Bundesratsvorlage zum ProstG

Beiträge betreffend SW im Hinblick auf Gesellschaft bzw. politische Reaktionen
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Aoife
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Bundesratsvorlage zum ProstG

Beitrag von Aoife »

Einer Anregung unseres user's Jupiter folgend (Danke dafür!) eröffne ich hier einen neuen thread zur Diskussion von Kritik und Lösungsmöglichkeiten/Verbesserungsvorschlägen zum Gesetzesentwurf des Bundesrats.

Die Diskussion soll uns Grundlagen für unsere Lobbyarbeit liefern.

Da ich den Autoren der bisherigen relevanten postings nicht zumuten möchte, dass ihre Beiträge aus dem Zusammenhang gerissen werden, kopiere ich sie hierher.

Die Originalbeiträge sind wie bekannt durch einen Klick auf das dem Zitat vorangehende Pfeilsymbol aufzurufen und befinden sich ab hier im ursprünglichen Zusammenhang:
viewtopic.php?p=94083#94083

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ehemaliger_User hat geschrieben:Am 11.02.2011 soll im Bundesrat zur Abstimmung kommen (TOP 22)

Entschließung des Bundesrates - Stärkere Reglementierung des Betriebs von Prostitutionsstätten
Der Bundesrat möge beschließen:

I. Der Bundesrat stellt fest:
Prostitution wird nach den heutigen sozial-ethischen Wertvorstellungen überwiegend als nicht mehr sittenwidrig empfunden. Die Rechtsprechung berücksichtigt diesen Wandel und legt in neueren Entscheidungen durchweg den Maßstab zugrunde, dass die kommerzielle Ausnutzung sexueller Bedürfnisse oder Interessen nicht mehr als solche gegen die guten Sitten verstößt (BVerwG, Urteil vom 6. November 2002, 6 C 16.02; Beschluss vom 23. März 2009, 8 B 2.09; BGH, Urteil vom 13. Juli 2006, I ZR 65/05). Dieser Wandel ist maß-geblich auf den Erlass des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituier-ten (Prostitutionsgesetz, ProstG, BGBl. I S. 3983) vom 20. Dezember 2001 zurückzuführen.

Die mit der Legalisierung der Prostitution notwendigerweise einhergehende Reduktion po-lizeilicher und ordnungsrechtlicher Eingriffsmöglichkeiten birgt für Prostituierte nicht hin-nehmbare Gefahren für Leben, Gesundheit und körperliche oder seelische Unversehrtheit und begründet zudem das hohe Risiko starker wirtschaftlicher Abhängigkeit von Bordellbetreibern und Zuhältern. Die bestehenden Ermächtigungsgrundlagen für Polizei und Ord-nungsbehörden reichen nicht aus, um Prostituierte vor menschenunwürdiger Behandlung zu schützen und ein effektives präventives, aber auch repressives Vorgehen gegen Menschenhandel, Zwangsprostitution und Schwarzarbeit im Rotlichtmilieu zu gewährleisten. Es besteht ein erhebliches strukturelles Machtgefälle zwischen Zuhältern und Bordell-betreibern auf der einen und Prostituierten auf der anderen Seite, welches sowohl die Bil-dung angemessener Marktpreise als auch zumutbarer Arbeitsbedingungen grundsätzlich verhindert.

Die Bundesregierung kommt in ihrem Bericht zu den Auswirkungen des Prostitutionsge-setzes zu dem Ergebnis, dass die Ziele des Prostitutionsgesetzes, zu denen unter anderem auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Zurückdrängung der Begleit-kriminalität rechnen, nur zu einem begrenzten Teil erreicht werden konnten (Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhält-nisse der Prostituierten, 2007, S. 79 f.). Aus Sicht der Bundesregierung bedarf es deshalb eines insgesamt breiteren Ansatzes der Reglementierung der Prostitution, der insbeson-dere konsequent die Bekämpfung von Menschenhandel, Zwangsprostitution und Minderjährigenprostitution integriert und auf einen größtmöglichen Schutz von Prostituierten vor Gewalt und Ausbeutung abzielt.

Aufgrund der vorherrschenden Intransparenz und der Parallelstrukturen im Prostitutions-milieu ist die Summe der dem Staat vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern nicht sicher abzuschätzen. In der Gesetzesbegründung zum ProstG wird auf Schätzungen Bezug genommen, wonach in der Prostitution jährliche Gewinne in zweistel-liger Milliardenhöhe erzielt werden (BT-Drs. 14/5958, S. 4).

II. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung,
eine gesetzliche Regelung für den Prostitutionsbereich mit folgenden Gesetzesinhalten zu erlassen:


1. Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten
Prostitutionsstätten bedürfen vor ihrer Eröffnung einer behördlichen Erlaubnis. Diese kann differenziert nach Betriebsarten mit einer Befristung und Auflagen verbunden werden. Sie ist zu versagen, wenn das Betriebskonzept erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Jugend, die Allgemeinheit oder die Umwelt befürchten lässt (beispielsweise weil eine Flatrate-Kalkulation vorgesehen ist) oder die Antragsteller wegen einschlägiger „Milieude-likte“ vorbestraft sind. Die Erlaubnis hat für die Polizei und Ordnungsbehörden Rechte auf „Auskunft und Nachschau“ zur Folge. Sie legt die Mindestanforderungen an die vorgese-henen Räumlichkeiten unter hygienischen und sicherheitsrelevanten Aspekten fest. Eine ohne Erlaubnis betriebene Prostitutionsstätte ist zu schließen.

2. Meldepflichten
Prostitutionsstätten unterliegen einem engmaschigen System an Meldepflichten. Der Betreiber muss der zuständigen Behörde
  • einen Wechsel der vertretungsberechtigten Person unverzüglich anzeigen,
  • bereits am Tag der Beschäftigungsaufnahme sämtliche relevanten Daten aller dort tätigen Personen – auch der im weiteren Umfeld Beschäftigten, um keine Umgehungsmöglichkeiten zu eröffnen – melden,
  • das Beschäftigungsende binnen Wochenfrist mitteilen, damit lückenlose und ak-tuelle Informationen über sämtliche Beschäftigten vorliegen und
  • sämtliche mit den Prostituierten geschlossenen Verträge (Beschäftigungsverträge, Mietverträge, Zusatzvereinbarungen usw.) vorlegen.
Außerhalb einer betreibergeführten Prostitutionsstätte tätige Prostituierte sind zur Anzeige ihrer Tätigkeit und – auf Verlangen – zum Vorzeigen entsprechender Nachweise zu verpflichten.

3. Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten
Der Betreiber muss auf die Kondompflicht deutlich sichtbar hinweisen und darf unge-schützten Geschlechtsverkehr nicht zulassen.

4. Sanktionsmöglichkeiten
Der Betrieb einer Prostitutionsstätte ohne Erlaubnis sowie Verstöße gegen die in den Nummern 1 bis 3 genannten weiteren Pflichten stellen Ordnungswidrigkeiten dar und wer-den mit einem Bußgeld geahndet. Sie können zusätzliche Auflagen nach sich ziehen und im Wiederholungsfall bis hin zum Verlust der Betriebserlaubnis oder der strafrechtlichen Sanktionierung führen.

5. Vermutung abhängiger Beschäftigung und Präzisierung des Weisungsrechts
Bei Personen, die sexuelle Dienstleistungen in Prostitutionsstätten erbringen, wird vermutet, dass sie abhängig beschäftigt sind, es sei denn die Deutsche Rentenversicherung stellt positiv fest, dass die Beschäftigung nicht sozialversicherungspflichtig ist. Dies führt dazu, dass die Sozialversicherungs- und Arbeitsschutzgesetze einschlägig sind, dass Be-hörden und die Polizei Auskünfte erhalten und Kontrollen durchführen können und dass Lohnsteuer abgeführt wird.

Es ist dabei aber auch zu berücksichtigen, dass zu hohe Anforderungen an den Nachweis einer selbstständigen Tätigkeit die ungewollte Folge haben können, dass Prostituierte, die selbstbestimmt arbeiten möchten, auf den Straßenstrich oder Prostitutionsformen außer-halb von Prostitutionsstätten ausweichen.

