Zur Situation der Callboys in der deutschen Hauptstadt
und die Partnerprojekte Querstrich und Subway in Berlin:
Arm aber sexy
Immer mehr Schwule verkaufen sich, um ihre Miete und ihre Träume bezahlen zu können
Text: Martin Reichert - Fotos: Ralf Rühmeier
Auf dem Klingelschild steht in schwarzen Buchstaben auf glänzendem Messing "Dr. phil. Dannenberg". Ein akademischer Grad ist hier im bürgerlich-vornehmen Berlin-Dahlem nichts Ungewöhnliches, man zeigt gerne, was man darstellt. Vier Treppen weiter oberhalb öffnet Dr. Dannenberg die Tür zu seiner Altbauwohnung und bietet einen Platz auf dem schwarzen Designer-Sofa an, das auf das Angenehmste mit den wertvollen Antiquit äten korrespondiert – beruhigend tickt im Hintergrund eine Wanduhr aus der Gründerzeit.
6.000 bis 7.000 Euro hat Dr. Dannenberg sich während des Studiums durch gelegentliche Prostitution dazuverdient, er hat über alles genau Buch geführt, für sich selbst und nicht für das Finanzamt. Sein guter Geschmack kostet gutes Geld, doch jetzt hat er einen gut dotierten Job im politischen Bereich. Dr. Dannenbergs Augen wirken klein und pr üfend hinter den Gläsern seiner geschmackvollen Brille. Unter seinem weißen T-Shirt wölbt sich dezent die wohlgeformte Brustmuskulatur.
Der erste "Kunde" hatte ihn im Gaychat angesprochen, viele Freier sind dort auf der Suche nach "unverbrauchtem" Material, nach Dienstleistern, die ihnen attraktiv erscheinen, weil sie keine Professionellen sind. Im Chat hatte er sich schon öfters mit Männern verabredet, um seiner Lieblingsfantasie freien Lauf zu lassen: "Ich mochte es schon immer, wenn mir jemand einen geblasen hat und schluckte. Plötzlich hat mir einer Geld dafür geboten und ich dachte: Warum eigentlich nicht?"
Der Schritt von der Promiskuität zur Prostitution ist eben nicht sehr groß: Sex mit fremden Menschen ohne Worte, Sex mit fremden Menschen mit Geld. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass man sich auf die W ünsche des Kunden einstellen muss. Das erste Mal ging bei Dr. Dannenberg noch schief, ausgerechnet die sch öne Wanduhr war schuld. Der Kunde reagierte verstört auf die gepflegte Atmosphäre der Wohnung, "er hatte wohl mit verspiegelten Wänden und Rotlicht gerechnet".
Der Freier muss sehr unerfahren gewesen sein, denn der größte Teil der mann-männlichen Prostitution in Berlin (und nicht nur hier) beruht auf Nebenerwerblern, die verspiegelte Wände eher degoutant finden. Der Sozialpädagoge Ralf Rötten vom Projekt Querstrich, angesiedelt bei der Stricher-Einrichtung Subway, schätzt den Anteil der Amateure in Berlin auf 90 Prozent. Seit einigen Jahren steige die Zahl der Gelegenheitsprostituierten in Berlin erheblich (siehe auch Interview s.u.).
Anschaffen gehen schwule Männer, die noch in der Ausbildung sind oder vorübergehend von Sozialleistungen leben, die Schulden abbauen oder deren Einkommen schlicht nicht reicht, um sich Markenklamotten, schicke M öbel oder Reisen leisten zu können. Mag auch die offizielle Wahrnehmung von professionellen "Callboys" auf der einen Seite und sozial randständigen "Strichern" (Migrationshintergrund, Drogenprobleme) bestimmt sein, das älteste Gewerbe der Welt wird längst mehrheitlich von "Sexarbeitern" bestritten, die weder als solche identifiziert werden noch sich selbst mit dieser von ihnen ausge übten Tätigkeit identifizieren. Mittelstands-Homos, die versuchen, irgendwie durchzukommen, und sich wie so viele in der Stadt notgedrungen mit dem Slogan ihres B ürgermeisters identifizieren: Arm, aber sexy.
