Tanja im Pussy-Club Fellbach

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fraences
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RE: Tanja im Pussy-Club Fellbach

Beitrag von fraences »

"Flatrate-Bordelle"
"Pussy-Club"-Zuhälter muss acht Jahre hinter Gitter


Zwei Betreiber mehrerer "Flatrate-Bordelle" sind wegen Menschenhandels zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. 20 ehemalige Prosituierte sagten gegen sie aus und berichteten Schockierendes.

Von Judith Kubitscheck


Minutenlang grinst der bullige Mann in die Kamera und schiebt sich provozierend langsam ein Bonbon in den Mund. Dass er und sein Komplize das Leben von über 20 rumänischen Frauen ruiniert haben, scheint ihn nicht zu kümmern – auch nicht, dass der Betreiber mehrerer Flatrate-Bordelle zusammen mit seinem Komplizen zu einer langjährigen Haftstrafe wegen Menschenhandels verurteilt wurde.

Er muss für 8 Jahre und 6 Monate ins Gefängnis, sein Komplize für 5 Jahre und 3 Monate, entschied das Landgericht Stuttgart am Donnerstag.

Der Vorsitzende Richter, Claus Belling, warf ihnen in seinem Urteil schweren Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung, zum Teil mit Zuhälterei sowie Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt in Millionenhöhe vor.

Die beiden Chef-Zuhälter betrieben die Bordellkette "Pussy-Club" mit Etablissements in Fellbach bei Stuttgart, Heidelberg, Berlin und Wuppertal. Für einen Festpreis konnten die Freier Sex mit allen Frauen haben, so lange und so oft sie wollten.

Im Laufe der 72 Prozesstage sagten knapp 20 junge Rumäninnen aus und belasteten die Angeklagten schwer. Die Frauen wurden zwischen 2004 und 2008 mit Jobangeboten nach Deutschland gelockt, mussten dann aber gegen ihren Willen in den Bordellen arbeiten. Viele von ihnen waren zu dieser Zeit noch nicht 21 Jahre alt. Auch mussten sie häufig bei Krankheit bis zur Erschöpfung arbeiten.

Die Bordell-Chefs hätten sich auf "Kosten der Würde und Gesundheit der Prostituierten" bereichert, kritisierte Belling. Oft hätten die Prostituierten nicht einmal 4 Euro pro Freier erhalten. Die beiden Köpfe des Menschenhändlerrings hätten auf listige Art und Weise die Hilflosigkeit der jungen Frauen ausgenutzt.

So zum Beispiel eine 16-jährige Rumänin, die Tochter eines Waldarbeiters. Ihr versprachen die Bordell-Chefs eine Stelle in einem Restaurant in Deutschland, sagte Richter Belling. Als sie in Heilbronn ankam, wurde ihr gesagt, die Stelle in der Gastronomie sei schon besetzt und sie müsse stattdessen in dem Flaterate-Bordell "No Limit" arbeiten, um ihre Fahrt nach Deutschland abzubezahlen.

Sie berichtete von 20 bis 30 Männern, die sie täglich bedienen musste, später im Fellbacher Pussy Club (bei Stuttgart) seien es 50 bis 60 pro Tag gewesen, so der Richter.


Plädoyer für Verbot solcher Bordelle

"Dieses Strafmaß ist hoch, vielleicht eines der bisher höchsten für Menschenhandel überhaupt", sagte Opferanwalt Jens Rabe. Als einen Grund nannte er, dass die beiden Angeklagten nicht nur wegen Menschenhandels verurteilt worden seien, sondern in das Strafmaß auch ein Sozialversicherungsbetrug in Millionenhöhe einfließe.

Die Leiterin des Fraueninformationszentrums Stuttgart, Doris Köhncke, begrüßte das hohe Strafmaß. Die langjährige Haftstrafe für die Club-Chefs zeige, dass Menschenhandel kein Kavaliersdelikt sei. Flatrate-Bordelle sollten verboten werden, sagte Köhncke, die zusammen mit ihrer Kollegin 14 betroffene Frauen im Prozess begleitete. Bei Flatrate-Sex werde die Frau zur Massenware degradiert.

