ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Tilopa
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Re: RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Tilopa »

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Hamster hat geschrieben:PROSTITUTION ALS FORM DER GESELLSCHAFTLICHEN UNTERDRUECKUNG

Dokumentiert: Antrag zur Landesmitgliederversammlung der Linksjugend ['solid] Niedersachsen: Prostitution als Form der gesellschaftlichen Unterdrueckung.
[...]
www.derfunke.de/index.php/rubriken/frau ... rdrueckung
Kleine Randnotiz zu dieser Geschichte:
Der Vorstand der Linksjungend Niedersachsen ist ja offenbar großteils mit Trotzkisten der Internationalen Marxistischen Tendenz besetzt -- jene, die sich auch für den zitierten Antrag verantwortlich zeigen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass im Organ ihrer britischen Mutter-Organisation kürzlich ein Artikel mit deutlich moderateren Tönen und pro Entkriminalisierung veröffentlicht wurde (Link geht zu genannter trotzkistischer Gruppierung):
http://www.marxist.com/prostitution-cut ... inists.htm

@Klaus: Gute Antwort hast du verfasst, habe ich gerne gelesen. :001

Klaus Fricke
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »

welcome back @tilopa

Schön erneut von Dir zu hören. Danke für die Informationen zum trotzkistischen Hintergrund der niedersächsischen Linksjugend und zu den Differenzen innerhalb der Trotzkisten zum Umgang mit SW

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Arum
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Beitrag von Arum »

Justizminister plant Haftstrafen für Freier von Zwangsprostituierten

Männer, die Sexdienste von Frauen in Zwangslagen nutzen, sollen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Das geplante Prostitutionsgesetz ist schon jetzt umstritten.


Justizminister Heiko Maas (SPD) bei einer Pressekonferenz in Potsdam-Babelsberg: Aus dem Justizministerium kommt ein Gesetzentwurf, der Haftstrafen für Freier von Zwangsprostituierten vorsieht. © Ralf Hirschberger/dpa
Freier von Zwangsprostituierten müssen künftig mit Haftstrafen von bis zu fünf Jahren rechnen. Ein entsprechender Gesetzentwurf von Union und SPD zur Neuregelung der Straftatbestände beim Menschenhandel sehe Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor, berichteten die Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Die Regelung soll die ohnehin umstrittene Novellierung des Prostitutionsgesetzes ergänzen. Demnach sollen Männer, die sexuelle Dienstleistungen von Frauen in einer Zwangslage in Anspruch nehmen, bestraft werden – etwa weil sie durch einen Zuhälter zur Prostitution gezwungen werden. Bisher sieht das Gesetz nur Strafen für Zuhälter, nicht aber für die Freier vor.


Dem Bericht zufolge bietet der geplante Paragraf den Freiern jedoch einen Ausweg: Sollte der Freier bemerken, dass die Prostituierte unter Zwang steht, und deswegen freiwillig Anzeige erstatten, ginge er straffrei aus. Voraussetzung wäre nach dem Entwurf, dass die Tat zum Zeitpunkt der Anzeige nicht bereits von den Behörden entdeckt worden war.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte das geplante hohe Strafmaß. "Fünf Jahre Freiheitsstrafe – das macht deutlich, dass es ein schwerwiegendes Vergehen ist und kein Bagatelldelikt", sagte der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow. Es sei jedoch fraglich, ob Strafen für Freier wirklich durchzusetzen seien. "Man muss jemandem nachweisen, dass er wusste, dass die Prostituierte gezwungen wurde."

Die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechnet damit, dass das Geschäftsmodell der Zwangsprostitution durch die Novellierung gestört werde: "Wir wollen die Freier in die Verantwortung nehmen."