Das in § 3 ProstG geregelte eingeschränkte Weisungsrecht für Betreiber von Prostituti-onsstätten wird zur Stärkung der Weisungsfreiheit und der Vorbeugung wirtschaftlicher oder persönlicher Abhängigkeit der Prostituierten präzisiert.

6. Änderung des Jugendschutzgesetzes
In das Jugendschutzgesetz wird ein Anwesenheitsverbot für Minderjährige in Prostituti-onsstätten eingefügt.

7. Änderung des Bundeszentralregistergesetzes
§ 41 Abs. 1 des Bundeszentralregistergesetzes wird dahingehend ergänzt, dass die für das Erlaubnisverfahren einer Prostitutionsstätte zuständigen Behörden uneingeschränkt Auskunft über Eintragungen von Antragstellern erhalten.

Bundesrat
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Jupiter hat geschrieben:Oh, da bin ich aber gespannt, wie eine "Prostitutionsstätte" definiert wird.

Gruß Jupiter
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alana hat geschrieben:Einiges davon könnte juristisch durchaus in Frage zu stellen sein, wenn einer den Mut hätte, dies durch alle Instanzen durchzufechten. Es sind schon einige Gesetzte die gesellschaftliche Minderheiten regeln durch das BVG durchlöchert worden. Die hatten aber den Mut vor Gericht zu gehen. Leider fehlt uns das. Nicht einmal die Großbordellbesitzer haben die Eier in der Hose um mal juristisch auf den Putz zu hauen. Schade.
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softeis hat geschrieben:und widerum kein wort über uns "freischaffende, nicht abhängige, allein arbeitende" mit eigener wohnung. und gibt es nicht. MICH gibt es nicht.
um Prostituierte vor menschenunwürdiger Behandlung zu schützen
da müsste die polizei erst mal bei sich selbst aufräumen. ich wurde in den letzten 3 jahren (seit ich das mache) noch nie wirklich menschenunwürdig behandelt, ausser von der polizei selbst, aber da gleich massivst.
Aufgrund der vorherrschenden Intransparenz und der Parallelstrukturen im Prostitutions-milieu ist die Summe der dem Staat vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern nicht sicher abzuschätzen.
nun da stehts ja um was es wirklich geht.
Prostitutionsstätten bedürfen vor ihrer Eröffnung einer behördlichen Erlaubnis
Muss ich als Escort dann die Wohung meines Freiers erst behördlich genehmigen lassen?

Und was ist mit meiner eigenen Zweitwohnung? Das erste wäre doch, alle Wohungen ohne Genehmigung müssen erst mal weg und dann sehen die weiter ... nach einem Jahr oder so. Und ich bin bis dahin pleite, weil ich die Wohung finanziert habe. derzeit ist keine einzige wohung genehmigt. sie sind nur geduldet, falls gemeldet.

Das wäre das erste was die in LA mir antun würden.

Und was mache ich dann? Jetzt bin ich frei und unabhängig. Dann kann ich in ein Bordell zum arbeiten gehen weil "der" eine Genehmigung hat. Dann ist aus mit Freiheit, dann bin ich abhängig. Mann sind diese Politiker alle verblödet.

wenn das beschlossen wird, dann gute nacht.

:012
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Aoife hat geschrieben:          Bild
softeis hat geschrieben:ich wurde in den letzten 3 jahren (seit ich das mache) noch nie wirklich menschenunwürdig behandelt, ausser von der polizei selbst, aber da gleich massivst.
Wenn wir statt "Polizei" etwas weiter gefasst "Behörden" formulieren, kann ich mich dieser Aussage restlos anschließen.

Liebe Grüße, Aoife
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Jason hat geschrieben:Ob der Antrag 1:1 beschlossen wurde kann ich nicht sagen.

Die Downloads dazu gibt es aber schon.

Drucksache 314/10 (Vorlage) http://www.bundesrat.de/cln_171/nn_2034 ... 314-10.pdf

Drucksache 314/10(B) (Beschluß) http://www.bundesrat.de/cln_171/nn_2034 ... -10(B).pdf
= http://tinyurl.com/69xuqmr

Seite des Bundesrates http://www.bundesrat.de/nn_2034972/Shar ... 14-10.html
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ehemaliger_User hat geschrieben:"Sie ist zu versagen, wenn das Betriebskonzept erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Jugend, die Allgemeinheit oder die Umwelt befürchten lässt (beispielsweise weil eine Flatrate-Kalkulation vorgesehen ist) oder..."

Dieser Satz im Entschliessungsantrag ist doch blanker Hohn. Ich stelle mir gerade vor, wie die Jugend oder die Allgemeinheit oder gar die Umwelt durch eine Flatratekalkulation belästigt wird.

Vielleicht meinte der Verfasser, dass alleine die gedankliche Vorstellung eine Belästigung von verklemmten Bürgern darstellt?

Was mich interessiert: Hat eine Genehmigungspflicht für Gaststättenbetreiber irgendetwas verhindert? Oder wurden dadurch betrügerische Versicherungsabschlüsse verhindert? Haben die Politiker noch nie was von Strohfrauen und -männern gehört?
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alana hat geschrieben:          Bild
softeis hat geschrieben:
Muss ich als Escort dann die Wohung meines Freiers erst behördlich genehmigen lassen?
Naja, in Bayern darf man ja eh keine Besuche bei seinen Kunden machen, da die eh fast alle im Sperrbezirk wohnen. :018

:005

softeis hat geschrieben:Und was ist mit meiner eigenen Zweitwohnung? Das erste wäre doch, alle Wohungen ohne Genehmigung müssen erst mal weg und dann sehen die weiter ... nach einem Jahr oder so. Und ich bin bis dahin pleite, weil ich die Wohung finanziert habe. derzeit ist keine einzige wohung genehmigt. sie sind nur geduldet, falls gemeldet.

Das wäre das erste was die in LA mir antun würden.

Und was mache ich dann? Jetzt bin ich frei und unabhängig. Dann kann ich in ein Bordell zum arbeiten gehen weil "der" eine Genehmigung hat. Dann ist aus mit Freiheit, dann bin ich abhängig. Mann sind diese Politiker alle verblödet.


Genau so isses. Da könnte ich mich ärgern bis zur Weißglut. :013

Hier haben die Nasen die Toleranzzonen nur noch auf reine Gewerbezonen beschränkt. Dort gibt es keine Wohnungen, nicht mal Hausmeisterwohnungen. Aber diese Vollpfosten haben ja durchaus Ziele: sie wollen Prostitution mit allem machbaren verhindern oder erheblich erschweren, wenn sie sie schon nicht verbieten können. :icon_butt
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softeis hat geschrieben:Weg der Gesetzgebung

WO sind wir damit jetzt genau? Vor dem Bundestag?

Ich bin bisher den ehrlichen und geradlinigen Weg gegangen (was mir richtig Stress eingebracht hat). Den Weg der Anerkennung. Ich denke, ich werde dann in den Bereich der Wohlfühlmassagen abtauchen, also im Grunde wieder in die vollständige Illegalität.

Massageprüfung, Massageliege in meine Wohung und leck mich. Und ab gehts nur noch mit gut bekannten Stammkunden.

Derer Wahnsinn hat Methode.

Vermutlich würden die Preise nach oben gehen, was jetzt nicht soo schlecht wäre, denn die Flats machen schon viel kaputt. Betreiber hätten auch wesentlich höheren Aufwand, vor allem die neuen Genehmingungen würden vermutlich nicht ohne erhebliche Gelenkschmiere zu haben sein. Weitere Veränderungen (EU-Arbeitsaufenthalte etc.) wären abzuwarten.

Wie seht ihr das?

Kluger Spruch: Nichts ist so beständig wie die Veränderung
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Aoife hat geschrieben:          Bild
softeis hat geschrieben:WO sind wir damit jetzt genau? Vor dem Bundestag?
Ja, so sieht es aus. Und es wäre durchaus denkbar, dass hier die einseitig prostitutionsfeindliche Presseerklärungen herausgebende Kuschelrunde der Innenminister schlagartig zu Ende ist. Zumindest besteht die Möglichkeit, dass die Bundesregierung sich ihrer internationalen Verpflichtung zum Einhalten der Menschenrechte sehr viel bewußter ist als beispielsweise ein bayerischer oder badem-württemberger Landesfürst. Auch dürfte das Interesse an an Landespolizeien und lokale Ordnungsämter oder Bauämter gehenden Schmiergeldern auf Bundesebene deutlich geringer sein.

