Bremer SPD staatliche Kriminalisierung und Totalüberwachung

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fraences
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Bremer SPD staatliche Kriminalisierung und Totalüberwachung

Beitrag von fraences »

Pressemitteilung


Schlimmer als das „schwedische Modell“:

Bremer SPD setzt auf staatliche Kriminalisierung und Totalüberwachung des Prostitutionsgewerbes



Die SPD-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft hat vor zwei Tagen den Entwurf für ein „Bremisches Prostitutionsstättengesetz“ beschlossen. Mit dessen Umsetzung würde Bremen bundesweit Vorreiter einer staatlichen Kriminalisierung von Prostitution auf Landesebene.

Die Initiative dazu geht zurück auf einen rot-grünen Antrag in der Bremer Bürgerschaft vom 10. Juli 2012 (Drs. 18/517), in der es - so die offizielle Sprachregelung - um die „Kontrolle ausbeuterischer Bordellbetriebe geht. Zu der behaupteten „Ausbeutung“ in diesem Bereich liegen jenseits von Vermutungen keine belastbaren Daten und Fakten vor. Tatsächlich geht es darum, Prostitution - insbesondere in Modelwohnungen - einer erniedrigenden polizeilichen Komplett-Überwachung zu unterwerfen, wie sie zuletzt in der Mitte des 19. Jahrhunderts Gang und Gäbe war. Die Idee eines repressiven Landesgesetzes zur Prostitutionsreglementierung ist nicht auf rot-grünem Mist gewachsen, sondern stand bereits 2009 auf dem Wunschzettel einer Arbeitsgruppe beim Bremer Innensenator angesichts eines aus Polizeisicht „problematischen Wohnungsbetretungsrechts“ bei Modelwohnungen!

Der SPD-Entwurf zu einem Bremischen Prostitutionsstättengesetz erklärt in § 1 Abs.1 jede auf eigene Rechnung und für sich selbst arbeitende Wohnungsprostituierte zur konzessionspflichtigen Betreiberin einer Prostitutionsstätte – vermutlich um sie in Zukunft vor Selbstausbeutung zu schützen! Von der einzelnen Prostituierten über Lovemobile und Terminwohnungen bis hin zum Großbordell – alles soll in Bremen konzessionspflichtig werden.

Die in § 4 aufgelisteten „Versagungsgründe“ für eine Konzession lassen den Zweck der dort formulierten Auflagen deutlich werden: Prostitutionsausübung soll nur noch in wenigen Ausnahmefällen gestattet sein. Es handelt sich mithin um ein absolutes Prostitutionsverhinderungsgesetz – gegenüber dem das „schwedische Modell“ einer Freierbestrafung fast schon als liberal erscheint. So gilt laut § 4 Abs.1f schon die bloße „Befürchtung“ zuständiger Stellen, jemand würde in Zukunft Auflagen nicht einhalten, als hinreichender Grund, eine Erlaubnis zu versagen. Komplettiert werden die Auflagen durch einen Katalog von Ordnungswidrigkeiten, deren Übertretung mit happigen Strafen von 5.000 bis 25.000 Euro sanktioniert werden soll. Solche Sanktionsmöglichkeiten spielen der „zuständigen Behörde“ ein vortreffliches Druckmittel in die Hände. Als „zuständige Behörde“ weist der Gesetzentwurf den Innensenator bzw. die „Ortspolizeibehörde“ aus, womit auch die letzten Zweifel beseitigt sein dürften, es könnte sich hier möglicherweise um eine „gewerberechtliche Gleichstellung“ von Bordellbetrieben handeln.

Mit der Vorgabe vieler und vor allem kaum umsetzbarer Auflagen schafft der SPD-Entwurf in erster Linie Kontroll- und Schließungsanlässe gegenüber Prostitutionsetablissements, die der Polizei nach § 9 (Auskunft und Nachschau) die Möglichkeit ständiger und jederzeitiger Intervention ermöglichen. Das Argument einer „Verbesserung von Arbeitsbedingungen“ in der Prostitution ist dabei lediglich vorgeschoben. Rot-Grün setzt lediglich die von der Bremer CDU im Juni 2012 geforderten „besseren Kontrollmöglichkeiten“ gegenüber Prostitutionsstätten um: „Um dies zu ermöglichen, sollten Wohnungen neben den polizeigesetzlich normierten Durchsuchungen zur Abwehr dringender Gefahren jederzeit betreten werden, wenn sie der Prostitution dienen.“ (CDU-Antrag, Drs. 18/438) Art.13 Grundgesetz, das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, wird für Frauen in der Prostitution damit de facto außer Kraft gesetzt.

Das ist diskriminierendes Sonderrecht und das genaue Gegenteil von gewerberechtlicher Gleichbehandlung. Wie hieß es noch im Bremer Prostitutions-Reglement von 1852: Die „eingezeichneten Mädchen“, auch wenn sie Steuern zu zahlen hätten, sollten nicht glauben, „ihr an sich schändliches und verwerfliches Gewerbe (…) sei anderen erlaubten Gewerben gleichzustellen“!

