Richter kippen Bordellverbot/BVG Urteil Sperrgebietsverordnu

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fraences
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Richter kippen Bordellverbot/BVG Urteil Sperrgebietsverordnu

Beitrag von fraences »

PROSTITUTION FRANKFURT
Richter kippen Bordellverbot



Bordell müssen nicht mehr exklusiv im Bahnhofsviertel stehen.

Die Revolution bewaffnet sich mit Paragrafen: Der hessische Verwaltungsgerichtshof befindet, dass das Horizontale Gewerbe ganz normal ist und gegen keinerlei Sitte mehr verstößt. Und also darf Prostitution auch im Frankfurter Stadtteil Bornheim stattfinden. Die Ära der Sperrgebiete ist damit beendet.


Grünes Licht fürs Rotlichtgewerbe: Prostitution, befand am Donnerstag der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH), ist nicht mehr, was sie mal war. Verwerflich nämlich und sittenwidrig. Sondern: irgendwie normal. Und weil das so sei, dürfe sie von der Stadt Frankfurt nicht länger pauschal auf einzelne Stadtbezirke oder Straßen begrenzt werden.

Mit dieser Begründung gaben die Kasseler Richter grünes Licht für ein Bordell im Frankfurter Stadtteil Bornheim, das die Stadt verboten hatte. Die Entscheidung, mit der der VGH ein Urteil der Vorinstanz aufhob, reicht jedoch weit über den Einzelfall hinaus. Denn der Senat machte in seiner Entscheidung unmissverständlich deutlich, was er von der seit 1993 geltenden Sperrgebietsverordnung hält, die Betriebe des horizontalen Gewerbes in Frankfurt grundsätzlich nur in wenigen „Toleranzzonen“ für zulässig erklärt: nichts. Oder besser: nichts mehr.

Seit zwei Jahrzehnten sei an dieser Verordnung nichts mehr geändert worden, rügte Senatsvorsitzender Hajo Höllein. Ganz so, als hätte es nie das Prostitutionsgesetz der rot-grünen Bundesregierung gegeben, mit dem Sexarbeit seit 2002 nicht nur erstmals rechtlich abgesichert, sondern auch vom Makel der Sittenwidrigkeit befreit wurde. Schon mit diesem Gesetz, so der Senat, sei das Frankfurter Pauschalverbot „nicht vereinbar“. Spätestens aber, als das Bundesverfassungsgericht 2009 entschied, Prostitution dürfe nicht per se als Störung des öffentlichen Anstands eingestuft werden, hätte man handeln müssen.

Extrem unauffällig

Die Folge: Auf diese Verordnung, die einst von der Stadt beantragt und vom Land erlassen wurde, lasse sich das Verbot des Bornheimer Bordells nicht stützen, urteilte der Senat. Um dem klagenden Immobilienbesitzer wirksam zu untersagen, seine Räume an die Betreiberinnen eines „Massage-Salons“ zu vermieten, hätte die Stadt sich mehr Mühe machen müssen – und konkret begründen müssen, inwiefern der Rotlichtbetrieb „schädliche Auswirkungen auf die Nachbarschaft“ und insbesondere auf Kinder und Jugendliche habe.

Das aber, meinte der VGH, wäre der Stadt kaum gelungen. Denn der Salon, in dem, wie es Richter Höllein formulierte, „spärlich oder gar nicht bekleidete Frauen“ Massagen anböten, „die auch den Genitalbereich einschließen“, sei extrem unauffällig: ein kleines Hinterhaus, nicht einsehbar, ohne jede Werbetafel. Durch diese Art der Prostitutionsausübung, folgerten die Richter, werde der Jugendschutz nicht tangiert – auch wenn in der Nähe zwei Kindergärten sowie eine Realschule lägen.

Az.: 8 A 1245/12

http://www.fr-online.de/frankfurt/prost ... 08556.html





Die bisherige Sperrgebiets-Verordnung für Frankfurt/Main
http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 210#111210

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Zuletzt geändert von fraences am 10.03.2015, 22:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Zwerg »

Na bitte! Geht doch....

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Beitrag von Hanna »

einfach nur realitätsnah!
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Beitrag von ehemaliger_User »

Hab ich gerade in der "Hessenschau" gesehen mit der Bemerkung, dass das Urteil auch auf andere Städte in Hessen Auswirkung haben wird: es müsse in jedem Einzelfall die "schädliche Auswirkung auf die Nachbarschaft" begründet sein.
Auf Wunsch des Users umgenannter Account

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Beitrag von Kasharius »

Wenn der volle Wortlaut der Entscheidung vorliegt, stelle ich sie ein und kommentiere sie auch.

Kasharius grüßt und sagt Gute Nacht

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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von fraences »

Wenig Raum für Prostitution


Mit der Sperrgebietsverordnung von 1986 wollte die Frankfurter CDU „das Milieu“ zurückdrängen - oder zumindest dort halten, wo es eh schon das Stadtbild dominierte: im Bahnhofsviertel und an der Breiten Gasse. Überall sonst sollten Jugend und Anstand geschützt sein.

Der CDU-Politiker Wolfram Brück galt in Frankfurt als Hardliner. Und zwar schon bevor er am 14. August 1986 vom Stadtparlament zum neuen Frankfurter Oberbürgermeister gewählt wurde. Brück hatte zunächst als Rechtsdezernent gearbeitet und dem als liberal geltenden OB Walter Wallmann (CDU) juristisch den Rücken freigehalten.

Kaum hatte Wallmann Frankfurt verlassen, um als Umweltminister in die Bundesregierung einzutreten, verschärfte Brück die geltenden Regelungen für Prostitution. Mit Datum vom 23. Dezember 1986, am Tag vor Heiligabend, wurde die neue „Verordnung zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Frankfurt am Main“ erlassen, die dann Sperrgebietsverordnung genannt wurde.

Großbordell gescheitert

Sie definierte enge Grenzen für die Prostitution. Damit verband sich die Hoffnung der seinerzeit CDU-geführten Stadtregierung, „das Milieu“ weiter zurückdrängen zu können.

Prostitution ist demnach im Wesentlichen zum einen im Bahnhofsviertel erlaubt. Und zwar auf den Grundstücken, die von Weser-, Nidda-, Elbe- und Taunusstraße begrenzt sind. Ein zweiter Schwerpunkt findet sich im Osten der Innenstadt an der Breite Gasse. Hier wollte die CDU-Stadtregierung Prostituierte in einem Großbordell unterbringen. Dieser Plan scheiterte jedoch, die Bordellbesitzer, mit denen sich der CDU-geführte Magistrat auf Rechtsgeschäfte eingelassen hatte, verweigerten die Umsiedlung. Heute ist auf dem Grundstück an der Breite Gasse das städtische Gesundheitsamt untergebracht, nachdem eine private Herzklinik dort keinen Erfolg hatte.

Auch an parallel verlaufenden Nebenstraßen der Theodor-Heuss-Allee ist die Prostitution zugelassen. Hier ist der sogenannte Straßenstrich angesiedelt.

Misstrauen gegen Massage

In allen Bereichen außerhalb dieser Toleranzzonen ist die Prostitution laut Verordnungstext „verboten“. Das gilt ausdrücklich auch für „sogenannte Massagesalons“ und sonst überwiegend von Prostituierten genutzte Häuser. Genau mit einem solchen „Massagesalon“ in Bornheim, also weit außerhalb der Toleranzbereiche, hatte sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel jetzt zu befassen.

Auch alle „Wohnheime“ und andere „Unterkünfte“ sind außerhalb der Toleranzzonen untersagt. 27 Jahre nach Erlass der Sperrgebietsverordnung wird die Stadtregierung von CDU und Grünen jetzt von der Frage eingeholt, wie realitätsnah diese Verbote heute noch sind.

http://www.fr-online.de/frankfurt/prost ... 08554.html
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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von annainga »

das ist ja toll, was du da eingestellt hast @Fraences!

wie schön, wenn etwas so positives im sinn von sexwork entschieden wird. vor allem der satz:

Durch diese Art der Prostitutionsausübung, folgerten die Richter, werde der Jugendschutz nicht tangiert – auch wenn in der Nähe zwei Kindergärten sowie eine Realschule lägen.


gefällt mir. endlich mal eine differenzierte anschauung.

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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von fraences »

Stadt befürchtet mehr Bordelle


Bordelle müssen nicht mehr nur im Rotlichtmilieu rund um den Frankfurter Bahnhof stehen. Foto: Michael Schick
Das Ordnungsdezernat will weiter gegen Wohnungsprostitution vorgehen – mit beschränkten Mitteln. Schließungen aufgrund der Sperrbezirksverordnung sind mit dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs nicht mehr möglich.