Zusätzlich wäre es zumindest denkbar, dass auf Bundesebene die durch die Gesundheitsschädigung entstehenden Kosten mitkalkuliert werden: Während die Länder das als Problem der Krankenkassen sehen können und somit bereit sind die Gesundheit der Menschen für ihre eigenen Kontrollbedürfnisse zu opfern, stellt auf gesamtdeutscher Ebene beispielsweise eine Verdoppelung der Neuinfektionsrate mit HIV eine ernstzunehmende wirtschaftliche Bedrohung dar.
softeis hat geschrieben:Vermutlich würden die Preise nach oben gehen, was jetzt nicht soo schlecht wäre, denn die Flats machen schon viel kaputt. Betreiber hätten auch wesentlich höheren Aufwand, vor allem die neuen Genehmingungen würden vermutlich nicht ohne erhebliche Gelenkschmiere zu haben sein. Weitere Veränderungen (EU-Arbeitsaufenthalte etc.) wären abzuwarten.

Wie seht ihr das?
Das Problem ist, dass gerade unter diesen Umständen die Behörden alles tun werden um ihren Schmiergoldesel zu päppeln. So wird man uns als Freischaffende nicht von den erhöhten Unkosten der Betreiber profitieren lassen wollen - mit dem Effekt, dass auch wir wieder Zuhälter brauchen, die einen erheblichen Teil unseres Verdienstes an Amtsträger abführen, damit wir ohne ständige Belästigungen arbeiten können. Diese Art der Preiserhöhung nützt uns IMHO nichts.

Liebe Grüße, Aoife
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alana hat geschrieben:Es wird also so werden, wie vor dem Prostitutionsgesetz. Entweder man begibt sich in die Hände eines Zuhälters... Sorry, Puffbesitzers oder man taucht in die Illegalität ab. No risk no fun, sozusagen.

Wenn die Preise durch diese Restriktionen tatsächlich steigen, dann wäre das ein weiterer Ansporn in die Illegalität, statt die Kohle dem Zuhälter zukommen zu lassen.

Was derzeit am laufen ist, nützt eigentlich niemandem, außer den alteingesessenen Puffbesitzern bzw. den Investoren von Großpuffs, die ja meist selbst Gangster sind, die die Polizei ja angeblich nicht will. Also für mich sind das echt alles nur Vollpfosten...
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Aoife hat geschrieben:          Bild
alana hat geschrieben:Was derzeit am laufen ist, nützt eigentlich niemandem, außer den alteingesessenen Puffbesitzern bzw. den Investoren von Großpuffs, die ja meist selbst Gangster sind, die die Polizei ja angeblich nicht will. Also für mich sind das echt alles nur Vollpfosten...
Alana, du hast anscheinend ein sehr positives Menschenbild :003

Ich vielleicht auch, wenn ich denke, dass so dumm gar niemand sein kann :002

Jedenfalls komme ich zu dem Schluß, dass dieser Widerspruch zwischen tatsächlichem Handeln und angeblicher Absicht sich am einfachsten erklären läßt, wenn man davon ausgeht, dass die Absicht nur zu Tarnzwecken vorgeschoben wird. Die Polizeien können ja nicht gut sagen "Wir wollen das ProstG blockieren, damit die Schmiergelder wieder reichlicher fließen." - zumindest ich halte den deutschen Wähler für zu anständig, als dass er sich das bieten lassen würde. Und wenn nicht zu anständig, dann wenigstens zu kostenbewußt. Immerhin werden hier in von Steuergeldern bezahlter Arbeitszeit Pläne geschmiedet, wie die Nebeneinnahmen gesteigert werden können.

Und da es sich hierbei ja nur um eine Kleinigkeit handelt, die uns eben besonders interessiert, befürchte ich dass auch in D ägyptische Zustände ausbrechen werden, wenn den Menschen irgendwann einmal in großem Maßstab bewußt wird, wofür ihre Steuergelder wirklich verwendet werden.

Liebe Grüße, Aoife
Besonders wichtig scheint mir als Gegenargument folgender Beitrag zu sein:

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fraences hat geschrieben:Folgende Aufsatz vom Valentin Landmann in seinem Buch "Der Reiz des Verbrechens und der Halbwelt:
"Gesetzgeber lieben es in der Regel, sich Zeit zu lassen, und sehen vor allem angesichts langsamer gesellschaftlicher Entwicklungen oft erstaunlich lange keinen Handlungsbedarf. Kommen die überfälligen Anpassungen dann endlich zustande, so stünden angesichts der Gemächlichkeit abgeklärte und ausgewogene Lösungen zu erwarten. Aber überreaschend häufig finden wir an ihre Stelle sprunghaft und eher unausgegoren wirkende Produkte.
Die Gesetzesrevisionen im Bereich des Sexualstrafrechts und Legalisierung des Sexgewerbes , wie sie in der Schweiz und in Deutschland in den letzten Jahrzehnten erfolgten, belegen das eben Gesagte. Man ließ sich sehr viel Zeit , viel zu viel Zeit mit der Liberalisierung.Mal jätete man alte Wertvorstellungen nicht gründlich genug aus, mal kompensierte man das schlechte Gewissen, unter dem man sehr zu recht litt, mal überließ man Wichtiges der Praxis-nicht die dümmste Lösung-, mal verlor man sich in Detailbestimmungen....Man legiferierte stets mit den bestmöglichen Absichten-aber über weite Strecken nicht mit dem bestmöglichen Ergebnis.
Dazu mag acu beigetragen haben, das Anpassungen, die eine Liberalisierung anstreben, es deutlich schwerer haben als andere Anpassungen.Kein Staat zieht sich gerne aus einem Bereich zurück, den es bisher regelte.Egal wie viel von Liberalisierung die Rede ist.Nicht der Abbau von Verboten ist die Regel, sondern deren Ausbau, erfolge er schleichend und kontinuierlich, oder erfolge er in massiven Schritten.So lassen sich denn auch viel leichter Beispiele für neue Verbote finden als für Liberalisierungen.
...Umgekehrt äußern sich Berichte über liberalisierte Bereiche meist über Gebühr kritisch, skeptisch, pessimistisch.
Der erschienene Bericht der deutschen Bundesregierung über die Situation nach Einführung des liberalisierten Prostitutionsgesetzes liefert einprima Beispiel. Schließlich steht niemand gerne als Trottel da.Das gilt auch für den Staat als Gesetzgeber.
So stellt der Bericht der deutschen Bundesregierung über die Zeit nach der Einführung des Prostitutionsgesetzes in positivem Sinne klar, dass die befürchtete Zunahme von Milieudelikten ausgeblieben sei.Der umfangreiche Bericht beleuchtet dann die Liberalisierung des europäischen Freizügigkeitsverkehrs und insbesondere ihre Folgen für Prostituierte aus den Oststaaten, die in der gleichen Zeit stattfand. Wir haben also für die maßgebliche Zeit einen ganz neuen und gewichtigen Faktor zu beachten-die Aufnahme von neuen EU-Ländern mit den entsprechenden Konsequenzen für die Freizügigkeit.
Aber sein Einfluss lässt sich statistisch nicht isolieren:
Gewährund der Freizügigekit und Einführung des Prostitutionsgesetzes sind zeitlich zusammengefallen.
Die Bundesregierung ist mit dem Erfolg unzufrieden und sieht Handlungsbedarf:Der Erlass neuer Bestimmungen-so einer Strafnorm für Freier, welche so genannte Zwangsprosituierte aufsuchen-dränge sich auf.Es wird beklagt, dass die Gesamtzahl der Milieudelikte nicht abgenommen habe. Aber darf man wirklich von einem Misserfolg reden?Vorher wäre doch zumindest zu fragen, wie der Halbweltverbrechensmarkt heute aussähe, wenn es die mit dem Prostitutitonsgesetz verbundenen Liberalisierungen nicht geben würde.Man darf annehmen, dass die heutige Bilanz viel positiver lautet, als gleichbleibende Zahlen stehen für einen gewaltigen Erfolg, falls sich plausibel zeigen lässt, dass ohnen die Liberalisierung ein deutlicher Anstieg zu erwarten gewesen wäre. Und genau dies ist vorliegendenfalls anzunehmen!"