Die 22 betroffenen Frauen sind nicht zur Urteilsverkündigung erschienen. Die meisten leben wieder in ihrer rumänischen Heimat, aus der sie einst weggingen, weil sie sich ein besseres Leben wünschten. Einige schaffen in anderen Etablissements an.

Eine Mandantin von Opferanwalt Rabe äußert sich per Telefon: "Es war wichtig für mich, dass das Gericht und die Öffentlichkeit erfährt, unter welchen Bedingungen wir Frauen gehalten wurden." Wesentlich bedeutender als ein hohes Strafmaß sei für sie, dass die Angeklagten nun tatsächlich schuldig gesprochen wurden.


Neun Verurteilungen

Der Prozess ist abgeschlossen. Der bullige Mann mit Türsteherfigur, der zwischen zwei Polizisten sitzt, grinst immer noch. "Er ist unbelehrbar", beklagt sich sein Verteidiger Werner Haimayer. Bis zum Schluss hätte er sich als nicht schuldig bekannt, er sei ein "Menschenverführer".

In dem Prozess, der seit mehr als einem Jahr vor der 10. Großen Wirtschaftsstrafkammer im Stuttgarter Landgericht verhandelt wurde, waren 9 Männer und 1 Frau angeklagt. 6 Männer wurden bereits im Sommer zu Haftstrafen von bis zu 5 Jahren verurteilt, das Verfahren gegen die Frau wurde eingestellt. Am 8. Februar wurde ein weiterer Mann wegen schweren Menschenhandels und Zuhälterei zu 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt.


www.welt.de/politik/deutschland/article ... itter.html

www.focus.de/panorama/welt/mammutprozes ... 33520.html





Prozessbeobachter berichtet
www.bw7.com/forum/showpost.php?p=350945&postcount=24
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

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Urteil 2. Pussy-Club-Prozess

Beitrag von ehemaliger_User »

Interessant, wie die Presse von knapp 20 Frauen berichtet - es waren 16. "Knapp 20" hört sich wohl einfach besser an. Es geht auch objektiver:



Frank Rodenhausen von der "Stuttgarter Zeitung" schreibt:

Stuttgart - Nach einer gut einjährigen Prozessdauer mit insgesamt 72 Verhandlungstagen hat das Stuttgarter Landgericht jetzt 2 Betreiber mehrerer sogenannter Flatratebordelle zu hohen Haftstrafen verurteilt.

Die aus Rumänien stammenden Männer, 35 und 38 Jahre alt, müssen wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, Zuhälterei und Sozialversicherungsbetrugs in Millionenhöhe für 8 Jahre und 6 Monate, beziehungsweise 5 Jahre und 3 Monate ins Gefängnis.

Die beiden Männer gelten als die Köpfe jener Menschenhändlerbande, von der bereits 7 Mitglieder Haftstrafen von bis zu 5 Jahren angetreten haben.

Die illegalen Machenschaften lassen sich laut Erkenntnissen der 10. Wirtschaftsstrafkammer bis in das Jahr 2004 zurückverfolgen. Damals hätten die beiden Angeklagten beschlossen, Frauen in Rumänien anzuheuern, um sie in Deutschland als Prostituierte arbeiten zu lassen.

Die jungen, zum Teil minderjährigen Frauen, die unter dem Vorwand eines gut dotierten Jobs in der Gastronomie angelockt wurden, mussten für ihre Schleuser, die ihnen gefälschte Papiere besorgten, zunächst in "Fremdbordellen" anschaffen. Eine Razzia in einem Frankfurter Freudenhaus beendete dieses Arrangement Ende 2005.

Dann eröffneten die Angeklagten im hessischen Schifferstadt ihren ersten eigenen Club, den der Vorsitzende Richter, Claus Benning, als den „Prototyp der späteren Flatratebordelle“ bezeichnete.

Zum Tagespreis von 100 Euro hätten die Freier dort „so oft sie wollten oder konnten“ mit den Prostituierten verkehren können, Speisen und Getränke inklusive.