Internet und Flatrate haben den Boom der Gelegenheitsprostitution zusätzlich befördert. Ein Profil ein- und auszuschalten ist leicht, eine Anzeige in einer Zeitung zu schalten oder sich gar in Bars auf Kundenfang zu begeben wäre viel aufwändiger. Das würde auch ein viel stärkeres Bewusstsein erfordern. Für den Schritt, den man sich entschlossen hat zu tun.
Die Amateure halten sich den Rückweg stets offen. Ist das Profil deaktiviert, ist man ruck, zuck wieder Student oder Kellner. Kein "Abrutschen" ins Milieu, kein "Drogenstrich", keine "Halbwelt". Wenn es gut läuft, kommt schnell einiges zusammen – alles schwarz und bar auf die Kralle. Keine Umsatzsteuer, keine Quittungen – ein Job, mit dem sich ohne allzu großen Aufwand Geld machen lässt. Und das Leben in Berlin ist härter geworden: Die Kosten steigen, die Löhne bleiben konstant, man hat einfach weniger Geld in der Tasche, nicht nur gefühlt.
Darüber hinaus erfüllt sich für einige Teilzeit-Gigolos sogar eine sexuelle Fantasie: Der Narzissmus wird bedient, indem Männer für die Schönheit des eigenen Körpers bezahlen – und in der dialektischen Konsequenz erfolgt die ersehnte Bestrafung durch Erniedrigung: "Das Geld ist ein Machtmittel, damit ich hinhalten muss. Die Bestrafung für mein Schwulsein, dafür dass ich so verkommen bin", beichtet ein anonymer homo.de-Anbieter per Mail. Zu einem Gespräch möchte er sich nicht treffen.
Die "Heile Welt" in Schöneberg platzt mal wieder aus allen Nähten, es tummeln sich die jungen und noch gerade so jung gebliebenen Szene-Homos mit Schmierfrisur, schicken Sneakers und Wurstpellen-Shirts. Stefan ist einer von ihnen, 35 Jahre alt, gut aussehend, selbstbewusst auftretend. Dennoch spricht er nur direkt ins Ohr, damit man am Nebentisch nichts verstehen kann. Obwohl es mancher hier im Raum vielleicht sogar "cool" fände, einen wie ihn abzukriegen, eine richtige Trophäe: Sex mit einem Escort, ohne bezahlen zu müssen. Fast so gut wie mit einem Pornostar. Aber so sicher kann man sich da nicht sein. Stefan, der studierte Jurist, weiß sich gewählt auszudrücken, blickt reflektiert auf sein Tun. Er hat einen Traum und würde alles machen, um diesen Traum zu verwirklichen: erfolgreich sein, Geld haben, es schaffen in der Welt der Medien, der Bedeutenden, der Glitzernden und Mächtigen. Alles möchte er sein, nur nicht ein langweiliger Assessor in einer Kanzlei. Für seinen Traum hat er einen ziemlich großen Schuldenberg angehäuft, doch Stefan ist sich sicher, dass es klappen wird.
Er ist schon ganz dicht dran, doch die Miete muss schließlich auch bezahlt werden: "Ich war pleite und habe mir überlegt: Was tut mir nicht weh? Wie kann ich meinen Ekel überwinden? Und was macht mir selbst Spaß?" Er ging online und bot, zunächst über homo.de, Spezialleistungen an, Erniedrigung, Rollenspiele, Natursekt. Und es funktionierte, besonders in den ersten zwei Monaten, als er neu am Markt war. "Das Problem ist, dass man eigentlich eine Sekretärin braucht. Die Kunden melden sich, und dann muss man seine Termine ihren Bedürfnissen anpassen. Wenn ich eine Natursekt-Session mache, muss ich zum Beispiel anderthalb Stunden vorher Unmengen Flüssigkeit zu mir nehmen, und die Kunden müssen dann auch pünktlich kommen, sonst platzt mir die Blase. Alles gar nicht so einfach zu organisieren, besonders, wenn man in einer Partnerschaft lebt."