Liebe Grüße
Fraences
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RE: Bundesratsvorlage zum ProstG

Beitrag von Aoife »

Ebenfalls in der Diskussion beachtenswert ist IMHO dieser Beitrag (insbesondere das angehängte .pdf):

viewtopic.php?p=91372#91372

Auch die von softeis erwähnte und von mir bestätigte Erfahrung, dass wir Gewalt und menschenverachtende Behandlung bisher nur durch Behörden erfahren haben, wäre sicherlich ein gewichtiges Argument.

Wer kann das aus eigener Erfahrung ebenfalls bestätigen und wäre gegebenenfalls sogar bereit, das auch zu unterschreiben? (Gerne auch als PN an mich!)

Liebe Grüße, Aoife
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Re: RE: Bundesratsvorlage zum ProstG

Beitrag von Zwerg »

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Aoife hat geschrieben:Auch die von softeis erwähnte und von mir bestätigte Erfahrung, dass wir Gewalt und menschenverachtende Behandlung bisher nur durch Behörden erfahren haben, wäre sicherlich ein gewichtiges Argument.

Wer kann das aus eigener Erfahrung ebenfalls bestätigen und wäre gegebenenfalls sogar bereit, das auch zu unterschreiben?
Mit allen meinen Erfahrungen auf Grund meiner Tätigkeit für das Forum!

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Re: RE: Bundesratsvorlage zum ProstG

Beitrag von Jupiter »

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Aoife hat geschrieben:Ebenfalls in der Diskussion beachtenswert ist IMHO dieser Beitrag (insbesondere das angehängte .pdf):

viewtopic.php?p=91372#91372

Auch die von softeis erwähnte und von mir bestätigte Erfahrung, dass wir Gewalt und menschenverachtende Behandlung bisher nur durch Behörden erfahren haben, wäre sicherlich ein gewichtiges Argument.

Wer kann das aus eigener Erfahrung ebenfalls bestätigen und wäre gegebenenfalls sogar bereit, das auch zu unterschreiben? (Gerne auch als PN an mich!)

Liebe Grüße, Aoife
Zunächstmal ein Dank an Aoife für diese Zusammenstellung in eigenem Thread.
Ich bin der Ansicht, dass wir eine Stellungnahme zur entsprechenden Entschließung des Bundesrates verfassen müssen. Es ist keine Gesetzesvorlage, sondern eine Aufforderung des Bundesrates an die Bundesregierung. Besonders die hier aufgeführten falsche Darstellungen sind durch uns klarzustellen.

Zunächst aber mal eine Frage zum o. a. "Bundeslagebild". Als Verfasser steht dort "Unternehmerverband Erotik Gewerbe Deutschland". Für mich sind dies die in der Vorlage genannten Betreiber von "Prostitionsstätten". Ob hierüber die Sicht auf eine freie und unabhängige SW-Tätigkeit gewährleistet ist? Für mich sind die in diesem Bereich tätigen SW "Scheinselbständige".

Der wichtigste Grund der Initiative steht m. E. in der Bemerkung über die dem Staat vorenthaltenen Sozialbeiträge u. Steuern bei geschätzten Gewinnen in zweistelliger Milliardenhöhe aufgeführt.

Unser Ziel muss es sein, die vielen in Eigenverantwortung als Einzelpersonen tätigen SW gegen die Betreiber abzugrenzen. Warum ist eigentlich eine Gewerbeanmeldung nicht möglich, wäre diese Möglichkeit nicht hier nicht ein Ansatz um zu sagen, he ich mache keine Schwarzarbeit.

Nur so einige Gedanken eines Aussenstehendes, der keine Kenntnisse vom "Milieu" hat, aber gerne die Tätigkeit einer als Einzelperson tätigen SW in Anspruch nimmt. Daher fühle ich mich hier in einem Boot sitzend.

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

(Tenzin Gyatso, 14. Dalai Lama)

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Re: RE: Bundesratsvorlage zum ProstG

Beitrag von Aoife »

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Jupiter hat geschrieben:Zunächst aber mal eine Frage zum o. a. "Bundeslagebild". Als Verfasser steht dort "Unternehmerverband Erotik Gewerbe Deutschland". Für mich sind dies die in der Vorlage genannten Betreiber von "Prostitionsstätten".
Ja natürlich, Jupiter, ich habe nur auf dieses Papier verwiesen, weil dort die Zahlen schön zusammengefasst und kommentiert sind. In unserer Stellungnahme müssen wir natürlich die offizielle, behördliche Quelle für die Zahlen angeben.

Mir ging es bei diesem Hinweis darum aufzuzeigen, dass die äußerst geringe Verurteilungsrate zeigt, dass die behauptete Assoziation zwischen Rotlicht und Verbrechen nur in der Phantasie der Strafverfolgungsbehörden existiert, und dass dies zur Verfolgung einer unangemessen hoher Zahl von Unschuldigen durch die Behörden führt.

Ebenfalls wichtig erscheint mir der Hinweis, dass bei rechtsstaatlicher Betrachtungsweise nicht nur die Täterzahl, sondern auch die Opferzahl nur einen Bruchteil der angenommenen Größe erreicht.

Darüber hinaus (in dem .pdf nicht erwähnt) könnten wir darauf abheben, dass eine solch krasse Diskrepanz zwischen "begründeten" Verdachtsfällen und tatsächlich stattgefundenen Verurteilungen auch die von den offensichtlich voreingenommenen Strafverfolgungsbehörden geschätzte Dunkelziffer als höchst unglaubwürdig erscheinen läßt.
Jupiter hat geschrieben:Der wichtigste Grund der Initiative steht m. E. in der Bemerkung über die dem Staat vorenthaltenen Sozialbeiträge u. Steuern bei geschätzten Gewinnen in zweistelliger Milliardenhöhe aufgeführt.
Hier wäre es gut, wenn jemand der sich besser auskennt als ich einmal realistische Zahlen berechnen könnte. Selbst wenn der geschätzte Umsatz stimmen sollte (man beruft sich auf Schätzungen von spätestens 2001), so wäre das mögliche Steueraufkommen ja um den Anteil von Frauen aus Ländern mit Doppelbesteuerungsabkommen zu reduzieren. Ob dann überhaupt noch genügend übrigbleibt, um auch nur die Bundesratsinitiative selbst kostendenkend erscheinen zu lassen?
Jupiter hat geschrieben:Unser Ziel muss es sein, die vielen in Eigenverantwortung als Einzelpersonen tätigen SW gegen die Betreiber abzugrenzen.
Ich denke noch viel grundlegender wäre es, den gesamten Begründungsteil für die gewünschte Gesetzesänderung als Zwecklüge zu entlarven. Damit würde der Forderungsteil, der ungenügend zwischen Betreibern und selbständigen SW trennt, hinfällig.

Also als Entwurf:

1. Die Sittenwidrigkeit besteht nach wie vor - dass sie überwiegend abgeschafft sei wiederlegen eine Vielzahl von Gerichtsurteilen und unser Schattenbericht.

2."birgt für Prostituierte nicht hinnehmbare Gefahren für Leben, Gesundheit und körperliche oder seelische Unversehrtheit" ist schlichtweg eine Unverschämtheit. Wir verwahren uns dagegen, dass der Bundesrat, dessen Mitglieder zum größten Teil niemals selbst angeschafft hat, in unserem Namen spricht. Tatsächlich gehen die genannten Gefahren für uns überwiegend von mit zu vielen Eingriffsmöglichkeiten ausgestatteten Behörden aus.

3. Das "erhebliche strukturelles Machtgefälle zwischen Zuhältern und Bordellbetreibern auf der einen und Prostituierten auf der anderen Seite" beruht auf behördlichen Maßnahmen wie Sperrgebitsverordnung, Bauordnung, Sittenwidrigkeitsverdikt und gewohnheitsmäßiger Mißachtung unserer Menschenrechte durch Behörden (insbesondere auch der Weigerung unsere der Sache nach gegebene Freiberuflichkeit anzuerkennen), und würde durch die vom Bundesrat gewünschten Maßnahmen noch verschärft.