Die Frauen hätten dafür einen Wochenlohn zwischen 300 und 700 Euro erhalten.

Die Anwerbung in Rumänien hätten die beiden Chefs zum Teil selbst übernommen, die Frauen seien in Kleinbussen nach Deutschland transportiert und in einer Heilbronner Wohnung untergebracht worden.

Auch eine Verurteilung vor dem Frankfurter Landgericht nach einer Razzia im Jahr 2007 habe die Machenschaften nicht unterbinden können.

Während der eine der Angeklagten das Geschäft vom Gefängnis aus und während des Freigangs organisierte, setzte sich der andere nach Spanien ab, von wo aus er weiter überaus aktiv war.

Über Strohmänner und -frauen wurden 4 neue Flatratebordelle, darunter auch der Fellbacher "Pussy-Club" im Rems-Murr-Kreis [Fellbach bei Stuttgart], eröffnet.

Die Frauen mussten dort jeweils bis zu 40 Männer pro Tag bedienen.

Nach einer groß angelegten Durchsuchungsaktion der Polizei in den Etablissements im Jahr 2009 wurden das Geschäftsmodell kurzfristig geändert und unterschiedliche "Gewerbeverantwortliche" eingesetzt. ["Strohfrauen" Anm. Marc]

Doch Telefongespräche, welche die Polizei mittlerweile mithörte, offenbarten die tatsächlichen Strukturen.

Die beiden Angeklagten seien ohne Zweifel nicht nur die Profiteure sondern auch die Verantwortlichen des Menschenhandelsystems gewesen, sagte der Vorsitzende Richter.

Auch wenn man die Tageslöhne der Prostituierten sehr vorsichtig und in dubio pro reo auf 100 Euro schätze, so habe der eine Angeklagte hinsichtlich vorenthaltener Sozialabgaben doch einen Gesamtschaden von 1,8 Millionen Euro zu verantworten, der andere einen von mehr als einer Million.



Zwar habe man wohl massive Drohungen gegenüber den Prostituierten,
aber keinen Fall körperlicher Gewalt nachweisen können,
das "übermäßige Profitstreben der Angeklagten
auf Kosten der finanziellen Belange, der Gesundheit und nicht zuletzt der Würde der Opfer"
durchziehe jedoch das gesamte Tatgeschehen
.



[ Hier wird die Würde von außen über die Sexarbeiterinnen definiert, um die Männer abzuurteilen. Das ist Feinstrafrecht. Wenn man so auch gegen andere Industriebetriebe urteilen würde, dann müßte man den ausbeuterischen Kapitalismus in der globalisierten Welt insgesamt in den Knast stecken (Amazon, Textilhandel, Brotfabrik wo Günter Wallraf war, Fleischindustrie, Bau...). Anm. Marc 2013 ]
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Marc of Frankfurt
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Frage der Beweiswürdigung

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Bild
Lycisca hat geschrieben:Zwischen der rechtlichen Beurteilung der Flatrate Bordelle durch Gerichtsurteile und dem Lokalaugenschein einer Sexarbeiterin dieses Forums gibt es einen drastischen Unterschied in der Wahrnehmung.

Das legt eine Frage nahe: Was ist, wenn die Richter und Staatsanwälte in den Flatrate-Bordell-Verfahren von vorne herein angenommen haben, dass Prostitution in Flatrate-Bordellen unmöglich freiwillig sein kann?
Färbt dann ein solches Vorurteil nicht auf die Beweiswürdigung ab, indem Aussagen, welche das Vorurteil stützen, hoch gewichtet werden, und alle anderen Aussagen bezweifelt?

Dazu schreibt der User Prozessbeobachter im BW7 Forum:

"Leider schreibt die Presse meist das, was die Leute oder die Politik hören
wollen und lässt mehr oder weniger bewusst die Dinge weg, die mögliche
Tatbestände relativieren könnten. Alles, was das Klischee bedient, könnt ihr
also mehr oder weniger richtig in der Zeitung lesen. Hier möchte ich
allerdings einige Prozessfakten aufführen, nach Befragung einiger Frauen
und an den Ermittlungen beteiligter Polizisten, welche die Öffentlichkeit wohl
kaum erfährt.

