Ludwigshafen am Rhein (Rheinland-Pfalz):
Sexworker sollen besteuert werden und eine hoch verschuldete Stadt aus der Finanzkrise retten.
Haushaltsentwurf 2010: Fehlbetrag auf neuer Rekordhöhe / Grundsteuer und Pachten sollen steigen / Investitionen verschoben
137-Millionen-Defizit im Etat
Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Schrott
Die Gewerbesteuereinnahmen steigen zwar leicht auf 80 Millionen Euro, dennoch klettert das Haushaltsdefizit 2010 um sieben Millionen Euro auf eine neue Rekordhöhe von 137 Millionen Euro. Inklusive Abschreibungen sind es sogar rund 176 Millionen Euro.
Diesen Etatentwurf stellten gestern OB Eva Lohse und Bürgermeister Wilhelm Zeiser im Stadtrat [von Ludwigshaven] vor.
Die Stadtspitze will einige Investitionen im Bürgerhof und an der Rheinpromenade verschieben und gleichzeitig die
Grundsteuer B von 390 auf 420 Punkte sowie die Preise für städtische Pachtflächen erhöhen. Die Zuschüsse an Vereine sollen aber unverändert bleiben.
Abstriche beim Straßenausbau
"Die Rahmenbedingungen des Haushalts sind von der großen Finanzkrise geprägt, die die ganze Welt erschüttert", hob OB Eva Lohse (CDU) hervor. Sie appellierte an die Bundesregierung, darauf zu achten, dass bei den angestrebten Steuersenkungen die Kommunen nicht weiter geschwächt werden. Zudem wies sie auf die "starke Benachteiligung" der Städte in Rheinland-Pfalz durch den Finanzausgleich hin.
Ludwigshafen werde 2010 nach der PWC-Vergleichsstudie 1,8 Millionen Euro in der Verwaltung einsparen sowie einige Ausgaben verschieben. "Bildung und Kultur bleiben aber als harte Standortfaktoren zentrale Ansätze im Etat." Der Haushaltsentwurf halte eine ganz gute Balance zwischen Konsolidierung und Zukunftsgestaltung, lautet das Fazit der OB.
Deutliche Abstriche werden beim Straßenausbauprogramm vorgeschlagen, ergänzte Zeiser. Danach sollen alle Maßnahmen, die teurer als 300 000 Euro sind, um jeweils ein Jahr geschoben werden. 2010 sollen nur kleine Projekte realisiert werden.
Zurückgestellt werde die G 8-Einführung am Böll-Gymnasium, die Sanierung der Brunckstraße und des Ebertparks. Die akuten Mängel im Willersinnbad sollen für zwei Millionen Euro behoben werden, berichtete der Kämmerer. Über einen zweiten Bauabschnitt werde später entschieden.
Die "Integrierte Leitstelle der Feuerwehr" will die Stadt allerdings auf den Weg bringen. Damit könne die Verwaltung jährlich 400 000 Euro Personalkosten einsparen.
Die Stadt will 68 Millionen Euro investieren, davon stammen 27 Millionen Euro aus Krediten. Weitere dringliche Vorhaben mit einer Gesamtsumme von 42 Millionen seien aber nicht genehmigungsfähig.
"Die Aufsichtsbehörde hat uns auch angewiesen, das Thema Einnahmenerhöhung anzugehen", erläuterte Zeiser.
Die Anhebung der Grundsteuer, die alle Hausbesitzer zahlen und die auf die Mieten umgelegt werden kann, soll zwei Millionen Euro mehr in das Stadtsäckel bringen. Das Durchschnittsgrundstück werde mit jährlich 15 bis 20 Euro zusätzlich belastet, so Zeiser. Unverändert bleibt der Gewerbesteuerhebesatz, solange die Steuervereinbarung mit der BASF gilt. Über höhere Eintrittsgelder für Pfalzbau-Theater und Hack-Museum werde nachgedacht.
"Moderat" würden die Pachtpreise angehoben, hieraus erwartet die Verwaltung 50 000 Euro Mehreinnahmen.
Prostitution wird besteuert
Vorgeschlagen wird auch eine Pauschalbesteuerung der Prostitution von fünf Euro pro Tag und Person, mit erwarteten Zusatzeinnahmen von jährlich 150 000 Euro.
[Das sind pro Person bei 300 Arbeitstagen jährlich 1.500 Euro zusätzlich. Anm.]
Für die nächsten Jahre erwartet der Kämmerer keine grundlegende Besserung. Die Haushaltsdefizite, so seine Prognose, werden bis 2013 nur leicht auf 127 Millionen Euro sinken.