4. Zum Bericht der Bundesregierung über die Auswirkung des ProstG siehe den weiter oben von fraences eingestellten Beitrag:
Aufgrund der Ostöffnung wäre mit einer erheblichen Zunahme der Kriminalität zu rechnen gewesen, dass diese ausgeblieben ist ist eine Folge des liberalen ProstG's, und ein weiterer Erfolg in dieser Richtung ist nur zu erwarten, wenn die Erfolgsschiene des ProstG nicht auf Wunsch des Bundesrates zurückgenommen, sondern nur wenn sie weiter ausgebaut wird. Anzustreben wäre die konsequente Entkriminalisierung des gesamten Prostitutionsbereichs.

5. Zu entgangenen Staatseinnahmen siehe oben. Möglicherweise hat das Erstellen des Bundesratsbeschlusses und seine Vorlage bei der Bundesregierung mehr Kosten verursacht, als realistischerweise an Einnahmen überhaupt zu erwarten ist.

Fazit: Die Begründung des Bundesrats für seinen Wunsch nach einer Gesetzesänderung beruht zum größten Teil auf Unwahrheiten oder zumindest unbewiesenen Behauptungen. Der zur moralischen Rechtfertigung des Beschlusses vorgeschobenen Absicht eines empowerment's der Prostituierten laufen die tatsächlichen Forderungen diametral entgegen.

Eure Meinung?

Liebe Grüße, Aoife
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Beitrag von alana »

Bei Punkt drei mit der Freiberuflichkeit wird wohl sowieso nicht klappen. Freiberufe sind im Sinne der Steuergesetzgebung sogenannte Katalogberufe, die sich an akademische Ausbildungen orientieren. Das fällt hier wohl völlig flach.

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Aoife
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Beitrag von Aoife »

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alana hat geschrieben:Freiberufe sind im Sinne der Steuergesetzgebung sogenannte Katalogberufe, die sich an akademische Ausbildungen orientieren.
Das wird von den Behörden so behauptet, entspricht aber nicht den Tatsachen. Beispielsweise müssen weder Heilpraktiker noch Künstler eine akademische Ausbildung haben. Künstler nicht einmal ein staatliches Zeugnis. Das eigentliche Problem mit der Anerkennung der Freiberuflichkeit ist die hiermit verbundene Aufwertung. Auch wenn die grundlegende Definition, dass eine persönliche Eignung für den Job vorliegen muß, die nicht rein durch die Ausbildung erworben werden kann und somit auch eine allenfalls eingeschränkte Weisungsbefugnis eines eventuellen Arbeitgebers begründet, bei Prostitution absolut zutrifft.

Hätte man tatsächlich die Absicht uns vor nicht hinnehmbaren Gefahren und und einem Machtgefälle zu unseren Ungunsten zu schützen, so wäre die Anerkennung der Freiberuflichkeit der erste folgerichtige Schritt.

Ich denke es ist absolut o.k. die Bundesregierung darauf hinzuweisen, auch wenn sie das wahrscheinlich nicht gerne hören werden. Zumindest müssten sie dann Farbe bekennen, dass sie nicht unseren Schutz, sondern unsere weitere Stigmatisierung anstreben.

Liebe Grüße, Aoife
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Ariane
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RE: Bundesratsvorlage zum ProstG

Beitrag von Ariane »

Nur mal Brainstorm zu Theorie und Wirklichkeit: was soll verregelt werden?
ich habe persönlich ein Magengrummeln bzgl. des Entschliessungsantrags und aus ähnlichen Gründen bzgl. gg. dem Runden Tisch NRW, wo ja nur zwei Kolleginnen beteiligt sind, die als sog. Expertinnen ebenfalls nur für sich selbst sprechen.

Mal aus der Praxis gesprochen: ich habe da ein Problem bzgl. Lobbying: Ich sehe mich nicht als Sprachrohr von Sexworkern, geschweige Betreibern, ob Bordellbetreiber oder Escortagenturbetreiber, Zimmervermittlern, die mitverdienen, idealerweise durch eine beworbene Leistung, die gerechtfertigt erscheint, sei es durch Covering einen gewissen Schutz verspricht, aber auch durch behauptete kostenintensive Werbung, Erstellung von Sedcards, Fotos und eine selektive Kundenwahl übernimmt und damit Sicherheit verspricht, die man in allen Preissegmenten nicht garantieren kann, dies bei sehr schwankenden Vermittlungsprovisionen oder Mieten, ob hoch-, mittel- oder niedrigpreisiges Marktsegment. Und üblicherweise ist hier die sog. Verrichtungs- oder Prostitutionsstätte das private Heim des Kunden oder sein Hotelzimmer, ausser es gibt eigens zur Verfügung gestellte Escortapartments. Aufgrund des Wortlauts des Entschliessungsantrags scheint dieser Bereich wohl ausgeschlossen zu sein, da immer wieder von Bordell geschrieben wird, es jedoch genügend Beispiele im Bereich Escort gibt, die für ausbeuterische Beziehungen sprechen. Ausbeutung im Sinne, dass viele Agenturdamen von einem zeitintensiven Auftrag zum nächsten gehetzt werden, auch Druck ausgeübt wird, den Auftrag noch zu erfüllen, dies bei teils horrenden Vermittlungsprovisionen und Dritter, z.B. lokale Fahrer, die ihren Anteil einfordern. Daher gibt es dann auch Interessengemeinschaften wie VOE, deren Initiativen ich immer begrüsst habe, wo jedoch ebenfalls nicht transparent für Aussenstehende die eigene Messlatte bzgl. "sauberer" Kriterien nachvollziehbar ist und inwieweit de facto auch umgesetzt. Ein Gütesiegel müsste ähnlich wie die Vergabe eines DZI-Spendensiegels funktionieren, dass auch nur die Selbstverpflichtung der jeweiligen Organisation, hier Agenturen und Bordelle, in Augenschein nehmen kann, wobei die Reputation der Unicef mit jahrzehntelangem Spendensiegel ausgestattet durch den bundesweit bekannten Skandal eindeutig gelitten hat.

Hier sehe ich keinen anderen Weg der Selbstverpflichtung inkl. transparenter Strukturen, auch Veröffentlichung von Provision, Miete, "Abgaben", da schliesslich nicht nur die Kunden, auf die sich diese Intitiativen meist als Aushängeschild (in werbefördernder Absicht) in erster Linie richten, sondern auch die Frauen orientieren können, die beabsichtigen, bei Escortservice X oder Bordellbetrieb oder Terminwohnung Y vorstellig zu werden. Zu den "Konditionen" habe ich persönlich selten auf telefonische Anfrage oder per Mail Auskunft bekommen, nur im persönlichen Gespräch vor Ort.

Zum anderen weiss ich aus eigener Erfahrung, daß die überwiegende Mehrheit, auch in meiner Anfangszeit als SW, im Bordell selbstbestimmt gearbeitet haben, arbeiten können. Ich habe in sehr vielen unterschiedlichen "Prostitutionsstätten" gewerkelt und nirgendwo weisungsbefugt, also dass mich BetreiberInnen zu irgendwas genötigt haben, geschweige Praktiken ohne Kondom. Dies war immer Ermessenssache der Ausführenden und viele haben es gemacht, weil sie sich dadurch einen höheren Profit versprachen, der dann auch eingetreten ist, weil die Nachfrage dafür besteht und diese Praxis ändert auch keine Gesetzesänderung.

Zuhälterei: es gab immer irgendwelche Männer, als Freunde/Lebenspartner, die an manchen Frauen mitverdient haben, ob Deutschland, England oder Schweiz, auch ausländisch stämmige Ehefrauen auf den Strich schickten und bei Weigerung mit bevorstehender Abschiebung drohten. Letzteres habe ich zig Mal gehört, von Frauen als Kolleginnen. Ich konnte nur zu einem guten Anwalt raten, der ihren Aufenthalt jenseits dieser privaten, ausbeuterischen Verbindung legalisiert und habe dazu entsprechende Adressen weitergegeben.