Die schriftlich vorliegenden Aussagen der Frauen wurden hauptsächlich ohne
vereidigten Dolmetscher angefertigt. Bei den meisten Vernehmungen war
wohl nur je ein rumänisch sprechender deutscher Polizist anwesend.


Einer Zeugin, der man im Prozess Stellen ihres schriftlichen
Aussageprotokolles vorgehalten hat, konnte mit Hilfe des im Prozess
anwesenden vereidigten Dolmetschers an entscheidenden Stellen die Schärfe
ihrer alten Aussage entkräften.
( Zum Verständnis ein Beispiel: Im Protokoll wurde von „Bewachern“
gesprochen, welches die Zeugin auf Nachfrage aber als „Beschützer“
verstanden wissen wollte, und nicht, wie es das Protokoll suggerierte, als
„Überwacher“. Solche Effekte kamen häufiger vor)

Auf Nachfrage der Verteidigung an einen Polizisten, ob den Frauen mit
Haftstrafe gedroht wurde, falls sie nicht aussagen
, kam nur die Antwort, er
könne sich nicht erinnern.
Diese Antwort kam von den befragten Polizisten, auch auf andere Fragen,
sehr häufig.

Eine Zeugin sagte, dass sie zwar mit einem anderen Jobangebot nach
Deutschland gekommen war. Als man ihr dann offerierte, was sie tun sollte,
wurde sie aufgrund der daraus resultierenden finanziellen Möglichkeiten
neugierig. Sie habe es freiwillig angefangen und hätte jederzeit gehen
können. Von Ausübung von Gewalt sprach sie mit keinem Wort.


Als sie noch in FKK-Clubs, arbeitete habe sie an die Angeklagten Geld
gegeben, weil diese gesagt hätten, dass sie es zu bezahlen habe. Auf
Nachfrage des Richters, warum sie denn gezahlt hätte, ob man ihr mit etwas
gedroht hätte, falls sie nicht zahlt, sagte sie, sie habe es gemacht weil es
alle gemacht haben. Sie hätte nicht weiter darüber nachgedacht
.

Auffällig ist, dass die Zeuginnen unmittelbar vor ihrer Aussage, obwohl
vorher nicht als Nebenklägerinnen aufgetreten, mit einem
Nebenklägerverteter ausgestattet wurden.
Eine Zeugin wurde von allen
Vertretern der Angeklagten befragt, ob sie irgendwelche Ansprüche oder
Vorwürfe gegen diese hätte. Sie antwortete jedes Mal mit Nein!

Eine weitere Frau sagte aus, sie sei von den Angeklagten einer
Zigeunergruppe abgekauft worden, welche sie zuvor schwer misshandelt
hatte. Das von den Angeklagten bezahlte Geld sollte sie natürlich
zurückzahlen bzw abarbeiten. Dennoch war sie den Angeklagten dankbar.

Angeklagt sind die Beschuldigten unter anderem wegen Menschenhandels.

Menschenhandel (§232) trifft unter anderem dann schon zu, wenn man
jemanden zur Prostitution bringt, der unter 21 Jahren alt ist. Dies trifft auf
viele der bisherigen Zeuginnen zu.

Es wird sich zeigen, wie der Prozess weiter geht…"

www.bw7.com/forum/showpost.php?p=350945&postcount=24
und weitere postings im selben Thema
www.bw7.com/forum/showthread.php?t=45002





Fachbuch 2008:
"Menschen Handel - Wie der Sexmarkt strafrechtlich reguliert wird"
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=1064&start=78

Siehe auch Dokumentarfilm bzw. Machwerk
"Menschenhandel in Europa - Billignachschub für deutsche Puffs"
25. April 2012, 22.45 Uhr
von Dr. Rita Knobel-Ulrich (*1950 FFM)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=114633#114633

Das zeigt warum Litigation PR für die Verteidigung so wichtig ist. Und das haben die Prostitutionsgegner als verlängerter Arm der Anklage umfangreich betrieben und die Pussy-Club-Angeklagten konnten das nicht. Ist auch eine Kostenfrage, womit die "Käuflichkeit von öffentlicher Wahrheit" in den Blick gerät. Vgl. Kachelmann Prozess mit Alice Schwarzer Berichterstattung:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=105774#105774





.

