel 400-500 Franken pro Stunde).
Heutzutage und seit ein paar Jahren verdient man nur noch 100-150 Franken pro Stunde. 100 Franken sind heutzutage 93,22 Euro.
Wie gesagt, die "goldenen Zeiten" sind seit Jahren längst vorbei.
Nun der Artikel:
WAS ICH WIRKLICH DENKE Sexarbeiterin: «Als ich mit 2000 Franken nachhause ging, hatten sie mich an der Angel»
25.07.21, 20:47 27.07.21, 14:04
Leticia ist selbständige Sexarbeitende.
Sie lebt im Kanton Zürich und hat eine kleine Tochter.
Sie verdient ihr Geld in sogenannten Seitensprungzimmern, in welchen sie tageweise arbeitet.
Sie erzählt, wie sie in das Sexgewerbe hineingekommen ist und welche Folgen die Pandemie für sie hatte.
Ich war 17, als ich das erste Mal angeschafft habe. Damals war ich in der Lehre und wir hatten ab und zu Sexarbeitende bei uns im Salon als Kundinnen. Mit dem Sexgewerbe kannte ich mich überhaupt nicht aus. Die Frauen haben mich dann immer wieder darauf angesprochen, gesagt, ich sei so hübsch und gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mir das einmal anzuschauen. Ich habe mir lange gedacht: «Spinnt’s euch eigentlich?», und habe mich geweigert.
Dann bin ich trotzdem mal in einem der Bordelle vorbeigegangen. Von zwei bis sechs Uhr habe ich an diesem Nachmittag gearbeitet. Damals hat eine Stunde noch um die 500 Franken gekostet. Als ich dann abends mit meinen 2000 Franken nach Hause ging, wusste ich, die haben mich an der Angel. Wenn du in vier Stunden mehr verdienst als in deinem normalen Job in einem Monat, was willst du machen? Na ja, und jetzt komme ich da irgendwie nicht mehr raus, das ist wie eine Sucht.
Als ich dann abends mit meinen 2000 Franken nach Hause ging, wusste ich, die haben mich an der Angel.
Leticia
Jetzt arbeite ich nur noch in Seitensprungzimmern. Meine Kunden kenne ich von früher. Damals habe ich immer wieder Inserate gemacht. In der Zeitung, im Internet. Da haben sich viele gemeldet. Und die, die einmal gekommen sind, sind dann geblieben. Jetzt bediene ich eigentlich immer die gleichen Männer. Einige sind bereits seit zwanzig Jahren bei mir und kommen durchschnittlich alle fünf Wochen vorbei. Ich kann mir vorstellen, dass sie ab und zu noch zu anderen Frauen gehen. Aber das ist mir eigentlich egal. Ich bediene ja mehrere Kunden.
Was ist «Was ich wirklich denke»?
Wir gestehen: Bei der Idee für «Was ich wirklich denke» haben wir uns schamlos beim Guardian-Blog «What I'm really thinking» bedient. Wir mussten fast, denn die Idee dahinter passt wie die Faust aufs Auge auf unseren alten Claim «news unfucked». Es geht darum, Menschen, Experten, Betroffene anonym zu einem Thema zu Wort kommen zu lassen, ohne dass diese dabei Repressalien befürchten müssen. Roh und ungefiltert. Und wenn du dich selber als Betroffener zu einem bestimmten Thema äussern willst, dann melde dich bitte unter wasichdenke@watson.ch.
Im letzten Jahr konnte ich kaum arbeiten. Zu Beginn habe ich das irgendwie auch gar nicht so mitbekommen, dass es verboten ist. Ich arbeite nicht in einem Bordell, da habe ich mir gedacht, ist ja privat, was ich mache, also darf ich. Und die Massnahmen haben ja auch ständig geändert. Einmal im Dezember ist die Polizei mit dem Kastenwagen aufgetaucht, hat mein Zimmer gestürmt und ich musste mit auf den Posten. Ich habe echt erst im Nachhinein realisiert, dass es wieder verboten ist. Irgendwann muss ich deswegen auch noch vor Gericht.
Das Sexgewerbe hat sich schon sehr verändert, seit ich angefangen habe.
Leticia
Das Coronajahr war eine Herausforderung für mich. Ich habe ein bisschen Geld von der Sozialversicherung bekommen. Da kriegt man maximal irgendwie so 195 Franken pro Tag. Eine Zeit lang habe ich davon nur 100 bekommen. Keine Ahnung, wie die das genau berechnen, aber das ist doch lächerlich. Ich habe eine Wohnung zu zahlen, eine Tochter zu ernähren. Wie soll das bitte gehen mit dem Betrag?