Prostituierte kritisieren die Neuregelung

Sexarbeiterinnen dagegen kritisieren die Novellierung des Gesetzes. "Betroffene von Menschenhandel und krimineller Ausbeutung werden nicht irgendwo in Osteuropa entführt und hier dann heimlich in einem Keller gehalten. Das sind Leute, auf die permanent psychischer Druck ausgeübt wird. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass Behördenkontakt diese Menschen dazu brächte, sich zu offenbaren", sagte Undine de Rivière, Pressesprecherin des Berufsverbandes Sexarbeit, im Interview mit der ZEIT. Die Interessensvertreterinnen kritisieren auch die geplante Registrierungspflicht für Sexarbeiter. Das sei "stigmatisierend und datenschutzrechtlich fragwürdig".

Einer Sprecherin des Justizministeriums zufolge soll die Neuregelung des Gesetzes dennoch zügig umgesetzt werden.

http://www.zeit.de/politik/deutschland/ ... fen-freier

Mein dortiger Kommentar dazu (da waren ja wieder welche, die die sogenannte Armutsprostitution mit Zwangsprostitution gleichsetzten):

Ein solches Gesetz würde es dem Staat ermöglichen, Zwangsprostituierte als Lockvögel zu benutzen. Das heisst, sie in ihrer Lage stecken zu lassen, damit man möglichst viele Freier bestrafen kann. Denn, zuerst muss ja der Polizei bekannt sein, dass die Frau tatsächlich fremdbestimmt arbeitet. Sonst greift das Gesetz eben nicht.

Und wenn denn unter Zwangsprostitution schon sogenannte Armutsprostitution verstanden werden müsste, so hiesse ein solches Gesetz im Endeffekt ein Berufsverbot für Rumäninnen, Ungarinnen, Bulgarinnen, Polinnen usw. Eine sehr anständige Form der Xenofobie, die gerne darüber hinwegschaut, dass diese Frauen vielleicht genauso gut wie deutsche Studentinnen in der Lage sein dürften, sich ihr Einkommen über diesen Weg aufstocken zu wollen.
Aber nein, da sollen die Rumäninnen usw. doch schön Spargel stechen gehen! Zu einem Stundenlohn von 5 Euro oder gar noch weniger! Das möchten die auch eigentlich lieber. Sind ja nur gezwungen worden, arbeiten zu gehen in einem Berufszweig, wo es Stundenlöhne von 150 Euro gibt.

Würde die sogenannte Armutsprostitution schon als Zwangsprostitution eingestuft werden, dürften letztendlich nur solche Frauen in der Prostitution aktiv sein, die über einem gewissen Mindestmass eh schon andersweitig ihr Geld verdienen. Hauptberuflich der Prostitution nachgehen wäre dann unmöglich. So wäre dann hintenherum die Sittenwidrigkeit wiederhergestellt.



Ich füge hier gerne hinzu, was ich dort mal lieber unterdrückte: Das ganze Gerede von Armutsprostitution ist einfach eine neue, gutmenschliche Form des altbekannten Unterschieds zwischen Deutschen und Untermenschen. Das kotzt mich so was von an.
Guten Abend, schöne Unbekannte!

Joachim Ringelnatz

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Lady Tanja
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Beitrag von Lady Tanja »

Der Deutschlandfunk meldet es als erstes:

http://www.deutschlandfunk.de/kabinett- ... _id=349182

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friederike
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Beitrag von friederike »

Ja, das Bundeskabinett hat den Gesetzesentwurf verabschiedet. Er ist aber damit noch nicht "beschlossene Sache", wie im Deutschlandfunk voreilig vermeldet. Der Entwurf geht jetzt in den Deutschen Bundestag und in dessen Ausschüsse.

Es gilt das "Struck'sche Gesetz", benannt an dem (leider verstorbenen) SPD-Politiker Peter Struck: "noch hat kein Gesetz den Bundestag so verlassen wie es hineingekommen ist".

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Jupiter
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Jupiter »

Da die CSU eigentlich z. Zt. alle Gesetzesvorhaben im Kabinett durch plötzliche zusätzliche Forderungen blockiert, muss es zu Denken geben, dass sie diesen Gesetzesentwurf durchgewunken haben.