Ist dies also reine Privatsache der Sexworkerin, mit wem sie ihre Einnahmen teilt, ausgibt und hat dies ebenfalls nichts mit Zuhälterei zu tun? (worunter ich mir Ausbeutung unter Gewaltandrohung vorstelle; Drohung mit Abschiebung gehört m.E. dazu). Dies kann nur nach Einzelfall entschieden werden. M.E. findet die heutige Zuhälterei und Handaufhalten eher im Privaten statt und Partnerinnen werden als Goldesel betrachtet, wie auch in der bürgerlichen Gesellschaft der männliche Part fast selbstverständlicherweise für viele Frauen als "Brieftasche auf zwei Beinen" (Michel Houellebecq).
Und dies ist widerum ihre persönliche Entscheidung, ob sie so doof sind, darauf einzugehen. Es gibt jedenfalls keine zahlenmässigen Erkenntnisse zu klassischer Zuhälterei aktuell in Deutschland und glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe. Sicherlich ist die Tendenz eher fallend, ähnlich wie in U.S. aufgrund der Möglichkeiten, sich selbst zu vermarkten und zu vernetzen. Wenn denn Zuhälterei stattfindet, so kann nur die konsequente Legalisierung und Entkriminalisierung hier weiterhelfen, inkl. einer Infrastruktur, die effektives Outreach anbietet, Sprachkurse, Legalisierung von Aufenthalt und Weiterbildung und entsprechend breit gestreute veröffentliche Kommunikation. In diesen informellen und privaten Beziehungsgeflechten kann der neuerliche Entschliessungsantrag nicht bzgl. der selbst gesteckten Ziele weiterhelfen.

In Norwegen habe ich als selbständiges Escort mit eigenem Apartment gewerkelt, und wurde permanent telefonisch von der "Konkurrenz" bedroht, alternativ versuchte man mich für eine "Zusammenarbeit" zu locken bzw. dort ist eben das "Schwedische Modell" implementiert und der Markt wird zu 95% über Banden organisiert, die die Frauen ins Land schleusen. Inwieweit die Frauen selbstbestimmt arbeiten oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Nur, dass sie in den Strassen und eigens angemieteten Apartments/ Terminwohnungen arbeiten und nach wie vor durch die Städte touren.
Die wenigen selbständig werkelnden norwegischen Frauen arbeiten im Regelfall alleine und sind mehr Übergriffen, Drohungen ausgesetzt, ähnlich England. D.h. Bordelle/Terminwohnungen bieten tatsächlich einen gewissen Schutz wie auch Agenturen, die gut arbeiten Covering, die einem die Spackos vom Hals halten. Fake-Buchungen und Stalking etc. sind hauptsächlich Independents ausgesetzt, die selbstbestimmt werkeln. Aufgrund meiner eigenen Bordell- und Gangbang-Party Erfahrungen in früheren Jahren weiss ich, daß ähnlich Flatrate-Vögeln die Einkünfte in keinem vernünftigen Verhältnis zu der "Arbeit" stehen, weshalb ich das bei allem Spass und Verdienstchancen auch eingestellt habe und mich doch manchmal danach zurück sehne, wenn ich manch teuer bezahlte Escort-Erfahrung - in jeder Hinsicht - Revue passieren lasse, aus der ich immerhin lernen durfte, die Auswahl von Kunden zu verfeinern. Ich empfand/empfinde manche Grenzüberschreitungen im Escort gravierender für meine Gesundheit denn Bordell-Erfahrung mit mehreren Kunden täglich. So oder so können noch die best gemeintesten Gesetze die Bedingungen und Risiken nicht abstellen, unter denen man am meisten zu leiden hat, insbesondere, wenn man selbständig arbeitet.

Die überwiegende Mehrheit der im Bordell oder Terminwohnungen werkelnden Frauen macht es ja nur, weil ihnen dadurch ein regelmässiges Einkommen Tag/Woche beschert ist, was als Independent Escort eben überhaupt nicht gilt. Ich kann nur aus meiner Erfahrung sprechen, auch aus Erkenntnissen, die ich aus Gesprächen mit Kolleginnen im Escort-Segment gewonnen habe.

Wenn ich mich bzgl. politischen Lobbyings bemühen würde, mich für selbstbestimmte Sexworker stärker einzusetzen, spiele ich aber indirekt der Betreiberfraktion in die Hände, was mir moralisch-ethisch gar nicht passt, nicht nur als Konkurrenz, die sich für meine Belange umgekehrt nicht schert, sondern auch im Sinne, dass sie "mitverdienen" an einer intimen Tätigkeit zwischen zwei Menschen, sie die Preise wie in Berlin extrem niedrig gestalten, Preispolitiken, die grösstenteils von den Kunden gerne angenommen werden. Die Mehrheit der Klientel ist auf Clubs, Bordelle, Agenturen konzentriert, die wiederum eine stärkere Marktmacht haben, breiter und gezielter Werbung streuen können, während Independents eine vergleichsweise schwierige Marktstellung haben, teils nur durch Zufall gefunden werden und im Vergleich zu Mitkonkurrentinnen als zu hochpreisig für Berliner Verhältnisse empfunden werden (für manch vollmundige Konkurrentin als Zitat: "zu billig"), hinzu kommt die Steuerlast bei rechtmässiger Anmeldung sowie weitere Kosten der selbständigen Krankenversicherung und Altersversorgung. Viele entziehen sich den Pflichten, weil ihnen aus ihren Augen kaum gesellschaftliche Vorteile gegenüber stehen.

Auch wird man weniger gebucht, wenn man sich als SW-Aktivistin zu erkennen gibt (dies haben mir Männer persönlich geschrieben), was mir jedoch egal ist. Männer, die ins Bordell gehen, ist die politische Seite meist auch Wurscht, auch ob die Frau angemeldet ist oder sich für politische Belange u.a. einsetzt, Hauptsache sie ist verfügbar.

Die Mehrheit der Sexworker aus allen Sparten des Gewerbes will von Politik nix wissen, solange der Rubel rollt, also in ihrem Namen kann ich, können wir politische Aktivisten überhaupt nicht sprechen. Im Grunde kann man Fragen wie Zwangsuntersuchungen, traumatisierende Übergriffe durch Kunden und staatliche Behörden, Polizei wirklich nur mit menschenrechtlich begründeten Forderungen in Zusammenhang bringen; die Relation Einkommen/Flatrate Dings liegt in der Entscheidungsgewalt jeder selbstbestimmt werkelnden Sexworkerin, Preispolitik kann in einem freien Markt nicht reguliert werden.
Zuhälterei findet mehr im privaten statt und ist damit überhaupt nicht kontrollierbar.
Der als überarbeitungsbedürftig bezeichnete strafrechtliche Teil des ProstG, wird ja damit begründet, daß Polizei, Behörden nicht eigeninitiativ bei Verdachtsfällen von Zwangsprostitution handeln können, sondern nur weisungsbefugt und das mit einer Anzeige der jeweils betroffenen Sexworkerin, ob Druck durch den deutschen Ehemann oder Sklaverei und Druck durch Schleuser/Kriminelle und der dann als "Betroffene" die Ausweisung droht und Gewaltandrohung, auch gegenüber der Familie, weshalb natürlich viele den Mund halten und weiter halten werden. Genau an diesem Punkt kann der vorgelegte Entschliessungsantrag überhaupt nichts verbessern.

Denn sog. "Zwangsprostitution" ist streng genommen gar keine Prostitution im Sinne selbstbestimmter Sexarbeit, also Erwerbstätigkeit, sondern Sklaverei, der man mit politischen Willen höchstens durch strikte Anwendung des geltenden Strafrechts habhaft werden kann. Die Vermischung von Sex-Sklaverei und Prostitution ist das Hauptproblem, dem man nicht durch Reglementierung sog. Prostitutionsstätten habhaft werden kann. Bzgl. Flatrate: wenn eine Sexarbeiterin in die Arbeits-/Preiskonditionen einwilligt, mag es auch den Wert von Sexarbeit schmälern, so kann ihr auf dem freien Markt kein Strick daraus gedreht werden, wenn sie unter diesen Bedingungen, in die sie zugestimmt hat anschafft und mit ihrem Tageslohn zufrieden ist. Dies ist ihre ganz persönliche Entscheidung und wer will sie also wovor schützen, wenn sie sich nicht als Opfer, sondern als mündiges Subjekt sieht?! Natürlich wundere ich mich nicht über die initiierenden Länder des Entschliessungsantrags, federführend Baden-Württemberg, wo die sog. Flatrate-Bordell-Medienkampagne entfacht wurde.
Bezüglich der verurteilten Geschäftsführerin, die wahrscheinlich als Strohmann eingesetzt war und wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde: dies ist ein völlig anderes Delikt, was durch eine Novellierung des ProstG nicht unterbunden werden kann, sondern nur durch strikte Anwendung geltender Gesetze; dies wurde ja auch getan.