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Beitrag von ehemaliger_User »

Die Pussyclub-Angeklagten müssen doch auch über gut gefüllte Kassen verfügen. Denn: wo sind die hinterzogenen Millionen? Gibt es noch andere Hintermänner"

Gegen den Tatvorwurf Menschenhandel war nicht anzukommen - dazu waren die meisten Frauen einfach nicht alt genug.
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BGH, Beschluss vom 06.06.2013 - 1 StR 581/12

Beitrag von ehemaliger_User »

BGH: Verurteilung führender Zuhälter im Verfahren um «Flatrate-Bordelle» rechtskräftig

Die Verhängung langjähriger Freiheitsstrafen gegen die Köpfe der Zuhälterbande im «Flatrate-Bordell»-Verfahren durch das Landgericht Stuttgart 2012 ist nicht zu beanstanden.

Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen der Angeklagten mit Beschluss vom 06.06.2013 verworfen (Az.:1 StR 581/12). Das Urteil ist damit rechtskräftig.


Sachverhalt

Die Angeklagten hatten als führende Köpfe einer Bande mit anderen Bandenmitgliedern rumänische Frauen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren zumeist mit falschen Versprechungen über lukrative berufliche Perspektiven nach Deutschland gelockt.

Hier hatten sie die Frauen unter Ausnutzung von deren Mittellosigkeit und Sprachunkenntnis dazu veranlasst, Prostitution auszuüben. Dabei hatten die Angeklagten ab dem Jahr 2006 das Modell des sogenannten «Flatrate-Bordells» entwickelt, bei dem Freier für einen pauschalen Eintrittspreis mit beliebig vielen Frauen in den Bordellen sexuell verkehren durften.

Die durch ein ausdifferenziertes System aus Verhaltensregeln, Strafen und Belohnungen gefügig gehaltenen Frauen hatten hierbei teilweise mehr als 30 Freier täglich zu bedienen.

Etwa seit 2008 hielten sich die Angeklagten nicht mehr selbst in den Bordellen auf, sondern erteilten aus dem Hintergrund ihre Weisungen.

Die vorgeschriebenen Beiträge zur Sozialversicherung für die Prostituierten führten sie nicht ab.
[ Berechnung der Sozialabgaben-Hinterziehung http://www.sexworker.at/phpBB2/viewtopi ... 504#131504 ]


Revisionen offensichtlich unbegründet

Das Landgericht Stuttgart hat die Angeklagten am 05.04.2012 wegen vielfachen gewerbs- und bandenmäßig begangenen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB) und damit zusammenhängender weiterer Delikte (Zuhälterei, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt (Az.:10 KLs 211 Js 62034/09).

Von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Millionenhöhe hat das Gericht wegen vorrangiger Ansprüche geschädigter Sozialversicherungsträger abgesehen.

Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen der Angeklagten gegen dieses Urteil gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

[ § 349 Abs. 2 StPO "Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet." http://dejure.org/gesetze/StPO/349.html ]

Damit ist das Urteil rechtskräftig.


http://beck-aktuell.beck.de/news/bgh-ve ... htskr-ftig


[Hervorhebungen, Ergänzungen MoF]
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Marc of Frankfurt
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Re: BGH Beschluss

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Interessant, damit ist der Fall erst jetzt 6. 6. 2013 nach 4 Jahren abgeschlossen.

Was das Verfahren wohl gekostet hat?

Hier der Beginn mit Großrazzia Pussy Club bei Stuttgart 26. 7. 2009
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=61942#61942
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=62075#62075
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=75212#75212



> "Die vorgeschriebenen Beiträge zur Sozialversicherung für die Prostituierten führten sie nicht ab."