Am Tag nach der Entscheidung, die zu einer ziemlichen Neuordnung des Rotlicht-Gewerbes in Frankfurt führen könnte, gibt man sich im Ordnungsdezernat vordergründig gelassen.

„Wir warten jetzt erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung ab – bislang kennen wir ja nur die Presseerklärung des Verwaltungsgerichtshofs“, sagt Andrea Brandl, Referentin von Stadtrat Markus Frank (CDU). Anschließend werde die Stadt gemeinsam mit dem Regierungspräsidium über Konsequenzen beraten.


Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hatte am Donnerstag entschieden, dass das Pauschalverbot von Prostitution in bestimmten Gegenden rechtswidrig sei. Damit bekam der Betreiber eines Massagestudios in Bornheim Recht. Die Sperrgebietsverordnung, die jahrzehntelang Grundlage für die weitreichenden Verbote war, sei nicht mehr zeitgemäß, urteilten die Richter. Die meisten Beobachter sahen darin das Ende der Verordnung.

Beschwerden ernst nehmen


Andrea Brandl hält diese Auffassung für verkürzt: „So weit wir es derzeit beurteilen können, wurde die Verordnung ja nicht für nichtig erklärt.“

Den Richtern gehe es lediglich darum, dass die Kommune toleranter als bisher mit Prostitution umgehen müsse. Das Urteil bedeute nicht, dass an jeder x-beliebigen Stelle ein Bordell eröffnen dürfe, sagt Brandl.

„Wir halten daran fest, dass wir konsequent gegen Wohnungsprostitution vorgehen wollen“, so die Referentin. Ziel der Stadt sei es, Wohnungen zu schaffen, keine Bordelle. Beschwerden von Anwohnern werde man weiterhin sehr ernst nehmen. Zuletzt hatten Menschen an der Adalbertstraße und der Hanauer Landstraße darüber geklagt, dass in ihrer Nachbarschaft Bordelle betrieben würden. In solchen Fällen werde die Stadt „alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“, sagt Brandl.

Eingeschränkte Möglichkeiten

Doch besagte rechtlichen Möglichkeiten sind durch das Urteil eben deutlich eingeschränkt. Die Kommune werde den Richterspruch natürlich nicht missachten, sagt Brandl. Schließungsverfügungen aufgrund der Sperrbezirksverordnung seien nicht mehr möglich. Auch „konzertierte Aktionen“ gegen Bordelle in den Stadtteilen werde es vorerst nicht mehr geben. So dürften am Ende vor allem Regelungen zum Nachbarschaftsschutz bleiben, um in Einzelfällen gegen das Rotlichtgewerbe vorzugehen.

Im Römer befürchtet man nun, dass das Urteil bereits in den kommenden Wochen eine Zunahme der Wohnungsprostitution zur Folge haben könnte. „Wer mit dem Gedanken spielt, ein entsprechendes Gewerbe zu betreiben, könnte sich nun ermuntert fühlen“, sagt Brandl.

http://www.fr-online.de/frankfurt/prost ... 16468.html
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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von fraences »

Prostitution ist auch fernab des Bahnhofs erlaubt

Bislang gestattete die Stadt Prostitution nur in ausgewiesenen Zonen. Damit ist nun Schluss. Ein Gericht stellte klar: das älteste Gewerbe muss auch abseits des Bahnhofsviertels Platz finden.

Hier weiter lesen:

http://www.welt.de/regionales/frankfurt ... laubt.html
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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von fraences »

Kampf gegen Prostitution
In Frankfurt laufen etwa 30 Verbotsverfahren gegen bordellähnliche Betriebe

Die Stadt ist vergangene Woche mit dem Verbot von "Chantal‘s Massagestudio", einem bordellähnlichen Betrieb in Bornheim, gescheitert. Wie diese Zeitung erfuhr, laufen derzeit etwa 30 Verfahren wegen ähnlicher Etablissements. Die Erfolgschancen der Stadt dürften aber gering sein.

Wer künftig eine "Geschichte der Frankfurter Prostitution" schreiben möchte, wird an "Chantal‘s Massagestudio" in Bornheim wohl nicht vorbeikommen. Das Ordnungsamt wollte den Bornheimer Betrieb, in dem drei Frauen erotische Dienstleistungen anbieten, per Verfügung untersagen. Doch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) gab dem Vermieter, der gegen das Verbot geklagt hatte, in zweiter Instanz Recht (wir berichteten).

Die Entscheidung erregte Aufsehen, weil es für das Verbot erotischer Massagestudios in ihrer Folge nicht mehr ausreichen dürfte, pauschal mit der Sperrgebietsverordnung zu argumentieren. Die Verordnung aus dem Jahr 1993 sieht vor, dass Prostitution in Frankfurt nur in eigens dafür ausgewiesenen Toleranzzonen stattfinden darf. Künftig wird das Ordnungsamt wohl individuell prüfen müssen, ob ein Etablissement außerhalb der Toleranzzonen "schädliche Auswirkungen auf die Nachbarschaft" hat. Ist der Betrieb "gebietsverträglich" – wie es die Richter im Fall von "Chantal‘s Massagestudio" sahen – wird er voraussichtlich bleiben dürfen.

Dutzende Betriebe

.
In Frankfurt gibt es Dutzende Betriebe wie "Chantal‘s Massagestudio". Obwohl zu deren erotischen Dienstleistungen nicht immer Geschlechtsverkehr gehört, gelten sie als bordellähnlich und werden der Wohnungsprostitution zugerechnet. Andrea Brandl, Sprecherin des Ordnungsdezernenten Markus Frank (CDU), sagte dieser Zeitung, dass derzeit etwa 30 Verfahren wegen Wohnungsprostitution anhängig sind.

Die städtischen Erfolgsaussichten dürften nach der VGH-Entscheidung gering sein. Frau Brandl betont trotzdem, dass Stadtrat Frank als CDU-Politiker alle Wege prüfen wird, Prostitution außerhalb der Toleranzzonen zu verhindern. Wie sich die Stadt genau positioniere, werde entschieden, wenn die schriftliche Begründung des VGH vorliege.



Das „Palace“ im Industriehof zählt zu den großen Bordellbetrieben abseits des Bahnhofsviertels.
Gegen die Wohnungsprostitution vorzugehen, war laut Ordnungsdezernat schon vor der VGH-Entscheidung schwierig. Am größten seien die Erfolgschancen vor Gericht gewesen, wenn der jeweilige Betrieb ein ganzes Gebäude nutzte; wenn er nur eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus beanspruchte, seien die Chancen dagegen so gering gewesen, dass man von Verfügungen abgesehen habe.

In der "Massagebranche" ist die VGH-Entscheidung natürlich begrüßt worden. "Jetzt haben wir endlich Rechtssicherheit, bislang hatte die Stadt ja alle Möglichkeiten der Willkür", sagt der Betreiber eines Studios in der Innenstadt. Seit Beginn der Wirtschaftskrise laufe das Geschäft eher schlecht, "weil die Banker keine Boni mehr bekommen", flachst der Unternehmer. Außerdem habe sich die Konkurrenzsituation wegen Neueröffnungen verschärft.

Der Verwaltungsrechtler Michael Karthal, der den Bornheimer Hausbesitzer vertritt, betont, dass nach dem VGH-Urteil "strenggenommen alles" geduldet werden müsste: "Auch Großbordelle in Wohngebieten, solange sie nicht mit roten Laternen für sich werben." Ralph Dittrich, Geschäftsführer des Saunaclubs "Palace" im Industriehof, fürchtet keine zusätzliche Konkurrenz: "Wir sind nach neun Jahren ein alteingesessener Betrieb." Sorgen macht sich dafür Dr. Seyed Shahram Iranbomy vom Stadtelternbeirat: "Ich fürchte sehr, dass Bordelle bald in der Nähe von Schulen eröffnen können wie Bäckereien."

http://www.fnp.de/fnp/region/lokales/fr ... 42.de.html
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Beitrag von *Stephanie* »

Sollte das Urteil tatsächlich den Tenor enthalten, wie die Presse es berichtet,
und sollte es rechtskräftig werden,
dann bröckelt die Sperrgebiets-VO und auch einige Tendenzen im Baurecht.
Laßt uns Kerzen aufstellen ...............
................. es kann ja nur besser werden.
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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von fraences »

PROSTITUTION DARMSTADT
Klärungsbedarf am Straßenstrich


Das Regierungspräsidium prüft, was ein Urteil zur Prostitution für Darmstadt bedeutet.

Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel stellt die Rechtmäßigkeit pauschaler Verbote von Prostitution in Frage. Das Regierungspräsidium Darmstadt (RP) prüft nun, ob das Urteil Auswirkungen auf die hiesige sogenannte Toleranzzone hat.

