Wie der Sexmarkt strafrechtlich reguliert wird
40.000 Zwangsprostituierte würden erwartbar nach Deutschland geschleust, um sexhungrige Männer zu bedienen, hieß es im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft. Über eine ganze Hauswand spannte sich am Bahnhof Zoo das Plakat der Kampagne gegen Zwangsprostitution, auf dem das Loch für die Eckfahne eines Spielfeldes zu sehen war und der Slogan »Rein, raus! Sag Nein zur Zwangsprostitution«, der in kongenialer Weise die Infantilität deutscher Sex- und Fäkalwitze zusammenfasste. Fünf Ermittlungsverfahren blieben am Ende übrig, drei Tatortfolgen im Ersten und eine zutiefst betroffene Sabine Christiansen. Wozu also das ganze?

Wie im Drogenstrafrecht so wird auch mit dem Sonderrecht
zur Prostitution als wesentlicher Bereich des Sexualstrafrechts
versucht, ein als gesellschaftliches Problem wahrgenomme-
nes Feld strafrechtlich zu regulieren und zu kontrollieren.
Während die eigentlichen Strukturen des Milieus unberührt
bleiben, hat die strafrechtliche Regulierung eine gravierende
Einschränkung von Verteidigungsrechten mit sich gebracht.
Das wichtigste Argument ist hier der Opferschutz: Während
Prostitution noch bis in die 1980er Jahre hinein als ein sog.
opferloses Delikt angesehen wurde, ist die Prostituierte
mittlerweile als Opfer der „Organisierten Kriminalität“ ent-
deckt worden. Hierbei ist eine deutliche Ungleichgewichtung
zwischen deutschen und nicht-deutschen Prostituierten zu
beobachten, die in dem Maße zunahm, in dem es deutschen
Prostituierten gelang, an die Öffentlichkeit zu treten und mit
Klischees über das Milieu aufzuräumen. Die strafrechtliche
Repression verlagerte sich nunmehr auf den sog. Men-
schenhandel und damit auf einen Teilbereich des Milieus.
Eine Form der (Sex-) Arbeitsmigration steht seitdem unter
Generalverdacht.
Inhalt
Vorwort: Thomas Uwer
Volkmar Sigusch: Sexualwissenschaftliche Thesen über Prostitution
Philipp Thiée: Zur Scholastik des Menschenhandels
Das Sonderstrafrecht zur Prostitution
Jochen Bung: Das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung
Stephan Kuhn: Rollentausch im Rotlichtviertel
Monika Frommel: Schutz der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit von Prostituierten
Martin Schaar: »Menschenhandel«, illegale Migration und die EU-Osterweiterung
Jesper Bryngemark: Das schwedische Modell der Freierkriminalisierung
Nora Markard: Prostitution im internationalen Recht Zwischen moralischer Panik und organisierter Kriminalität: Von »weißer Sklaverei« über Frauenhandel zu Menschenhandel
Valentin N.J. Landmann: Prostitutionsmarkt und Menschenhandel in Europa
Ein ökonomischer Widerspruch
Juanita Rosina Henning: Jenseits von ›Menschenhandel‹ und ›Zwangsprostitution‹
Empirische Zugänge zu Motivationen und Handlungsoptionen von Prostitutionsmigrantinnen am Beispiel der Bordellprostitution in Frankfurt/Main
Gerhard Walentowitz: Mit flächendeckender Polizeikooperation in den Überwachungsstaat
Kritische Anmerkungen zur Rolle von NGOs im Kontext europäischer Anti-Menschenhandels-Politik
Lena Dammann: Aufenthalts- und Arbeitsrechte für Migrantinnen in der Prostitution
Uwe Maeffert: Der Zustand des polizeilichen Ermittlungsverfahrens - ein Beispiel
Jochen Thielmann: Dialog mit den unsichtbaren Dritten oder: »Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim.«
Philipp Thiée: Der »Rotlichtpate von Köln«
OK-Ermittlungen gegen »Keimzellen« und »Luxusbordelle«
Tom Mihelic: Alltägliche Arbeitsprozesse im Bordell unter dem Gesichtspunkt der Strafrechtsrelevanz
Autorenverzeichnis
Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen
www.strafverteidigervereinigungen.de
www.strafverteidigervereinigungen.de/Ma ... handel.htm
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