Bzgl. Kondompflicht/Sperrbezirksverordnungen: das Beispiel Bayern zeigt, daß trotz eindeutiger Gesetzlage die Klientel das nicht schrickt, sondern mehrheitlich einfordert, FO quasi selbstverständlich ist, und Frauen, die 100% safer anbieten das Nachsehen haben und kaum einen ertragreichen Lohn zum selbständigen Lebensunterhalt allmonatlich zusammenkriegen, ggf. Leistungen zum Lebensunterhalt zusätzlich beantragen müssen, wenn es ihnen denn gelingt, ihr Gewerbe zu registrieren, was kommunal verschiedentlich gehandhabt wird und viele in die Illegalität treibt, selbst wenn sie diesen Job offiziell ausüben wollen.
Insofern schrickt auch eine Kondompflicht nicht.

Ich frage mich also, welche Sau hier wirklich durchs Dorf getrieben wird und auf welcher Wissensgrundlage. Offenbar die Sau, also Liga, die Prostitution mit Sklaverei interessengeleitet vermischt und die insinuierte "Freiwilligkeit" einer selbstbestimmten Sexarbeit nicht nur leugnet, sondern zum "Mythos" erklärt.

Mit den Massnahmen, die der Entschliessungsantrag ins Auge fasst, ist im übrigen keiner Sexworkerin geholfen, wenn sie denn Opfer von Zwang und Ausbeutung wird, geschweige die staatliche Gewalt, die Menschenrechtsverletzungen tatsächlich verursacht, dies fällt unter dem Tisch und wird schlicht geleugnet und nur über diese Punkte braucht man eigentlich diskutieren. Meine Meinung.
Sorry, etwas lang geworden.

liebe grüsse
Ariane
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Beitrag von ehemaliger_User »

Es bedarf doch "nur" einer entsprechenden Änderung der Steuergesetze, um Sexdienstleister als Freiberufler ohne Gewerbeanmeldung einzustufen.

Hat doch auch sehr pragmatische Gründe: Sehr viele Frauen, die in Bordellen (Clubs, Laufhäuser, Terminwohnungen) arbeiten wechseln ständig ihren Arbeitsort (und oft auch das Bundesland). Soll an jedem Ort ein Gewerbe angemeldet werden? Reisegewerbeschein?

Meiner Meinung nach müssten die Leistungen auch umsatzsteuerfrei bleiben, oder höchstens mit 7 % veranlagt werden (Sex ist ein Grundbedürfnis!).

Der Nebensatz "Flatratekalkulation" zeigt doch, was die Landesregierung Baden-Württemberg tatsächlich will: Eine Handhabe gegen "all you can fuck", es ist Wahlkampf in Baden-Württemberg und die CDU braucht wegen Stuttgart 21 alle konservativen/pietistischen Wähler.

Zum Thema "Zuhälter": Viele Frauen haben Angst vor dem Alleinsein, sind verliebt, finanzieren "ihren" Mann. Was soll da eine Registrierung nutzen?

Ich habe noch nie gehört, dass Frauen kriminalisiert werden, wenn "ihre" Männer durch harte Arbeit ihnen ihren kompletten Verdienst überlassen. Wie viele "solide" Frauen werden von ihren Männern verprügelt, müssen Geld verdienen damit der "Herr" was zum Saufen hat - diese Frauen werden doch auch nicht kriminalisiert oder überwacht.

Ariane: Gute Abhandlung. Kannste den Text nicht an "Spiegel" oder "Süddeutsche" verkaufen?
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Beitrag von fraences »

Hallo, ich denke es wäre schon wichtig, die Definition Prostitutionsstätte zu formulieren.
Ab wann wird es als Bordellähnliche Betrieb gesehen, von welchen Kriterien hängt es ab?
Bedenke das Laufhäuser die in der Nachkriegszeit entstanden sind, mit dem Ziel die Prostitution so unter Kontrolle zu bekommen und deren Kasernierung zufolge hatte, den blödsinnigen juristischen Namen noch heute gibt Dirnenwohnheim haben.
Die Einteilung Wohnungsprostitution , wo 2-3 Frauen arbeiten andere Auswirkungen und Möglichkeiten bieten im Mischgebiet oder allgemeine Wohngebiet als ein großes FKK-Betrieb ,Großbordell oder Nightclub.
Die Idee Freiberuflich ist der denkbar realistische Weg.Doch da befürchte ich, das unsere liebe Staat sich Sorge um ihren Einnahmen machen werden.

Liebe Grüße
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Beitrag von annainga »

freiberufliche tätigkeit hat den vorteil der niederlassungsfreiheit. einzeln oder zu zweit tätige können arbeiten, wo sie wollen. ein größerer betrieb, wird baurechtlich anders bewertet, und darf sich nur außerhalb von wohngebieten niederlassen. Also beispielsweise ein einzeln tätiger anwalt darf im wohngebiet tätig sein, eine anwaltskanzlei mit mehreren anwälten muss die baurechtsordnung (außerhalb des wohngebiets) beachten.

ich denke allein die niederlassungsfreiheit verhindert die freiberufliche einschätzung von prostitution. leider, es löste einige probleme und die form der prostitution, nämlich wohnungsprostitution, die anerkannterweise eine sehr niedrige kriminalität hat, würde gestärkt.

lieben gruß, annainga

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RE: Bundesratsvorlage zum ProstG

Beitrag von Jupiter »

Ja Ariane, wir wissen nicht, welche Sau momentan durchs Dorf getrieben wird.

Wir wissen, dass diese Bundesratsinitiative von den Südländern initiiert wurde. Bei dem allgemeinen Begriff "Prostitutionsstätte" geht bei mir die Warnlampe an.
Sollen die "Münchener Verhältnisse" bundesweit eingeführt werden, indem sogar Hotelzimmer darin eingeschlossen werden und dies durch Scheinfreier kontrolliert wird.

Bordelle und ähnliche Einrichtungen werden von den Kommunen über das Baurecht kontrolliert. Diese können nur Betreibergesellschaften mit den entsprechenden finanziellen Möglichkeiten realisieren.

Ich möchte gerne weiter eine SW-Muse, welcher als Einzelperson das geforderte Honorar zusteht, aber nicht irgendwelche Gesellschaften im Hintergrund mitfinanzieren.

Ich sehe die große Gefahr, dass mit Sicherheit versucht wird, die Wohnungsprostitution (Stundenzimmer) zu reglementieren, da dies sich allgemein nicht öffentlich vollzieht (dies ärgert nämlich die Vollzugsorgane). Es muss die Bundesregierung darauf aufmerksam gemacht werden, dass nicht hier die SW-Probleme liegen, sondern dass es z. B. erhebliche Probleme gibt, die SW-Tätigkeit ordentlich (ohne erkennungsdienstlicher Behandlung / Registrierung) anzumelden und damit wie jeder ordentlicher Bürger Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten.

Seien wir uns doch im Klaren, jede SW versucht sich "durchzuwursteln" unter Vermeidung jeglicher öffentlichen "Belästigung".

Gruß Jupiter
Wenn du fühlst, dass in deinem Herzen etwas fehlt, dann kannst du, auch wenn du im Luxus lebst, nicht glücklich sein.

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Beitrag von fraences »

@annainga
genau da müssen wir ansetzen, das belegt und so rüber zu bring.
Es wurde doch ein Gutachten in Berlin seinerzeit erstellt, das Wohnungsprostitution, nicht milieu und kriminalisiert mehr behaftete ist.
Kann jemand das abrufen?
Liebe Grüße
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Beitrag von annainga »

in vielen städten geht man mit wohnungsprostitution so um (hannover, düsseldorf, dortmund, köln ...). auf dem seminar grauzone II haben die behörden einheitlich betont, wie wenig kriminalität es in dieser prostitutionsform gibt. es ist also behördlich bekannt und wird in nrw bereits umgesetzt. zwar nicht geregelt und festgelegt, aber immerhin geduldet und auch formuliert in den broschüren zur prostitution in hannover und im dortmunder modell. das dortmunder modell ist sehr anerkannt, gibt es hier eine sexarbeiterin, die damit erfahrungen hat? ich selbst bin auch der meinung, dass reglementierung nicht automatisch was schlechtes ist.

lieben gruß, annainga

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

Gutachten etc. in diesem Sammelthema:
"Prostitutionskontrolle per Baurecht"

www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=27463#27463 ff.