Um die Totalüberwachung komplett zu machen, haben Betreiber/innen einer Prostitutionsstätte nach § 14 Abs. 3 des Gesetzentwurfs obendrein alle dort abhängig oder selbstständig tätigen Sexdienstleisterinnen der zuständigen Behörde, sprich: der Polizei zu melden!
Die SPD in Bremen schafft damit als erstes Bundesland ein lupenreines Polizeigesetz gegen Prostitution auf Landesebene. Damit schafft man auch die Blaupause für einen bundesweiten Flickenteppich von Regelungen: Konzessionen in Bremen, Kondompflicht in Bayern, keine Sperrgebiete in Berlin – jedes Bundesland, macht was es will. Rechtssicherheit für Frauen in der Prostitution sieht anders aus.

Doña Carmen e.V. protestiert gegen eine repressive Prostitutionspolitik nach dem Bremer Modell. Es handelt sich dabei um die gezielte und fortgesetzte Demontage der mit dem Prostitutionsgesetz begonnen Legalisierung von Prostitution. Eine solche Politik hat mit den tatsächlichen Anliegen von Frauen in der Prostitution nicht das Geringste mehr zu tun.

Mit ihrer Ankündigung, das Gesetz noch vor der Sommerpause in Bremen einzuführen, hat eine auf Krawall gebürstete SPD Prostitution nun zum Wahlkampfthema gemacht. Insbesondere Bündnis 90 / Die Grünen werden Farbe bekennen müssen. Repressives Handeln in den Bundesländern und liberale Sonntagsreden in Berlin – das werden sich Sexarbeiter/innen hierzulande weder von Rot, noch von Grün noch von anderen offenen und verkappten Prostitutionsgegnern bieten lassen.

Es bleibt dabei:
  • Für eine freie und ungehinderte Berufsausübung in der Prostitution!
  • Kein diskriminierendes Sonderrecht gegen Prostitution!
  • Polizeiliche Reglementierung von Prostitution – Nein danke!

DONA CARMEN E.V.
Elbestr. 41
60329 Frankfurt/Main
Tel: 069-76752880
Fax: 069-76750882

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Dona Carmen e.V.
Frankfurter Sparkasse
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BLZ: 500 502 01



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Lokal-Info Bremen
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Sammelthema Konzessionierung von Prostitutionsstätten auf Bundesebene
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Bremer SPD staatliche Kriminalisierung und Totalüberwachung

Beitrag von *Stephanie* »

Wie konnte dieses Gesetz verabschiedet werden? Warum hat das niemand bemerkt?
Was sagen unsere Rechtsexperten dazu?
z. B. interessiert mich eine "Musterklage" dagegen!!!

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Zwerg
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Beitrag von Zwerg »

Bremisches Prostitutionsstättengesetz
Vom
Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft (Landtag)
beschlossene Gesetz:

Bremisches Prostitutionsstättengesetz (BremProstStG)

§ 1 Betrieb einer Prostitutionsstätte
(1) Betreiber einer Prostitutionsstätte ist, wer Räumlichkeiten zu dem Zweck selbst
nutzt oder Dritten zur Verfügung stellt, dass in ihnen sexuelle Dienstleistungen
gegen Entgelt erbracht werden.
(2) Betreiber und Dienstleistende einer Prostitutionsstätte müssen mindestens das
18. Lebensjahr vollendet haben.
(3) Kinder und Jugendlichen dürfen Prostitutionsstätten nicht betreten oder sich dort
aufhalten.

§ 2 Erlaubnis
(1) Der Betrieb einer Prostitutionsstätte bedarf der Erlaubnis.
(2) Die Erlaubnis wird für bestimmte Räumlichkeiten erteilt, diese können auch
ortsveränderlich sein.
(3) Die Erlaubnis kann mit einer Sperrzeit verbunden werden, wenn die örtliche Lage
der Prostitutionsstätte insbesondere Lärmemissionen oder sonst erhebliche
nachteilige Auswirkungen für die Anwohner oder Anlieger befürchten lässt.
(4) Die Erlaubnis darf auf Zeit erteilt werden, soweit dieses Gesetz es zulässt oder
der Antragsteller es beantragt.

§ 3 Inhalt des Antrags auf Erlaubnis
(1) Der Betreiber hat bei Antragstellung zu erklären, dass er die Prostitutionsstätte
eigenverantwortlich betreiben wird.
(2) Zur Überprüfung seiner Zuverlässigkeit hat der Betreiber ein Führungszeugnis
nach § 30 a) BZRG vorzulegen. Handelt es sich bei dem Betreiber um eine
juristische Person, ist das Führungszeugnis nach § 30 a BZRG des gesetzlichen
Vertreters vorzulegen.