„Mit dem Urteil ist eine gewisse Rechtsunsicherheit geschaffen“, sagt der Darmstädter Fachanwalt für Verwaltungsrecht Tobias Timo Weitz. „Aufgrund des Urteils sind bestehende Sperrgebietsverordnungen letztlich wohl nicht mehr zulässig.“ Die Darmstädter Sperrgebietsverordnung wurde im Jahr 2000 vom RP erlassen und regelt nicht die Wohnungsprostitution, sondern legt die Toleranzzone in der Bismarckstraße und der Kirschenallee fest. Wegen Beschwerden von anliegenden Betrieben wie Evonik-Röhm hat die Stadt Darmstadt im Oktober eine Verlegung des Gebiets beantragt.

Verlegung der Toleranzzone?

Das RP hatte zu dieser Zeit bereits die Verhandlung in Kassel im Blick, sagt dessen Sprecher Dieter Ohl: „Wir haben den Änderungswunsch der Stadt zurückgestellt, weil wir auf das Urteil warteten.“ Auf der Grundlage des Richtspruchs berate man sich in den kommenden Wochen mit der Stadt.

Dass auch Darmstadt eine „Bordell-Welle“ bevorstehen könnte, bezweifelt die Stadt laut Pressesprecherin Sigrid Dreiseitel: Der Frankfurter Fall sei anders gelagert, da in der Darmstädter Sperrgebietsverordnung ausschließlich die Straßenprostitution geregelt sei: „Das heißt, über die Ansiedlung von entsprechendem Gewerbe entscheidet ganz normal die Bauaufsicht.“ Die erschwert es ohnehin, dass sich Gewerbe in reinen Wohngebieten ansiedelt.

Wenn es um den Jugendschutz geht – etwa wenn Anwohner ein Bordell nahe einer Schule vermuten – gehe man Hinweisen nach. Das passiere zwei oder drei Mal im Jahr. Und die Straßenprostitution? Können die Frauen jetzt einfach den Standort wechseln? Nein, sagt Dreiseitel: „In Sachen Toleranzzone hat das Urteil aus unserer Sicht keine direkten Auswirkungen.“ Freilich müssten nun Juristen klären, wie das Urteil genau zu interpretieren sei.

http://www.fr-online.de/darmstadt/prost ... 75446.html
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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von fraences »

Prostitution: Keine „zügellose Ausbreitung“

Nach Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs erwartet Stadt zunächst keine unmittelbaren Konsequenzen für Gießen

Das RP Gießen hält sich mit einer Einschätzung möglicher Konsequenzen noch zurück. Zunächst solle die vollständige Urteilsbegründung und die juristische Prüfung abgewartet werden. Vorher sei alles noch sehr spekulativ, erläutert RP-Sprecherin Ina Velte. Allerdings sehe es so aus, „als wäre eine verbindliche Festlegung von Sperrgebieten nicht mehr möglich“.

Sorgen, dass Wohngebiete künftig eventuell schwerer vor Prostitution zu schützen sein könnten, hat die Stadt Gießen trotzdem nicht. Allein mit Hilfe der baurechtlichen Vorschriften zur gewerblichen Nutzung privaten Wohnraums sei es bisher regelmäßig gelungen, die Ausdehnung selbst außerhalb des Sperrbezirks zu verhindern, so Boje. Um die Grenzen der Sperrgebietsverordnung zu ziehen, spielte wiederum die Lage „schutzwürdiger Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen oder Altenwohnheime“ eine wichtige Rolle. Grundsätzlich werde dabei nie pauschal gegen Wohnungsprostitution vorgegangen, sondern stets das gesamte Umfeld berücksichtigt. Die Einhaltung werde bei Verdachtsmomenten stichprobenartig durch das städtische Ordnungsamt oder die Polizei kontrolliert. „Gegenwärtig liegen wenige bis gar keine Beschwerden vor“, versichert die Magistratssprecherin. Die Bußgeldstelle des Landkreises hat aufgrund von Anzeigen des Polizeipräsidiums Mittelhessen seit 2009 lediglich 14 Bußgeldverfahren gegen Prostituierte eingeleitet, teilte Pressereferent Oliver Keßler mit.

Unabhängig von der Überwachung möglicher Verstöße gegen die Sperrgebietsverordnung wird besonders dann eingeschritten, wenn strafrechtlich relevante Tatbestände ersichtlich sind. „Das ist oft der Fall“, sagt Boje, verweist aber gleichzeitig darauf, dass sich hier die „gute Zusammenarbeit mit der Polizei bewährt“ habe. Bei den polizeilichen Kontrollen besteht das vorrangige Ziel laut Willi Schwarz darin, Menschenhandel, zwangsweise Prostitution und Zuhälterei aufzudecken, also einen „opferorientierten Ansatz“ zu verfolgen.

Infolge der EU-Osterweiterung seien dabei zunehmend weniger ausländerrechtliche Verstöße festzustellen. Zugleich werde es aber schwerer, mit den Frauen über „ihre Ausnutzung und ihre Opfereigenschaft ins Gespräch zu kommen“. Dennoch hätten die Ermittlungen in und um Gießen in den vergangenen Jahren vereinzelt auch zu gerichtlichen Verfahren geführt.

http://www.giessener-anzeiger.de/lokale ... 0736_1.htm
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Richter kippen Bordellverbot -Pressemitteilung des Gericht

Beitrag von Kasharius »


Hallo,

der volle Wortlaut der Entscheidung liegt noch nicht vor. Hier aber die offizielle Pressemitteilung des VGH Hessen:

Entscheidung zu Wohnungsprostitution in Frankfurt am Main: Hessischer Verwaltungsgerichtshof hebt Verbot auf
Kassel, den 31. Januar 2013
Nr. 1/2013

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom heutigen Tag eine Verfügung der Stadt Frankfurt am Main zur sog. Wohnungsprostitution aufgehoben.

Geklagt hatte der Eigentümer eines Hausgrundstücks, der die Räumlichkeiten eines Hinterhauses vermietet hatte. In diesen Räumen wurde von den Mieterinnen ein Massagestudio betrieben. Das Grundstück befindet sich in einem bauplanungsrechtlich als Mischgebiet ausgewiesenen Quartier, in dem auch ein erheblich größeres Betriebsgelände einer Entsorgungs- und Service GmbH liegt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein allgemeines Wohngebiet. In einer Entfernung von ca. 200 m von dem Hausgrundstück befinden sich zwei Kindertagesstätten und etwa 100 m entfernt eine Realschule. Auf einer Werbetafel im Bereich der Frankfurter Hauptwache sowie im Internet wurde für das Massagestudio geworben. Auf dem Grundstück selber befanden sich keine von außen sichtbaren Hinweise auf die Nutzungsart des Hinterhauses. Mit Verfügung vom 22. September 2011 wurde dem Kläger als Eigentümer und Vermieter unter Anordnung der inzwischen ausgesetzten sofortigen Vollziehung verboten, die Räumlichkeiten im Hinterhaus seiner Liegenschaft „als bordellartiger Betrieb zur Verfügung zu stellen“. Zur Begründung verwies die Stadt Frankfurt am Main auf die Bestimmungen des Hessischen Gesetzes über Sicherheit und Ordnung und der Verordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Frankfurt am Main (sog. Sperrgebietsverordnung) in der derzeit geltenden Fassung. Die in den vom Kläger angemieteten Räumlichkeiten tätigen Prostituierten verstießen durch ihr Verhalten gegen die öffentliche Sicherheit, da die Prostitutionsausübung in einem Massagesalon in diesem Bereich durch die Sperrgebietsverordnung untersagt sei. Der Kläger sei als Eigentümer und Vermieter und damit als sog. Handlungsstörer polizeirechtlich für die von der verbotenen Prostitutionsausübung ausgehende Gefahr verantwortlich.

Mit Urteil vom 3. Februar 2012 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen.
Die gegen dieses Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung des Klägers war erfolgreich. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil und die angefochtene Versagungsverfügung aufgehoben.

Zur Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die Sperrgebietsverordnung aus dem Jahr 1993 biete keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung des Massagesalons im Haus des Klägers. Diese Verordnung sei mit dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostitution (Prostitutionsgesetz) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom April 2009 insoweit nicht vereinbar, als es nicht mehr zulässig sei, die Ausübung der Prostitution außerhalb ausgewiesener Toleranzzonen ohne eine konkrete Bewertung daraus resultierender schädlicher Auswirkungen auf die Nachbarschaft, insbesondere auf dort lebende Jugendliche und Kinder pauschal als Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung einzustufen. Spätestens nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hätte daher für den Verordnungsgeber Veranlassung bestanden, die Einbeziehung des Quartiers in die nach der Sperrgebietsverordnung ausgewiesene Sperrzone unter dem Gesichtspunkt der Gebietsverträglichkeit von Wohnungsprostitution der hier angebotenen Form zu untersuchen. Für das Quartier, in dem sich das Hausgrundstück des Klägers befindet, hätte anhand einer solchen Untersuchung nach Auffassung des Senats eine Toleranzzone für Wohnungsprostitution in der dort aktuell betriebenen Weise ausgewiesen werden können und müssen, da insbesondere der Jugendschutz durch die im Haus des Klägers stattfindende Prostitutionsausübung nicht tangiert werde. Dies folge u. a. daraus, dass vor Ort keinerlei Hinweise auf den Betrieb eines Massagesalons vorhanden seien, so dass diese Art der gewerblichen Prostitutionsausübung von außen nicht zu erkennen sei.