"vorgeschrieben" klingt wie Hohn.
Wie soll für eine minderjährige oder illegale Sexarbeiterin eine legale Beschäftigung eingerichtet werden?

Bisher gibt es m.E. nirgends sozialabgabenpflichtige Arbeitsverhältnisse für Sexarbeiter. Wieso kann also so eine Formulierung getroffen werden?

(Muster-Arbeitsvertrag-Prostitution www.sexworker.at/prostg >> Attachment)

1. Pussy-Club Urteil LG Stuttgart 07. 2010
gegen die weibliche Betreiberin und 2 Helfer (26 Jahre, Strohfrau?):
2,7 Millionen Sozialversicherungshinterziehung (hab die Staatsanwaltschaft aus der Anklage nachträglich fallen gelassen?)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=84213#84213

2. Pussy-Club Urteil LG Stuttgart 04. 2012
gegen die 2 Männer (35 und 38 Jahre alt, Strippenzieher?)
2,8 Millionen (1,8 Milllionen plus mehr als 1 Millionen) bei den 2 Angeklagten
bezüglich 16 Frauen
und 4 Flatrate Clubs
über 4 Jahre (2005 Club Schifferstand - 2009 Razzia Fellbach)
oder grob gemittelt
175.000 EUR Sozialabgabenbetrug je Betrieb und Jahr
40.000 EUR Sozialabgabenbetrug je Sexarbeiterin und Jahr (entspräche 117.000 EUR Jahresumsatz/Sexarbeiterin)
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=113833#113833



> teilweise bis zu 30 Freier am Tag zu bedienen

Das ist höchstwahrscheinlich der medien-sensationalistisch ausgeschlachtete Maximalwert. Wichtig zu wissen wäre natürlich die genaue Verteilung bzw. Lage-, Streuung- oder Konzentrationsparameter. Die werden uns vorenthalten, weil das Geschäftsmodell mit diesem Mammutprozess kriminalisiert ist. Ein Business-Plan Sexwork kann aber nicht auf solche Informationen verzichten, zumal diesen heute sogar Ämter in D oder CH verlangen www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=132781#132781 .




> "Von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Millionenhöhe hat das Gericht wegen vorrangiger Ansprüche geschädigter Sozialversicherungsträger abgesehen."
(Sonderrechte?)

Was bedeutet das?


Warum haben wir das Stuttgarter Urteil noch nicht gefunden?



Linkübersicht Flatrate Pussy Club
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=4869

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RE: Tanja im Pussy-Club Fellbach

Beitrag von La Marfa »

Soweit ich weiß, entstehen die Verpflichtungen zur Zahlungen der Abgaben (Sozial-, Steuer-) aus der faktischen Einnahmeerzielung ungeachtet deren Rechtmäßigkeit.

Das Gesetz lässt solche Verträge jedenfalls zu.

Der Vertrag, den du verlinkt hast, ist ein Musterarbeitsvertrag. Sofern du nicht aus internen Informationen weißt, welche Art vertrags-schriftliche oder -mündliche Abmachungen vorlagen oder aus den faktischen Verhältnissen angenommen werden, hast du keine Grundlage, die Richtigkeit der Formulierung "vorgeschriebene Beiträge" anzuzweifeln.

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Marc of Frankfurt
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"Vorschriftsmäßig"?

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Deine Formulierung verstehe ich noch nicht. Benutzt du das "du" weil du mich meinst oder an stelle von "man/frau/jemand"? ("du hast keine Grundlage anzuzweifeln" finde ich krass formuliert, aber evt. weil ich dich noch nicht genug kenne?)


Wir wissen doch alle, dass der Mustervertrag Prostitution ein politisches Projekt war von Emilia und ver.de, die Legalität der Sexarbeit voranzutreiben, Betreiber zu ermutigen den nächsten Schritt zu gehen Sexworker einzustellen, Sexworker zu empowern für ihre Arbeits-Rechte einzutreten, sie über ihre Rechte ersteinmal aufzuklären und gleichzeitig als Studie, um die seit ProstG 2002 neue Rechtslage Arbeitsrecht in der Sexarbeit überhaupt mal aufzuarbeiten und darzustellen...