Ich habe von einer Kollegin gehört, dass sie seit Dezember kein Geld mehr bekommen hat. Stellt euch das vor, das geht doch nicht. Wenn ich nichts gespart hätte, meine Güte, das wäre nicht gut rausgekommen. Irgendwie fand ich das mit Corona auch eine schöne Veränderung. Nicht auf finanzieller Ebene, aber die Menschen hatten wieder mehr Zeit für sich selbst. Sonst sind alle immer im Stress, von einem Ding zum anderen. Ich habe das sehr genossen, zu Hause zu bleiben und mehr Zeit für meine Tochter zu haben. Geld macht es mir vielleicht einfacher, zu leben. Aber erfüllend ist es für mich nicht. Geld ist nicht alles.
Das Sexgewerbe hat sich schon sehr verändert, seit ich angefangen habe. Früher war zum Beispiel Sex ohne Gummi noch kein Thema. Einmal kam ein junger, gutaussehender Typ zu mir, legte mir 800 Franken auf den Tisch und sagte: Dafür machen wir es ohne Gummi. Da habe ich ihm gesagt, er könne sein Geld nehmen und gleich wieder zur Tür raus. Ich finde das so eklig, das mache ich nicht.
Seit die EU aufgegangen ist, sind halt auch viele Frauen aus Osteuropa hier. Sie verlangen so 100 Franken die Stunde und machen dafür auch viel mehr. Auch ohne Gummi und so. Die haben den Markt völlig kaputt gemacht. Da kann ich nicht mit den gleichen Preisen wie vor 20 Jahren auffahren.
Ich würde nicht sagen, dass mir meine Arbeit Spass macht. Phasenweise habe ich das Gefühl, scheisse, ich habe echt keinen Bock darauf. Da stehe ich morgens auf und denke mir, ich mach das nicht mehr. Dann kommt plötzlich wieder dieses Gefühl, dass es so einfaches Geld ist. Eine richtige Sucht. Und mich muss das Ganze ja sexuell nicht erfüllen. Wenn ich eine gute Zeit habe, super, aber ganz ehrlich: Am Ende muss einfach die Kasse stimmen.
Wenn mich jemand fragt, wie ich Geld verdiene, erzähle ich immer die gleiche Story, dass ich irgendwo in der Kommunikationsabteilung arbeite. Ich habe keine Lust darauf, irgendjemandem irgendetwas erklären zu müssen. Meine engsten Freundinnen und meine Oma sind die einzigen, die wirklich Bescheid wissen. Mit dem Rest der Familie rede ich nie offiziell darüber. Die glauben, dass ich nur so Domina-Zeugs mache, ohne den Geschlechtsverkehr.
Meine Tochter ist noch zu jung, um zu verstehen, was ich mache.
Leticia
Meine Tochter ist noch zu jung, um zu verstehen, was ich mache. Ich mache mir immer wieder Gedanken darüber, wann ich ihr erzählen soll, wie ich Geld verdiene. Sie fragt mich auch jetzt schon, was ich mache. Dann sage ich ihr, ich arbeite in einem Büro. Aber es ist nicht so toll, wenn du deiner eigenen Tochter nicht die Wahrheit sagen kannst. Ich denke, wenn sie älter ist und im Vertrauen damit umgehen kann, werde ich ihr das sagen.
Jetzt würde sie es noch nicht verstehen und erzählt es vielleicht einer Kollegin weiter, dann macht das die Runde: «Ah, das ist so Eine. Mit solchen Menschen darfst du nichts zu tun haben.» Ihr wisst ja, wie die Leute reden. Aber irgendwann bin ich zu alt für das alles und die Kunden gehen mir aus. Dann habe ich wieder ein Problem und kann an eine Migroskasse arbeiten gehen. Es ist nur eine Frage der Zeit.
Aufgezeichnet von Alina und Sophie
Alina Kilongan und Sophie Ambühl studieren Kommunikation mit der Vertiefung Journalismus an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Werkstatt «Multimediales Storytelling». Für die ganze interaktive Arbeit über Sexarbeit während der Coronakrise geht's hier lang.
Schweiz Interview
Sexarbeiterin erzählt: «Hört auf, so verklemmt zu sein!»
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
INTERVIEW
Ein Gespräch im BDSM-Zimmer mit einer Sexarbeiterin
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28.03.2023, 10:01
Chiara Jessica Hess
Ich sitze zwischen einem BDSM Sexstuhl, einem Stahlkäfig, einem Andreaskreuz, einem Bett und um mich herum sind Dildos in allen Farben und Formen. Die roten Vorhänge sind zugezogen, die blauen Neonröhren an. Im Raum riecht es nach Vanille-Duftkerzen und altem Zigarettenrauch. Gegenüber von mir sitzt Nina*. Sie mietet das «SM-Zimmer» alle paar Wochen, um als Sexarbeiterin zu arbeiten.
