Branche Korruption, OK, Wirtschaftskriminalität:
„Wir werden den Kampf sicherlich nie gewinnen“
Rund 120 Milliarden Euro gehen der Europäischen Union nach Einschätzung von Cecilia Malmström pro Jahr wegen korruptiver Machenschaften durch die Lappen.
Das gab die EU-Innenkommissarin jüngst bei der Präsentation einer Initiative für den Kampf gegen die Korruption in Brüssel bekannt. Hierzulande hat sich die Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (GfW) der Problematik angenommen und zwei Experten zum Thema „Eine Hand wäscht die andere“ zu Wort kommen lassen. Deren Fazit: „Wir werden den Kampf sicherlich niemals gewinnen.“
Die 120 Milliarden Euro EU-Verlußte entsprechen nach Angaben der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström nahezu dem Betrag des jährlichen EU-Budgets.
Bei öffentlichen Aufträgen versickerten rund 25% der Kosten wegen Bestechung.
„Es gibt in Europa keine korruptionsfreie Zone“, erklärte die Kommissarin.
Besonders mit Blick auf die organisierte Kriminalität stelle Korruption ein großes Problem dar. Sie gehe mit Schmuggel, Drogenhandel, Prostitution und Erpressung einher. Dabei ist die von Malmström genannte Schadenssumme anderen Experten zufolge „noch konservativ geschätzt“. Nach Darstellung der Organisation Transparency International (TI) belegt die EU auf der Rangliste der korruptesten Länder der Welt Rang 30, in unmittelbarer Nähe von Botsuana und Puerto Rico.
Die GfW-Referenten Dennis Schwarz (Berlin) und Denny Müller (Hannover), beide Mitglieder der TI-Organisation, die sich vornehmlich mit der Korruptionsanfälligkeit von Staaten beschäftigt, stellten im Hotel Bad Minden ihren umfangreichen Ausführungen ein Zitat voran aus dem 5. Buch Mose 16. Kapitel.
- „Du sollst das Recht nicht beugen und sollst auch die Person nicht ansehen und keine Geschenke nehmen;
denn Geschenke machen die Weisen blind und verdrehen die Sache der Gerechten“
Eine aktuelle Sprachregelung von Transparency International definiert Korruption als den „Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“. Das Bundeskriminalamt formuliert ein wenig ausführlicher, aber in etwa sinngleich.
Schauplätze der Vorteilsnahmen und -gewährungen sind überwiegend die Wirtschaft und die Öffentlichen Verwaltungen. Hier drohen zwar bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe, der Kampf gegen Bestecher und Bestechliche wird indes mit einem relativ stumpfen Schwert geführt. Was nach den Schilderungen von Schwarz und Müller mehr oder weniger in der Natur der Sache liegt.
Korruption kenne nur Täter aber keine natürlichen Opfer, gehe heimlich über die Bühne und ziehe kaum Anzeigen nach sich. Und: „Es gibt keinen typischen Korruptionstäter, den man wie den Räuber Hotzenplotz auf Anhieb erkennen könnte.“ Aus dieser Konstellation erwachse ein Dunkelfeld von geschätzten 95%.
Dass der Schaden allerdings enorm sei, stünde außer Frage. Die Experten: „Ohne Korruption könnte ein um 6% höheres Durchschnittseinkommen erzielt werden.“
Bei der Bekämpfung kommt, wie die GfW-Gäste anhand mehrerer Exempel ausführten, erschwerend hinzu, dass in der Vergangenheit gefällte Gerichtsurteile oft eine wenig abschreckende Wirkung erzielten. Häufig würden Verfahren eingestellt, die Taten lediglich mit Geld- oder Bewährungsstrafen geahndet. Wie beispielsweise in dem unter der Schlagzeile „Bundesliga-Stars kaufen sich ihren Führerschein“ bekannt gewordenen Fall, in dem sämtliche Strafen zur Bewährung ausgesetzt wurden. Schwarz und Müller: „Das Korruptionsrecht ist sehr schwierig; man weiß nie, was am Ende herauskommt.“
Gleichwie habe sich in den zurückliegenden Jahren einiges zum Besseren gewendet. TI setzt nach wie vor auf ein Zusammenspiel von Prävention, Repression, Selbstverpflichtung und Öffentlichkeit. Wobei der Öffentlichkeit die Hauptrolle zufalle. „Die Transparenz ist unser wichtigster Helfer“, unterstrichen die Spezialisten. Dass in der Korruptionsrangliste, in der Deutschland zumeist auf den Plätzen 14, 15 oder 16 zu finden ist, die skandinavischen Länder stets ganz oben rangieren, könne nicht zuletzt auf das dort sehr breite Informationsfreiheitswesen zurückgeführt werden. In Schweden etwa sei es völlig normal, die Steuererklärung seines Nachbarn einzusehen.
Interessantes Randdetail der Schmiergeld-Branche: Bislang ist TI-Informationen entsprechend in Deutschland nicht eine einzige Frau auffällig geworden.
www.landes-zeitung.de/portal/lokales/lz ... 42566.html
www.schaumburger-zeitung.de/portal/loka ... 42566.html
[hervorhebungen Marc]