Aber der Mustervertrag wurde m.E. nie angewendet, weil das Zuhälter-Verdikt bei solchen Festanstellungsvertägen in der Prostitution grundsätzlich und ähnlich wie bei der Arbeitsform Flatrate im speziellen nach wie vor von den Behörden angewendet wird. Wer also "vorgeschrieben Beträge abführt" kommt dennoch ins Gefängnis wg. Zuhälterei. Wie passt das juristisch erklärt zusammen? Wie erklärt man das den Sexworkern?

Wer kennt Beispiele, wo Kriminelle oder sollte man besser sagen Kriminalisierte "vorschriftsmäßig Beiträge abführen"?

Wer kennt die zugrundeliegende Rechtsnormen die regeln, dass Steuern und SOZIALABGABEN bezahlt werden müssen, auch wenn die Arbeit und das Beschäftigungsverhältnis illegal ist?


__
Beim Thema Einkommensteuer:
- 2013 Urteil Bundesfinanzhof: "Eigenprostitution ist Gewerbebetrieb und daher gewerbesteuerpflichtig"
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=131513#131513
- 1964 Steuerpflicht für Prostitutierte eingeführt. BFH-Entscheidung: Einkünfte aus "gewerbsmäßiger Unzucht" sind "sonstige Einkünfte", aber daher nicht gewerbesteuerpflichtig.
www.handelsblatt.com/finanzen/recht-ste ... 83396.html

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RE: Tanja im Pussy-Club Fellbach

Beitrag von La Marfa »

Zunächst mal das "Persönliche":
1. Du hast geschrieben ""vorgeschrieben" klingt wie Hohn.
Wie soll für eine minderjährige oder illegale Sexarbeiterin eine legale Beschäftigung eingerichtet werden?

Bisher gibt es m.E. nirgends sozialabgabenpflichtige Arbeitsverhältnisse für Sexarbeiter. Wieso kann also so eine Formulierung getroffen werden? "
Das verstand ich als deine persönliche Meinung, weil es nicht als Zitat von irgendwoher oder irgendjemandem gekennzeichnet war.

2. Darüber hinaus ist der Mustervertrag genau das -> ein Muster, und noch dazu von einer Gewerkschaft, der die Vertragsparteien, wie ich glaube, nicht angeschlossen und verpflichtet sind. Unabhängig von der Existenz eines Mustervertrags als Vertragsvorschlag dürfen die Parteien, die einen Vertrag schließen wollen, aufgrund der Vertragsfreiheit immer abweichen. Möglicherweise ist dann der individuelle geschlossene Vertrag in Teilen oder gänzlich unwirksam. Dennoch kann ja ein Vertrag geschlossen worden sein, auch unter Beachtung deines Erachtens, dass nie ein Vertrag nach Mustervertrag ver.di geschlossen worden ist.

Wenn also gemäß 1. deine persönliche Anmerkung ist, mit der du die Entscheidung in Zweifel ziehst, und du gemäß 2. keine interne Kenntnis der Vertragslage hast, dann folgt logisch, dass du keine Grundlage für den Zweifel hast.
Wenn nur eine der Bedingungen für meine Schluss nicht zutrifft, trifft mein Schluss nicht zu.
Soll heißen: Wenn 1. ein nicht gekennzeichnetes Zitat darstellt und nicht deine persönliche Meinung, dann bist natürlich nicht du persönlich gemeint, sondern eben die Quelle.
Wenn 2. nicht zutrifft, eil du interne Kenntnis über die Vertragslage der Parteien besitzt, die keine Beitragspflicht begründen, dann hast du natürlich eine Grundlage dafür, die richterloche Entscheidung in Zweifel zu ziehen.

Insofern war meine Einlassung kein persönlicher Affront gegen dich, sondern nur die Auswertung deines Beitrags.