Meine Hoffnung, dass es noch wesentliche Änderungen gibt, liegt jetzt beim Bundesrat (Vermittlungsausschuß).

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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Beitrag von Tanja_Regensburg »

Ich würde mich freuen, wenn sich da noch etwss in unserem Sinne ändern würde, befürchte aber, dass dss wirklich ein Wunschgedanke ist.

Einzig weiß ich mittlerweile, dass Kommunen bereits überlegen was Konzessionen und Anmeldung als Sexdienstleisterin kosten, und wieviel man uns dafür als Gebühren aufbrummen kann. Zudem ist es das Aus für einen ganze Berufszweige, die nie und nimmer eine Betriebserlaubnis ( bzw Baunutzungsänderung) bekommen werden. Im Moment geduldet, da störungsfrei, künftig geschlossen da es keine Konzession geben wird.

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Jupiter
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Jupiter »

Richtig Tanja; zumal den Komunen praktisch Narrenfreiheit gegeben wird. Gleichzeitig wird es intern sicher eine Begrenzung geben, so wie es schon zu alten Zeiten, eben vor dem alten Gesetz es gab.

Es bleibt wohl dabei, dass dies ein Prost-Verhinderungsgesetz wird.

Gruß Jupiter
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fraences
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von fraences »

Pressemitteilung von Dona Carmen e. V
Ignorant, repressiv, schändlich: Bundeskabinett verabschiedet ‚Prostituiertenschutzgesetz‘

Publiziert am März 23, 2016


Am heutigen 23. März hat das Bundeskabinett das so genannte ‚Prostituiertenschutzgesetz‘ verabschiedet – ein massiver Angriff auf die Grundrechte von Sexarbeiter/innen:

Art. 2 GG: Mit dem Zwangsouting im Rahmen einer Meldepflicht für Prostituierte, die es zuletzt 1939 unter den Nazis gab, mit der Einführung eines Ausweisdokuments speziell für Prostituierte („Hurenpass“) und einem Kondomzwang exklusiv bei Prostitution wird das in Artikel 2 Grundgesetz geschützte „allgemeine Persönlichkeitsrecht“ mit Füßen getreten.

Art. 3 GG: Mittels durchgängiger gewerberechtlicher Ungleichbehandlung (Überwachung Nicht-Beschäftigter bzw. Nicht-Gewerbetreibender sowie nur ‚gelegentlicher‘ Prostitution, mit der Einbeziehung von Landespolizeibehörden in die Zuverlässigkeitsprüfung etc. etc.) wird die in Art. 3 Grundgesetz geschützte „Gleichheit vor dem Gesetz“ für Menschen im Prostitutionsgewerbe außer Kraft gesetzt.

Art. 12 GG: Durch eine die berufliche Mobilität einschränkende, diskriminierende Meldepflicht, einen stigmatisierenden Hurenpass sowie eine jederzeitige, anlasslose Überwachung wird die in Art. 12 Grundgesetz geschützte „Freiheit der Berufswahl“ ausgehebelt.

Art. 13 GG: Durch die jederzeitige Überwachung von „Orten“, an denen der Prostitution nachgegangen werden kann (gemeint sind damit auch Privatwohnungen) wird die in Art. 13 Grundgesetz geschützte „Unverletzlichkeit der Wohnung“ für Sexarbeiter/innen de facto abgeschafft.

Was von den Regierungsparteien als „Schutz vor Fremdbestimmung“ verkauft wird, ist bei Licht betrachtet selbst der Inbegriff von Fremdbestimmung. So wenig Sonnenschutzcreme die Sonne schützt, so wenig schützt das Prostituiertenschutzgesetz die Prostituierten.

Dieses Gesetz ist verfassungswidrig und wird in Karlsruhe keinen Bestand haben!