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision ist die Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu entscheiden hätte.
Aktenzeichen 8 A 1245/12

Verantwortlich: Richter am Hess. VGH Harald Pabst
Telefon (0561) 1007-312 × Telefax (0561) 1007-264
E-Mail-Adresse: pressestelle@vgh-kassel.justiz.hessen.de


http://www.vgh-kassel.justiz.hessen.de/ ... wnav=false


Kasharius grüßt

:006

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Beitrag von Axl »

Na das heißt jetzt, dass die ganzen Sperrbezirke mehr oder weniger ungültig sind so lange von außen nichts darauf schließen lässt, dass im Inneren Prostitution stattfindet?

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annainga
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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von annainga »

Frankfurt geht gegen Urteil zu Prostitution vor

13.02.2013 · Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat das Verbot der Prostitution in Wohngegenden aufgehoben und eine Revision nicht zugelassen. Die Stadt Frankfurt will aber Beschwerde einlegen.

Die Stadt Frankfurt will keine allgemeine Wohnungsprostitution erlauben, sondern an der Sperrgebietsverordnung festhalten.

Die Stadt Frankfurt will gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) zur Prostitution in Wohngegenden vorgehen. „Wir werden alle rechtlichen Mittel ausschöpfen“, sagte die Sprecherin von Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) in Frankfurt.

Der VGH habe die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, die Stadt könne gegen diese Entscheidung aber Beschwerde einlegen, sagte ein VGH-Sprecher. Darüber werde dann das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden.

Streitfall „Massagesalon“

Der VGH hatte am 31. Januar einem Hauseigentümer in Bornheim recht gegeben, dem das Ordnungsamt verboten hatte, ein Nebengebäude an den Betreiber eines „Massagesalons“ zu vermieten. Dass dort Dienstleistungen angeboten werden, die den Titel des Unternehmens sehr frei interpretieren, war allen Beteiligten von Anfang an klar gewesen. Die Stadt stützte daher im Herbst 2011 das Verbot auf die sogenannte Sperrgebietsverordnung, die Bordelle oder ähnliche Etablissements nur in eng begrenzten Zonen zulässt - Bornheim-Mitte ist danach tabu.

http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/b ... 65264.html

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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von fraences »

Wohnungsprostitution bald freizügiger
Aktuelles Urteil lässt Sperrbezirke wackeln


Kassel. Ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Kassel (VGH) sorgt dafür, dass Wohnungsprostitution bald noch freizügiger möglich ist. Nach der richterlichen Entscheidung sind Sperrbezirksverordnungen keine ausreichende Grundlage, um jede Form der Prostitution in deren Grenzen zu untersagen.

Wohnungsprostitution: Viele Prostituierte bieten ihre Dienste in Mietwohnungen an.
Statt pauschaler Verbote müsse jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob schädliche Auswirkungen vor allem auf benachbarte Jugendliche und Kinder zu befürchten sind.

Zwar hatten die Richter bei ihrer Entscheidung über einen Fall von Wohnungsprostitution in Frankfurt zu entscheiden, die Begründung ihres Urteils hat aber allgemeinen Charakter.„Eine Kommune kann nicht mehr generell sagen, dass Prostitution in einem bestimmten Bereich gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstößt“, erläutert VGH-Sprecher Harald Pabst.

Auch wenn das Urteil eine Einzelfallentscheidung sei, ließen sich daraus mögliche Folgen für andere Kommunen ablesen. Es sei nun aber an den Stadtverwaltungen und Regierungspräsidien, ob sie ihre Sperrgebietsverordnungen anpassten.

Die Stadt Kassel und das Regierungspräsidium Kassel sehen vorerst keinen Handlungsbedarf, ihre gemeinsam verfasste Sperrbezirksverordnung aus dem Jahr 1983 anzupassen. „Wenn etwa jemand Wohnungsprostitution am Königsplatz anbieten will, werden wir uns mit dem Urteil des Gerichts auseinandersetzen“, sagt Stadtsprecher Ingo Happel-Emrich. Im Innenstadtbereich habe das Ordnungsamt noch keine Verstöße gegen den Sperrbezirk festgestellt.

Ohne konkreten Anlass würden die Verordnungen nicht verändert, sagt auch RP-Sprecher Michael Conrad. In Kassel beobachten Polizei und Ordnungsamt seit einigen Jahren eine Verlagerung: Während es auf dem legalen Straßenstrich ruhiger wird, verlagert sich das Rotlichtgewerbe in Mietwohnungen.

Bislang ist Prostitution im engeren Innenstadtbereich und im Umfeld des Hauptfriedhofs an der Holländischen Straße grundsätzlich verboten. In einem größeren Umkreis ist mit zwei Ausnahmen (Wolfhager Straße und Schillerstraße) Wohnungsprostitution erlaubt, Straßenprostitution aber nicht. Vom Einzelfall abhängig VGH-Sprecher Pabst erläutert, dass es wohl zukünftig immer im Einzelfall von der Frage abhängen werde, welche Art von Prostitution in welchem Umfeld zu tolerieren ist. Zwar blieben die Sperrbezirke wirksam, aber innerhalb ihrer Grenzen könne es eben Ausnahmen geben.

Hintergrund
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) begründete seine Entscheidung unter anderem mit dem 2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz. Mit diesem war das Gewerbe aus der Sittenwirdrigkeit herausgeholt und die Geschäfte mit Sex rechtlich abgesichert worden. Weitere rechtliche Grundlage ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem April 2009, nach der Prostitution nicht mehr generell als Störung des öffentlichen Anstands einzustufen ist. Insofern, so die VGH-Richter, sei es nicht mehr zulässig, Prostitution in bestimmten Bezirken pauschal als Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einzustufen.

Das sagt die Polizei
Jörg Kruse, Leiter des Kommissariats für Sittendelikte (K12) bei der Kasseler Polizei, bestätigt einen Trend zur Wohnungsprostitution. Die Straßenprostitution auf der Wolfhager Straße sei merklich zurückgegangen. Die Polizei kontrolliere regelmäßig, ob die Sperrbezirke eingehalten würden. In der Regel sei dies der Fall. Bei Milieukontrollen würden die so genannten Terminwohnungen inspiziert. Auch rund um Schulen und Kitas prüfe die Polizei, ob durch Wohnungsprostitution eine Gefahr für Kinder und Jugendliche ausgehe. „Offensichtliche Werbung in Fenstern wird unterbunden“, sagt Kruse. Auch ein leuchtendes Herz könne in diesem Kontext als „schädliche Außenwirkung“ gelten. Zu Recherchezwecken werte die Polizei die Anzeigen von Prostituierten in Zeitungen und im Internet aus. So könne die Polizei die Entwicklungen in der Szene verfolgen.

http://www.hna.de/lokales/kassel/urteil ... 49916.html
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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von Kasharius »

Das Urteil des Hessischen VGH vom 31.01.2013 liegt jetzt veröffentlicht vor. Hier ist sie:

Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof 8. Senat
Entscheidungsdatum: 31.01.2013
Aktenzeichen: 8 A 1245/12
Dokumenttyp: Urteil
Quelle:
Normen: § 6 BauNVO, Art 297 Abs 1 StGBEG, § 2 VO d. RP Darmstadt z. Schutz d. Jugend u.d. öffentl. Anstandes in Frankfurt a.M.
Kein Verbot öffentlich nicht wahrnehmbarer Wohnungsprostitution


Leitsatz
§ 2 der Verordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Frankfurt am Main ist bundesrechtskonform dahin auszulegen, dass die dort beschriebene Prostitutionsausübung, soweit es sich um sog. Wohnungsprostitution handelt, außerhalb der Toleranzzonen nur noch dann verboten ist, wenn sie nach außen in Erscheinung tritt und eine in dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April 2009 - 1 BvR 224/07 - definierte "milieubedingte Unruhe" befürchten lässt.

Verfahrensgang
vorgehend VG Frankfurt, 3. Februar 2012, Az: 5 K 4980/11.F, Urteil
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Februar 2012 – 5 K 4980/11.F – aufgehoben. Die Untersagungsverfügung der damaligen Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 22. September 2011 und ihr Widerspruchsbescheid vom 29. November 2011 werden aufgehoben.

