Neues Prostitutionsschutzgesetz
Überall geoutet
Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung gegen Ausbeutung in der Sexindustrie vorgehen. Doch der Entwurf wird von vielen abgelehnt. Vor allem von den betroffenen Frauen.
Von Kai Laufen, Reporter und Recherche 23.03.2016
"Es wird immer sehr viel über uns, aber nicht mit uns gesprochen", beklagt sich Tanja, eine Frau Ende 30. Bis vor drei Jahren war sie selbstständige Unternehmerin, dann entschied sie sich, ihr Einkommen mit Prostitution aufzubessern. Seitdem bietet sie im Raum Offenburg sexuelle Dienstleistungen an.
Tanja teilt sich dafür eine Mietwohnung mit anderen Frauen. Aber sie berichtet auch von einem schwerbehinderten Kunden, den sie zu Hause besucht. Tanja würde weder an der Supermarktkasse noch als Anlageberaterin auffallen. Sie redet über ihren Job auch genau so.
Ärger über die Meldepflicht
Aber sie weiß natürlich, dass der völlig legale Beruf der Prostituierten nun einmal kein Job wie jeder andere ist – jedenfalls in den Augen der Öffentlichkeit. So wie andere Frauen im "Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen" ärgert sie sich daher über die Meldepflicht, die sich aus dem geplanten Prostituiertenschutzgesetz ergibt.
"Warum soll irgendein Sachbearbeiter bei der Kommune meinen richtigen Namen kennen und wissen, wie viele sexuelle Kontakte ich habe?", sagt sie. "Und wenn ich dann in eine Polizeikontrolle komme, sehen die Beamten, dass ich als Prostituierte gemeldet bin, dann kann ich überall geoutet werden. Auch wenn jemand neben mir im Wagen sitzt, der nicht weiß, was ich arbeite."
"Hurenpass" als Erpressung
Manche Experten sehen in der Meldepflicht sogar einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit des Grundgesetzes. Sozialarbeiter mit Straßenerfahrung befürchten, dass vor allem Frauen aus Osteuropa versuchen werden, die Ausweispflicht zu umgehen. Zum einen, weil viele mit den Behörden in ihren Heimatstaaten schlechte Erfahrungen gemacht haben und daher staatlichen Einrichtungen grundsätzlich misstrauen. Zum anderen könnte der "Hurenpass" sogar gefährlich sein, denn er könnte als Grundlage für Erpressungen dienen.
Tanja ist außerdem sauer, weil Bordellbetriebe künftig eine Zulassung brauchen. Das gilt auch für ihre Zwei-Zimmer-Wohnung: "Nur wenn ich ganz alleine in meiner Wohnung arbeite und damit auch auf jegliche Schutzfunktion verzichte, die sich ja dadurch ergibt, dass wir hier zu zweit sind, nur dann bin ich in Zukunft noch eine freiberufliche Prostituierte. Sollten wir hier zu zweit weitermachen, falle ich in diese Erlaubnispflicht mit 30 Pflichten, die ich abzugeben habe, vom Betriebskonzept über Weitergabe aller Daten der Frauen, die hier arbeiten."
Das geht weiter bis hin zu getrennten Toiletten, die sie dann jeweils für die anschaffenden Frauen beziehungsweise ihre Kunden bereithalten müsste. Das würde sich Tanja nicht leisten können, denn soviel wirft der Job im Bett auch nicht ab: "Wenn dieses Gesetz kommt, bin ich in die Isolation gezwungen. Ich kann dann nur noch alleine arbeiten."
Scharfe Kritik am Gesetzentwurf
Von Hurenverbänden wie Dona Carmen und Hydra bis zum Juristinnenbund und der Aidshilfe: Viele Seiten kritisieren den Gesetzentwurf scharf. Auch die Diakonie Deutschland sagt, im Kampf gegen Zwangsprostitution und Ausbeutung wäre das wichtigste Mittel, das Ausländerrecht so zu ändern. Dann könnten Frauen, die gegen verbrecherische Zuhälter vor Gericht aussagen, ein Bleiberecht erhalten. Doch diese Forderung wird seit Jahren umsonst erhoben.
Hanna Lindenfelser vom Diakonischen Werk in Karlsruhe kennt nicht nur den dortigen Straßenstrich gut. Sie hat auch einige harte Berufsjahre als Beraterin für Frauen hinter sich, die tatsächlich Opfer von Ausbeutung waren. Sie weiß, dass die Übergänge zwischen Zwang und Freiwilligkeit schwer zu fassen sind und fordert, ganz pragmatisch, einen besseren Zugang zum Gesundheitssystem.
Bisher bieten die meisten Gesundheitsämter nur Untersuchungen auf Geschlechtskrankheiten an, aber viele der ausländischen Prostituierten bräuchten ein breiteres Angebot. Außerdem seien die Kommunen aufgerufen, menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, etwa durch Toiletten und Waschmöglichkeiten bis hin zu "Verrichtungsboxen" am Straßenstrich.
Ein mildes Lächeln für die Kondompflicht
Die Kondompflicht, die das Gesetz vorsieht, entlockt Lindenfelser, wie den meisten Expertinnen sowieso nur ein mildes Lächeln: "Wer will das kontrollieren?" Das wichtigste sei aus ihrer Sicht, mehr qualifizierte Begleitung durch Sozialarbeiter.
"Es gibt nur ganz wenige Stellen, die überhaupt Orientierungsberatung anbieten", sagt Lindenfelser, "wo Frauen sich melden können, bevor sie in diesen Beruf einsteigen und Menschen treffen können, die sich mit Sexarbeit auskennen. Aber die Erfahrung zum Beispiel von Hydra in Berlin zeigt: Die Hälfte der Frauen entscheidet sich nach einer solchen Beratung dafür, die andere Hälfte dagegen."
http://www.swr.de/swrinfo/neues-prostit ... index.html