Die jetzt geplante schrittweise Zerschlagung der Infrastruktur von Prostitution durch Einführung einer „Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe“ sowie die geplante repressive Behandlung von Sexarbeiter/innen, die an das Deutsche Kaiserreich erinnert und jedem Polizeistaat zur Ehre gereicht, wird dem legitimen Anspruch einer rechtlichen Regulierung von Prostitution nicht im Entferntesten gerecht. Im Gegenteil: Es fügt den Sexarbeiter/innen Leid zu und drängt sie in die Illegalität. Das ist schändlich.

Es bleibt dabei: Doña Carmen e.V. fordert die vollständige Entkriminalisierung von Prostitution und die längst überfällige rechtliche Gleichbehandlung von Sexarbeit mit anderen Berufen! Das „Prostituiertenschutzgesetz“ muss weg!


http://www.donacarmen.de/pressemitteilu ... utzgesetz/
Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht. (Albert Schweitzer)

*****
Fakten und Infos über Prostitution

Klaus Fricke
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RE: ProstG: Deutsches Prostitutionsgesetz

Beitrag von Klaus Fricke »

Hat irgendjemand den vom Kabinett gebilligten Regierungsentwurf?

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Beitrag von Lady Tanja »


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Beitrag von Nymphe »

Sexworker und Verbündete haben heute vorm Kanzleramt protestiert: http://berufsverband-sexarbeit.de/prote ... anzleramt/
It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society.

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Lucille
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Beitrag von Lucille »

Btw. Abschnitt 8 § 36 Verordnungsermächtigung

ist die Garantie pünktlich zur Gesetzesbekanntgabe fiese Hinterhältigkeiten klammheimlich ohne parlamentarische Zustimmung hinzuzufügen

des weiteren wird die Diskriminierung per Sperrgebiete zementiert

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Beitrag von ehemaliger_User »

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Beitrag von Kasharius »

@all

ich möchte mir die Lektüre des Kabinettsentwurfes bis nach den Feiertagen aufsparen, um mir Ostern nicht zu verleiden.

Ich wünsche Euch allen erholsame oder auch ertragreiche, in jedem Fall gesegnete Ostern.

Kasharius grüßt

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SWR

Beitrag von ehemaliger_User »

Neues Prostitutionsschutzgesetz
Überall geoutet

Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung gegen Ausbeutung in der Sexindustrie vorgehen. Doch der Entwurf wird von vielen abgelehnt. Vor allem von den betroffenen Frauen.

Von Kai Laufen, Reporter und Recherche 23.03.2016

"Es wird immer sehr viel über uns, aber nicht mit uns gesprochen", beklagt sich Tanja, eine Frau Ende 30. Bis vor drei Jahren war sie selbstständige Unternehmerin, dann entschied sie sich, ihr Einkommen mit Prostitution aufzubessern. Seitdem bietet sie im Raum Offenburg sexuelle Dienstleistungen an.

Tanja teilt sich dafür eine Mietwohnung mit anderen Frauen. Aber sie berichtet auch von einem schwerbehinderten Kunden, den sie zu Hause besucht. Tanja würde weder an der Supermarktkasse noch als Anlageberaterin auffallen. Sie redet über ihren Job auch genau so.

Ärger über die Meldepflicht

Aber sie weiß natürlich, dass der völlig legale Beruf der Prostituierten nun einmal kein Job wie jeder andere ist – jedenfalls in den Augen der Öffentlichkeit. So wie andere Frauen im "Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen" ärgert sie sich daher über die Meldepflicht, die sich aus dem geplanten Prostituiertenschutzgesetz ergibt.

"Warum soll irgendein Sachbearbeiter bei der Kommune meinen richtigen Namen kennen und wissen, wie viele sexuelle Kontakte ich habe?", sagt sie. "Und wenn ich dann in eine Polizeikontrolle komme, sehen die Beamten, dass ich als Prostituierte gemeldet bin, dann kann ich überall geoutet werden. Auch wenn jemand neben mir im Wagen sitzt, der nicht weiß, was ich arbeite."