Die Beklagte hat die in beiden Instanzen entstandenen Kosten zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Aufhebung einer Untersagungsverfügung der damaligen Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 22. September 2011 - 32.22.2 Wg -, mit der ihm unter Anordnung der inzwischen ausgesetzten sofortigen Vollziehung verboten worden ist, die Räumlichkeiten in seiner Liegenschaft A-Straße (Hinterhaus) in A-Stadt „als bordellartiger Betrieb zur Verfügung zu stellen“.

2
Im Zuge von Ermittlungen des Ordnungsamts der Beklagten wurde Anfang Januar 2011 festgestellt, dass in vom Kläger vermieteten, insgesamt 44,52 m² großen Räumen im Hinterhaus auf seinem Hausgrundstück A-Straße ein „XX-Massagestudio“ betrieben wurde, in dem gegen Entgelt sexuelle Handlungen mehrerer spärlich oder gar nicht bekleideter Frauen angeboten werden (sog. Handentspannung, auch den Genitalbereich erfassende Ganzkörpermassagen). Für diese Zwecke standen in dem freistehenden Hinterhaus drei – jeweils mit Bett, Nachttisch und Schrank ausgestattete – Zimmer zur Verfügung, außerdem befanden sich im Haus sanitäre Einrichtungen und eine Kochnische. Auf dem Hausgrundstück des Klägers, das sich etwa 200 Meter von zwei Kindertagesstätten und etwa 100 Meter von einer Realschule entfernt in einem bauplanungsrechtlich als Mischgebiet ausgewiesenen Quartier befindet, in dem auch ein erheblich größeres Betriebsgelände der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH sowie ein Müllheizkraftwerk einer anderen Eigengesellschaft der Beklagten liegen, fanden sich keine von außen sichtbaren Hinweise auf die Nutzungsart des Hinterhauses. Auf der gegenüberliegenden Seite der Weidenbornstraße grenzt ein als allgemeines Wohngebiet ausgewiesenes Quartier an, in dem sich auch die erwähnte Realschule befindet.

3
Recherchen des Ordnungsamts ergaben, dass für das „Chantal-Massagestudio“ unter Angabe von Lage und Kontaktdaten auf mindestens einer Werbetafel im Bereich der Frankfurter Hauptwache und im Internet auf der Homepage „www.xx-massage-studio.de“ und in dem Portal „www.xx.de“ geworben wurde. Dabei wurden im Internet neben Bildern und Vornamen auch Körpermaße der im Studio tätigen Frauen veröffentlicht, Einzelheiten der angebotenen Massagepraktiken unter Angabe zeitlich gestaffelter Festpreise mitgeteilt und bestimmte Dienste ausgeschlossen („Kein GV und kein franz.“).

4
Die angegriffene, auf § 11 HSOG und auf § 1 Abs. 2 der Verordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in A-Stadt (Sperrgebietsverordnung) „vom 23.12.1986, in ihrer derzeit gültigen Fassung" gestützte Untersagungsverfügung wurde im wesentlichen auf die Feststellung gestützt, die in den vom Kläger angemieteten Räumlichkeiten tätigen Prostituierten verstießen durch ihr Verhalten gegen die öffentliche Sicherheit, da die Prostitutionsausübung in einem Massagesalon in diesem Bereich durch die Sperrgebietsverordnung untersagt sei und jeder Verstoß gegen eine Rechtsnorm zugleich eine konkrete Gefahr im Sinne einer bereits eingetretenen und fortwirkenden Störung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 11 HSOG darstelle. Der Kläger sei als Handlungsstörer zu betrachten und als solcher nach § 6 Abs. 1 HSOG polizeirechtlich verantwortlich für die von der verbotenen Prostitutionsausübung ausgehende Gefahr. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Bescheid vom 22. September 2011 Bezug genommen.

5
Den mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 12. Oktober 2011 am folgenden Tage eingelegten Widerspruch gegen diese Untersagungsverfügung hat der Kläger unter Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung, insbesondere den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 2009 – 1 BvR 224/07 –, im wesentlichen mit der Auffassung begründet, nach dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes im Jahre 2002 könne unter Berücksichtigung der gewandelten gesellschaftlichen Ansichten die bloße Prostitutionsausübung außerhalb einer in der Sperrgebietsverordnung ausgewiesenen Toleranzzone nicht mehr ohne Weiteres als Störung der öffentlichen Sicherheit angesehen werden. Vielmehr müsse im Einzelfall geprüft werden, ob die konkreten Umstände der Prostitutionsausübung den erforderlichen Jugendschutz beeinträchtigten, was bei dem vom Kläger vermieteten Objekt nicht der Fall sei. Denn der Betrieb trete nicht nach außen in Erscheinung und werde lediglich von Kunden aufgesucht, die größten Wert auf Diskretion legten. Die Umgebung und Umgebungsbebauung sei nicht durch Einrichtungen für Jugendliche geprägt, die Lage der Räume im hinteren Teil des Grundstücks schließe eine wie auch immer geartete Kontaktaufnahme mit Jugendlichen aus. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Widerspruchsbegründung der Bevollmächtigten des Klägers vom 1. November 2011 (Kopie Bl.14 ff. GA) verwiesen.

6
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2012 hat die Oberbürgermeisterin der Beklagten den Rechtsbehelf zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die in dem Hinterhaus des Klägers ausgeübte Prostitution verstoße gegen die Sperrgebietsverordnung und sei deshalb als Störung der öffentlichen Sicherheit anzusehen. Selbst wenn man für eine Untersagung der Prostitutionsausübung an dieser Stelle darüber hinaus noch eine Beeinträchtigung des Jugendschutzes verlangen wolle, sei diese Voraussetzung jedenfalls dadurch erfüllt, dass die Kinder und Jugendlichen, die die in der Gegend befindlichen Kindertagesstätten und die nahe gelegene Realschule besuchten, aufgrund der im Internet und auf zumindest einer Werbetafel im Stadtgebiet verbreiteten Werbung für das Massagestudio durchaus von dessen Existenz Kenntnis nehmen könnten.

7
Seine am 23. Dezember 2011 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main erhobene Klage gegen diese Bescheide hat der Kläger unter Vertiefung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren mit der Auffassung begründet, aus den eigenen Ermittlungen der Beklagten ergebe sich, dass der beanstandete Betrieb vollkommen unauffällig in einem kleinen Gebäude aufgenommen worden sei. Die dort ausgeübte prostitutive Tätigkeit beschränke sich auf die so genannte Wohnungsprostitution und bewege sich am unteren Ende einer großen Palette des einschlägigen Angebots. In den Räumen seien höchstens drei Prostituierte gleichzeitig tätig. Die Lage des Objekts im hinteren Grundstücksteil schließe eine zufällige Begegnung mit Jugendlichen aus. Das Gebäude stelle sich von außen als Wohnhaus war. Auf die seitens der Beklagten beanstandeten Werbemaßnahmen komme es nicht an, weil sie unabhängig von der Lage des Betriebs innerhalb oder außerhalb einer Toleranzzone allgemein zulässig seien.

8
Mit Urteil vom 3. Februar 2012 – 5 K 4980/11.F – hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die angefochtene Untersagungsverfügung beruhe auf einer nach wie vor gültigen Ermächtigungsgrundlage in Art. 297 EGStGB. Der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei zu entnehmen, dass auch das Prostitutionsgesetz daran nichts geändert habe. Darüber hinaus habe die Beklagte im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, dass sich in der Nähe der Liegenschaft des Klägers zwei Kindertagesstätten und eine Realschule befinden. Durch einen Prostitutionsbetrieb werde in das durch Bebauungsplan als Mischgebiet ausgewiesene und auch tatsächliche so genutzte Stadtviertel Unruhe hineingetragen. Wegen weiterer Einzelheiten der Urteilsbegründung und des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

9
Seine mit Beschluss des Senats vom 4. Juni 2012 - 8 A 499/12.Z - wegen besonderer Schwierigkeiten rechtlicher Art und grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung gegen dieses Urteil hat der Kläger mit einem am 11. Juni 2002 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. Juni 2012 mit einer Bezugnahme auf die Begründung seines Zulassungsantrags begründet.

10
Er beantragt,

11
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Februar 2012 – 5 K 4980/11.F – die Untersagungsverfügung der Beklagten vom 22. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2011 aufzuheben.

12
Die Beklagte beantragt,

13
die Berufung zurückzuweisen.