Es tut mir leid, dass ich meine Verkürzung nun so lang auseinanderklamüsert habe, ich dachte, dass ich auch in der Verkürzung die Logik klar darstellen konnte. Leider passiert es mir gelegentlich, dass ich die Dinge zu kompakt ausdrücke.

Nun zu deiner letzten Frage:
"Wer kennt die zugrundeliegende Rechtsnormen die regeln, dass Steuern und SOZIALABGABEN bezahlt werden müssen, auch wenn die Arbeit und das Beschäftigungsverhältnis illegal ist? "

Ich glaube mich zu erinnern, dass ich das so gelernt habe, aber ich muss die Quelle suchen.

Oder vielleicht springt auch @ Kasharius fachlich ein?

La Marfa

PS:
Nur weil "Wer kennt Beispiele, wo Kriminelle oder sollte man besser sagen Kriminalisierte "vorschriftsmäßig Beiträge abführen"? " womöglich tatsächlich faktisch bisher niemals der Fall gewesen sein mag, heißt das ja nicht, dass nicht die Rechtsgrundlage für Behörden besteht, Beiträge zu verlangen. Und auch wenn die Behörden diese bislang nicht eingefordert haben, so können sie doch ihr Vorgehen in anderen Fällen ändern.

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Beitrag von Kasharius »

@ La Marfa
@Marc

ich glaube @Marc´s "Letzte Frage" war rethorisch, im Sinne von Wer kennt schon die diesbezügliche Rechtslage, gemeint ...oder?

Was Sozialabgaben und die Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und freier Mitarbeit angeht ist dies insbesondere in den Sozialgesetzbüchern III,IV, V und VI bzw. XI geregelt. Ich glaube es gibt unter Rechts-Tips einen entsprechenden Thread, auch was Steuern betrifft.


Kasharius grüßt

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RE: Tanja im Pussy-Club Fellbach

Beitrag von La Marfa »

Zur Steuerpflichtigkeit von illegal erworbenen Einnahmen siehe hier
http://www.iww.de/pstr/archiv/bundesrec ... fte-f10298
was auch rechtlich logisch ist, da man nicht einen Rechtsbrecher besser stellen darf als einen Menschen, der legale Einkünfte erzielt, insofern darf man illegale Einnahmen schon logisch aus der Steuerpflicht gar nicht ausnehmen.

Selbst eine Pflicht bzgl. Sozialabgaben kann man dabei folgern. Und zwar folgendermaßen: Wer nicht den gesetzlichen Mindestlohn zahlt, der macht sich strafbar. Erst recht, wer Lohnwucher betreibt. Dennoch sind diese Arbeitgeber zur Leistung der vollen Sozialabgaben verpflichtet, die anfielen, würden sie die regulären Löhnen zahlen.
http://www.hensche.de/Arbeitsrecht_aktu ... 17-09.html

La Marfa

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RE: Tanja im Pussy-Club Fellbach

Beitrag von Melanie_NRW »

Ich habe den Satz von Marc eher so verstanden, das es ein Hohn ist, das sich die Behörden AUCH noch an der Situation der Opfer bereichern möchte und sich über deren nicht gezahlte Sozialabgaben beklagen...

Ist vielleicht Auslegungssache... jeder liest es so, wie er es verstehen möchte.

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Beitrag von Kasharius »

@Melanie

dann sollten wir vielleicht den Urheber umAuslegungshilfe bitten.

Kasharius grüßt

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Beitrag von ehemaliger User »

Von einer "Bereicherung" an den "Opfern" kann ja wohl keine Rede sein im Lichte der Tatsache, dass die Arbeitnehmeranteile der Sozialabgaben in solchen Fällen von dem Arbeitgeber (nach-) zu entrichten sind, der Arbeitnehmer also faktisch den vollen Betrag der Sozialabgaben vom Arbeitgeber geschenkt bekommt, und zwar rückwirkend. Dies oft auch noch, obwohl es den Arbeitnehmern mitunter nicht wirklich unangenehm war, dass für sie keine Sozialabgaben entrichtet werden, denn dadurch habe sie ja mehr "netto" (und behalten dies auch, s.o.).