Stefans Freund soll nichts von alldem wissen: "Menschen, die viel wissen, sind unglücklicher. Und dieser Teil meiner Persönlichkeit hat nichts mit meiner Beziehung zu tun." Von seinem Freund möchte Stefan vor allem Zärtlichkeit, Geborgenheit – auf Fetisch-Sex steht sein Lover nicht. "Ich hatte schon immer viel Sex mit anderen Männern, an Treue glaube ich sowieso nicht." Seit einem Dreivierteljahr verdient er sich auf diesem Weg die Miete, im Schnitt kommen so 300 bis 400 Euro im Monat rein. Wenn andere Auftr äge anstehen oder er zu viele Termine hat, schaltet er sein Profil ab. Stefan sagt, dass er sich gut dabei fühlt: "Ich bin immer der besser Aussehende, die anderen müssen dafür bezahlen, dass sie mit mir in die Kiste dürfen. Mein Selbstbewusstsein wird eher auf- als abgewertet: Die Typen finden mich toll, die fragen auch als Erstes immer, was ich mache. Denen ist v öllig klar, dass jemand wie ich so was nur nebenher macht." Respektlos findet er nur, wenn die Freier handeln wollen: "Das sind dann genau die Typen, die im KaDeWe ohne mit der Wimper zu zucken 20 Euro für ein Kilo Rindfleisch zahlen."
Verheiratete Männer aus Brandenburg, Manager und Banker aus Berlin, Chefredakteure, Schauspieler bilden seine Kundschaft: Es ist Stefan wichtig, die Wichtigkeit und Bedeutung seiner Kunden aufzulisten, mit denen er "ein Geheimnis" teilt. Denn eigentlich ist er wie sie, ist einer von ihnen. Bald. Er weiß, wie man Menschen beeindrucken kann, mit Geld und schönen Dingen. "Ich schalte den Blendfaktor aus, reduziere die Menschen auf das, was sie eigentlich sind. Menschen sind mir nicht fremd, ich kann sie steuern und dirigieren. Ich mag sie aber nicht besonders, eben weil sie so sind, wie sie sind."
Stefan kann keinen großen Unterschied erkennen zwischen einem Kellner-Job und dem, was er tut: "Es ist eine Dienstleistung wie jede andere auch – nur, dass ich in weniger Zeit viel mehr Geld erwirtschaften kann. Erniedrigen muss man sich doch so oder so, alle verkaufen sich letztendlich. So ist das halt, ich lasse mich ja auch gerne anl ügen, wenn es auf nette Art geschieht." Muss man sich auch mal nett in die eigene Tasche lügen?
"Selbstverständlich", sagt er und verschwindet in die regennasse Berliner Nacht.
Durch die riesigen Fenster des Café Orange kann man gut auf die Oranienburger Straße in Berlin- Mitte blicken, Arbeitsplatz zahlloser "Bordsteinschwalben", Frauen im Skihäschen-Outfit, die es für Geld machen. "Na ja, die haben ja meistens einen Zuhälter, von dem sie eingekleidet werden. Ich arbeite ja für mich, und die Kunden suche ich mir auch aus. Ich kann gar nicht mit jedem." So spricht Kevin, Anfang zwanzig, ein hübscher Berlin-Mitte-Boy. "Ich habe eine Festanstellung, und trotzdem hat irgendwann das Geld zum Ausgehen nicht mehr gereicht.
Geht doch vielen so. Man arbeitet und das Geld reicht hinten und vorne nicht. Neulich habe ich in einer Gruppe einfach mal gesagt, was ich mache. Drei von fünfen fingen an zu lachen und gestanden: Ich mache es auch." Es sei für ihn kein großer Unterschied zwischen einer Nacht im Darkroom und einem Cash-Date: Nun trifft er sich eben mit ungeouteten Bankern, Schwulen mittleren Alters, das Geld wird hinterher kassiert, auch damit er sich nicht unn ötig unter Druck fühlt. "Man unterhält sich ein bisschen, ist nett zueinander und hat Sex. Also, eine Depression hatte ich hinterher noch nie, ich mache das ja auch, weil es mir Spaß macht."
Bis er 25 ist, will Kevin einfach nur leben, dann möchte er wieder in seinem erlernten Beruf als Industriekaufmann arbeiten. Die "Szene" hat er eigentlich jetzt schon satt: "Alle sind auf irgendeiner Droge. Mittlerweile gehen wir des Öfteren hetero aus, das ist mal eine Abwechslung." Er versteht auch nicht, warum so viele gut aussehende Schwule lieber für Sex bezahlen, anstatt ihn sich selbst zu organisieren, warum so viele unsafen Sex wollen, obwohl die Infektionsraten explodieren. Einen Freund hat er nicht, "ich bin kein Beziehungsmensch". Die Szene, das sind immer die anderen.