14
Sie regt an, das Regierungspräsidium Darmstadt als Verordnungsgeber der Sperrgebietsverordnung förmlich am vorliegenden Verfahren zu beteiligen und vertieft ihre Ausführungen in der angefochtenen Untersagungsverfügung und im Widerspruchsbescheid. Sie weist darauf hin, dass der Gesetzgeber sich im Zuge der Beratungen zum Prostitutionsgesetz ausdrücklich dafür entschieden habe, Art. 297 EGStGB in seiner damaligen Fassung beizubehalten. Zwar werde ein Normverständnis dieser Vorschrift, wonach jede Ausübung der Prostitution zugleich den öffentlichen Anstand verletzte, dieser Rechtsnorm offensichtlich nicht gerecht, weil sonst jegliche den Verordnungsgeber lenkende und seine Entscheidungsbefugnis eingrenzende Wirkung verloren ginge. Der Schutz des öffentlichen Anstandes bezwecke nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht die Wahrung der allgemeinen Sittlichkeit. Die Legalisierung der Prostitutionsausübung im zivil- und sozialversicherungsrechtlichen Bereich und die Einschränkung der Strafbarkeit der Prostitution schlössen es aber ebenso wenig wie der Wegfall des Vorwurfs der Sittenwidrigkeit aus, dass die Prostitutionsausübung in bestimmten Erscheinungsformen mit damit einhergehenden sozialtypischen Begleiterscheinungen namentlich mit Blick auf sensible Gemeindegebiete - in einem veräußerlichten Verständnis der Sozialverträglichkeit - gegen den öffentlichen Anstand verstoßen könne. Deswegen sei die Festsetzung von Sperrbezirken für die Prostitutionsausübung in Einklang mit den tangierten Grundrechten der Betroffenen nach wie vor zulässig. Räumliche Ausübungsverbote für die Prostitution seien ein geeignetes und erforderliches Mittel zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands. Dies gelte auch für die sog. Wohnungsprostitution.

15
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 10. (bzw. 11.) und 30. Juli 2012 und die Erwiderung im Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 31. August 2012 sowie auf die von beiden Beteiligten im Berufungsverfahren vorgelegten Pläne, Luftaufnahmen und weiteren Unterlagen Bezug genommen.

16
Dem Senat liegen die die streitige Untersagungsverfügung betreffenden Behördenakten der Beklagten (ein Ordner) vor. Sie sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe
17
Der Anregung der Beklagten, das Regierungspräsidium Darmstadt als Normgeber der Sperrgebietsverordnung förmlich am vorliegenden Verfahren zu beteiligen, hat der Senat nicht entsprochen. Denn anders als bei der abstrakten (sog. prinzipalen) Normenkontrolle (vgl. §§ 47 Abs. 2 S. 3 und 4 VwGO, 77, 82 Abs. 1, 2 und 4 BVerfGG, 43 Abs. 4 StGHG) ist bei der hier durchzuführenden inzidenten Normenkontrolle keine förmliche Beteiligung Dritter, auch nicht von Organen, Behörden oder Gerichten der juristischen Person, der die normgebende Institution angehört, vorgesehen. Da der Senat im vorliegenden Berufungsverfahren bezüglich der Sperrgebietsverordnung als Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Verwaltungsakt - anders als in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO - keine Verwerfungskompetenz hat, die Rechtsnorm also nicht mit Allgemeinverbindlichkeit für unwirksam erklären, sondern allenfalls im Einzelfall verfassungs- oder bundesrechtskonform auslegen kann, sind die Interessen des Landes Hessen bzw. des Regierungspräsidiums als erlassender Behörde nicht derart intensiv berührt, dass eine notwendige oder auch nur einfache Beiladung des Landes in Betracht zu ziehen wäre (vgl. § 65 Abs. 1 und 2 VwGO). Denn die inzidente, auf den jeweiligen Anwendungsfall bezogene Kontrolle einer anzuwendenden Rechtsnorm betrifft den Normgeber nur reflexartig und hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf den formellen Bestand der überprüften Rechtsnorm.

18
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht begründet worden (§ 124a Abs. 3 S. 3 bis 5, Abs. 6 VwGO).

19
Dass sich die innerhalb der Begründungsfrist mitgeteilten Berufungsgründe in einer Bezugnahme auf die Begründung des Zulassungsantrags erschöpfen, ist hier unschädlich. Zwar kann die Begründung eines Zulassungsantrags eine (gänzlich fehlende) Berufungsbegründung nicht ersetzen; enthält sie jedoch – wie hier – alle wesentlichen Beanstandungen der angefochtenen Entscheidung und genügt sie damit selbst den Anforderungen an eine Berufungsbegründung, kann es mit einer schriftlichen Bezugnahme auf die Begründung des Zulassungsantrags innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 124a Abs. 3 S. 4, Abs. 6 S. 3 VwGO sein Bewenden haben (Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. Rn. 43 zu § 124a m.w.N.).

20
Die Berufung ist auch begründet. Denn die angefochtene Untersagungsverfügung ist ohne hinreichende Ermächtigungsgrundlage ergangen; sie ist deshalb rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, so dass sie und der sie bestätigende Widerspruchsbescheid antragsgemäß aufzuheben sind (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

21
Die angegriffene Untersagungsverfügung beruht auf der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten - Prostitutionsgesetz - vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) erlassenen Verordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt zum Schutze der Jugend und des öffentlichen Anstandes in Frankfurt - Sperrgebietsverordnung - vom 23. Dezember 1986 (StAnz. 1987 S.100)/27. Februar 1991 (StAnz. S.S. 743) zuletzt geändert durch Verordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 21. Januar 1993 (StAnz. S. 404). Die Sperrgebietsverordnung enthält in § 1 ein allgemeines Prostitutionsverbot für bestimmte Frankfurter Stadtgebiete mit in den §§ 3 und 4 geregelten Ausnahmen (sog. Toleranzzonen). Für das übrige Stadtgebiet, in dem das hier betroffene Grundstück des Klägers liegt, trifft § 2 Sperrgebietsverordnung folgende Regelung:

22
In dem übrigen Stadtgebiet ist es mit Ausnahme der in den Abs. 3 und 4 bezeichneten Gebiete verboten, auf öffentlichen Straßen, Wegen, Plätzen, in öffentlichen Anlagen und an sonstigen Orten, die von dort aus eingesehen werden können, sowie in Prostituiertenwohnheimen, Prostituiertenunterkünften und ähnlichen Einrichtungen (unter anderem in sogenannten Massagesalons und sonstigen überwiegend von Prostituierten genutzten Häusern) der Prostitution nachzugehen.

23
Die bundesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Sperrgebietsverordnungen in Art. 297 Abs. 1 EGStGB hat folgenden Wortlaut:

24
Die Landesregierung [bzw. hier das von ihr aufgrund Art. 297 Abs. 2 EGStGB dazu ermächtigte Regierungspräsidium] kann zum Schutze der Jugend oder des öffentlichen Anstandes

25
1. für das ganze Gebiet einer Gemeinde bis zu fünfzigtausend Einwohnern,

26
2. für Teile des Gebiets einer Gemeinde über zwanzigtausend Einwohner oder eines gemeindefreien Gebiets,

27
3. unabhängig von der Zahl der Einwohner für öffentliche Straßen, Wege, Plätze, Anlagen und für sonstige Orte, die von dort aus eingesehen werden können, im ganzen Gebiet oder in Teilen des Gebiets einer Gemeinde oder eines gemeindefreien Gebiets

28
durch Rechtsverordnung verbieten, der Prostitution nachzugehen. Sie kann das Verbot nach S. 1 Nr. 3 auch auf bestimmte Tageszeiten beschränken.

29
Die weitgehende Legalisierung der Prostitution durch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz hat allerdings eine Beschränkung der Ermächtigungsreichweite bei der Anwendung dieser Vorschrift zur Folge, die im vorliegenden Fall entscheidungsrelevant ist. Zwar macht das Prostitutionsgesetz, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem im Zulassungsantrag zitierten Kammerbeschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 - (EuGRZ 2009, 265 = NVwZ 2009, 905 = juris Rn. 11; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20. November 2003 – 4 C 6.02 –, NVwZ 2004, 743 = juris Rn. 9 m.w.N.) festgestellt hat, die weiterhin gültige Verordnungsermächtigung in Art. 297 Abs. 1 S.1 Nr. 2 EGStGB nicht obsolet; dieses Gesetz und der darin manifestierte Wandel der gesellschaftlichen Akzeptanz der Prostitution verbieten es jedoch, bei der Anwendung dieser Bestimmung allein ihre Ausübung außerhalb ausgewiesener Toleranzzonen ohne konkrete Bewertung daraus resultierender schädlicher Auswirkungen auf die Nachbarschaft, insbesondere auf dort lebende Jugendliche und Kinder als Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung einzustufen (BVerf., a.a.O.):