"Hurenpass" als Erpressung

Manche Experten sehen in der Meldepflicht sogar einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit des Grundgesetzes. Sozialarbeiter mit Straßenerfahrung befürchten, dass vor allem Frauen aus Osteuropa versuchen werden, die Ausweispflicht zu umgehen. Zum einen, weil viele mit den Behörden in ihren Heimatstaaten schlechte Erfahrungen gemacht haben und daher staatlichen Einrichtungen grundsätzlich misstrauen. Zum anderen könnte der "Hurenpass" sogar gefährlich sein, denn er könnte als Grundlage für Erpressungen dienen.

Tanja ist außerdem sauer, weil Bordellbetriebe künftig eine Zulassung brauchen. Das gilt auch für ihre Zwei-Zimmer-Wohnung: "Nur wenn ich ganz alleine in meiner Wohnung arbeite und damit auch auf jegliche Schutzfunktion verzichte, die sich ja dadurch ergibt, dass wir hier zu zweit sind, nur dann bin ich in Zukunft noch eine freiberufliche Prostituierte. Sollten wir hier zu zweit weitermachen, falle ich in diese Erlaubnispflicht mit 30 Pflichten, die ich abzugeben habe, vom Betriebskonzept über Weitergabe aller Daten der Frauen, die hier arbeiten."

Das geht weiter bis hin zu getrennten Toiletten, die sie dann jeweils für die anschaffenden Frauen beziehungsweise ihre Kunden bereithalten müsste. Das würde sich Tanja nicht leisten können, denn soviel wirft der Job im Bett auch nicht ab: "Wenn dieses Gesetz kommt, bin ich in die Isolation gezwungen. Ich kann dann nur noch alleine arbeiten."

Scharfe Kritik am Gesetzentwurf

Von Hurenverbänden wie Dona Carmen und Hydra bis zum Juristinnenbund und der Aidshilfe: Viele Seiten kritisieren den Gesetzentwurf scharf. Auch die Diakonie Deutschland sagt, im Kampf gegen Zwangsprostitution und Ausbeutung wäre das wichtigste Mittel, das Ausländerrecht so zu ändern. Dann könnten Frauen, die gegen verbrecherische Zuhälter vor Gericht aussagen, ein Bleiberecht erhalten. Doch diese Forderung wird seit Jahren umsonst erhoben.

Hanna Lindenfelser vom Diakonischen Werk in Karlsruhe kennt nicht nur den dortigen Straßenstrich gut. Sie hat auch einige harte Berufsjahre als Beraterin für Frauen hinter sich, die tatsächlich Opfer von Ausbeutung waren. Sie weiß, dass die Übergänge zwischen Zwang und Freiwilligkeit schwer zu fassen sind und fordert, ganz pragmatisch, einen besseren Zugang zum Gesundheitssystem.

Bisher bieten die meisten Gesundheitsämter nur Untersuchungen auf Geschlechtskrankheiten an, aber viele der ausländischen Prostituierten bräuchten ein breiteres Angebot. Außerdem seien die Kommunen aufgerufen, menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, etwa durch Toiletten und Waschmöglichkeiten bis hin zu "Verrichtungsboxen" am Straßenstrich.

Ein mildes Lächeln für die Kondompflicht

Die Kondompflicht, die das Gesetz vorsieht, entlockt Lindenfelser, wie den meisten Expertinnen sowieso nur ein mildes Lächeln: "Wer will das kontrollieren?" Das wichtigste sei aus ihrer Sicht, mehr qualifizierte Begleitung durch Sozialarbeiter.