Dramatisch steige der
Schuldenstand, der Ende 2008 noch bei 824 Millionen Euro lag und bis 2013 auf wohl 1617 Millionen Euro klettert. Gleichwohl will sich Zeiser nicht von der "Vergeblichkeitsfalle" entmutigen: "Man muss handeln, auch wenn man beim Sparen wegen ständiger Lastenübertragung nicht vom Fleck kommt."
Mannheimer Morgen
08. Dezember 2009
http://www.morgenweb.de/region/ludwigsh ... 39690.html
Lokales: Ludwigshafen
Am Abgrund
Stadt Ludwigshafen in katastrophaler Finanzlage
Nachdenklich: Sozialdezernent Wolfgang van Vliet (Mitte) und Kämmerer Wilhelm Zeiser (links) bei der Rede der Oberbürgermeisterin. Foto: Kunz
Von S. Gierescher und M. Schmid
Die ohnehin von der weltweiten Finanzkrise gebeutelten Kommunen dürften nicht weiter geschwächt werden, sagte Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) gestern in ihrer Etatrede im Stadtrat.
Speziell rheinland-pfälzische Städte stünden "vor einem Sturz in den Abgrund", weil sie durch das System des Finanzausgleichs gegenüber Großstädten in anderen Bundesländern benachteiligt würden. In der Metropolregion verlöre Ludwigshafen dadurch an Gewicht. Gemäß einer Resolution des deutschen Städtetags forderte Lohse eine Aufstockung des kommunalen Finanzausgleichs zugunsten von Städten - bisher würden ländliche Regionen bevorzugt.
Lohse sprach von "Schulden, die jegliche Vorstellungskraft sprengen". In Zahlen: 2010 klafft ein Loch von 175 Millionen Euro im Haushalt, bis 2013 steigt der
Schuldenberg auf 1,6 Milliarden Euro (siehe "Zur Sache"). "Wir ersticken in Zinszahlungen", sagte Lohse mit Blick auf die zu tilgenden Kredite. Dass die Einnahmen aus der Einkommenssteuer weiter rückläufig seien, solange am Wohn- statt am Beschäftigungsort versteuert werde, komme erschwerend hinzu. Wegen der konjunkturellen Talfahrt könnten diese Verluste nicht mehr wie in der Vergangenheit durch hohe Gewerbesteuerbeiträge (vor allem vonseiten der BASF) ausgeglichen werden.
Kosten in der Verwaltung herunterfahren, Ausgaben prüfen, schieben oder streichen: Laut Lohse sind das jetzt die wesentlichen Aufgaben - ohne die Stadtentwicklung aus den Augen zu verlieren. In Bildung, Kultur und Wissen müsse trotzdem investiert werden. "Es ist eine Balance zwischen Sparen und Gestalten. Ich denke, dass uns dies ganz gut gelungen ist - so gut wie das angesichts der Rahmenbedingungen, die wir nicht zu verantworten haben, möglich ist", bilanzierte Lohse.
Kämmerer Wilhelm Zeiser (SPD) nahm ebenfalls Land und Bund aufs Korn, durch deren Politik die Lage der Kommunen weiter extrem verschärft werde. Die Finanzausstattung der Stadt sei unzureichend, um steigende Ausgaben für Hartz IV oder den Ausbau von Kindergartenplätzen für Zweijährige zu schultern. Während die Ausgaben stetig stiegen, hätten sich die Einnahmen drastisch reduziert, etwa bei der Gewerbesteuer. Zeiser schlug Erhöhungen der Grundsteuer, der
Vergnügungssteuer und der städtischen Pacht vor und stellte klar, dass bestimmte Projekte derzeit nicht machbar seien (siehe "Zur Sache").
Erstmals seit vielen Jahren zeigte er sich bereit, über eine Erhöhung der Gewerbesteuer nachzudenken.
Auch vor dem ältesten Gewerbe der Welt macht die Stadt nicht halt:
Prostitution in Ludwigshafen soll künftig mit fünf Euro pro Tag und Person besteuert werden.
[Mißverständlich und Doppeldeutig: Ist "Person" hier der Kunde oder der Dienstleister?
http://www.rheinpfalz.de/cgi-bin/cms2/c ... id=5810620
Die Doppeldeutigkeit bringt mich auf folgendes Besteuerungs-Modell:
Die Steuer direkt beim Kunden einzuziehen, z.B. beim Eintritt in das Bordell 5 Euro in einen Steuerautomaten einwerfen, würde die Sexarbeiterin aus dem Zugriff des Staates befreien und jeden übergriffigen Zuhältermißbrauch etwa durch Amtpersonen präventiv verhindern. Dann wären Sexarbeiter diesbezüglich nicht mehr durch Menschenhändler erpressbar.
Sexsteuer in Ludwigshafen am Rhein
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?t=7169
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