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Bis vor zwei Jahren war Nina in Teilzeit Sexarbeiterin und Reinigungskraft. Wegen der Pandemie lohnte es sich nicht mehr, als Reinigungskraft zu arbeiten, und seither ist sie hauptberuflich selbstständige Sexarbeiterin.
Ihre Arbeit kann sie sich selbst einteilen. Sie arbeitet meistens ein bis zwei Wochen in einer Wohnung, die sie irgendwo in der Schweiz anmietet, und geht dann für zwei Wochen nach Hause in den Kanton Schwyz. Sex hat sie nur, wenn sie Lust hat. Wenn sie nicht in Stimmung ist, schaut sie sich die Anfragen erst gar nicht an. Zu ihrer Kundschaft gehören ausschliesslich Männer.
Während den Wochen, in denen sie arbeitet, arbeitet sie sieben Tage 8 bis 22 Uhr durch und hat täglich zwischen zwei bis sieben «Gäste» – wie sie ihre Kunden nennt. Mit zwei bis drei Wochen Arbeit im Monat kann sie sich ein Leben finanzieren. Sie verdient dann zwischen 5’000 und 10’000 Franken oder noch mehr im Monat. Tendenz jedoch eher sinkend: «Viele Frauen bieten 30 Minuten für 80 Franken an. Das tut weh. Sie zerstören die Branchenpreise.»
Sexarbeiterin Fotostory, von Chiara Jessica Hess, März 2023
bild: chiara jessica hess/watson
Warum übst du den Beruf als Sexarbeiterin aus?
Nina: Ich war auf einer Plattform unterwegs, wo man Sexpartner:innen sucht. Als mich da jemand fragte, warum ich das gratis mache, wenn ich auch Geld damit verdienen könnte, habe ich mich nach langem Überlegen dafür entschieden, mich künftig für Sex bezahlen zu lassen. Seither bin ich Sexarbeiterin.
Wie findet dich deine Kundschaft?
Über Internetinserate.
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Nehmen wir an, dein Job würde ausgeschrieben. Was würde im Stelleninserat stehen?
Dass Menschenkenntnis wichtig ist – ich würde mich fast schon als Psychologin bezeichnen. Viele Männer kommen zu mir, weil sie zu Hause ihre sexuellen Bedürfnisse nicht ausleben oder ansprechen können. Bei mir wollen sie diese loswerden. Wir reden viel darüber. Ausserdem bin ich leidenschaftlich und offen. Und natürlich habe ich gerne Sex. (lacht)
Welche Grenzen setzt du zwischen dir und deinem Beruf?
Privat ist privat. Ich muss keine Männer vor meiner Wohnungstüre haben. Bisher ist mir das immer gut gelungen, ich habe sogar meine Autonummer sperren lassen.
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Mit welchen Stigmata haben Sexarbeiterinnen zu kämpfen?
Wir sind schlechte Frauen. Wir sind schuld daran, dass Männer zu uns kommen. Wenn es uns nicht geben würde, würden sie es ja nicht machen. Das ist die allgemeine Meinung.
Wie gehst du damit um?
In der Öffentlichkeit erzähle ich niemandem, wie ich mein Geld verdiene, um meine Familie zu schützen. Meine Schwester, meine Tochter und mein Schwiegersohn wissen davon. Sie haben es gut aufgenommen. Wenn ich mich austauschen möchte, mache ich das mit meiner Freundin, mit der ich zusammenarbeite. Ansonsten erzähle ich, dass ich (immer noch) als Reinigungskraft mein Geld verdiene.
Sind das die einzigen schlechten Erfahrungen, die du machst?
Richtig schlechte Erfahrungen musste ich bisher nicht machen. Ich hatte Glück. Es gibt viele Frauen, die überfallen werden. Wenn mich zum Beispiel drei Männer anfragen, bin ich vorsichtig – da steckt oft etwas dahinter.
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
«In 99 Prozent der Fälle, wissen die Partnerinnen der Männer nicht, dass sie zu mir kommen.»
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Sexarbeiterin Fotostory, von Chiara Jessica Hess, März 2023
künstlerisches werk: chiara jessica hess/watson
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Welche Vor- und Nachteile bringt der Beruf mit sich?
Ein Nachteil ist, dass man nicht offen kommunizieren kann, was man macht. Als positiv empfinde ich, dass man so viel Neues kennenlernt. Man lernt viele Menschen, Orte und Wohnungen kennen.
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Sexarbeiterin Fotostory, März 2023 von Chiara Jessica Hess
bild: chiara jessica hess/watson
Wenn dir alle auf der Welt zuhören würden, was würdest du ihnen erzählen?
Hört auf, so verklemmt zu sein!
Ich verabschiede mich wieder und frage Nina, ob sie heute noch arbeiten müsse. Sie antwortet: «Ja, ich darf.»
*Zum Schutz ihrer Familie möchte sie anonym bleiben. Deshalb wurde der Name geändert.