"Es gibt nur ganz wenige Stellen, die überhaupt Orientierungsberatung anbieten", sagt Lindenfelser, "wo Frauen sich melden können, bevor sie in diesen Beruf einsteigen und Menschen treffen können, die sich mit Sexarbeit auskennen. Aber die Erfahrung zum Beispiel von Hydra in Berlin zeigt: Die Hälfte der Frauen entscheidet sich nach einer solchen Beratung dafür, die andere Hälfte dagegen."

http://www.swr.de/swrinfo/neues-prostit ... index.html
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Beitrag von ehemaliger_User »

Neues Prostitutionsschutzgesetz
Überall geoutet

Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung gegen Ausbeutung in der Sexindustrie vorgehen. Doch der Entwurf wird von vielen abgelehnt. Vor allem von den betroffenen Frauen.

Von Kai Laufen, Reporter und Recherche 23.03.2016

"Es wird immer sehr viel über uns, aber nicht mit uns gesprochen", beklagt sich Tanja, eine Frau Ende 30. Bis vor drei Jahren war sie selbstständige Unternehmerin, dann entschied sie sich, ihr Einkommen mit Prostitution aufzubessern. Seitdem bietet sie im Raum Offenburg sexuelle Dienstleistungen an.

Tanja teilt sich dafür eine Mietwohnung mit anderen Frauen. Aber sie berichtet auch von einem schwerbehinderten Kunden, den sie zu Hause besucht. Tanja würde weder an der Supermarktkasse noch als Anlageberaterin auffallen. Sie redet über ihren Job auch genau so.

Ärger über die Meldepflicht

Aber sie weiß natürlich, dass der völlig legale Beruf der Prostituierten nun einmal kein Job wie jeder andere ist – jedenfalls in den Augen der Öffentlichkeit. So wie andere Frauen im "Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen" ärgert sie sich daher über die Meldepflicht, die sich aus dem geplanten Prostituiertenschutzgesetz ergibt.

"Warum soll irgendein Sachbearbeiter bei der Kommune meinen richtigen Namen kennen und wissen, wie viele sexuelle Kontakte ich habe?", sagt sie. "Und wenn ich dann in eine Polizeikontrolle komme, sehen die Beamten, dass ich als Prostituierte gemeldet bin, dann kann ich überall geoutet werden. Auch wenn jemand neben mir im Wagen sitzt, der nicht weiß, was ich arbeite."

"Hurenpass" als Erpressung

Manche Experten sehen in der Meldepflicht sogar einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit des Grundgesetzes. Sozialarbeiter mit Straßenerfahrung befürchten, dass vor allem Frauen aus Osteuropa versuchen werden, die Ausweispflicht zu umgehen. Zum einen, weil viele mit den Behörden in ihren Heimatstaaten schlechte Erfahrungen gemacht haben und daher staatlichen Einrichtungen grundsätzlich misstrauen. Zum anderen könnte der "Hurenpass" sogar gefährlich sein, denn er könnte als Grundlage für Erpressungen dienen.

Tanja ist außerdem sauer, weil Bordellbetriebe künftig eine Zulassung brauchen. Das gilt auch für ihre Zwei-Zimmer-Wohnung: "Nur wenn ich ganz alleine in meiner Wohnung arbeite und damit auch auf jegliche Schutzfunktion verzichte, die sich ja dadurch ergibt, dass wir hier zu zweit sind, nur dann bin ich in Zukunft noch eine freiberufliche Prostituierte. Sollten wir hier zu zweit weitermachen, falle ich in diese Erlaubnispflicht mit 30 Pflichten, die ich abzugeben habe, vom Betriebskonzept über Weitergabe aller Daten der Frauen, die hier arbeiten."

Das geht weiter bis hin zu getrennten Toiletten, die sie dann jeweils für die anschaffenden Frauen beziehungsweise ihre Kunden bereithalten müsste. Das würde sich Tanja nicht leisten können, denn soviel wirft der Job im Bett auch nicht ab: "Wenn dieses Gesetz kommt, bin ich in die Isolation gezwungen. Ich kann dann nur noch alleine arbeiten."