§ 4 Versagungsgründe
(1) Die Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte ist zu versagen, wenn
1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betreiber oder sein
gesetzlicher Verteter die für den Betrieb einer Prostitutionsstätte erforderliche
Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere, wenn er oder sie
a. wegen Straftaten gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die
persönliche Freiheit oder die körperliche Unversehrtheit strafrechtlich in
Erscheinung getreten ist, oder
b. er oder sie gemeinschaftlich mit einem anderen eine Prostitutionsstätte
betrieben hat, der oder die beim Betrieb der Prostitutionsstätte wegen
einer Straftat der genannten Deliktsgruppen strafrechtlich in Erscheinung
getreten ist
c. oder wenn in einer anderen Prostitutionsstätte, die der Antragsteller
betreibt oder betrieben hat, Straftaten der genannten Deliktsgruppen mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit begangen wurden,
d. wenn ihr oder ihm bereits einmal die Erlaubnis zum Betrieb einer
Prostitutionsstätte entzogen worden ist,
e. wenn er oder sie wiederholt gegen Vorschriften oder Auflagen des
Gesundheitsrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes oder des
Bremischen Prostitutionsstättengesetzes verstoßen hat oder
f. wenn zu befürchten ist, dass er oder sie Vorschriften des oder Auflagen
aufgrund des Bremischen Prostitutionsstättengesetzes, des
Gesundheitsrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird,
2. die Räume der Prostitutionsstätte wegen ihrer Lage, Beschaffenheit,
Ausstattung oder Einteilung nicht geeignet sind, die notwendigen Anforderungen
zum Schutz der dort Dienstleistenden gegen Gefahren für Leben oder
Gesundheit zu bieten, insbesondere wenn sie
a. derart örtlich abgeschieden sind, dass die Dienstleistenden in einer
Bedrohungssituation nicht zeitnah Hilfe erreichen können,
b. über kein Notrufsystem verfügen und den Dienstleistenden kein (Mobil-)
Telefon zur Verfügung steht,
c. über keine ausreichenden sanitären Anlagen (Toiletten / Duschen) verfügen
oder
d. über keine gesonderten Schlaf- und Aufenthaltsräume für die
Dienstleistenden verfügen, insbesondere sofern die Dienstleistenden in den
Räumlichkeiten übernachten oder dort wohnen,
3. die Prostitutionsstätte in einem Gebiet liegen soll, welches als Wohngebiet,
Sondergebiet, das der Erholung dient oder als sonstiges Sondergebiet im Sinne
der §§ 3, 10 und 11 BauNV ausgewiesen ist, oder in dem keine Ausweisung
erfolgt ist und der örtliche Charakter des Gebietes Gebieten gemäß §§ 3, 10 und
11 BauNV entspricht. Für die weitere bauordnungsrechtliche Zulässigkeit wird der
Betrieb einer Prostitutionsstätte dem nichtstörenden Gewerbe gleichgestellt,
soweit keine tatsächlichen Anhaltspunkte zu erkennen sind, dass die öffentliche
Sicherheit oder der Jugendschutz gefährdet werden.
(2) Ein Wechsel des Betreibers der Produktionsstätte ist der zuständigen Behörde
umgehend anzuzeigen. Bis zur Erteilung der Erlaubnis für den neuen Betreiber
dürfen in der Prostitutionsstätte keine sexuellen Dienstleistungen angeboten oder
erbracht werden.
(3) Wird bei juristischen Personen nach Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb einer
Prostitutionsstätte eine andere Person zur Vertretung berufen, so ist dies
unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen. Bis zur Vorlage eines
Führungszeugnisses nach § 30 a) BZRG für den neuen Vertreter dürfen in der
Prostitutionsstätte keine sexuellen Dienstleistungen angeboten oder erbracht
werden.
(4) Die Erlaubnis erlischt, wenn der Betreiber innerhalb eines Jahres nach der
Erteilung den Betrieb nicht begonnen oder seit einem Jahr nicht mehr ausgeübt
hat. Die Fristen können verlängert werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

§ 5 Auflagen
(1) Die Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte kann mit Auflagen verbunden
werden, soweit diese
1. zum Schutz der in der Prostitutionsstätte Dienstleistenden gegen Ausbeutung
sowie gegen Gefahren für Leben oder Gesundheit,
2. zur Einhaltung des Gesundheitsrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes
oder
3. zum Schutz von Anwohnern, Anliegern oder der Allgemeinheit vor
Lärmemissionen oder anderen erheblichen Nachteile, Gefahren oder
Belästigungen
geeignet und erforderlich sind.
(2) Unter denselben Voraussetzungen ist auch die nachträgliche Aufnahme,
Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.

§ 6 Vertragsgestaltung
(1) Vereinbarungen über die Leistungen des Betreibers gegenüber der oder dem
Dienstleistenden bedürfen der Schriftform.
(2) Der Betreiber einer Prostitutionsstätte darf sich von den Dienstleistenden der
Prostitutionsstätte für die Vermietung von Räumlichkeiten, für eine sonstige
Leistung oder für die Vermittlung einer Leistung keine Vermögensvorteile
versprechen oder gewähren lassen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der
Leistung oder deren Vermittlung stehen.
(3) Sexuell Dienstleistende dürfen vom Betreiber nicht zur Vornahme bestimmter
sexueller Handlungen verpflichtet werden. Ferner darf vertraglich nicht
ausgeschlossen werden, dass sexuell Dienstleistende einen Kunden in eigener
Entscheidung ablehnen.
(4) Soweit die Dienstleistenden einer Prostitutionsstätte der Tätigkeit selbstständig
nachgehen, ist der Betreiber einer Prostitutionsstätte verpflichtet, für seine
Leistungen eine Rechnung nach § 14 Abs. 4 UStG auszustellen.