"So ist das halt" ist der Satz, der immer fällt im Gespräch mit Gelegenheitsprostituierten. Dieses Mal wird die Erklärung für alles vom Teppich eines Hörsaals der FU Berlin geschluckt. Alexej ist 22, studiert Skandinavistik und ist Stipendiat einer angesehenen Stiftung. Er kommt aus der Ukraine, hat in Deutschland sein Coming-out gehabt und wird es einmal weit bringen. Den Job macht er nur, um die Schulden aus dem Grundstudium zur ückzuzahlen, bei seinem momentanen Verdienst hat er es bereits in drei bis vier Monaten geschafft. "Natürlich gibt es manchmal auch Arschlöcher unter den Kunden, aber ich ziehe es dann trotzdem durch. Als ich hinter dem Tresen gearbeitet habe, konnte ich ja auch nicht einfach nach Hause gehen, wenn mir einer dumm kam. "Alles, was er erzählt, hat man schon gehört, „so ist das halt". Ob man ihn mit dem Auto zu Ikea mitnehmen könne? "Cool, das würde ich auch gerne machen: Mit dem Auto zur Uni fahren", sagt er. Was er bei Ikea will? "Ich möchte die schönen Möbel nicht nur im Katalog anschauen, sondern sie auch anfassen, bevor ich sie kaufe." So ist das halt.
Dr. Dannenberg hat es mittlerweile "irgendwie" geschafft, hat seinen Platz in der geregelten Arbeitswelt gefunden. Heute könnte er sich nicht mehr vorstellen, diesen Job zu machen, nicht nur, weil er sich mit seinen 33 Jahren zu alt dafür fühlt.
"Ich habe damit aufgehört, weil es auch nicht mehr ging: Der Ekel wuchs, es wurde immer schwieriger, eine Erektion zu bekommen – der schwierigste Teil der Tätigkeit. Aber am schlimmsten war die wachsende Verachtung, die ich für Menschen empfand." Er erzählt von dem 70-Jährigen mit halbseitiger Lähmung, dem während des Verkehrs Wasser aus der Nase und in seinen Mund tropfte, von dem Österreicher mit der grotesk hässlichen Warze. Ausnahmen, sagt er, die meisten seiner Freier seien keine Schreckgestalten gewesen. Ganz normale Schwule um die 40, ein bisschen kräftiger, ein bisschen behaarter. Manche durchaus attraktiv, die meisten im Durchschnitt "nicht mehr begehrt" oder in einer Partnerschaft, in der Sex schon lange nicht mehr stattfindet. Schwule, die lieber gleich bezahlen, um zu bekommen, was sie wollen, anstatt Stunde um Stunde mit aufwändigem Cruising in der Szene zu verbringen – und vielleicht am Ende leer auszugehen. Auch Schwule, die sich Sex mit Gleichaltrigen nicht vorstellen können.
"Die erschreckendste Erfahrung war, dass diese Menschen eigentlich gar keinen Sex wollten, sondern Nähe, Anerkennung. Wie leicht es denen gefallen ist, eine Beziehung zu mir aufzubauen. Viele waren dann überrascht, wenn sie beim nächsten Mal wieder zahlen sollten. Sie haben einen One-Night-Stand mit einer Cash-Situation verwechselt, weil sie es wollten. Dabei habe ich ihnen für ihr Geld nur vorgegaukelt, dass ich sie begehrenswert finde."
Dr. Dannenberg hat auch vor dieser Erfahrung nicht an die Liebe geglaubt, sagt er, "Kerzen anzünden und so, alles Quatsch", seine Sicht auf die Menschheit habe sich nur bestätigt. "Ich glaube nicht an eine schwule Partnerschaft; sich für Sex bezahlen zu lassen, ist nur die höchste Konsequenz dessen, was diese ganzen verkommenen kleinen Jungs aus der Busche erleben. Mir soll auch keiner was von Moral erz ählen." Erst recht nicht jener Freund, der sich von ihm abwandte, nachdem Dr. Dannenberg ihm von seinem Job erz ählt hatte. Der Freund fand ihn "zu abgebrüht". Ihn? Der nur getan hat, was andere wollten? Zu diesem Thema fallen Dr. Dannenberg als Erstes die Verheirateten ein, die geradezu notorisch nach unsafem Sex verlangen, während Mutti zu Hause mit dem Essen wartet.