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Von Hurenverbänden wie Dona Carmen und Hydra bis zum Juristinnenbund und der Aidshilfe: Viele Seiten kritisieren den Gesetzentwurf scharf. Auch die Diakonie Deutschland sagt, im Kampf gegen Zwangsprostitution und Ausbeutung wäre das wichtigste Mittel, das Ausländerrecht so zu ändern. Dann könnten Frauen, die gegen verbrecherische Zuhälter vor Gericht aussagen, ein Bleiberecht erhalten. Doch diese Forderung wird seit Jahren umsonst erhoben.

Hanna Lindenfelser vom Diakonischen Werk in Karlsruhe kennt nicht nur den dortigen Straßenstrich gut. Sie hat auch einige harte Berufsjahre als Beraterin für Frauen hinter sich, die tatsächlich Opfer von Ausbeutung waren. Sie weiß, dass die Übergänge zwischen Zwang und Freiwilligkeit schwer zu fassen sind und fordert, ganz pragmatisch, einen besseren Zugang zum Gesundheitssystem.

Bisher bieten die meisten Gesundheitsämter nur Untersuchungen auf Geschlechtskrankheiten an, aber viele der ausländischen Prostituierten bräuchten ein breiteres Angebot. Außerdem seien die Kommunen aufgerufen, menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, etwa durch Toiletten und Waschmöglichkeiten bis hin zu "Verrichtungsboxen" am Straßenstrich.

Ein mildes Lächeln für die Kondompflicht

Die Kondompflicht, die das Gesetz vorsieht, entlockt Lindenfelser, wie den meisten Expertinnen sowieso nur ein mildes Lächeln: "Wer will das kontrollieren?" Das wichtigste sei aus ihrer Sicht, mehr qualifizierte Begleitung durch Sozialarbeiter.

"Es gibt nur ganz wenige Stellen, die überhaupt Orientierungsberatung anbieten", sagt Lindenfelser, "wo Frauen sich melden können, bevor sie in diesen Beruf einsteigen und Menschen treffen können, die sich mit Sexarbeit auskennen. Aber die Erfahrung zum Beispiel von Hydra in Berlin zeigt: Die Hälfte der Frauen entscheidet sich nach einer solchen Beratung dafür, die andere Hälfte dagegen."

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Beitrag von sylviacc »

OHNE RÜCKSICHT UND REUE
Presseerklärung zum Prostituiertenschutzgesetz

„Und wieder eines dieser schlechten Gesetze, die in Zeiten einer Großen Koalition ohne Rücksicht und Reue durchgeboxt wird. Seit den ersten Infos hat das Prostituiertenschutzgesetz bei breiten Allianzen die Alarmglocken ausgelöst. Monatelang wurde medienwirksam gestritten, um sich dann fröhlich zu einigen und das Gesetz heute nur mit den kleinsten Veränderungen durch das Kabinett zu bringen. Das ist blanker Hohn“, kritisiert Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag.

Möhring weiter: „Die Anmeldepflicht wird für viele Sexarbeiterinnen wegen der gesellschaftlichen Stigmatisierung nicht möglich sein. Denn ihre Daten sind nicht sicher. Sie werden also in der Illegalität weiterarbeiten und dort den Schutz erst recht verlieren. Das soll wohl innerhalb der Koalition die Wogen glätten, wirft dabei aber tausende Frauen über Bord. Auch die verpflichtende Gesundheitsuntersuchung bringt laut Expertinnen nur weiteres Misstrauen gegenüber den staatlichen Institutionen. Und die Kondompflicht kann nicht überprüft werden und ist ein reines Trugbild. Die Große Koalition sollte aufhören sich mit sich selbst zu beschäftigen und schauen, welche dramatischen Folgen ihr Heiteitei hat.“,,,,,,,,,,http://www.cornelia-moehring.de/ohne-ru ... -und-reue/

sylviacc
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