§ 7 Mindeststandards zum Gesundheitsschutz
Der Betreiber hat sicherzustellen, dass Verhütungsmittel zum Schutz vor sexuell
übertragbaren Krankheiten stets in ausreichendem Maße in allen Räumlichkeiten der
Prostitutionsstätte, in denen sexuelle Dienstleistungen erbracht werden, zur
Verfügung stehen. Der Betreiber einer Prostitutionsstätte hat sowohl die sexuell
Dienstleistenden als auch die Kundinnen und Kunden auf die Gefahren sexuell
übertragbarer Krankheiten und die Möglichkeit des Schutzes durch Verhütungsmittel
in geeigneter Art und Weise hinzuweisen.

§ 8 Beschäftigte und Dienstleistende
(1) Die Beschäftigung einer Person, deren Aufgabe insbesondere darin besteht,
die Arbeitsabläufe der Prostitutionsstätte zu organisieren und / oder Beschäftigte,
die angestellt oder freiberuflich sexuelle Dienstleistungen erbringen,
auszuwählen, kann dem Erlaubnisinhaber untersagt werden, wenn Tatsachen die
Annahme rechtfertigen, dass die Person, die für ihre Tätigkeit erforderliche
Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere wenn die Person die Voraussetzungen
des § 2 Absatz Ziffer 1 erfüllt.
(2) Die Beschäftigung einer Person, die in der Prostitutionsstätte sexuelle
Dienstleistungen erbringen soll oder erbringt oder die Zurverfügungstellung von
Räumlichkeiten an freiberufliche sexuelle Dienstleisterinnen oder Dienstleister
kann dem Erlaubnisinhaber untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme
rechtfertigen, dass die Person, die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit
nicht besitzt, insbesondere wenn die Person nachweislich und aus eigener
Veranlassung im Rahmen der Prostitutionsausübung gegen Vorschriften oder
Auflagen des Gesundheitsrechts verstoßen hat.
(3) Der Betreiber hat der zuständigen Behörde die Beschäftigten und
Dienstleistenden nach Absatz 1 und 2 mindestens einen Werktag vor Aufnahme
der Beschäftigung zu melden. In der Meldung sind Vor-und Zunahme, ggf.
Geburtsname, sowie Geburtsort und Geburtsdatum anzugeben sowie ein die
Identitätsfeststellung ermöglichendes amtliches Dokument oder die
Reisepassnummer vorzulegen. Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit einer
beschäftigten Person i.S.v. Absatz 1 ist unverzüglich ein Führungszeugnis nach §
30 a) BZRG vorzulegen.

§ 9 Auskunft und Nachschau
(1) Der Betreiber hat der zuständigen Behörde die für die Durchführung dieses
Gesetzes erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
(2) Die von der zuständigen Behörde mit der Überprüfung von Prostitutionsstätten
beauftragten Personen sind befugt, Grundstücke, die Räumlichkeiten der
Prostitutionsstätte und andere Geschäftsräume des Auskunftspflichtigen zu
betreten, dort Prüfungen und Besichtigungen vorzunehmen und in die
geschäftlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen. Der Auskunftspflichtige hat die
Maßnahmen nach Satz 1 zu dulden. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der
Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.
(3) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren
Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der
Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher
Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
aussetzen würde.

§ 10 Widerruf der Erlaubnis und Stilllegung des Betriebes
(1) Die Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte ist zu widerrufen,
1. wenn die Voraussetzungen zum Betrieb einer Prostitutionsstätte nicht mehr
bestehen oder wenn nachträglich Versagungsgründe gemäß § 4 Absatz 1
eingetreten sind,
2. wenn der Erlaubnisinhaber
a. sich wiederholt oder gröblich von den Dienstleistenden der
Prostitutionsstätte für die Vermietung von Räumlichkeiten, für eine
sonstige Leistung oder für die Vermittlung einer Leistung
Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem
auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung
stehen.
b. wiederholt oder gröblich gegen Auflagen nach § 5 verstößt,
c. Personen nach § 8 Absatz 1 und 2 trotz Untersagung weiter beschäftigt
oder in der Prostitutionsstätte weiterhin sexuelle Dienstleistungen
erbringen lässt oder er seiner Meldepflicht nach § 8 Absatz 3 wiederholt
nicht nachkommt oder
d. wiederholt oder gröblich erforderliche Auskünfte nach § 9 nicht erteilt
oder die behördliche Nachschau be- oder verhindert.
(2) Die zuständige Behörde kann den Betrieb einer Prostitutionsstätte durch
geeignete Maßnahmen stilllegen, wenn der Erlaubnisinhaber die
Prostitutionsstätte trotz Widerruf der Erlaubnis weiter betreibt oder die Erlaubnis
zum Betrieb einer Prostitutionsstätte nicht vorliegt.