30
„Wie bereits das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist der im Rahmen der Beratungen zum Prostitutionsgesetz gemachte Vorschlag, Art. 297 EGStGB ersatzlos zu streichen (vgl. Gesetzentwurf der PDS-Fraktion, BT-Drucks 14/4456, S. 3), nicht Gesetz geworden. Die Bundesregierung - und ihr folgend auch der Bundestag und der Bundesrat - haben auch im Folgenden bewusst davon abgesehen, eine Vorlage zur Aufhebung von Art. 297 EGStGB einzubringen (vgl. BT-Drucks 16/4146, S. 41 f.). Der Gesetzgeber hat sich mit dem Prostitutionsgesetz darauf beschränkt, zum einen die Rechtswirksamkeit des Anspruchs der Prostituierten auf das vereinbarte Entgelt ( § 1 ProstG), die fehlende Abtretbarkeit des Anspruchs und den weitgehenden Ausschluss von Einwendungen gegen diesen ( § 2 ProstG) und den Zugang zur Sozialversicherung trotz des nur eingeschränkten Weisungsrechts gegenüber abhängig beschäftigten Prostituierten ( § 3 ProstG) zu regeln sowie zum anderen die Strafbarkeit der Förderung der Prostitution und der Zuhälterei einzuschränken (Art. 2 ProstG). Dabei hat er zwar keine ausdrückliche gesetzliche Regelung dahin gehend getroffen, dass das Ausüben der Prostitution nicht sittenwidrig sei. Er ging ausweislich der Gesetzesbegründung jedoch davon aus, dass die Vereinbarung über ein Entgelt für sexuelle Leistungen und auch die Tätigkeit selbst nicht gegen die guten Sitten verstoßen (vgl. BT-Drucks 14/5958, S. 4, 6). Auch die Rechtsprechung nimmt mittlerweile an, dass die Prostitution nicht mehr als sittenwidrig angesehen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2002 - 6 C 16/02 -, NVwZ 2003, S. 603 <604>; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Dezember 2008, 1 S 2256/07 -, ESVGH 59, 243 [juris] Rn. 59 m.w.N.).“

31
Dieses geänderte Normverständnis hat die Auswirkung, dass eine öffentlich nicht wahrnehmbare Prostitutionsausübung, wie sie hier vorliegt, nicht mehr durch den Vollzug einer Sperrgebietsverordnung unterbunden werden kann, die keine konkrete Belästigung der Öffentlichkeit durch Begleiterscheinungen der Prostitution voraussetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt (a.a.O., juris Rn. 16):

32
„Ein Normverständnis von Art. 297 EGStGB, wonach jede Ausübung der Prostitution zugleich den öffentlichen Anstand verletzte, würde der Vorschrift offensichtlich nicht gerecht. Ansonsten würde diese Tatbestandsvoraussetzung für den Erlass einer Sperrbezirksverordnung jegliche den Verordnungsgeber lenkende und seine Entscheidungsbefugnis eingrenzende Wirkung verlieren. Mit dem Schutz des öffentlichen Anstandes wird nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht die Wahrung der allgemeinen Sittlichkeit bezweckt. Verstanden als Norm, die allein der Durchsetzung von herrschenden Moralvorstellungen dient, wäre die Vorschrift in der Tat verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Die Fachgerichte verstehen demgegenüber Art. 297 EGStGB in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als eine Norm auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr mit der Zielsetzung, das Zusammenleben der Menschen zu ordnen, soweit ihr Verhalten sozialrelevant sei, nach außen in Erscheinung trete und das Allgemeinwohl beeinträchtigen könne. Handlungen und Zustände, die eine enge Beziehung zum Geschlechtsleben haben, könnten Belange des Allgemeinwohls insbesondere dann beeinträchtigen, wenn durch einen Öffentlichkeitsbezug andere Personen, die hiervon unbehelligt bleiben wollten, erheblich belästigt würden; dies gelte insbesondere für die Begleitumstände der Prostitution, die Dritte in schutzwürdigen Interessen berührten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Dezember 2008 - 1 S 2256/07 -, juris, Rn. 61). Insoweit findet die Auffassung des Beschwerdeführers, der Schutz des öffentlichen Anstandes gründe auf Moralvorstellungen, keinen Beleg in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. Vielmehr haben diese - auch schon vor Erlass des Prostitutionsgesetzes - den unbestimmten Rechtsbegriff des öffentlichen Anstandes dahingehend konkretisiert, dass der Erlass einer Sperrbezirksverordnung zum Schutze des öffentlichen Anstandes gerechtfertigt sein kann, wenn die Eigenart des betroffenen Gebietes durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen gekennzeichnet ist (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 19. Februar 1990 - 11 N 2596/87 -, NVwZ-RR 1990, S. 472; Urteil vom 31. Oktober 2003 - 11 N 2952/00 -, NVwZ-RR 2004, S. 470 <471>; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 11 KN 4073/01 -, juris, Rn. 45 ff.) und wenn eine nach außen in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution typischerweise damit verbundene Belästigungen Unbeteiligter und ‚milieubedingte Unruhe‘, wie zum Beispiel das Werben von Freiern und anstößiges Verhalten gegenüber Passantinnen und Anwohnerinnen, befürchten lässt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. August 1978 - I 2576/77 -, DÖV 1978, S. 848 <850>; Urteil vom 15. Dezember 2008, a.a.O. Rn. 72 m.w.N.; Hessischer VGH, Beschluss vom 19. Februar 1990, a.a.O., S. 472).“

33
Im Lichte dieser Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ist § 2 2. Hs. Sperrgebietsverordnung bundesrechtskonform dahin auszulegen, dass die dort beschriebene Prostitutionsausübung außerhalb der Toleranzzonen nur noch dann verboten ist, wenn sie nach außen in Erscheinung tritt und eine in dem zitierten Kammerbeschluss definierte „milieubedingte Unruhe“ befürchten lässt. Beides ist in dem hier zu entscheidenden Einzelfall offensichtlich nicht gegeben.

34
Dass bei Erlass der Sperrgebietsverordnung oder seither vom Verordnungsgeber das bauplanungsrechtlich als Mischgebiet ausgewiesene Quartier, in dem sich das Hausgrundstück des Klägers befindet, auf seine Empfindlichkeit für derartige „milieubedingte Unruhe“ überprüft worden ist, ist weder von der Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich. Da in Mischgebieten neben Wohn-, Geschäfts- und Bürogebäuden (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BauNVO) bauplanungsrechtlich auch „sonstige Gewerbebetriebe“ und sogar „Vergnügungsstätten … in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind“, ausnahmsweise auch außerhalb dieses Teilgebiets zulässig sind (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 und 8, Abs. 3 BauNVO), hätte für den Verordnungsgeber spätestens nach der o.a. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Veranlassung bestanden, das Quartier auf die Gebietsverträglichkeit von Wohnungsprostitution und seine weitere Einbeziehung in die Sperrzone für derartige Formen gewerblich angebotener Sexualpraktiken zu untersuchen.

35
Eine solche Überprüfung hätte nach Auffassung des Senats zwangsläufig ergeben, dass zumindest der Teil des Quartiers, in dem sich das Hausgrundstück des Klägers befindet, als Toleranzzone für Wohnungsprostitution in der jetzt dort betriebenen Weise hätte ausgewiesen werden können und müssen. Denn wie der Kläger zu Recht hat vortragen lassen, liegt keinerlei Anhaltspunkt dafür vor, dass die Wohnungsprostitution in den Räumen seines der Straße abgewandten Hinterhauses ohne jeden Hinweis auf die konkrete Nutzung des Gebäudes und mit – wegen der beschränkten Zahl der dort tätigen Prostituierten – geringem Publikumsverkehr zu Konflikten mit der Umgebung führen könnte, die als Störung des öffentlichen Anstands im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angesehen werden könnten. Auch der Jugendschutz wird durch die untersagte Wohnungsprostitution an dieser Stelle nicht tangiert, denn sie ist vom öffentlichen Straßenraum aus nicht wahrnehmbar und entfaltet auch - von der ortsfernen Werbung im Internet und auf einer Werbetafel im Stadtgebiet abgesehen - keinerlei Außenwirkung. Die beiden Kindertagesstätten und die Realschule sind vom Grundstück des Klägers so weit entfernt, dass die von außen wahrnehmbaren Begleiterscheinungen der Prostitutionsausübung - An- und Abfahrt von Kunden - den dort betreuten Kindern und Jugendlichen auf ihren Wegen von und zu den besuchten Einrichtungen allenfalls als solche auffallen könnten, wenn sie von der Nutzungsart des Hinterhauses des Klägers anderweitig informiert werden, etwa durch die besagten Werbemaßnahmen des Massagesalons. Abgesehen davon, dass jedenfalls die in den Kindertagesstätten betreuten Kinder von dieser Werbung kaum erreicht werden dürften, verfolgt der Gesetzgeber mit der Ermächtigung in Art. 297 EGStGB gar nicht den Zweck, Jugendliche vor jeder Kenntnisnahme von dem Phänomen der Prostitution zu bewahren, was bei realistischer Betrachtungsweise in Bezug auf die in erster Linie für eine zufällige Kenntnisnahme von der Prostitutionsausübung im „C.-Massagestudio“ in Betracht kommenden Realschülerinnen und Realschüler auch gar nicht möglich wäre. Der VGH Baden-Württemberg hat dazu in einem ähnlich gelagerten Fall mit Urteil vom 15. Dezember 2008 – 1 S 2256/07 – (juris Rn. 80) überzeugend Folgendes ausgeführt:

36
„Wegen seiner Randlage kann das Areal der ‚H.’schen Mühle‘ ohne Gefährdung der Schutzgüter des Art. 297 EGStGB zum Zwecke der Prostitution genutzt werden. Denn eine belästigende Außenwirkung, die mit der Verordnung abgewehrt werden soll, ist dort jedenfalls dann nicht zu befürchten, wenn dieser - wie allerdings geboten – im Rahmen des Genehmigungsverfahrens durch bauliche Maßnahmen – und somit auf objektive, nicht vom jeweiligen ‚Betriebskonzept‘ abhängige Weise – wirksam begegnet wird. So kann mit der Wiederherstellung der früheren wegemäßigen Erschließung des Mühlenareals durch den Neubau einer Brücke eine weitgehende Abschottung des Gebiets erreicht werden. Zu diesem Schluss ist im Übrigen auch der Petitionsausschuss des Landtags gelangt, der sich aufgrund der Petition einer Bürgerinitiative gegen die Errichtung eines Bordells mit der Örtlichkeit vertraut gemacht und festgestellt hat, dass eine Beeinträchtigung der Bewohner durch das Vorhaben der Antragsteller nahezu ausgeschlossen sei (LT-Drs. 13/5035 S. 9 <12>). Zudem lässt sich ein tragfähiger Unterschied zum dem als Toleranzzone ausgewiesenem Gewerbegebiet „S.“ nicht erkennen. Dieses Gebiet ist durch die Straßenführung ebenfalls abgeschieden. Soweit dort durch die benachbarte Bebauung ein gewisser Kontakt zu dem durch die Verordnung geschützten Personenkreis besteht, ist dieser dem der ‚H.‘schen Mühle‘ vergleichbar. Das Gewerbegebiet ‚S.‘ liegt in der Nähe eines Sportplatzes, während nicht weit von der ‚H.‘schen Mühle‘ sich Wohnnutzung befindet. Schließlich dringt der Hinweis auf den Schutz der Jugend nicht durch. Es ist nicht ersichtlich, dass Kinder und Jugendliche, die die B. Talstraße als Schulweg benutzen, durch ein auf dem anderen Ufer der W. gelegenes Bordell in einer für den Schutzzweck des Art. 297 EGStGB relevanten Weise mit der Prostitution konfrontiert werden können. Allein das Wissen um eine entsprechende Nutzung eines als solchen nicht zu übersehenden Gebäudekomplexes reicht nicht aus.“

37
Dass die in erster Linie „gefährdeten“ Schülerinnen und Schüler der nahe gelegenen L.-Realschule bei Kenntnisnahme von der Werbung für das „C.-Massagestudio“ seelischen Schaden nehmen könnten, ist auszuschließen, da Kinder und Jugendliche in dieser Altersgruppe – zumal in einer Großstadt wie Frankfurt – jederzeit durch allgemein zugängliche Quellen und geradezu zwangsläufig mit Prostitution konfrontiert werden und sich im Zuge ihres Reifeprozesses mit diesem mittlerweise gesellschaftlich als unvermeidlich akzeptierten Phänomen auch auseinandersetzen sollten.

38
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Beklagte als letztlich unterliegende Beteiligte zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

39
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe vorliegt (§ 132 Abs. 2 VwGO). Insbesondere hat die Rechtssache revisionsrechtlich keine grundsätzliche Bedeutung, weil die mit der bundesrechtlichen Verordnungsermächtigung in Art 297 EGStGB verbundenen Rechtsfragen durch die zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind.

40
Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit dieses Urteils und die Abwendungsbefugnis des Klägers beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 9, 711 ZPO.

http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de ... &case=save

Kasharius wünscht gute Nacht :006

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annainga
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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von annainga »

wunderbar. ist wirklich toll, es schwarz auf weiß zu haben. und dank der hervorhebungen einigermaßen lesbar gemacht.

der satz " ... gesellschaftlich als unvermeidlich akzeptierten Phänomen" für sexarbeit gefällt mir zwar nicht, aber ansonsten ist das urteil klasse und ein schritt vorwärts gegen die unfairen sperrgebietsregelungen.

ich freue mich sehr darüber.

lieben gruß, annainga

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RE: Richter kippen Bordellverbot

Beitrag von fraences »

VGH Kassel: Prostitution keine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung

Das Verbot der Wohnungsprostitution kann, so der VGH Kassel, nicht mehr allein auf ihre Sittenwidrigkeit gestützt werden. Soweit Sperrgebietsverordnungen die Wohnungsprostitution aus diesem Grund verbieten, können sie nicht als Rechtsgrundlage hierfür herangezogen werden (VGH Kassel, Urteil vom 31.01.2013, Az. 8 A 1245/12).

Der Trend ist unübersehbar: Während die Straßenprostitution zurückgeht, sucht sich das älteste Gewerbe der Welt neue Handlungsfelder. Moderne Kommunikationstechniken ermöglichen es, virtuell Kontakte zu knüpfen. Dies äußert sich in zunehmender Wohnungsprostitution.

Der Fall

Der Eigentümer eines Hausgrundstücks in Frankfurt am Main vermietete Räume eines Hinterhauses an Damen eines bordellartigen Massagesalons. Die Stadtverwaltung untersagte das Vermieten der Räume zur Prostitution auf der Grundlage einer Sperrgebietsverordnung. Die Verordnung enthält ein Verbot der Wohnungsprostitution, weil diese gegen die öffentliche Sicherheit verstoßen würde.

In der unmittelbaren Nähe des Grundstücks gibt es keine von außen sichtbaren Hinweise auf die Nutzungsart des Hinterhauses. Ein allgemeines Wohngebiet befindet sich gegenüber dem Grundstück. Zwei Kindertagesstätten liegen ca. 200 Meter von ihm entfernt und eine Realschule rund 100 Meter entfernt.

Das Urteil

Die Richter der dOCUMENTA-Stadt hatten zu prüfen, ob die Wohnungsprostitution pauschal als Störung der öffentlichen Sicherheit eingestuft werden kann:

Die Sperrgebietsverordnung ist mit dem am 01.01.2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz (ProstG) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG vom April 2009 (NVwZ 2009, 905) nicht vereinbar.


Es nicht mehr zulässig, die Ausübung der Prostitution außerhalb ausgewiesener Toleranzzonen ohne eine konkrete Bewertung daraus resultierender schädlicher Auswirkungen auf die Nachbarschaft, insbesondere auf dort lebende Jugendliche und Kinder, pauschal als Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung einzustufen.


Die Entscheidung des BVerfG hätte den Verordnungsgeber (in Hessen die Gemeinde- bzw. Stadtparlamente) veranlassen müssen, die Sperrgebietsverordnung daraufhin zu prüfen, ob das Verbot der Prostitution in den nach der Verordnung ausgewiesenen Sperrzonen unter dem Gesichtspunkt der Gebietsverträglichkeit noch angebracht ist.

Für das fragliche Quartier hätte eine Toleranzzone für Wohnungsprostitution in der dort aktuell betriebenen Weise ausgewiesen werden können und müssen, da insbesondere der Jugendschutz durch die Prostitution nicht berührt wird. Denn vor Ort seien keinerlei Hinweise auf den Betrieb eines Massagesalons vorhanden. Die Prostitutionsausübung war daher von außen nicht zu erkennen.
Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

Ergebnis

Nach Ansicht des VGH ist die Sperrgebietsverordnung keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für das Untersagen der Wohnungsprostitution. Die Verordnung ist nicht mit dem ProstG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG vereinbar.


Praktische Auswirkungen


Auch wenn Gerichtsurteile nur für den Einzelfall gelten, werden Anwälte in vergleichbaren Fällen das Urteil des VGH Kassel in ihre Argumentation einbeziehen. Beugen Sie vor und prüfen Sie etwaige Sperrgebietsverordnungen nach den vom Gericht herangezogenen Kriterien. Dies wird ein schwieriger Prozess. Moralische Argumente sind dabei aber nicht mehr bestimmend, denn diese Wertung hat das ProstG bereits getroffen. Es ist nun die Aufgabe der Verwaltung, diese Wertung in das Ortsrecht umzusetzen.

http://www.weka.de/kommunalverwaltung/6 ... &va=509381
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Fakten und Infos über Prostitution