Es ist plötzlich sehr kalt in der schönen Wohnung, gefühlt unter null, und die Frage wirkt in dieser Situation so unpassend wie fast zwingend: "Wann haben Sie das letzte Mal geweint?" Dr. Dannenberg antwortet sofort und bereitwillig, fast meint man, er hätte auf diese Frage nur gewartet: "Als ich letztes Mal meine Schwester besucht habe. Sie hat drei Kinder, einen Mann, einen Hund. Ich hatte überlegt, bei ihr und der Familie zu bleiben, mich mit um die Erziehung der Kinder zu k ümmern. Doch das ging nicht, weil ich dann doch einen Job in Berlin gefunden habe." Er hat um sich selbst geweint, weil er findet, dass "jede Beziehung, die nicht in einen größeren sozialen Rahmen eingebettet ist, Betrug ist". Schwul sein und das nicht gut so finden – weil ein Leben ohne Familie und Kinder sinnlos sei: "Man darf sich nichts vormachen. Schwule werden alt und dann sind sie allein und unglücklich. So ist das nun mal."
Alle Namen sind geändert.
Quelle: siegessaeule.de
"Anschaffen ist chic"
Der Sozialpädagoge Ralf Rötten arbeitet als Berater beim Callboy-Projekt Querstrich
Ein Witz geht um in der Berliner Szene: Treffen sich zwei Schwule zum Sex – und streiten sich hinterher, wer nun bezahlen muss.
Es stimmt schon, die sogenannte Gelegenheitsprostitution hat in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen.
Wie kommt das?
Zum einen haben sich die wirtschaftlichen Bedingungen ganz einfach verschlechtert. Die Armut ist l ängst auch in der schwulen Mittelschicht angekommen. Zum anderen hat das auch etwas mit der allgemeinen Enttabuisierung von Homosexualit ät zu tun.
Die Zunahme der Prostitution ist ein Fortschritt?!
Nein, aber es gilt bei einigen in der Szene mittlerweile als chic, anschaffen zu gehen, so nach dem Motto "Wenn ich nicht begehrenswert wäre, würde mich ja niemand bezahlen". Das ist gut fürs Ego.
Welche Probleme haben die Callboys, die Ihre Beratung in Anspruch nehmen? Die meisten Anrufer haben Angst davor, entdeckt zu werden. Sie führen ein Doppelleben.
Sie finden also ihren Job doch nicht so chic?
Bei einigen von ihnen weiß zum Beispiel der Partner nicht, womit der Freund seine Miete verdient. Außerdem handelt es sich ja überwiegend um Schwarzarbeit – ich hatte auch schon Fälle, bei denen der Arbeitgeber von der unerlaubten Nebentätigkeit seines Angestellten erfuhr und Ärger machte. Mit Angst vor Diskriminierung hat das weniger zu tun, mehr mit Gefährdung eigener Interessen.
Warum fällt es Schwulen so leicht, für Sex Geld zu nehmen? Ist es nur ein kleiner Schritt von der Promiskuität zur Prostitution?
Nun, einen Unterschied gibt es da ja schon. Anders als der Promiske muss sich der Prostituierte schlie ßlich vorrangig um die Bedürfnisse seines Kunden kümmern. Aber natürlich stehen einige auch auf das, was sie tun. Ich kenne sogar jemanden, der eine Dauerlatte bekommt, wenn ihm jemand einen Hunderter auf den Tisch legt – er ist Preuße und es reizt ihn dann, seine Pflicht erfüllen zu müssen. Aber für die meisten ist es einfach nur ein Job, bei dem man mit einem erträglichen Maß an Aufwand einen guten Nebenverdienst erwirtschaften kann.
www.querstrich.de
beratung@querstrich.de, Tel. 21 75 60 48 (Dienstag 14–17 Uhr)
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