§ 11 Zuständigkeit und Verfahren
(1) Die Ausführung des Gesetzes und aufgrund dieses Gesetzes ergangenen
Rechtsverordnungen obliegt dem Stadtamt.
(2) Der Senator für Inneres und Sport wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das
Verfahren, insbesondere zur Erlaubniserteilung und zum Widerruf von
Erlaubnissen, zu regeln.

§ 12 Datenübermittlung und Datenschutz
(1) Personenbezogene Daten sexuell Dienstleistender dürfen von der zuständigen
Behörde nur zum Zwecke dieses Gesetzes erhoben, verarbeitet und genutzt
werden. Es ist auch innerhalb der zuständigen Behörde sicherzustellen, dass
diese personenbezogenen Daten sexuell Dienstleistender nur Befugten
zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden.
(2) Die Weitergabe dieser personenbezogenen Daten sexuell Dienstleistender an
andere Behörden der Stadtgemeinde Bremen, der Stadtgemeinde Bremerhaven,
des Landes Bremen, eines anderen Bundeslandes oder des Bundes ist nur
zulässig, sofern die oder der sexuell Dienstleistende als Tatverdächtige/r oder
Geschädigte/r in einem Strafverfahren im Rahmen der Ausübung ihrer oder
seiner Tätigkeit in Betracht kommt.
(3) Diese personenbezogenen Daten sexuell Dienstleistender sind drei Jahre nach
ihrer Erhebung zu löschen, sofern innerhalb dieses Zeitraums keine weiteren
personenbezogenen Daten über die Person nach diesem Gesetz erhoben
wurden.

§ 13 Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Betreiber einer Prostitutionsstätte vorsätzlich
oder fahrlässig
1. entgegen § 1 Absatz 2 zulässt, dass Minderjährige in der Prostitutionsstätte
sexuelle Dienstleistungen erbringen, sofern die Tat nicht bereits durch das
Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt ist,
2. entgegen § 1 Absatz 3 zulässt, dass Kinder oder Jugendliche die
Prostitutionsstätte betreten oder sich dort aufhalten,
3. ohne die nach § 2 Absatz 1 erforderliche Erlaubnis eine Prostitutionsstätte
betreibt oder die Prostitutionsstätte nicht eigenverantwortlich betreibt oder
einen Betreiber- oder Vertreterwechsel nicht nach § 4 Absatz 2 oder 3 der
zuständigen Behörde anzeigt,
4. einer Auflage nach § 5 Abs. 1 nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig
nachkommt,
5. entgegen § 6 Absatz 2 sich für Leistungen Vermögensvorteile versprechen
oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung
oder deren Vermittlung stehen,
6. entgegen § 6 Absatz 3 sexuell Dienstleistende darauf verpflichtet, bestimmte
sexuelle Handlungen vorzunehmen oder es durch Vertrag ausschließt, dass
sexuell Dienstleistende einen Kunden in eigener Entscheidung ablehnen,
7. entgegen § 7 das Vorhandensein von Verhütungsmitteln zum Schutz vor
sexuell übertragbaren Krankheiten nicht in ausreichendem Maße sicherstellt
oder sexuell Dienstleistende oder Kundinnen und Kunden nicht in geeigneter
Art und Weise auf die Gefahren sexuell übertragbarer Krankheiten und die
Möglichkeit des Schutzes durch Verhütungsmittel hinweist,
8. entgegen eines Verbots nach § 8 Absatz 1 oder 2 die betreffende Person beoder
weiterbeschäftigt oder seiner Meldepflicht nach Absatz 3 nicht
nachkommt,
9. entgegen § 9 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht
rechtzeitig erteilt, den Zutritt zu den für den Betrieb benutzten Grundstücken
und Räumen nicht gestattet oder die Einsicht in geschäftliche Unterlagen nicht
gewährt,
10. den Vorschriften einer aufgrund des § 11 Absatz 2 erlassenen
Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen
bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro, im
Falle des Abs. 1 Nr. 1 und 5 mit einer Geldbuße bis 25.000 Euro, geahndet werden.
(3) Für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist die
Ortspolizeibehörde sachlich zuständig.

§ 14 Übergangsvorschriften
(1) Der Betreiber einer Prostitutionsstätte, der die Prostitutionsstätte schon vor
Inkrafttreten dieses Gesetzes betrieben hat, hat diesen Betrieb der zuständigen
Behörde innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes
anzuzeigen und dabei begründet darzulegen, seit wann er den Betrieb betreibt.
Innerhalb dieser Frist hat er ferner die Erlaubnis zum Betrieb der
Prostitutionsstätte nach § 2 Absatz 1 zu beantragen. Die zuständige Behörde
bestätigt dem Prostitutionsstättenbetreiber kostenfrei und schriftlich, dass er bis
zur Erteilung der Erlaubnis oder bis zur Versagung zum Betrieb der
Prostitutionsstätte berechtigt ist. Wird die Anzeige nicht innerhalb von drei
Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erstattet und / oder die Erlaubnis
nicht beantragt, so erlischt die Erlaubnis.
(2) Zur Vertretung berufene Personen im Sinne von § 4 Absatz 3 sind der
zuständigen Behörde innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieses
Gesetzes anzuzeigen.
(3) Beschäftigte und Dienstleistende i.S.v. § 8 sind der zuständigen Behörde
innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes anzuzeigen und
zur Überprüfung der Zuverlässigkeit einer beschäftigten Person i.S.v. § 8 Absatz
1 ist unverzüglich ein Führungszeugnis nach § 30 a) BZRG vorzulegen.