Gewerberechtliches hier:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=70079#70079
und im SW-only

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Beitrag von annainga »

wie beurteilst du das "dortmunder modell"? @marc

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Beitrag von Marc of Frankfurt »

ich kenne es zu wenig, halte es aber für unzureichend und kein anstrebenswertes Vorbild





Nachtrag:
Dortmunder Landrecht - Kritische Anmerkungen zum 'Dortmunder Modell' einer gewerberechtlichen Reglementierung von Prostitution:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=97766#97766

Es bedarf einer Evaluation des Dortmunder Modells durch von Sexworkern beauftragte unabhängige Forscher:
www.sexworker.at/phpBB2/viewtopic.php?p=95126#95126
Zuletzt geändert von Marc of Frankfurt am 25.04.2011, 19:53, insgesamt 2-mal geändert.

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RE: Bundesratsvorlage zum ProstG

Beitrag von Ariane »

Habe mich mal erkundigt. Bezüglich der Bundesratsentscheidung hat Berlin mit NEIN votiert, der Antrag wurde mit Mehrheit angenommen.
Mich hat daraufhin der Wortlaut der Begründung aus Berlin interessiert.


DIE LINKE, die ja in Berlin mitregiert, sieht in der vorgeschlagenen Reglementierung keine Massnahmen zum Schutz der Sexworker. Das Land Berlin hat wohl aus diesen Gründen den Entschließungsantrag abgelehnt.

Folgende Begründung liegt mir dazu vor:

Entschließung des Bundesrates - Stärkere Reglementierung des Betriebs von Prostitutionsstätten Antrag der Länder
Baden-Württemberg und Saarland Drucksache 314/10

  • Votum: ABLEHNUNG


    "Der Antrag geht von der Grundannahme aus, dass die Einführung des Prostitutionsgesetzes zu einer Reduktion polizeilicher und ordnungsrechtlicher Eingriffsmöglichkeiten geführt habe. Seit der Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes wurde versäumt, entscheidende Gesetze und Verordnungen anzupassen. So konnte der Bund-Länder-Ausschuss Gewerberecht sich bis heute nicht darüber einigen, ob Prostitution als Gewerbe gilt. Insofern ist zu begrüßen, dass Baden-Württemberg seine Ablehnung aufgegeben hat und eine bundesweite Anerkennung als Gewerbe anstrebt.

    Die vorgeschlagenen Maßnahmen stehen dem Sinn des Prostitutionsgesetzes entgegen, da sie ausdrücklich auf polizeilicheKontrolle und repressives Vorgehen fokussieren. Dies ist kein geeigneter Weg, um Prostituierte vor Ausbeutung und Gewalt zu schützen.

    Zum Schutz vor Zwangsprostitution und Menschenhandel gibt es zudem die Möglichkeit strafrechtlich vorzugehen.

    Die hier vorgesehene Erlaubnispflicht und die anderen Vorgaben haben auf die Verhinderung dieser Taten voraussichtlich keinen Einfluss.


    Die Legalisierung von Prostitution voranzutreiben und aus der - immer noch bestehendenrechtliche Grauzone zu holen – ist der einzig sinnvolle Weg, um die rechtliche und soziale Lage von Prostituierten zu verbessern.

    Dazu sollte dann auch eine Anzeigepflicht nach §14 Gewerbeordnung gehören.
    Die geforderte Genehmigungspflicht ist dagegen unverhältnismäßig.

    Insbesondere da in der Ausformulierung nicht die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Fokus stehen, sondern „Belästigungen für die Jugend, die Allgemeinheit und die Umwelt“.

    Weitere wichtige Anpassungen, die die Situation der Prostituierte verbessern würden, werden in dem Antrag entsprechend nicht benannt.
    - die Streichung der Begriffe „Sittlichkeit/Unsittlichkeit“ aus dem Gewerberecht,
    - die Überprüfung der Sperrbezirksverordnung,
    - des Gaststättenrechtes,
    - der Baurechtes und
    - des Ausländergesetzes

    Prostituierte werden gleichzeitig als Opfer von Ausbeutung oder Menschenhandel und als „Schwarzarbeiterinnen“ gesehen – keinesfalls aber als selbstständige Gewerbetreibende mit entsprechenden Rechten.

    Die Vermutung der sozialversichungspflichtigen Beschäftigung ist abzulehnen.

    Das Verbot des ungeschützten Geschlechtsverkehrs durchzusetzen, ist eine Verpflichtung zu einer unmöglichen Handlung und zudem greift sie in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen unverhältnismäßig ein.

    Zudem ersetzt sie keine sinnvollen Präventionsmaßnahmen, zum Schutz der Prostituierten." [lesbarer layoutet Marc]
Danke Marc! Werde mich zukünftig um mehr Lesefreundlichkeit bemühen.



liebe grüsse
ariane
Zuletzt geändert von Ariane am 16.02.2011, 13:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Symbolische Politik

Beitrag von Marc of Frankfurt »

Großstädte sind immer fortschrittlicher als das Land (Flächenstaaten).

Heute leben erstmals mehr als die Hälfte aller Menschen in den Metropolen.

Doch der Lifestyle der Zentren ist nicht nachhaltig (Klima, Energie, Finanz, Umwelt...).

Auch der Lifestyle von Prostitution/Sexwork ist selten nachhaltig (Lebenslaufbetrachtung).

Die Angst von Bürgern und Herrschenden vor einer Prostitutions-Revolution zeigt sich in solchen Gesetzesinitiativen (Sexualkontrolle, Migrationskontrolle, Prostitutionsbekämpfung, Besteuerung...).

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RE: Bundesratsvorlage zum ProstG

Beitrag von Aoife »

Die Gewerkschaft der Polizei untestützt die Bundesratsinitiative:
http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/p110204

Was beweist, dass man davon ausgeht, dass diese sich zum Vorteil der Arbeitsbedingungen (und der finanziellen Möglichkeiten?) von Polizeibeamten auswirken würde. Angebliche Vorteile bezüglich der Verbrechensbekämpfung sind nur vorgeschoben:

Witthaut: „Eine Erlaubnispflicht mit besonderer Überwachung durch die Behörden, wie sie zum Beispiel für Spielhallen, Anlageberater, Versicherungsvermittler gilt, würde dazu beitragen, das Verhältnis von Prostituierten und Bordellbetreibern zur Polizei zu normalisieren.“ Zudem könnten milieutypische Straftaten leichter aufgeklärt, die Transparenz des Milieus erhöht und eine funktionierende und dauerhafte Vertrauensbasis zwischen Prostituierten, Bordellbetreibern, Polizei und Ordnungsbehörden geschaffen werden.

Offensichtlich hält Herr Witthaut polizeiliche Bevormundung für ein "normales Verhältnis" seiner Organisation zum Bürger. Aus Bürgerperspektive ist das genau umgekehrt, wir wünschen uns eine Polizei, die nicht wegen dem Beruf vorverurteilt - Herr Witthaupt sabotiert mit seiner Aussage jeden Normalisierungsversuch.

Zu glauben, die durch die traditionellen und unter Mißachtung des Geistes des deutschen ProstG's anhaltenden Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und sogenannte "Ordnungsbehörden" zerstörte Vertrauensbasis sei durch ein aggressives Weitergehen in diese falsche Richtung zu reparieren, ist im günstigsten Fall hochneurotisch. Wenn solche Äußerungen jedoch von einer Gewerkschaft kommen, so ist eher zu befürchten, dass es gar nicht um die genannten Ziele geht, sondern dass hier mit kaltem Kalkül (vermeintliche) Interessen der Gewerkschaftsmitglieder zum Schaden der Gesamtbevölkerung forciert werden sollen.

Liebe Grüße, Aoife
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