§ 15 Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt am ersten Tage des auf die Verkündung folgenden
Kalendermonats in Kraft.
(2) Dieses Gesetz tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2018 außer Kraft.


www.donacarmen.de/wp-content/uploads/20 ... setz-1.pdf
Zuletzt geändert von Zwerg am 15.03.2013, 22:03, insgesamt 1-mal geändert.

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Bremer SPD staatliche Kriminalisierung und Totalüberwachung

Beitrag von Kasharius »

Naaaaa ja :017

Also ich finde ja, die Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte sollte versagt und/oder widerrufen werden, wenn dort der Prostitution nachgegangen wird. DAS würde dem Geist dieses Gesetzes entsprechen!!!

Ansonsten: § 6 Abs. 1, mindestens der, aber der nach meiner bescheidenen Auffassung dürfte schon wegen der gesetzgeberischen Kompetenzordnung verfassungswidrig sein.

Überlegenswert wäre eine Verfassungsbeschwerde direkt gegen das Gesetz ohne Erschöpfung des Rechtsweges; ist in Ausnahmen die hier vorliegen könnten, möglich. Eine Musterklage im strengen Sinn sieht das deutsche Recht (fast) nicht vor.

Mehr fällt mir zu dem Machwerk jetzt nicht mehr ein.

Kasharius grüßt erzürnt :026

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Beitrag von Lady Tanja »

Unfassbar! Weltfremd!

*kopfschüttel*

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RE: Bremer SPD setzt auf staatliche Kriminalisierung und Tot

Beitrag von Emma-Gutversteckt »

Irgendwie kommt man sich gewaltig verarscht vor, wenn man sich näher mit dem Thema befasst.
An anderer Stelle las ich hier gerade, dass das Hamburger Dingsbums-Gericht Prostitution neuerdings sehr wohl als ein Gewerbe betrachtet. Was denn nun? Wenn ich ein normales Gewerbe habe (mit allen Pflichten), dann müsste ich doch eigentlich auch die entsprechenden Rechte bekommen - oder etwa nicht?
Es wirkt ein bißchen so, als wüsste die Linke Hand nicht, was die rechte tut.
Ich glaube nicht, dass das alles auf rechtlicher Ebene dauerhaft haltbar ist.

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Beitrag von Fragender »

Also, ich weiß nicht, speziell was den Teil mit der Unverletzlichkeit der Wohnung angeht, kann denn eine Wohnung, die auch für gewerbliche Zwecke genutzt wird, tatsächlich noch als reine Wohnung betrachtet werden, bei der das Recht auf diese Unverletzlichkeit vollumfänglich erhalten bleibt? Gibt's da was vergleichbares in anderen Gewerbearten, in denen Privaträume für gewerbliche Zwecke genutzt werden? Können Gewerbebetriebe, für die keine Privaträume genutzt werden, ohne richterliche Anordnung durchsucht werden?

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Beitrag von fraences »

Es handelt sich um ein Gesetzesvorlage, ist noch nicht verabschiedet.
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RE: Bremer SPD setzt auf staatliche Kriminalisierung und Tot

Beitrag von Kasharius »

Auf der 5. Sitzung des Rechtsausschusses der Bremischen Bürgerschaft am 7. Dezember 2011 fand eine Anhörung zur Opferhilfe statt. Es waren diverse Vertreter von Opferschutzinitiativen als Sachverständige geladen. In dieser Sitzung ging es auch um die Opfer von Zwangsprostitution (oder die dafür gehalten werden...). Die Sachverständigen sprachen sich hier sehr deutlich für niederschwellige B e r a t u n g s angebote aus, aber nicht so sehr für stärkere repressive Maßnahmen. Leider ist davon aber in dem aktuellen Gesetzentwurf, der in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig ist, nicht die Rede.

Hier das Protokoll der Anhörung "Bedarf der Opferhilfe":
Sexworker-Verein Nitribitt e.V. ist NICHT dabei. [ergänzt MoF]
http://www.rechtsausschuss.bremische-bu ... 122011.pdf

Und hier noch weitere Dokumente die belegen, wie reaktionär und einseitig die Debatte geführt wird:

SPD
http://www.bremische-buergerschaft.de/d ... 17_752.pdf

CDU fordert Polizeikontrolle der Wohnung bei Prostitution
http://www.bremische-buergerschaft.de/d ... 38_f86.pdf

Mehr von mir zum Thema, wenn gewünscht, demnächst....

Kasharius wendet sich mit grausen... :013

Fragender
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Bremer SPD staatliche Kriminalisierung und Totalüberwachung

Beitrag von Fragender »

§4 Absatz 1d, bedeutet das, dass z.B. ein kleines Bordell, in dem jede Sexarbeiterin für sich ein eigenes Zimmer hat, welches sie bisher sowohl für die Arbeit wie auch als Aufenthalts- und Schlafraum für sich genutzt hat, nun plötzlich ca. doppelt so viele Zimmer braucht, nur damit die Frauen nicht im selben Zimmer ausruhen und schlafen, in dem sie auch arbeiten?

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RE: Bremer SPD setzt auf staatliche Kriminalisierung und Tot

Beitrag von fraences »

Hier die Medienberichte dazu:

Bordelle sind wie Imbissbuden

Das rot-grüne Bremen will als erstes Bundesland ein eigenes Prostitutionsgesetz erlassen - und damit die Lücken füllen, die die eigene Bundesregierung hinterließ.
VON JAN ZIER

Auch ohne Prostitutionsgesetz geordnet: traditionelle Prostitution in der Bremer Helenenstraße.
Bild: Jan Zier

BREMEN taz | Der rot-grüne Bremer Senat will noch vor der Sommerpause ein eigenes Prostitutionsgesetz verabschieden.

Bremen wäre damit – nach eigenen Angaben – bundesweit Vorreiter: Bislang habe kein anderes Bundesland eine solche Regelung, heißt es bei der SPD. Ihre Bürgerschaftsfraktion beschloss gestern einen entsprechenden Entwurf, der der taz vorliegt; die Grünen wollen demnächst folgen. Bundesweit gibt es seit 2002 ein sehr allgemein gehaltenes Prostitutionsgesetz.

Der Bremer SPD geht es dabei weniger um die Rechte der SexarbeiterInnen als vielmehr um den Kampf gegen Zwangsprostitution. Es solle „unterbunden“ werden, dass Prostituierte unter „menschenunwürdigen Bedingungen“ arbeiten müssten, sagte Sybille Böschen, gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Sie sieht die eigene Gesetzesinitiative, über die bereits seit 2011 debattiert wird, selbst nur als „kleinen Schritt“ an. Man könne „Missbrauch“ auch künftig nicht ausschließen, wolle ihn jedoch „deutlich erschweren“, so Böschen. In der Vergangenheit war umstritten, ob Länder hier überhaupt eine eigene Gesetzgebungskompetenz haben. Bremen hat nun für sich eine Entscheidung getroffen – Rechtsprechung dazu gibt es nicht.

Prostitutionsstätten, wie es im Gesetzentwurf offiziell heißt, brauchen künftig eine offizielle Erlaubnis, die befristet vergeben und an eine Sperrstunde gekoppelt werden kann. Wer schon mal einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, soll keine Erlaubnis bekommen. Wer sich nicht an den geltenden Gesundheits, Arbeits und Jugendschutz hält, auch nicht. Selbst wenn „zu befürchten“ ist, dass derlei Vorschriften umgangen werden, soll die Genehmigung versagt werden. Außerdem müssen Bordelle und Modellwohnungen Telefone, Notrufsysteme sowie eigene Sanitär, Schlaf und Aufenthaltsräume für die SexarbeiterInnen haben. Und sie dürfen einerseits „nicht derart abgeschieden“ liegen, dass Bedrohte nicht zumindest „zeitnah“ Hilfe holen können. Andererseits soll verhindert werden, dass Prostitutionsstätten in reinen Wohngebieten liegen. Oder in jenen Ecken der Stadt, die der allgemeinen Erholung dienen.


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DAS PROSTITUTIONSGESETZ
Das Prostitutionsgesetz wurde 2002 von der rot-grünen Bundesregierung eingeführt. Es besteht aus drei Paragraphen.
Vor Einführung des Gesetzes war Prostitution "sittenwidrig", seitdem ist sie es nicht mehr. Ziel des Gesetzes war es, die Arbeitsbedingungen der Prostituierten zu verbessern. So können diese ihren Lohn nun auch gerichtlich einklagen und sich sich bei Kranken, Renten und Arbeitslosenversicherung anmelden. Außerdem steht ihnen eine Umschulung zu.

ExpertInnen kritisieren immer wieder, dass verbindliche Regeln zur Umsetzung fehlen. Die CDU setzt sich derzeit für eine Verschärfung des Gesetzes ein.

Grundsätzlich zulässig war Prostitution auch schon vor Einführung des Gesetzes.
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Zugleich werden Bordelle und Modellwohnungen zwar dem „nichtstörenden Gewerbe gleichgestellt“, sie können jedoch Auflagen bekommen – zum Schutz vor Lärm oder „erheblichen“, indes nicht näher bezeichneten „Nachteilen, Gefahren oder Belästigungen“. Die Betreiber dürfen die Prostituierten laut Gesetz weder verpflichten, jeden Freier zu akzeptieren, noch zwingen, bestimmte Sexpraktiken mitzumachen.

Wer gegen die Auflagen des Gesetzes vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, soll wegen Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen von bis zu 5.000 Euro rechnen müssen, im Einzelfall sogar mit bis zu 25.000 Euro. Zuständig dafür wird in Bremen der Innensenator sein – und nicht etwa der ebenfalls von der SPD gestellte Wirtschaftssenator. Obwohl, wie Böschen sagt, Prostituierte als „normale Gewerbetreibende“ behandelt werden sollen, und ihre Prostitutionsstätten Anforderungen genügen sollen, die „auch an Imbissbuden“ gelten, wie Böschen sagt.

Auch bei den Grünen ist die Prostitution Aufgabe des Innenpolitikers Björn Fecker – er war gestern nicht zu erreichen. Offenbar erhofft man sich von Stadtamt und Polizei eine stärkere Kontrolle. Sie sollten nun die „Handhabe“ bekommen, die sie schon bisher gerne gehabt hätten, sagt Böschen.

Im Vorfeld der Gesetzesinitiative wurden zwei Bremer Initiativen angehört. Eine von ihnen ist Nitribitt, eine Beratungsstelle, mit gegründet von (ehemaligen) Prostituierten. Sie wollte sich gestern nicht zu dem Entwurf äußern. Auch die Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution bei der Inneren Mission war vorab beteiligt. Für sie sei das Gesetz aber von „nicht so großer Bedeutung“, sagte eine Sprecherin gestern.





Bis Ende 2012 registrierten die Bremer Behörden
19 Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution,

2011 waren es
31,

2010 sogar
46 Fälle.


Beinahe die Hälfte der Frauen hatte die bulgarische Staatsangehörigkeit.

Bundesweit wurden im Jahr 2000 insgesamt
926 Opfer registriert,

2011 waren es 640.
www.bit.ly/bkazahlen

Das ergab jüngst eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Grünen. „Die These, ein liberales Prostitutionsgesetz führe zu mehr Menschenhandel, ist widerlegt“, sagte daraufhin deren Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Volker Beck.

SPD-Politikerin Böschen, die von sich sagt, sie wolle nicht als „Sittenwächterin“ auftreten, wünscht sich derweil, dass – nach skandinavischem Vorbild – Freier unter Strafe gestellt werden. Doch nicht einmal in ihrer eigenen Partei ist das aktuell mehrheitsfähig.

http://www.taz.de/Sexarbeits-Gesetz/%21112644/


http://www.kreiszeitung.de/lokales/brem ... 98288.html
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RE: Bremer SPD setzt auf staatliche Kriminalisierung und Tot

Beitrag von Fragender »

Ich weiß nicht, wieviel Phantasie man haben muss, um sich irgendwie vorstellen zu können, welchen anderen Sinn die Regelung über separate Schlaf- und Sanitärräume haben soll, außer die Ausübung der Prostitution zu erschweren. Wofür braucht man in einem Bordell mit z.B. drei oder vier Frauen separate Räume, wenn sowieso jede der Frauen einen eigenen Raum hat?

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Schwindende Begründung in der Opferstatistik

Beitrag von Marc of Frankfurt »

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Bremen hat eine lange Tradition der Prostitutionskontrolle.


Davon spricht allein die älteste und erste sog. "Kontrollstraße".


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Beitrag von Kasharius »

Und auch schon in der Kaiserzeit wurde durch Lobbyarbeit versucht, die Politik zur Reglementierung der Sexarbeit zu "animieren". Dies verdeutlicht dieser Kommissionsbericht aus dem Jahre 1913

http://www.reichstagsprotokolle.de/Blat ... 00322.html

Kasharius grüßt

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Beitrag von Lady Tanja »

Verstehe ich § 8 Absatz 3 richtig, daß jetzt jede SW ein Führungszeugnis braucht (das ich als Betreiberin dann vorab einreichen muß)?

...wie wirklichkeitsnah...

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malin
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Beitrag von malin »

nein, das führungszeugnis scheint nur für personen benötigt zu werden, die die arbeitsabläufe im betrieb organisieren, bzw. die vermietung an neue sw vornehmen.
dafür muss aber jede sw mindestens einen tag vor arbeitsbeginn mit name/geburtsname/geburtsort/-datum und passnummer an die behörden gemeldet werden...super, fast so schön wie bei uns in münchen.
liebe grüsse malin

eventuell fehlende buchstaben sind durch meine klemmende tastatur bedingt :-)

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Beitrag von Lady Tanja »

Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit einer
beschäftigten Person i.S.v. Absatz 1 ist unverzüglich ein Führungszeugnis nach §30 a) BZRG vorzulegen.
Hmmm, hier steht doch: die Zuverlässigkeit einer BESCHÄFTIGTEN Person soll überprüft werden.
Das wäre doch die SW (ob nun selbständig oder nicht).

Als Betreiber muß ich doch eh ein Führungszeugnis vorlegen:
§3 Absatz 2

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Beitrag von bettyboop »

Bei unsere Treffen in Freiburg war die Frage in alle Munde laut, wer macht mobil gegen diese Schwachsinn? Haben wir Leute in Bremen?
Prostitution policy is plagued by bad numbers. Bad numbers and wild estimates. If there are millions of trafficking victims who counted them and where are they?

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Beitrag von fraences »

In Bremen ist die Beratungsstelle Nitribitt. Bis jetzt ist noch keine öffentliche Stellungnahme da.

Mal schauen, ob und wie sie sich dazu äußern....

Liebe Grüße, Fraences
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